Mozarts „Eine kleine Nachtmusik“ ist eins der meistgespielten Werke der Geschichte. Du hast sie sicher schon oft gehört. Aber nach dieser Story hörst du sie noch einmal ganz neu. Und du erfährst, warum dieses Werk bis heute Rätsel aufgibt.
Salzburg im Jahr 1761: Mit Tinte und Feder krakelt der fünfjährige Wolfgang mühsam, aber energisch auf einem Blatt Papier herum. Hände und Gesicht sind mit Tinte beschmiert. „Was malst du denn da?“ fragt sein Vater Leopold Mozart. „Ich male nicht, ich komponiere“, antwortet der Junge. Vater Leopold schmunzelt. Seit dem vierten Lebensjahr unterrichtet er seinen Wolferl in Klavier und Violine. Für eine eigene Komposition scheint es dem Vater allerdings noch etwas früh. Er greift nach dem Blatt, um es zu begutachten. Es ist voller Kleckse und verschmierter Punkte. Doch auf den zweiten Blick entdeckt der Vater unter all den Flecken einzelne Noten. Neugierig studiert er das Blatt Papier – und kann kaum glauben, was er da sieht.
Sein Sohn komponiert tatsächlich ein eigenes Musikstück und hält dabei alle Regeln der Notation ein. Verblüfft schaut der Vater den tintenbefleckten Jungen an. Der streckt nur seinen Arm aus: „Kann ich mein Blatt jetzt wiederhaben? Ich bin noch nicht fertig“.
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Jetzt runterladen!Die Serenade Nr. 13 in G-Dur, besser bekannt als „Eine kleine Nachtmusik“, komponierte Wolfgang Amadeus Mozart 16 Jahre später, im Jahr 1787. Aber was ist eine Serenade eigentlich?
Schwärmt man auf Italienisch von einem klaren und heiteren Himmel, so wird dieser „sereno“ genannt. Ist dann auch noch Abend, so wünscht man einander eine Buonasera. Und weil Italienisch die Muttersprache der klassischen Musik ist, liegt es nicht fern, dass mit der „Serenade“ ein unterhaltsames Abendständchen unter freiem Himmel gemeint ist.
Im Lauf der Jahre wurde die Serenade immer beliebter und zog schließlich auch in die Opernhäuser ein. Sie war nicht länger nur Freiluftmusik, sondern zeichnete sich durch ihren heiteren Charakter und ihren festgesetzten Aufbau in mehreren Musikstücken aus – die sogenannten Sätze. Und weil die Serenade Nr. 13 mit vier Sätzen seine kürzeste war, verlieh er ihr den anschaulichen Beinamen „Eine kleine Nachtmusik“. So notierte er sie 1787 in seinem handschriftlichen Werkverzeichnis, mit dem Zusatz: „bestehend in einem Allegro, Menuett und Trio.-Romance.Menuett und Trio, und Finale.-2 violini, viola e bassi“. Ob ein weiterer Satz – der ursprüngliche zweite Satz – verloren gegangen ist oder ob der Komponist ihn selbst verwarf, ist bis heute ungeklärt.
Und nicht nur das ...
Die kleine Nachtmusik ist wie ihr Erfinder selbst: voller Rätsel. Für welchen Anlass Mozart das Stück komponiert hat, ist unklar. Üblicherweise schrieb er seine Werke als Auftragsarbeiten für Adelige und Monarchen. Auf diese Weise konnte Mozart seine innovative Musik entwickeln und verbreiten. Doch ein Auftraggeber für die Kleine Nachtmusik ist nicht bekannt. Über eine öffentliche Premiere des Werks zu Mozarts Lebzeiten gibt es ebenfalls keinerlei Nachweise. Erst 100 Jahre nach Mozarts Tod ging die „Kleine Nachtmusik“ in Druck und wurde in den Konzerthäusern der Welt zum Hit.
Es ist gut möglich, dass der Tod des Vaters Mozart veranlasste, dieses Stück zu komponieren. Leopold Mozart war selbst Komponist und ein angesehener Musikpädagoge. Im Hause der Familie in Salzburg erklang jeden Abend Musik. Als Kind hatte der kleine Wolfgang, den alle nur „das Wolferl“ nannten, seine ersten Stücke komponiert. Bei der Hausmusik, dem gemeinsamen Musizieren mit der Familie, wurden seine Ideen zum ersten Mal zum Leben erweckt. Hier bereiteten sie Freude und erhellten den Abend. Doch sein Vater war für Mozart nicht nur Förderer und Lehrer, sondern auch lange Zeit Manager und Lebensberater gewesen.
Als Mozart später seine musikalische Karriere fernab des Vaters in Wien begann, schien er mit den alltäglichen Anforderungen des Lebens oft überfordert. Im Geiste blieb Mozart immer ein Kind. Kein Wunder, dass der Tod des Vaters ein tiefer Einschnitt in seinem Leben war. In den Monaten danach zog sich Mozart auf sein Landgut zurück, wo er abendlich mit der benachbarten Familie musizierte. Das Zusammenspiel im Kreis der Familie muss ihn an seine eigene Kindheit erinnert haben. In dieser Zeit komponierte Mozart seine Serenade „Eine kleine Nachtmusik“.
