Gestern Millionär, heute bettelarm: Am 24. Oktober 1929 verloren in den USA zahllose Anleger ihr Vermögen. Und nicht nur sie: Der Börsencrash an der New Yorker Wall Street sollte die ganze Welt in eine Wirtschaftskrise reißen. Nach dieser Story weißt du, was eine Spekulationsblase ist − und warum der „Schwarze Freitag“ eigentlich ein Donnerstag war.
Blanke Panik herrscht im großen Handelssaal der New Yorker Börse. Menschen brüllen durcheinander, schreien in Telefonhörer, zerknüllen Zettel in schweißnassen Händen und versuchen sich durch die hektische Menge zu den verglasten Börsenschaltern durchzuboxen. Stockheiser sind sie mittlerweile. Der Lärm ist bis auf die Straße zu hören, wo immer mehr Menschen zusammenlaufen. Auch sie wollen ihr Geld retten, das sich an der größten Wertpapierbörse der Welt vor den entsetzten Augen der Anleger gerade in Luft auflöst. Aus den Tickern quellen Papierstreifen, die längst nicht mehr aktuell sind: Die Kurse fallen schneller, als die Geräte drucken können. Börsenhändler raufen sich die Haare, weil sie die Aktien ihrer Auftraggeber nicht mehr zum gewünschten Kurs verkaufen konnten. Kleinanleger starren verständnislos auf die riesigen Tafeln, auf denen Ziffern und Abkürzungen im Minutentakt erscheinen, wieder verschwinden und sofort durch neue ersetzt werden. Die Menschen begreifen nicht, was da passiert. Sie sehen nur: Ihre kostbaren Wertpapiere fallen gerade ins Bodenlose. Aber warum?
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Jetzt runterladen!In New York kam es am 24. Oktober 1929 zu einem Börsencrash, der auf die ganze Welt ausstrahlte. Dabei hatte es drei Jahre lang für sämtliche Aktienkurse immer nur eine Richtung gegeben: aufwärts. Die Märkte brummten, angekurbelt vor allem von der Autoindustrie. Die USA hatten sich zur führenden Wirtschaftsmacht der Welt entwickelt, und jeder wollte mit ins große Geschäft einsteigen – vom Bankier bis zum Büroangestellten, vom Professor bis zum Schuhputzer. Überall in den Staaten schossen Maklerbüros aus dem Boden, sogar auf Atlantikdampfern konnte man per Funk an der Wall Street spekulieren. Und im Spätsommer 1929 rasten die Kurse dann geradezu gen Himmel. Es kursierten Gerüchte von Dienstmädchen, die angeblich Millionengewinne eingestrichen hätten. Das wollten alle. Wer kein Geld zum Investieren hatte, nahm Kredite auf und kaufte Aktien auf Pump, den vermeintlich sicheren Gewinn vor Augen. Unternehmen sicherten Kredite mit den eigenen Wertpapieren ab, Banken steckten die Einlagen ihrer Kunden in neue Aktien. Doch all diese Papiere entsprachen längst nicht mehr dem reellen materiellen Gegenwert, mit dem sie in der Wirtschaft abgesichert sein sollten. Sie waren nur noch künstlich aufgeblähte Spekulationsobjekte. Eine Blase, wie die Fachleute sagen. Es gab Warnungen, aber sie blieben unbeachtet. Und dann geschah es: Die Kursentwicklung blieb stehen, und von nun an ging es bergab, obwohl die Banken mehrere Male riesige Aktienpakete kauften, um die Kurse zu stützen. Immer mehr Anleger bekamen kalte Füße und versuchten, ihre Wertpapiere schleunigst wieder loszuwerden. Alarmierende Zeitungsberichte über die Kursverluste befeuerten die allgemeine Panik.
Am 24. Oktober 1929 platzte die Blase endgültig. Dazu trugen Zeitungsberichte über den Bankrott eines Londoner Spekulanten bei, der mit betrügerischen Sicherheiten an der Wall Street investiert hatte. An diesem Tag – es war ein Donnerstag – stießen ganze Massen von Anlegern panisch ihre Aktien ab. Egal zu welchem Preis, egal mit welchem Verlust, Hauptsache nur irgendwie verkaufen. Die Folge: Innerhalb weniger Stunden lösten sich rund elf Milliarden US-Dollar buchstäblich in Luft auf, und die Kurse fielen trotz weiterer Stabilisierungsversuche noch fünf weitere Börsentage lang fast ununterbrochen weiter. Zahllose Amerikaner verloren ihr gesamtes Vermögen. Spekulanten, die nur auf dem Papier Millionäre waren, hatten nun echte Schulden in Millionenhöhe. Und wie ein Lauffeuer gingen die Börsennachrichten aus New York um die ganze Welt, was verheerende Folgen nach sich zog. Denn jetzt wurden Kapitalmärkte auf der ganzen Welt in die Abwärtsspirale hineingezogen. Der 24. Oktober 1929, an dem der Absturz begonnen hatte, ging in den Vereinigten Staaten als „Black Thursday“ in die Geschichte ein. Wegen der Zeitverschiebung erreichte der Börsenkrach Europa erst einen Tag später: am „Schwarzen Freitag” ...
