In Mozarts Oper „Don Giovanni“ gehen Drama und Komödie Hand in Hand. Sie basiert auf der spanischen Sage des berühmt-berüchtigten Don Juan. In dieser Story erfährst Du, warum Mozart seine Hauptfigur zum Teufel jagt und wie die ersten beiden Töne seiner Oper bereits das gesamte Ende verraten.
Vor einem majestätischen Haus im spanischen Sevilla steht ein schmächtiger junger Mann und schaut nervös von links nach rechts. Es ist Leporello, der Diener des großen Verführers Don Giovanni. Er hält wieder einmal Wache, denn sein Herr hat in diesem Hause seine neueste Eroberung gefunden: Donna Anna. Leporello flucht vor sich hin. Warum muss ausgerechnet sein Herr so ein schamloser Lüstling sein? Plötzlich stürmt der maskierte Don Giovanni aus dem Haus, verfolgt von Donna Anna, die mit Gewalt versucht, ihm die Maske vom Gesicht zu reißen.
„Dafür werden Sie büßen!“ schreit sie aus vollem Halse. Ihr Vater, der Komtur, betritt die Szenerie, um seiner Tochter zur Hilfe zu eilen. Er zieht sein Schwert, um den Eindringling herauszufordern. Widerwillig verteidigt sich Don Giovanni und verletzt den alten Mann dabei tödlich. Ungerührt ergreift er dann mit seinem Diener die Flucht.
Donna Anna ist außer sich und schwört Rache. Der grausame Mann solle eines Tages Gerechtigkeit erfahren. Don Giovanni aber blickt nicht zurück. Ganz im Gegenteil – er hält bereits Ausschau nach der nächsten Schönheit, die es zu erobern gilt. Ohne zu ahnen, dass er seinem Schicksal dabei direkt in die Arme läuft.
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Jetzt runterladen!Noch nie wurden Verführung und Totschlag so deutlich auf eine Opernbühne gebracht wie in Mozarts „Don Giovanni“ (vollständiger Titel „Il dissoluto punito ossia il Don Giovanni“, also „Der bestrafte Wüstling oder Don Giovanni“) Bei der Uraufführung in Prag waren die Zuschauer schockiert und gebannt zugleich von dieser skrupellosen Hauptfigur.
Der Anti-Held zeigt keine Reue. Nachdem er Donna Anna entehrt und ihren Vater erstochen hat, macht er sich schon an die Schöne heran. Dabei erkennt er reichlich spät, dass diese Dame Donna Elvira ist: eine seiner vielen verlassenen Geliebten. Auch sie schwört ihm Rache, aber ungerührt begeht Giovanni die nächste Missetat: Auf einer Bauernhochzeit verführt er die Braut Zerlina, während sein Diener Leporello den Bräutigam Masetto mit einem Ablenkungsmanöver vom Ort des Geschehens festhält. Als Zerlinas Hilfeschrei ihn verrät, klagt Giovanni lauthals seinen treuen Diener Leporello an, dem Mädchen zu nahe getreten zu sein. Und als wäre das nicht genug, verspottet er auch noch das Grabmal des von ihm getöteten Komturs, indem er dessen steinernes Abbild scherzhaft zum Abendessen einlädt!
Nun aber geschieht das Unglaubliche: Die Statue des Komturs tritt vom Grabmal herab und erscheint tatsächlich zum festlichen Diner. Der steinerne Gast fordert Giovanni ein letztes Mal auf, zu bereuen und sein Leben zu ändern. Der lehnt ab – und wird augenblicklich von den Flammen der Hölle verschlungen.
Was diese dramatische Handlung so humorvoll macht, ist die geradezu ignorante Unwissenheit des Protagonisten. Selbstgerecht und überheblich schlägt er alle Warnungen in den Wind und steuert unaufhaltsam auf sein eigenes Ende zu. Das Publikum folgt ihm teils kopfschüttelnd, teils schadenfroh, wenn er – von einem Fettnäpfchen ins nächste – direkt in sein Verderben läuft. Das Publikum wird Zeuge eines tragischen Verlaufs, für den der selbstverliebte Don Giovanni komplett blind ist. Diese Darstellung macht die Oper zu jenem „Dramma giocoso“, wie Mozart sie nannte – amüsant und ergreifend zugleich.
Mozart und sein Librettist Lorenzo da Ponte orientierten sich an der spanischen Sage des Don Juan. Als Opernfigur verkörpert er die sinnlichen Triebe. Ganz im Sinne der Epoche der Aufklärung gilt die Oper auch als moralisch-politische Kritik gegenüber dem Adel: Don Giovanni steht für einen unbeherrschten Aristokraten, der andere Menschen schikaniert und trotzdem ungeschoren davonkommt. Oftmals befreien sich in Mozarts Opern selbstbestimmte Frauen aus den Fängen solch skrupelloser Herren.
