Anfang der 50er-Jahre war die Wirtschaft der DDR fest in der Hand der SED. Die Industrie war verstaatlicht und auf dem Land entstanden die ersten Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften (LPG). Alles folgte dem Kurs, den die Sowjetmacht in Moskau vorgab. Doch dann sorgte eine überraschende Todesnachricht für eine spürbare Zäsur in der Geschichte der DDR.
Ost-Berlin im März 1953. Die Stahlarbeiter aus der volkseigenen Fabrik stehen schweigend am Straßenrand – so wie Tausende andere DDR-Bürger auch, die zur großen Trauerparade in die Hauptstadt gekommen sind. Schwarz gekleidete Männer tragen ein riesiges Porträt eines schnurrbärtigen Mannes durch die Straßen, gefolgt von einem scheinbar endlosen Trauerzug. Josef Stalin, der sowjetische Partei- und Staatschef, ist plötzlich und unerwartet verstorben. Jetzt heißt es: Trauern nach Vorschrift! Insgeheim jedoch hoffen viele, dass sich das Leben in der DDR nun zum Besseren wenden würde. Andere sind da eher skeptisch. Denn sie ahnen: Auch wenn der Diktator tot ist – die Diktatur ist es nicht.
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Jetzt runterladen!Die DDR. Sie war am 7. Oktober 1949 auf jenem deutschen Staatsgebiet gegründet worden, das seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs von der Sowjetmacht kontrolliert wurde. Und genau das war auch der Grund dafür, dass sich die DDR so ganz anders entwickelte als die Bundesrepublik Deutschland. Denn die Sowjets hatten ihre eigenen Vorstellungen von Demokratie und Freiheitsrechten. Sie wollten einen deutschen Staat nach ihrem eigenen Vorbild erschaffen. Eine „Diktatur des Proletariats“, wie sie der Philosoph Karl Marx und der russische Kommunistenführer Wladimir Iljitsch Lenin in ihren Schriften propagiert hatten. Übersetzt bedeutet das: die Herrschaft der arbeitenden Menschen.
Um ihre Absicht in die Praxis umzusetzen, nutzte die sowjetische Militärverwaltung die kommunistischen Kräfte vor Ort. Zunächst wurde in der Sowjetischen Besatzungszone die Kommunistische Partei (KPD) wieder aufgebaut und dann mit der SPD zur Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED) zwangsvereinigt. Und genauso wie die Kommunistische Partei der Sowjetunion schuf sich auch die SED ein Herrschaftssystem, bei dem die Parteispitze in Berlin das gesamte politische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Geschehen der DDR bestimmte. Denn die SED kontrollierte auch die Massenorganisationen der sozialistischen Gesellschaft, angefangen von der Jugend bis hin zu den Gewerkschaften. Bald gab es nur noch den „Freien Deutschen Gewerkschaftsbund“ (FDGB) als verlängerten Arm der SED in die Betriebe. Und während die Menschen im marktwirtschaftlichen Westdeutschland die Vorzüge einer freien Parteienlandschaft, einer freien Presse und freier Wahlen genießen durften, geschah im Osten etwas ganz anderes.
Von 1950 an fanden in der DDR nur noch Scheinwahlen statt. Denn es standen keine unterschiedlichen Parteien mehr zur Wahl, sondern nur noch eine Einheitsliste aus sämtlichen Parteien und Massenorganisationen der DDR: die sogenannte „Nationale Front“. Die Kandidaten waren von „oben“ vorgegeben und natürlich hatten sie linientreu zu sein.
„Zettelfalten“, so wurden diese Scheinwahlveranstaltungen im Volksmund heimlich genannt. Denn um für die Einheitsliste zu stimmen, genügte es, den Wahlzettel einfach zu falten und in die Wahlurne zu werfen. Die Alternative war, ihn mit einem kräftigen Strich ungültig zu machen. Aber schon wer eine Wahlkabine aufsuchte, machte sich verdächtig. Und der DDR-Geheimdienst Stasi hatte die Augen und Ohren überall.
