Lässt sich das große Glück erspielen? Getrieben von der Hoffnung auf das Glück ihres Lebens verlieren sich die beiden Freunde Arthur und Victor im Sog ihrer Spielsucht. Nach dieser Story weißt du, welches traumatische Erlebnis der Autor Arthur Adamov in seinem absurden Theaterstück „Le Ping Pong“ verarbeitet hat.
Plingpling. Dingdongklong. Die Kugel jagt von einem Hindernis zum anderen, zack, kullert nach unten. Bing! Gerade noch erwischt. Victors Puls rast, sein Atem stockt. Jetzt bloß nicht denken, sondern eins sein mit der blitzblanken Flipperkugel. Mit diesem sensiblen, glückverheißenden Geschoss.
Arthur spürt die Anspannung seines Freundes, den vertrauten Rausch des Adrenalins. Er beobachtet, wie Victor gleichsam mit dem Automaten verschmilzt, hypnotisiert vom Klicken und Klackern, losgelöst von Zeit und Raum. Doch gleich wird er scheitern, er wird die Kugel durchrauschen lassen. Und dann hat Arthur es in der Hand. Das Plingpling ins Glück.
Mit einem zackigen Klack prallt die Kugel ab und saust nach unten. Ein verdammt schwieriger Winkel. Doch Victor hat den Automaten im Griff, katapultiert die Kugel hoch hinauf, und das Spiel geht weiter. Noch ist Arthur nicht an der Reihe. Aber gleich ist es soweit. Gleich hat er wieder die Finger am Drücker.
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Jetzt runterladen!Der hypnotische Sog des Flipperautomaten treibt die Handlung von Arthur Adamovs „Le Ping Pong“ voran. Die beiden Freunde sind dem Flipperspiel verfallen und damit der Illusion, ihr Glück zu machen, indem sie den Automaten bezwingen. Entsprechend fasziniert sind sie von dem geheimnisvollen Konsortium, das die Geräte vertreibt und aufstellt. So werden der Automat wie auch die Organisation mit deren mächtigem Chef zum Zentrum all ihres Tuns. Überzeugt davon, das Glück zu fassen zu kriegen, sobald sie den nächsten Rekord knacken, verlieren Arthur und Victor das Leben aus den Augen. Bis sie endgültig scheitern. Auch in der Liebe. Es gelingt ihnen einfach nicht, sich dem Strudel des Glücksspiels – diesem zermürbenden, von Hoffnung getragenen Kreislauf aus Gewinnen und Verlieren – zu entziehen. Jahr um Jahr, Jahrzehnt um Jahrzehnt am Flipperautomaten vergeht, ohne dass Arthur und Victor ihn bezwingen. Einziger Gewinner ist die Glücksspielindustrie.
Am Ende des Stücks, das 1955 in Paris uraufgeführt wurde, spielen die beiden gealterten Freunde wie eh und je. Bei einer Partie Tischtennis fachsimpeln sie über Spielregeln und die richtige Feldeinteilung. Doch was Lebensglück ausmacht, bleibt ihnen ein Rätsel. Haben sie ihr Leben womöglich verspielt? Bevor diese Frage beantwortet wird, bricht Victor zusammen. Mitten im Spiel.
Für Arthur Adamov war das Leben alles andere als ein Spiel. Und sein eigenes Leiden ist so eng mit seinem dramatischen Werk verwoben wie bei wohl keinem anderen Autor des Absurden Theaters.
Er wurde 1908 in Kislowodsk im Nordkaukasus geboren, seine Eltern waren armenischer Herkunft. Als Arthur sechs Jahre alt war, brach der Erste Weltkrieg aus. Die bis dahin wohlhabende Familie, inzwischen aus dem zaristischen Russland ins Kaiserreich Deutschland umgesiedelt, musste Repressionen fürchten und floh weiter in die Schweiz. Von den Einheimischen als Ausländer abgelehnt, von der Mutter eingeengt, von der Schwester tyrannisiert, hätte der Junge jetzt Halt beim Vater gebraucht. Doch der war mit sich selbst und seiner Spielsucht beschäftigt, trieb die Familie in den Ruin und nahm sich schließlich das Leben. Arthur fühlte sich ausgeschlossen, regelrecht abgespalten von seinen Mitmenschen. Das sollte seine Psyche zeitlebens belasten, bis zu seinem eigenen Selbstmord im Jahr 1970.
