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Faust

Was die Welt im Innersten zusammenhält
Das Bild zeigt ein Porträt von Johann Wolfgang von Goethe, erkennbar durch seine charakteristischen Gesichtszüge und Frisur, gekleidet in einem dunkelgrünen Rock mit Knöpfen. Seine Miene ist ernst und nachdenklich, was auf die Tiefe seines intellektuellen Charakters hindeuten könnte.
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Intro

Ein von Sehnsüchten geplagter Wissenschaftler paktiert mit dem Teufel, wird verjüngt, schwängert eine 14-Jährige und zieht weiter zur nächsten Party: Was wie eine Netflix-Produktion über toxische Männlichkeit klingt, ist in Wahrheit eine über 200 Jahre alte Dichtung. Es ist das berühmteste Werk des berühmtesten deutschen Dichters und Denkers Johann Wolfgang von Goethe. Nach dieser Story weißt du, warum sich sein „Doktor Faust” mit dem Teufel einlässt und was genau hinter der berühmten „Gretchenfrage” steckt.

Kapitel 1: Verzweiflung auf höchstem Niveau

Es ist Nacht. Doch Doktor Heinrich Faust schläft nicht. Seine Gedanken lassen ihm keine Ruhe. Hier in seiner engen Studierstube sitzt er und hadert mit sich. Faust will mehr vom Leben! Er hat sie alle studiert – die großen Künste und Wissenschaften. Philosophie, Juristerei, Medizin und Theologie. Doch ist er dadurch wirklich klüger? Hat er das, was das Leben ausmacht, wirklich erfasst? Nein, wirklich zufrieden ist er nicht. Mögen ihn die anderen einen großen Gelehrten nennen – er selbst weiß, dass es noch viel mehr gibt! Mehr geben muss. Mehr zu entdecken, zu erleben, zu begreifen, zu fühlen ... Sei’s drum! Er wird sich jetzt der Magie bedienen! Ja, die Tat, nicht das bloße Wort soll ihn seinem Ziel näherbringen. Faust greift sich entschlossen das Buch zur Geisterbeschwörung und flüstert:

Ob mir durch Geistes Kraft und Mund
Nicht manch Geheimnis würde kund;
Daß ich nicht mehr mit saurem Schweiß
Zu sagen brauche, was ich nicht weiß;
Daß ich erkenne, was die Welt
Im Innersten zusammenhält!

Da: der „Erdgeist” erscheint! Doch er spottet nur über Faustens Sterblichkeit und verschwindet wieder. Faust ist verzweifelt und will sich das Leben nehmen. Doch als er den Giftbecher zum Munde hebt, läuten die Glocken zur Osternacht und erinnern den Gelehrten an glückliche Kindheitstage. Faust sieht von seinem Vorhaben ab und begibt sich tags darauf mit seinem Famulus Wagner auf einen Osterspaziergang. Das Unheil nimmt seinen Lauf ...

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Kapitel 2: Sehnsucht nach mehr

Insgesamt fast sechs Jahrzehnte lang setzte sich Johann Wolfgang von Goethe mit der Figur des Faust auseinander. Und schuf zwei große Tragödien: Faust I erschien im Jahr 1808 – da hatte Goethe bereits fast 30 Jahre lang in Weimar immer wieder an der Geschichte gefeilt. Und im Jahr 1832, wenige Monate nach Goethes Tod, wurde die Fortsetzung, Faust II, veröffentlicht. Allerdings existierte der Mythos Faust schon viel früher. Denn tatsächlich gab es einen wandernden Wunderheiler, Wahrsager und Alchemisten namens Johann Georg Faust, der im 16. Jahrhundert lebte und durch allerlei Experimente und Betrügereien auffiel. Um 1540 soll er in einer Herberge bei chemischen Experimenten ums Leben gekommen sein, vermutlich durch eine Explosion. Jedenfalls fand man seine „grässlich” zugerichtete Leiche und die Schlussfolgerung konnte damals nur lauten: Ihn hat der Teufel geholt ...