Vor allem die junge Weimarer Republik wurde von dieser Katastrophe aufs Härteste getroffen. Als Erbin des besiegten Kaiserreichs hatte sie laut Versailler Vertrag die horrenden Kriegsschulden, sogenannte Reparationen, an die Siegermächte des Ersten Weltkriegs zu zahlen. Die deutsche Wirtschaft war stark geschwächt gewesen, was in der Hyperinflation von 1923 gipfelte. Schließlich aber hatten die USA dem kriegsgebeutelten Deutschland mit milliardenschweren Kredite unter die Arme gegriffen, um ihm wieder ein stabiles Wirtschaftswachstum zu ermöglichen. Doch nun hatten die Menschen in den USA das Vertrauen in ihre Banken verloren und räumten ihre Konten leer. Um nicht selbst zahlungsunfähig zu werden, forderten die US-Banken von Deutschland und einigen anderen Nationen die Kredite zurück. Und als wäre diese Abhängigkeit von ausländischen Krediten nicht schon belastend genug, hatte die Weimarer Republik auch noch mit einer eigenen Bankenkrise zu kämpfen. Das Land war den Folgen des Börsencrashs somit regelrecht ausgeliefert – und die Weltwirtschaftskrise nicht mehr aufzuhalten.
Eine internationale Lösung hätte das Schlimmste vielleicht noch verhindern können, aber jetzt dachte jedes Land nur noch an sich. Protektionismus, sprich der Schutz der eigenen Unternehmen vor ausländischer Konkurrenz griff um sich. Großbritannien und Frankreich suchten ihren Ausweg aus der Krise, indem sie ihre eigenen Währungen abwerteten und damit den Marktpreis ihrer Exportprodukte senkten. Doch genau diesen Joker konnte das Deutsche Reich nicht ausspielen, denn ihm hatten die Siegermächte des Ersten Weltkriegs jede Geldabwertung untersagt. Deutschland sollte seine Reparationszahlungen an Frankreich schließlich in voller Höhe leisten.
Deutsche Produkte wurden jetzt also immer teurer, der Export brach zusammen.
Nun nahm ein Prozess an Fahrt auf, den die Fachleute Deflation nennen: Weil die ausländischen Kreditgeber ihr Kapital abzogen – immerhin in Höhe von 700 Milliarden Reichsmark –, sank die umlaufende Geldmenge in Deutschland schlagartig. Die Industrieproduktion lief jedoch weiterhin auf Hochtouren, weshalb es im Land zu einer Überproduktion kam. Auf einmal gab es also viel mehr materielle Güter, als mit dem noch verfügbaren Geld gekauft werden konnten. Da die Gewinne der deutschen Unternehmen einbrachen, zogen sie die Notbremse: zunächst durch Lohnkürzungen, dann durch Entlassungen. Auch Reichskanzler Heinrich Brüning probierte, mit einer harten Sparpolitik gegenzusteuern: Da Reichspräsident Hindenburg kurz zuvor die parlamentarisch gewählte Regierung durch das sogenannte Präsidialkabinett ersetzt hatte, konnte Brüning per Notverordnung regieren. Und so wurden nun – per Notverordnung – Löhne, Gehälter, Preise und Mieten gesenkt sowie Sozialleistungen gekürzt, während Steuern und Abgaben im Gegenzug erhöht wurden. Brünings autoritäre Deflationspolitik verfehlte jedoch ihr Ziel. Die drohende Massenarbeitslosigkeit war nicht mehr aufzuhalten. Und je mehr Menschen arbeitslos auf der Straße saßen, desto weniger Waren fanden ihre Abnehmer. Das bedeutete unterm Strich nur eines: Die Wirtschaftskrise verstärkte sich selbst. Es entstand ein Teufelskreis aus immer weiter steigender Arbeitslosigkeit und immer schneller sinkender Kaufkraft. Einen ganz anderen Weg als Brüning in Deutschland beschritt der neue US-Präsident Roosevelt mit seinem „New Deal”: Er versuchte, die Wirtschaftskrise mit umfangreichen Wirtschafts- und Sozialreformen zu überwinden. Inzwischen war die Arbeitslosenquote in Deutschland auf einem Rekordhoch: Im Jahr 1932 lag sie bei 30 Prozent. Breite Bevölkerungsschichten waren von Armut betroffen - und je schlechter es den Menschen im Land ging, desto empfänglicher wurden sie für die großspurigen Versprechen der republikfeindlichen Parteien wie der NSDAP ganz rechts und der KPD ganz links. Eine Belastungsprobe, die schließlich den Untergang der Weimarer Republik einläuten und Adolf Hitler zur Macht verhelfen sollte...
Zusammenfassung
An der New Yorker Wall Street kam es am 24. Oktober 1929 zu einem Börsencrash, der auf die ganze Welt ausstrahlte. Wegen der Zeitverschiebung bekam Europa die Auswirkungen erst einen Tag später zu spüren, also an einem Freitag.
Der sogenannte „Schwarze Freitag“ löste eine weltweite Wirtschaftskrise aus. Deutschland war besonders schwer betroffen, weil die US-Banken ihr Kapital abzogen.
Mit der Weltwirtschaftskrise endete in der Weimarer Republik das Wirtschaftswachstum der Goldenen Zwanziger. Immer mehr Menschen verloren ihre Arbeit. Armut und Kriminalität grassierten.
Die Weimarer Republik verlor das Vertrauen großer Teile der Bevölkerung. Radikale Parteien bekamen immer mehr Zulauf.
Teste dein Wissen im Quiz
Richtige Antworten:
1. C) New York
2. D) „Schwarzer Freitag“
3. A) Deflation
4. D) Abwertung der deutschen Währung
5. B) Heinrich Brüning