1922 kehrte Arthur Adamov der Familie den Rücken und zog nach Frankreich. Die Hauptstadt Paris wurde seine neue Heimat. Dort faszinierten ihn vor allem die surrealistischen Autoren. „Surrealismus“ bedeutet wörtlich: sur, also „über“ der Realität. Diese Kunstbewegung, die zwischen den beiden Weltkriegen entstand, wollte die Grenzen zwischen Bewusstem und Unbewusstem auflösen. Die brutale Wirklichkeit aber lud nicht nur die Surrealisten dazu ein, ins Absurde, Traumhafte und Fantastische zu flüchten. Auch der von Neurosen gequälte Adamov ließ sich zu ersten literarischen Versuchen ermutigen. Er wurde Herausgeber einer Zeitschrift mit dem Titel „Discontinuité“ und begann, Bühnenstücke zu schreiben. Sein Frühwerk ist stark beeinflusst von Franz Kafka und August Strindberg, mit dessen eigener psychischen Krise Adamov sich identifizierte. In seinem ersten Stück „La Parodie“ schwebt eine zeigerlose Uhr auf unheimliche Weise über den Protagonisten, die sich fortwährend gegenseitig über die Zeit befragen.
Weil er sich offen gegen den Faschismus stellte und im Spanischen Bürgerkrieg auf der Seite der Republikaner kämpfte, wurde Adamov verhaftet und saß ein halbes Jahr lang im Internierungslager Argelès-sur-Mer. Die Schrecken der Lagerhaft stürzten ihn in eine tiefe Depression. In dieser Zeit begann er aber auch sein erstes autobiografisches Werk „L’Aveu“ (Das Geständnis), das er zwischen 1938 und 1943 zu Papier brachte.
Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs begann Adamov, absurde Theaterstücke zu schreiben. Damit gehört er neben Samuel Beckett und Eugène Ionesco zu den Gründern dieser Theaterrichtung, die den halt- und hilflosen, in der Sinnlosigkeit gefangenen Menschen darstellt.
Besonders gut gelingt das Arthur Adamov in seinem Drama „Ping Pong“ von 1955. Darin macht er den zerstörerischen Sog der Spielsucht zur Metapher – zu einem Gleichnis für das Leiden am fehlenden Lebenssinn und für die Unfähigkeit, stabile Beziehungen zu anderen Menschen aufzubauen. Was die Spielsucht anrichten kann, wusste Adamov nur zu gut: Sein Vater, der das gesamte Vermögen der Familie verspielt hatte, beging 1933 Selbstmord. Das 1955 uraufgeführte Stück „Ping Pong“ markiert aber auch einen künstlerischen Wendepunkt in Adamovs Leben. Denn kurz nach der Uraufführung des Werks distanzierte er sich vom Absurden Theater. In seinen späteren Werken wie „Paolo Paoli“, „Le Printemps 71“ und „La Politique des Restes“ nahm er sich nun die politischen Theaterstücke Bertolt Brechts zum Vorbild. Darüber hinaus war er ein gefragter Übersetzer der Werke von Rilke, Büchner, Gogol, Tschechow und anderen.
1968 erschien sein zweites autobiografisches Werk „L’Homme et l’Enfant“, 1970 dann sein letztes Bühnenstück „Si l’été revenait“ (Wenn der Sommer zurückkäme). Im selben Jahr starb er in seiner Pariser Wohnung an einer Überdosis Schlaftabletten.
Arthur Adamov ist unter den Pionieren des Absurden Theaters der am wenigsten bekannte und gelesene Autor – auch, weil er sich bereits früh vom Absurden ab- und dem politischen Theater zuwandte, wodurch er seine Fans vor den Kopf stieß. Wie kaum ein anderer aber hat er die Einsamkeit und Entfremdung des Menschen in Kunst umgesetzt, das ausweglose Festhalten an falschen Zielen und die Suche nach dem Sinn des Lebens, der ihm tragischerweise unzugänglich bleibt.
Ein ebenfalls alles andere als seichtes Thema hat sich der umstrittene Dramatiker Jean Genet vorgenommen: Rassismus, Klischees und Vorurteile. Schon der Titel seines Theaterklassikers ist Provokation pur: „Die Neger“.