Die Kirche selbst sorgte für die Verbreitung der abschreckenden Geschichte, kam sie ihr doch sehr gelegen, um ihre christlichen Schäfchen zum gottesfürchtigen Lebenswandel anzuhalten. Immer wieder haben sich aber auch Schriftsteller mit dieser Figur auseinandergesetzt. Die früheste bekannte Version ist die „Historia des Dr. Fausten” von 1587, auch „Volksbuch” genannt. Wenige Jahre später tauchte die Faust-Geschichte in England als Dramenstoff auf und kam von dort als Komödie für Wanderbühnen zurück in deutsche Lande. Erst die Aufklärung brachte das Bemühen, in der Figur des Dr. Fausten mehr zu sehen als nur einen sagenhaften Scharlatan. Gotthold Ephraim Lessing entwarf die Faust-Figur als einen nach Erkenntnis strebenden Vertreter der Renaissance – sein Werk blieb allerdings unvollendet.

Kapitel 3: Mephistos Mission

Goethe wiederum lässt seinen Dr. Faust eingestehen, dass er aus eigener Kraft niemals zur erstrebten Welterkenntnis kommen wird. Er ist hochintelligent und gebildet, gleichzeitig aber rastlos, getrieben und unzufrieden. Er ist unfähig, den Moment zu genießen. Und trotz seiner Forschungen und Studien weiß er eines nicht, nämlich: „was die Welt im Innersten zusammenhält“. Sein ganzes Wissen ist also nicht mehr als graue Theorie. Glück, Rausch, echte Lebensfreude – all das kennt er nicht! Wie einen körperlichen Schmerz empfindet er diesen Mangel. Genau diese Unzufriedenheit führt zu einem ungeheuerlichen Bund – zum Pakt mit dem Teufel ...

Eigentlich beginnt alles recht harmlos. Und zwar mit einem schwarzen Pudel, der Faust eines Tages nach Hause folgt. Doch dann staunt Faust nicht schlecht. Denn plötzlich verwandelt sich der Pudel in den Teufel Mephisto. „Das also war des Pudels Kern!“ – lautet Fausts berühmte Reaktion. Mephisto bietet Faust an, ihm jeden Wunsch zu erfüllen. Er wolle Faust im Diesseits dienen und ihm schlicht alles ermöglichen: Lebensgenuss, pures Glück und Zufriedenheit, die Erfüllung all seiner Begierden und Sehnsüchte. Er stellt nur eine Bedingung: Als Gegenleistung verlangt er dessen Seele.

Was Mephisto allerdings verschweigt: Er hat zuvor mit Gott gewettet, dass es ihm gelingen wird, selbst einen so klugen und vernünftigen Mann wie den Doktor Faust in Versuchung zu führen. Gott war da natürlich anderer Meinung: Ein Mensch wie Faust mache zwar sicher Fehler, werde sich aber letztlich für den rechten Weg entscheiden. Wird Mephisto Faust also in einen triebgesteuerten Luftikus verwandeln, der sich über die Konsequenzen seiner Handlungen keine Gedanken macht? Ja, augenscheinlich. Faust überlegt nicht lange:

Werd’ ich zum Augenblicke sagen
Verweile doch, du bist so schön!
Dann magst du mich in Fesseln schlagen,
Dann will ich gern zugrunde gehn!

Gesagt, getan: Der Teufelspakt wird besiegelt. Und Mephisto weiß: Der kürzeste Weg hinab in die menschlichen Abgründe führt – wie sollte es anders sein – über die Liebe ...

Kapitel 4: Die Gretchenfrage

Zunächst aber bringt Mephisto dem Doktor die Welt der Genüsse näher. Er führt ihn in Auerbachs Keller zu einem Trinkgelage mit Studenten. In einer Hexenküche wird Faust sodann mithilfe eines Zaubertranks verjüngt. Nun steht dem Liebesabenteuer mit einer schönen jungen Frau nichts mehr im Wege. Auch das Objekt der Begierde ist schnell gefunden: das gerade mal vierzehnjährige Mädchen Margarete, genannt Gretchen. Sie ist so schön, rein und tugendhaft, dass Faust sich sofort in sie verliebt. Die beiden kommen ins Gespräch. Auch Gretchen entbrennt für den Gelehrten, aber sie ist doch nur ein einfaches, ungebildetes Mädchen! Am Spinnrad sitzend, klagt sie:

Meine Ruh ist hin, mein Herz ist schwer,
ich finde sie nimmer und nimmermehr!