In „Don Giovanni“ sind es aber auch die volksnahen Nebenfiguren der Geschichte, die Mitgefühl und Sympathie auslösen: das bäuerliche Hochzeitspaar und natürlich der schlaue und verfressene Diener Leporello, eine klassische Komödienfigur.
Nach „Le nozze di Figaro“ (zu deutsch: „Die Hochzeit des Figaro“) arbeitete Mozart bei dieser Oper zum zweiten Mal mit dem italienischen Dichter Lorenzo da Ponte zusammen. Das Libretto von Lorenzo da Ponte setzt die spanische Don-Juan-Sage für die Oper als lyrischen Text in italienischer Sprache um. Weil in dieser Oper den Arien besondere Bedeutung gegeben wurde, vermuten Musikwissenschaftler, dass Mozart dieses Libretto in wesentlichen Teilen mitgestaltete. Zu den berühmtesten Arien dieser Oper gehören die „Dalla sua pace“ des um sein Glück betrogenen Bräutigams Don Ottavio, das Duett „Là ci darem la mano“ (in ihr umwirbt Giovanni das Bauernmädchen Zerlina) und natürlich die sogenannte „Registerarie“ des Dieners Leporello, in welcher er der verzweifelten Donna Elvira die lange Liste der verlassenen Geliebten seines Herrn präsentiert.
Mozart und Da Ponte waren ein eingespieltes Team. Text und Musik gingen Hand in Hand. Und Mozart ging mit seiner Komposition einmal mehr neue Wege. So vermischte er die typisch unbeschwerten Klänge der Opera buffa mit düster-dramatischen Tönen, wechselt immer wieder die Tempi und lässt zum Ende des ersten Akts gleich drei verschiedene Tänze auf einmal erklingen. Und während die männliche Hauptrolle in der komischen Oper meist für einen Tenor angelegt wird, ist Mozarts Giovanni ein Basso cantante („Singender“ oder auch „Hoher Bass“) bzw. ein Bariton. Jene Stimmlage also, die zwischen Bass und Tenor angesiedelt ist und auch in der ernsten Oper gern für tragisch-romantische Rollen eingesetzt wird.
Die humorvolle Zurschaustellung menschlicher Schwächen und wohl mehr noch die für die Zeit nahezu skandalöse Erotik dieser Oper amüsierte das Publikum und berührte es zugleich. Dieser Gegensatz prägt auch die berühmte Ouvertüre.
Eine Ouvertüre hat ursprünglich die Funktion, ein Musikwerk zu eröffnen. Ähnlich einem Kino-Trailer greift sie dabei die Stimmung und Handlung des Werkes auf, um dem Publikum einen musikalischen Vorgeschmack auf die Show zu geben. Der Vorhang ist zu dem Zeitpunkt noch geschlossen.
Angeblich hat Mozart seine Ouvertüre zu „Don Giovanni“ erst in der Nacht vor der Premiere geschrieben. Zeitgenossen behaupteten, die Notenblätter auf dem Pult der Orchestermusiker seien noch feucht von der Tinte gewesen. Umso überraschender ist es, dass diese Ouvertüre eine viel tragendere Rolle einnimmt als ein musikalischer Geschmacksanreger. Denn sie führt nicht nur in die dramatischen Ereignisse der Oper ein, sie nimmt auch das böse Ende der Hauptperson vorweg. Passend dazu setzte Mozart die Ouvertüre in die Tonart d-Moll, was ihr einen gewissen „dämonischen“ Unterton gibt.
Der Commendatore oder Komtur hat darin sein eigenes musikalisches Erkennungszeichen, auch Motiv genannt. Und genau dieses Motiv taucht am Ende der Oper wieder auf, als der Geist des Getöteten beim Abendessen erscheint und den Wüstling zur Hölle schickt. Zwei Töne tragen bereits etwas Unheilvolles in sich und schweben über der gesamten Handlung der Oper wie eine dunkle Wolke.
Im weiteren Verlauf der Ouvertüre beleuchtet Mozart die verschiedenen Seiten seines Protagonisten: dessen Leichtfertigkeit, sein ritterliches Erscheinungsbild und schließlich jene unstillbare Begierde, die den Frauenhelden Giovanni die ganze Geschichte über vorantreibt. In Mozarts Musik ist der Kontrast zwischen der spielerischen Natur Don Giovannis und dem unbarmherzigen Schicksal, das er selbst durch seine Ignoranz auslöst, deutlich hörbar. Wie eine Lawine, die immer größer und schneller wird, entwickelt sich auch das Schicksalhafte in der Ouvertüre zu einem einstimmigen und kräftigen Motiv. Ihr Schluss hingegen leitet sanft zur ersten Szene der Oper über. Von der Vorahnung führt sie zurück zum Anfang.