Aber – existierten überhaupt noch andere Parteien neben der Staatspartei SED? Ja, die gab es tatsächlich: Es gab die CDU, es gab eine Liberaldemokratische sowie eine Nationaldemokratische und eine Bauernpartei. Es sollte ja zumindest so aussehen, als wäre die DDR eine Mehrparteiendemokratie! Allerdings wurden diese sogenannten „Blockparteien“ von der allmächtigen SED ebenso zielstrebig in die Bedeutungslosigkeit abgedrängt wie wenige Jahre zuvor die Sozialdemokraten. Und natürlich besaß die SED nach jeder Wahl die absolute Mehrheit! Das war auch kein Wunder, denn das Wahlergebnis war ja in Form der Einheitsliste schon von vornherein festgelegt.
Bald also saßen überall SED-Funktionäre an den Schaltstellen von Politik, Wirtschaft und Gesellschaft. Ob sie fachlich geeignet waren, stand nicht zur Diskussion – es zählte einzig und allein die Linientreue zum Marxismus-Leninismus und zum großen Vorbild, der Sowjetunion. Und von dort kam auch jene Wirtschaftsstrategie, mit der die Partei- und Staatsführung den kapitalistischen Westen überholen wollte.
Einen freien Markt wie in der Bundesrepublik Deutschland gab es in der Deutschen Demokratischen Republik nicht. Ihre Wirtschaftsordnung nannte sich Sozialistische Planwirtschaft und entsprach exakt dem sowjetischen Vorbild.
Noch im Jahr vor der Staatsgründung der DDR hatte die Partei- und Staatsführung damit begonnen, starre Pläne für die gesamte Rohstoff- und Warenproduktion aufzustellen. Ab 1951 wurden diese Pläne für jeweils fünf Jahre aufgestellt. Und den Plan zu erfüllen, war im sogenannten Arbeiter- und Bauernstaat oberste Pflicht! Am besten war es natürlich, wenn er nicht nur erfüllt, sondern übererfüllt wurde! Dabei waren die wirtschaftlichen Ausgangsbedingungen in der jungen DDR denkbar schlecht. In keiner der vier deutschen Besatzungszonen waren nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs so viele Industriebetriebe demontiert und abtransportiert worden wie in der sowjetischen. Und während in der BRD ein milliardenschweres US-Wirtschaftsförderprogramm namens „Marshallplan“ erste Früchte trug, holten die Sowjets aus der DDR noch immer Maschinen und andere Güter heraus.
Kurz: Die Lebensverhältnisse im sozialistischen Staat wurden und wurden einfach nicht besser, so sehr sich die Arbeiter und Arbeiterinnen in den Betrieben auch abstrampelten. In den Läden gab es oft nur leere Regale, Kohlen zum Heizen und Kochen bekam man nur auf Bezugsschein, der Mangel beherrschte den Alltag. Das war auch kein Wunder, denn der erste Fünfjahrplan, der 1951 in Kraft trat, orientierte sich nicht am Bedarf der Bevölkerung. Im Juli 1952 verkündete Walter Ulbricht auf der II. Parteikonferenz der Sozialistischen Einheitspartei den Beschluss des Politbüros, dass der Sozialismus planmäßig aufgebaut werden solle. Dazu wollte das SED-Regime vor allem die Schwerindustrie ins Laufen bringen, also die Eisen- und Stahlindustrie. Von ihr hingen weitere Industriezweige ab, in denen die Produktion ebenfalls stetig gesteigert werden sollte. Die Herstellung von Konsumgütern musste hinter all dem zurückstehen, ebenso der Wohnungsbau.
Und die hart arbeitenden „Werktätigen“? Die wurden immer nur auf die Zukunft vertröstet. Eine Zukunft, in der die Arbeits- und Lebensverhältnisse in der DDR noch viel besser sein würden als die im kapitalistischen Westen!
Dann aber, im März 1953, schied der sowjetische Diktator Josef Stalin plötzlich und unerwartet aus dem Leben. Unter Stalin waren Millionen politische Gegner in Zwangsarbeitslager geschickt oder hingerichtet worden. Und jetzt, nach seinem plötzlichen Tod, musste eine neue Führungsriege erst einmal mit sich selbst und den katastrophalen Hinterlassenschaften der Stalin-Diktatur zurechtkommen. Die Folge: Der wirtschaftliche Druck auf die DDR ließ nach, die politischen Zügel lockerten sich. Würden nun vielleicht sogar Reformen möglich sein, hier und in den anderen Ländern des europäischen Ostens?
