Nach den ersten geglückten Missionen ins Weltall rückte der Mond in den Fokus der Raumfahrt. Jetzt galt es, dem noch immer mysteriösen Erdtrabanten so nahe wie möglich zu kommen und einige seiner Geheimnisse zu lüften. In dieser Story erfährst du, welcher der beiden Weltmächte dies gelang und was es auf der dunklen Seite des Mondes tatsächlich zu sehen gab.
Heiligabend 1968. Die Menschen bereiten sich auf ein besinnliches Fest vor, packen die letzten Geschenke ein, schmücken die Weihnachtsbäume. Hunderttausende Kilometer von der Erde entfernt nähern sich währenddessen drei mutige Männer dem Mond. Seit mehr als 60 Stunden sind Kommandant Frank Borman, Bill Anders und Jim Lovell im All unterwegs. Nur noch wenige tausend Meter trennen sie vom Mond. Sehen aber können sie ihn nicht. Ihr Blick ist auf die immer kleiner werdende Erde gerichtet, denn das Raumschiff nähert sich seinem Ziel rückwärts, es fliegt mit dem Antrieb voraus. Und dass muss es auch, damit es durch die Zündung der Triebwerke rechtzeitig abgebremst wird. Es ist das entscheidende Manöver. Und ausgerechnet das muss hinter dem Mond stattfinden. Die Raumfahrer müssen erst am Mond vorbeifliegen und auf dessen Rückseite abbremsen, um in die Mondumlaufbahn zu gelangen, den Lunar Orbit. Das Problem: Im Schatten des Mondes wird es keinen Funkkontakt zur Erde mehr geben. Dort sind sie außerhalb des Einflusses der Bodenkontrolle auf sich allein gestellt. Wenn alles klappt, werden sie nach knapp 30 Minuten wieder Kontakt zur Erde haben. Ja, wenn ... In der Zwischenzeit aber ist jeder Fehler einer zu viel. Nichts darf schiefgehen. Am 24. Dezember 1968 um 4 Uhr 49 verschwindet Apollo 8 hinter dem Mond, der Funkkontakt reißt ab. Die Stille ist total.
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Jetzt runterladen!Der Mond zeigt den Menschen auf der Erde zu jeder Tages- und Nachtzeit dasselbe Gesicht. Denn er braucht für eine Drehung um die eigene Achse exakt so lange wie für die Umdrehung der Erde. Astronomen nennen dieses Phänomen „gebundene Rotation“. Der Mond hat sich im Lauf der Zeit an die Rotation der Erde gebunden und wendet ihr daher immer dieselbe Seite zu. Stellen wir uns vor, wir würden uns um einen Stuhl in der Mitte eines Raumes bewegen. Sind die Augen dabei stets auf den Stuhl gerichtet, drehen wir uns zwangsläufig bei der Umrundung einmal um die eigene Achse.
Wie aber mag sie aussehen, the dark side of the moon – die dunkle Seite des Mondes? Seit Urzeiten stellt sich die Menschheit diese Frage. Zwar sind Teile der Mondrückseite knapp zehn Jahre zuvor von einer sowjetischen Mondsonde mit Funkbildern erfasst worden, doch hatte bisher noch kein Mensch mit eigenen Augen diese verborgenen Landschaftsformen zu sehen bekommen. Eine neue Mission des US-amerikanischen Raumfahrtprojekts Apollo soll das nun ändern. Mit dieser Mission wollen die USA nicht nur die Raumfahrt revolutionieren. Die Regierung im Weißen Haus will der ganzen Welt die Überlegenheit der USA gegenüber der Sowjetunion demonstrieren – auch in den endlosen Weiten des noch unerforschten Weltraums. Beide Supermächte liefern sich seit Jahren einen schonungslosen Wettbewerb um die Eroberung des Alls, wobei die Sowjets stets die sprichwörtliche Nasenlänge voraus sind. Ihnen war 1961 mit Wostok 1 der erste bemannte Flug in den Weltraum gelungen, die USA konnten erst Wochen später mit der Mission „Mercury-Redstone 3” nachziehen. Seitdem suchen sie nach den passenden Technologien und Verfahren. Dem Mercury-Programm folgt Gemini, das zweite bemannte Raumfahrtprogramm der Vereinigten Staaten. Die dort gesammelten Erfahrungen sollen den nächsten Meilenstein der Raumfahrt vorbereiten: das Apollo-Programm. Werden es die Amerikaner schaffen, vor den Sowjets den Mond zu betreten?