Zusammenfassung
Das Theaterstück „Ping Pong“ von Arthur Adamov (ins Deutsche übersetzt von Elmar Tophoven) gehört zu den wichtigsten Werken des Absurden Theaters. Das notorische Spielen steht hier für die ewige Jagd nach dem Glück und die Frage nach dem Sinn des Lebens.
Der armenisch-französische Dramatiker Arthur Adamov schildert darin, wie sich die beiden Freunde Arthur und Victor in ihrer Spielsucht verlieren und an der trügerischen Hoffnung zugrunde gehen, jemals zu den Gewinnern zu gehören.
Wiederkehrende surreale Momente entfalten eine unwirkliche Stimmung. Das ist typisch für das Absurde Theater.
Das Frühwerk Adamovs ist von dessen traumatischen Erlebnissen geprägt. In Theaterstücken wie „La Parodie“ von 1947, „L’Invasion“ (1949) oder „Tous contre Tous“ (1953) thematisierte er die Absurdität der menschlichen Existenz und die Unmöglichkeit menschlicher Kommunikation.
Später wandte er sich unter dem Einfluss des Brecht’schen Werks dem politischen Schreiben zu und distanzierte sich von seinen absurden Stücken.
Weitere wichtige Werke Adamovs sind unter anderem „La Grande et la Petite Manœuvre“ (deutsch: „Appell“, 1950), „Le Professeur Taranne“ („Professor Taranne“, 1953), „Sainte Europe“ (Heiliges Europa, 1966), „M. le Modéré“ (1967), „Off Limits“ (1968), „Le Printemps 71“ („Der Frühling 71“, 1960/61).
Weiterführende Literatur: Martin Esslin, „Das Theater des Absurden“ (London 1964, deutsche Ausgabe in Rowohlts Enzyklopädie 1985/1991)
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Richtige Antworten:
1. B) Arthur Adamov
2. C) … ein Drama des Absurden Theaters
3. A) Ein Flipperspiel
4. B) Die Frage nach einem sinnvollen Leben
5. C) Mangelnde zwischenmenschliche Kommunikation
Arthur Adamov (1908–1970) gilt als einer der wichtigsten Autoren des Absurden Theaters. Seine Familie war armenischer Herkunft und suchte während des Ersten Weltkriegs Zuflucht in der Schweiz. Arthur ging als 16-Jähriger allein nach Frankreich und lebte fortan in Paris, wo er die Traumata seiner Jugend in seinem literarischen Schaffen zu verarbeiten suchte. Während sein Frühwerk vom Surrealismus beeinflusst war, ließ er sich später von den politischen Bühnenwerken Bertolt Brechts inspirieren und distanzierte sich vom Absurden Theater.
In dem Theaterstück „Ping Pong“ verfallen zwei Freunde ihrer Faszination für das Flipperspiel. Sie geben sich ihrer Sucht nach dem end- und ziellosen Glücksspiel hin und merken nicht, wie ihnen dabei das eigene Leben durch die Finger rinnt. Jahrzehnt um Jahrzehnt vergehen, ohne dass Arthur und Victor den Flipperautomaten bezwingen.
In „Ping Pong“ setzt Arthur Adamov die Frage in Szene, was ein sinnvolles Leben ausmacht. Er thematisiert das Festhalten des Menschen an falschen Zielen und die Sinnlosigkeit ihrer Bemühungen, das Glück durch das Bezwingen eines Flipperautomaten zu finden.
Das Theaterstück „Ping Pong“ berührt existenzielle Lebensfragen, Sinnkrisen und die Schwierigkeiten zwischenmenschlicher Beziehungen.
Die beiden gealterten Freunde spielen wie eh und je. Bei einer Partie Tischtennis fachsimpeln sie über Spielregeln und die richtige Feldeinteilung. Doch was Lebensglück ausmacht, bleibt ihnen ein Rätsel. Haben sie ihr Leben womöglich verspielt? Bevor diese Frage beantwortet wird, bricht Victor zusammen. Mitten im Spiel.
In dem Stück macht er den zerstörerischen Sog der Spielsucht zur Metapher – zu einem Gleichnis für das Leiden am fehlenden Lebenssinn und für die Unfähigkeit, stabile Beziehungen zu anderen Menschen aufzubauen. Was die Spielsucht anrichten kann, wusste Adamov nur zu gut: Sein Vater, der das gesamte Vermögen der Familie verspielt hatte, beging 1933 Selbstmord.