Die Antwort lautete schlicht: Nein. Denn die SED-Führung mit Walter Ulbricht an der Spitze zog die Schrauben nur noch fester an. Kein Milligramm Macht wollte sie abgeben, keinen Millimeter wollte sie vom eingeschlagenen Weg abweichen – vom Weg in den Sozialismus. Es gab Probleme? – Nun, dann musste eben noch mehr gearbeitet werden! Also setzten die DDR-Machthaber im Mai 1953 die Arbeitsnormen in den Betrieben und auf den Baustellen um zehn Prozent herauf. Unterm Strich kam das einer drastischen Lohnkürzung gleich, und genau das sollte vier Wochen später das Fass zum Überlaufen bringen. In Ost-Berlin und der ganzen DDR sagten hunderttausende Menschen ihrer eigenen Regierung den Kampf an. Und am 17. Juni 1953 kam es zum Volksaufstand.
Zusammenfassung
Die SED errichtete in der DDR ihr eigenes Herrschaftssystem, bei dem die Parteispitze in Ost-Berlin das gesamte politische, gesellschaftliche und wirtschaftliche Geschehen der DDR bestimmte.
1949 begann die Partei- und Staatsführung damit, nach sowjetischem Vorbild starre Pläne für die Wirtschaft aufzustellen. Diese Planwirtschaft war jedoch nicht am Bedarf der Bevölkerung orientiert.
Mit dem ersten Fünfjahrplan sollte vor allem die Produktion in der Schwerindustrie erhöht werden. Die Produktion von Konsumgütern wurde dabei vernachlässigt.
Von 1950 an fanden in der DDR nur noch Scheinwahlen statt. Es standen ausschließlich die Einheitslisten der sogenannten Nationalen Front zur Wahl.
Nach dem Tod Stalins schlug die Führung der Sowjetunion eine etwas gemäßigtere Richtung ein. Die Parteiführung der DDR zog jedoch die Zügel noch straffer und verschärfte den eigenen wirtschaftlichen und politischen Kurs.
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Richtige Antworten:
1. D) Planwirtschaft
2. A) Fünf Jahre
3. C) Schwerindustrie
4. B) Dem Aufbau des Sozialismus
5. A) Die Partei- und Staatsführung verschärfte den Kurs
Im Juni 1948 hatten die die drei Westmächte in Westdeutschland und West-Berlin die D-Mark eingeführt, worauf die Sowjetmacht in ihrer Besatzungszone mit einer eigenen Währungsreform reagierten. Damit war Deutschland in zwei Wirtschaftsräume gespalten und das Thema deutsche Einheit bis auf Weiteres vom Tisch. Die politische Teilung wurde mit der Gründung zweier deutscher Staaten zementiert. Sie war eine der vielen Auswirkungen des Kalten Krieges zwischen den Machtblöcken der Sowjetunion und der USA.
Die Staatspartei SED mit Walter Ulbricht an der Spitze wollte vor allem die Produktion in der Schwerindustrie steigern, von der weitere Industriezweige abhingen. Konsumgüterproduktion und Wohnungsbau mussten dahinter zurückstehen. Erst Anfang der 1970er-Jahre änderte Ulbrichts Nachfolger Erich Honecker die Strategie. Nun wurden die „Einheit von Wirtschafts- und Sozialpolitik“ und die „immer bessere Befriedigung der Bedürfnisse der Bevölkerung“ im „real existierenden Sozialismus“ propagiert. Der neue Kurs mit künstlich niedrig gehaltenen Preisen überstieg jedoch die finanziellen Möglichkeiten des Staates und erforderte eine stetig steigende Verschuldung. Sie sollte 1989 zum Ende der DDR beitragen.
In der Bundesrepublik und Westberlin gab es eine freie bzw. soziale Marktwirtschaft. Die DDR hingegen praktizierte eine zentrale Planwirtschaft nach sowjetischem Vorbild. Rohstoffverteilung, Produktionszahlen und Preise waren staatlich vorgegeben, Abweichungen wurden nicht geduldet. Nach einem ersten Zweijahresplan 1949 bis 1951 trat der erste sogenannte Fünfjahrplan in Kraft. Ihm folgten weitere, die für jeweils fünf Jahre galten.