Mozart liebte das Spiel mit musikalischen Formen, so wie sich ein Kind am Basteln, Malen oder dem Erfinden fantastischer Geschichten erfreut. In der kleinen Nachtmusik ist diese Freude greifbar.
Der Aufbau des ersten Satzes (I. Allegro) ist ein Musterbeispiel für die sogenannte Sonatensatzform. Sie ist eine Art Bauplan – so etwas wie die Pop-Formel vieler klassischer Werke. Wer sich mit ihr vertraut macht, findet einen leichteren Zugang zu klassischer Musik. Im Mittelpunkt ihres Bauplans stehen zwei musikalische Figuren. In der Klassik heißen sie Haupt- und Seitenthema. Sie verhalten sich wie zwei Figuren einer Geschichte. Diese Figuren werden einander gegenübergestellt und durchlaufen mehrere Phasen und Verwandlungen.
Mozart komponierte seine Instrumentalwerke wie Geschichten, die auf einer Bühne in Szene gesetzt werden – seine Melodien wie singende Charaktere, die vom Publikum begleitet werden. Also Vorhang auf für „Eine kleine Nachtmusik“.
Begonnen wird mit einer Einführung der Hauptfigur. Ihre Melodie steht in der Haupttonart G-Dur und ist das Wiedererkennungszeichen des ersten Satzes. Alles, was um sie herum erklingt, ist die Welt, in der sie sich aufhält: Heiter, unbeschwert und beschwingt.
Nun kommt das Seitenthema, sozusagen die zweite Figur, ins Spiel. Sie präsentiert ihre Melodie in einer eigenen Tonart, der sogenannten Dominanttonart, – hier D-Dur. Und wo die Hauptfigur markant und beschwingt daherkommt, zeigt sich die Seitenfigur weich und poetisch. Gegensätzlich eben.
Nach einer Wiederholung dieser Vorstellungsrunde setzt sich die Geschichte in Bewegung.
Mozart schickt seine beiden Spielfiguren auf eine gemeinsame Reise durch neue Klangwelten. Hier können sie sich frei bewegen und kreativ verwandeln – manchmal so sehr, dass sie nur bei genauem Hinhören wiederzuerkennen sind. Sie interagieren miteinander und mit der Welt, die sie umgibt.
In der Wandlungsfähigkeit der Figuren liegt der besondere Reiz der Musik. Es braucht etwas Übung ihnen zu folgen, aber mit jedem Hören erschließen sich neue Facetten. Mozart war ein Meister darin, seine Figuren in allen Klangfarben tanzen zu lassen.
Die Reise der „Kleinen Nachtmusik“ geht in den folgenden drei Sätzen der Serenade (Andante, Allegretto und Rondo) weiter. Auch wenn sie anfangs verschieden klingen, sind sie thematisch und tonal miteinander verbunden, so, als würden wir ein und dieselbe Welt aus verschiedenen Perspektiven betrachten. So setzen wir im zweiten Satz die rosarote Brille auf und hören im ruhig gehenden Tempo (Andante) eine anmutige Romanze. Im dritten Satz tanzen die Figuren im schnellen Allegretto-Tempo ein Menuett mit einem traditionellen Trio, einen damals sehr beliebten Gesellschaftstanz, der ursprünglich am französischen Königshof zu Hause war.
Der vierte und letzte Satz ist ist ein Rondo, bei dem alle Figuren, bildlich gesprochen, wie in einer Kreisbewegung immer wieder zum Ausgangspunkt zurückkehren. Er schließt den Zyklus der Serenade mit der gleichen Lebendigkeit, mit der sie begonnen hat. Die Hauptfigur des ersten Satzes erklingt noch einmal in entfesselter Form und führt zu einem strahlenden Finale.
In Mozarts Werken erklingt das ewige Kind in ihm. Dieses Wunder bewahrte er sich sein ganzes Leben lang. In der Welt der Musik wies es ihm den Weg: frei, kreativ und voller Erfindungsreichtum. Er reiste gern, tourte 1789 auch durch Deutschland und interpretierte Bach-Werke auf der Orgel der Leipziger Thomaskirche. So wurde Mozart das, als was wir ihn heute kennen: ein echter Superstar.
Zusammenfassung
Eine Serenade ist ursprünglich ein heiteres Abendständchen unter freiem Himmel. Mozarts Serenade No. 13 für Streicher in G-Dur (G major, KV 525) geht kompositorisch bereits über die reine Hintergrundmusik hinaus.
Die „Kleine Nachtmusik“ ist eine Serenade aus vier Musikstücken beziehungsweise Sätzen. Mozart nannte sie „klein“, weil Serenaden normalerweise fünf Sätze haben.
Ungewöhnlich für die damalige Zeit ist die reine Streicher-Besetzung, denn üblicherweise spielten damals auch Blasinstrumente mit.
Sie entstand 1787 vermutlich als Auftragswerk, während der Komponist an seiner Oper „Don Giovanni“ arbeitete. Uraufgeführt wurde sie möglicherweise erst nach Mozarts Tod.
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Richtige Antworten:
1. C) 5
2. D) Wolfgang Amadeus Mozart
3. B) Serenade
4. D) Sie ist Mozarts kürzeste Serenade.
5. A) Gestaltungsprinzip klassischer Werke