Am 22. Dezember 1966 stellt die US-Raumfahrtbehörde NASA die Besatzung von Apollo 8 vor: die Astronauten Frank Borman, Michael Collins und William A. Anders. Die Aufgabe dieser mittlerweile dritten bemannten US-Weltraummission soll eigentlich darin bestehen, die Apollo-Mondlandefähre „Lunar Module” in einem besonders hohen Erdorbit zu erproben. Doch die Vorbereitungen geraten ins Stocken. „Lunar Module” weist eine ganze Reihe technischer Kinderkrankheiten auf und wird zum geplanten Starttermin nicht einsatzbereit sein. Und aus der Crew muss Michael Collins wegen gesundheitlicher Probleme ausscheiden. Er wird durch James A. Lovell jr ersetzt.
Unterdessen überlegen die NASA-Ingenieure hin und her, wie sie doch noch eine erfolgversprechende Mission auf die Beine stellen können. Viel Zeit haben sie nicht, denn der Geheimdienst CIA warnt bereits, dass auch die Sowjets den Start einer eigenen Mondrakete vorbereiten. Welche Blamage, wenn die Russen auch bei der Mondlandung die Nase vorn hätten! Einige Tage später entscheiden sich die Amerikaner, den Mondflug nicht mit der noch zu unausgereiften Mondlandefähre durchzuführen, sondern mit der „Saturn V”, konstruiert und gebaut unter der Leitung des deutschen Raketentechnikers Wernher von Braun.
Die „Saturn V” ist die (bis heute!) größte und leistungsstärkste Trägerrakete der Raumfahrtgeschichte und wird bis Ende 1972 in neun weiteren Apollo-Missionen zum Einsatz kommen. An der Spitze der insgesamt mehr als 100 Meter hohen Rakete sitzt das eigentliche Apollo-8-Raumschiff. Es misst elf Meter, ist knapp vier Meter dick und besteht aus zwei Teilen: dem Servicemodul mit Triebwerk, Tanks und Stromversorgung sowie dem gut drei Meter hohen Kommandomodul. In ihm befindet sich der Aufenthaltsbereich der Astronauten, außerdem die Geräte für Steuerung und Kommunikation sowie allerlei wissenschaftliche Instrumente.
Drei Tage vor Heiligabend im Jahre 1968 dann ist es soweit. Die ganze Welt schaut nach Florida. Um 7:51 Uhr Ortszeit hebt die Apollo-Rakete mit einem ohrenbetäubenden Donnern vom Kennedy Space Center ab. An Bord drei mutige Männer: James Lovell, Frank Borman und Bordingenieur William Anders waren für diese Mission ausgewählt worden. Bevor es nach dem Start aber Richtung Mond geht, umkreisen die drei Männer zunächst zweimal die Erde. Dabei werden noch einmal gründlich die Systeme des Raumschiffs überprüft. Dann aber, an Heiligabend des Jahres 1968, ist Apollo 8 dem Mond ganz nah. Die Zündung der Triebwerke auf der Rückseite des Mondes funktioniert ohne Komplikationen und das Raumschiff erreicht die Mondumlaufbahn. Als erste Menschen überhaupt sehen die drei amerikanischen Astronauten die von der Erde abgewandte Seite des Mondes – die oft auch als die „dunkle Seite des Mondes“ bezeichnet wird. Fälschlicherweise übrigens, denn tatsächlich wird sie genauso oft von der Sonne angestrahlt wie die uns vertraute Seite des Himmelskörpers. Die Worte, die James Lovell, Pilot im Command module, beim Blick auf den Mond aus einer Entfernung von knapp 100 Kilometern per Funk zur Bodenstation dann sendet, sind legendär: „Okay, Houston. Der Mond ist im Wesentlichen grau, keine Farben. Sieht wie Gips aus oder wie gräulicher Strandsand. Wir können sehr viele Einzelheiten sehen.“