„Don Giovanni“ wurde 1787 in Prag uraufgeführt. Die musikalische Leitung übernahm Mozart selbst. Ein Jahr zuvor war dort der „Figaro“ mit großem Erfolg gegeben worden; ein guter Grund für den Prager Impresario (geschäftsführender Direktor eines Opernhauses), eine weitere Oper dieses Komponisten auf den Spielplan zu setzen. Das Thema „Don Juan“ bot sich an, hatte es doch in den 1780er Jahren schon einige erfolgreiche Aufführungen italienischer Opern zu diesem Sagenstoff in Prag gegeben. Und das, obwohl die spanische „Don Juan“-Sage eigentlich weniger auf gediegene Opernbühnen, sondern eher ins volkstümliche Stegreif-Theater passte. Nicht so Mozarts Oper, die er vermutlich im März 1787 begann und die er eigentlich schon am 14. Oktober bühnenreif haben wollte: nämlich für den Tag, an dem Erzherzogin Maria Theresia von Österreich und ihr Gemahl Prinz Anton von Sachsen die Metropole Böhmens besuchen sollten. Doch das Ensemble schaffte es nicht, das kunst- und anspruchsvolle Opernwerk so schnell einzustudieren. So musste Mozart die Premiere verschieben und das fürstliche Paar bekam statt ihrer den „Figaro“ zu sehen, den Mozart persönlich dirigierte.
Die große Premiere fand dann am 29. Oktober 1787 im Gräflich Nostitzschen Nationaltheater statt und wurde ein großer Publikumserfolg. „Kenner und Tonkünstler sagen, daß zu Prag ihres Gleichen noch nicht aufgeführt worden“, jubelte die Prager Oberpostamts-Zeitung und lobte die gute Vorstellung „nach so kurzer Studierzeit.“ Die Kunde drang bis nach Wien an die Ohren des Kaisers Joseph II., der sich postwendend eine Aufführung in seiner Residenzstadt wünschte. Mozart nahm an dieser sogenannten „Wiener Fassung“ einige dramaturgische Änderungen vor, die den humoristischen Gehalt der Oper noch etwas verstärkten.
Spätere Inszenierungen im 19. Jahrhundert sollten dann wieder den mystisch-dramatischen Aspekt der Oper betonen. Dazu trug eine Novelle des Schriftstellers und Musikkritikers E.T.A. Hoffmann bei, die 1813 unter dem Titel „Don Juan – eine fabelhafte Begebenheit, die sich mit einem reisenden Enthusiasten zugetragen“ erschien und von der tragischen Liebe der Donna Anna handelt.
Schicksalhafte Kräfte wirken auch in Mozarts letztem Bühnenwerk: der „Zauberflöte“. Sie ist eine Oper für alle – und enthält doch eines der anspruchsvollsten Gesangsstücke der Operngeschichte.
Zusammenfassung
Mozarts Don Giovanni orientiert sich an der spanischen Sage des Don Juan. Mozart und sein Librettist (Texter) Lorenzo da Ponte legten den Stoff als Opera buffa an, also als komische Oper.
Musikalisch verbindet die Oper Drama mit Komödie.
Die Ouvertüre greift musikalisch bereits das Ende der Oper auf. Damit ist sie Eröffnung und Prophezeiung zugleich.
Opernfiguren erhalten oftmals ein musikalisches Erkennungszeichen. Dieses wird Motiv genannt. Die Ouvertüre zu „Don Giovanni“ beginnt mit dem Motiv des geisterhaften Commendatore, der von Giovanni im Duell getötet wird.
Zu den berühmtesten Arien dieser Oper gehören die „Dalla sua pace“ des Don Ottavio, das Duett „Là ci darem la mano“ (Giovanni und Zerlina) und die „Registerarie“ des Leporello, in welcher der Diener der verzweifelten Donna Elvira die lange Reihe der anderen verlassenen Geliebten seines Herrn vorträgt.
Die Oper wurde 1787 in Prag uraufgeführt und wenig später von Kaiser Joseph II. nach Wien geholt. Von hier aus sollte sie bald die europäischen Opernhäuser erobern.
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Richtige Antworten:
1. D) Don Giovanni
2. C) Sage des Don Juan
3. A) Sie prophezeit das Ende der Oper
4. C) In Prag
5. B) Höllenfahrt