Die DDR verstand sich als sozialistischer Staat, der auf den Lehren des Marxismus-Leninismus (Diktatur des Proletariats) aufbaute. Politisch war sie eine Diktatur ohne eine tatsächliche Gewaltenteilung. Ihre Regierung war durch die Herrschaft einer einzelnen Partei geprägt, die den sogenannten Demokratischen Zentralismus verwirklichte. Daher spricht man auch von einer Parteidiktatur. Die Weltanschauung war antifaschistisch, das bedeutet, sie richtete sich gegen den Faschismus und den Nationalsozialismus.
Der Warschauer Pakt war ein militärischer Beistandspakt des sozialistischen Ostblocks im Kalten Krieg. Er gründete sich 1955 unter Führung der Sowjetunion als Reaktion auf die Gründung des Nordatlantikpakts NATO und den NATO-Beitritt der BRD. Mitgliedsstaaten des Warschauer Pakts waren neben der Sowjetunion und der DDR die Tschechoslowakei, Bulgarien, Rumänien, Ungarn und Polen sowie (bis 1968) Albanien.
Nein. Das Fest als außerkirchliche Einführung junger Menschen in den Lebensabschnitt des Erwachsenwerdens hat seine Wurzeln in der freigeistigen kulturellen Bewegung des 19. Jahrhunderts. In der Weimarer Republik wurde die Jugendweihe vor allem von sozialdemokratisch oder kommunistisch orientierten Freidenkerbünden angeboten. In der NS-Diktatur waren diese Bünde verboten und ihr Fest wurde als „Schulentlassungsfeier“ bzw. ab 1940 als „Nationalsozialistische Jugendweihe“ für die NS-Ideologie vereinnahmt. Die DDR-Führung wiederum instrumentalisierte die Jugendweihe ab 1953 als sozialistische Alternative zur Konfirmation bzw. Firmung. In den Sechzigerjahren wurde die Teilnahme zur Pflicht. Wer sich verweigerte, zum Beispiel aus religiösen Gründen, wurde sozial ausgegrenzt und in Schule wie Berufsausbildung benachteiligt.
Offiziell herrschte Vollbeschäftigung. Jeder DDR-Bürger hatte das Recht auf einen Arbeitsplatz. Das war sogar in der Verfassung festgeschrieben. Um die Vollbeschäftigung zu gewährleisten, schuf der Staat selbst massenhaft Arbeitsplätze, vor allem in den sogenannten Volkseigenen Betrieben (VEB) und den Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften (LPG).
Das ehemalige Klostergut Mestlin nahe Parchim im heutigen Mecklenburg-Vorpommern war Ende des Zweiten Weltkriegs enteignet worden und diente zunächst zur Versorgung sowjetischer Besatzungstruppen. In der Bodenreform wurden Ackerland und Gutsgebäude an Neubauern und kleine Handwerksbetriebe verteilt. 1951 aber wählte die Partei- und Staatsführung das Dorf für ein großangelegtes Prestigeprojekt aus. Mestlin sollte das erste von geplanten 200 Musterdörfern werden, welche die vermeintliche Überlegenheit des Sozialismus am lebenden Objekt veranschaulichen sollten. Für mehrere Millionen Mark wurden in den kleinen Dorf nun komfortable Wohnhäuser aus dem Boden gestampft, dazu Einkaufsläden, Kindereinrichtungen und ein gewaltiges zweistöckiges Kurhaus mit Kino, Gastronomie und Bibliothek. In den Geschäften gab es Konsumgüter in Hülle und Fülle, die man anderswo vergeblich suchte. Kein Wunder, denn das sozialistische Vorzeigedorf wurde von Ost-Berlin kräftig gefördert. Vielleicht deshalb blieb Mestlin letztlich auch das einzige Musterdorf der DDR, denn für weitere war kein Geld mehr da. Nach der Wiedervereinigung versiegten die staatlichen Geldquellen. Das Dorf blutete aus, das Kulturhaus stand leer und verfiel. Erste Rettungsversuche misslangen. Erst in den 2010er-Jahren gelang es einem örtlichen Verein, das zum Nationalen Denkmal erhobene Kulturhaus zu restaurieren und 2017 als Veranstaltungsort wiederzubeleben.