Nie zuvor sind Menschen dem Erdtrabanten näher gekommen. Und das dokumentieren die Astronauten auch auf zahlreichen Fotos. Darunter ist auch eine der wohl bekanntesten Aufnahmen des 20. Jahrhunderts. William Anders’ Fotografie mit dem Titel „Earthrise“ – was auf Deutsch Erdaufgang bedeutet – zeigt die Erde mit ihren strahlend blauen Ozeanen, lehmfarbenen Landflächen und leuchtend weißen Wolkenbänken über dem Mondhorizont. Und genau während dieses grandiosen Schauspiels, bei dieser völlig neuen und faszinierenden Perspektive auf die Erde in ihrer Einzigartigkeit im Universum erfasst die Sprachaufzeichnung an Bord die Reaktion des völlig überwältigten Frank Borman: „Oh mein Gott! Seht euch dieses Bild da an! Hier geht die Erde auf. Wow, ist das schön!“
In sechs Live-Übertragungen im Fernsehen schildern die Astronauten ihre ergreifenden Eindrücke an Bord des Raumschiffs, ihre Kameras bannen überwältigende Bilder auf Farbfilm und Schwarzweiß-Aufnahmen: vom Mond, von der Erde, von den Bordsystemen und nicht zuletzt auch von den Astronauten in der Schwerelosigkeit des Alls. Andächtig rezitieren die drei Männer am 24. Dezember 1968 zu den packenden Bildern von der Mondoberfläche die ersten Zeilen der biblischen Schöpfungsgeschichte. Sie beginnt mit den Worten: „Am Anfang schuf Gott Himmel und Erde.“ Die außergewöhnliche Weihnachtsbotschaft aus dem Weltall berührt Millionen Fernsehzuschauer. Es ist die bis dahin meistgesehene Fernsehübertragung der Welt.
Ganze zehn Mal kreist Apollo 8 um den Mond. Dann beginnen die aufwändigen Vorbereitungen für die sichere Rückkehr zur Erde. Nach sechs Tagen und drei Stunden am landet Apollo 8 am 27. Dezember südlich von Hawaii im Pazifik. Ein Militärhubschrauber nimmt die Astronauten auf und bringt sie gesund und wohlbehalten an Bord des Kriegsschiffs USS Yorktown. Auch die Landekapsel wird geborgen. Das gewagte Unternehmen ist geglückt, die Mission erfüllt, der Jubel in den USA ist grenzenlos. Für die Vereinigten Staaten ist dieses Ereignis ein ganz besonderes Weihnachtsmärchen, mit dem das Jahr 1968 doch noch ein unerwartet hoffnungsvolles Ende nimmt. Denn der fortdauernde Krieg in Vietnam und die im selben Jahr verübten Morde an dem Bürgerrechtler Martin Luther King und dem Präsidentschaftskandidaten Robert F. Kennedy hatten das Land vor eine gewaltige Zerreißprobe gestellt. Die Apollo-Mission sorgt endlich wieder für gute Nachrichten. Für den großen Gegenspieler Sowjetunion ist sie hingegen ein Albtraum. Als Reaktion auf den amerikanischen Weltraumflug streichen die Machthaber in Moskau die geplanten Investitionen für das eigene Mondprogramm radikal zusammen. Ihnen ist in diesen Tagen klar geworden: Die USA haben sich im Weltraum durchgesetzt.
Die Amerikaner aber wollen mehr. Nach der geglückten Mission tüfteln Wissenschaftler und Techniker des US-Weltraumprogramms weiter an ihrem Ziel, dem bis dahin größten Abenteuer in der Geschichte der Menschheit. Aber ist die Zeit schon reif für den ersten Schritt eines Menschen auf den Mond? Diese Frage wird Apollo 11 beantworten. Neil Armstrong und Buzz Aldrin werden die ersten Menschen auf dem Mond sein.
Zusammenfassung
Der US-Raumfahrtmission Apollo 8 gelang am 24. Dezember 1968 erstmals die Umrundung des Mondes.
Zum ersten Mal sahen Menschen die Rückseite des Mondes. Einige der Fotos, die die Astronauten während der insgesamt 10 Umrundungen aufnahmen, wurden weltberühmt. So etwa die aufgehende Erde (Earthrise), die William Anders am 24. Dezember 1968 fotografierte.
Der Erfolg der Apollo-8-Mission beflügelte weitere Weltraumprojekte der USA. Für die Sowjetunion war der US-Erfolg hingegen ein Desaster. Sie strich ihr eigenes Mondprogramm radikal zusammen.
Teste dein Wissen im Quiz
Richtige Antworten:
1. B) Apollo 8
2. C) 3
3. D) Weihnachten 1968
4. A) Etwa 6 Tage
5. B) Florida
6. C) Grau