Auch steht noch etwas ganz Grundsätzliches zwischen ihnen: die Religion. Denn das christliche Mädchen ahnt, dass es der Wissenschaftler Faust nicht ganz so mit dem Glauben hat. Prompt stellt sie ihm die vielleicht berühmteste Frage der Literaturgeschichte: „Nun sag, wie hast du’s mit der Religion?“ Die Frage hat es in sich. Denn sie offenbart den grundlegenden Konflikt jener Zeit. Die christliche Religion dominierte nahezu alle Lebensbereiche. Aber das Zeitalter der Aufklärung war längst angebrochen. Vernunft und Wissenschaft stellten die Religion mehr und mehr in Frage. Heute gehört die sogenannte Gretchenfrage zum allgemeinen Sprachgebrauch. Eine solche Frage zielt ganz grundsätzlich auf den Kern einer Sache ab. Sie will dem Befragten ein Bekenntnis entlocken.

Kapitel 5: In die Katastrophe

In Goethes Stück weicht Faust der Gretchenfrage aus. Ohne Glaubensbekenntnis – aber mit Hilfe des Teufels – wickelt er Gretchen um den Finger. Mephisto beschafft ein Schmuckkästchen, das Faust in ihr Zimmer legt. Sie überlässt es jedoch ihrer Mutter, die es dem Pfarrer zeigt – und der konfisziert es augenblicklich für die Kirche. Mephisto schafft neuen Schmuck herbei, den Gretchen nun bei Nachbarin Marthe aufbewahrt. In deren Gartenhäuschen, in „Marthens Garten”, kommt es zur gemeinsamen Nacht mit Faust. Und Gretchen wird schwanger – eine Katastrophe für ein unverheiratetes Mädchen dieser Zeit. Ihr Bruder Valentin fordert Faust zum Duell und stirbt von dessen Hand, die natürlich von Mephisto geführt wurde.

Gretchen bringt ihr Kind allein zur Welt – und tötet es im Wahn. Als Kindsmörderin wird sie in den Kerker geworfen und muss dort auf ihre Hinrichtung warten. Faust und Mephisto feiern unterdessen die Walpurgisnacht auf dem „Blocksberg” (dem Brocken im Harz). Dort läuft neben wilden Orgien ein Theaterstück. Goethe schrieb diesen „Walpurgisnachtstraum” in Prosa und schob ihn als „Stück im Stück” am Ende der Walpurgisszene ein. Er zitiert die Elfenhochzeit aus Shakespeares „Sommernachtstraum”, enthält aber zugleich zahlreiche spöttische Anspielungen auf Personen und Gruppen seiner Zeit.

Beim Tanz mit einer Hexe erhält Faust einen versteckten Hinweis auf Gretchens Schicksal. Er versucht, sie zu retten, doch sie ruft in ihrer Verzweiflung Gott um Hilfe an. Nur seinem Urteil will sie sich überlassen – und findet schließlich göttliche Erlösung.

Kapitel 6: Urfaust oder: Die Gretchentragödie

Goethe hatte sich bereits um 1770 anlässlich seines Jura-Examens an der Uni Straßburg mit der Frage beschäftigt: Verdient eine Kindsmörderin die Todesstrafe? Wenige Monate später ereignete sich in Goethes Geburtsstadt Frankfurt am Main der Fall der Dienstmagd Susanne Margarethe Brandt. Sie hatte aus Verzweiflung ihr neugeborenes Kind getötet und wurde nach damaligem Recht zum Tode verurteilt. Der junge Rechtsanwalt Goethe war vermutlich Augenzeuge der öffentlichen Hinrichtung. Das tragische Schicksal dieser Frau muss ihn so bewegt haben, dass er die „Gretchentragödie” als ein zentrales Motiv in seinen „Urfaust” aufnahm. Die Arbeit an diesem Werk begann er noch im selben Jahr. Es enthält bereits den Faust-Monolog im Studierzimmer, den Auftritt Mephistos und die Szene in Auerbachs Keller, leitet dann aber ohne den Teufelspakt unmittelbar zur Gretchentragödie über. Der Text des Urfaust sollte erst ein gutes Jahrhundert später entdeckt und unter dem Titel „Goethes Faust in ursprünglicher Gestalt” veröffentlicht werden.

Aus seinem Urfaust entwickelte Goethe bis 1788 eine weitere Fassung: „Faust. Ein Fragment”. Sie ergänzt die Gretchentragödie um die Tragödie des Gelehrten, doch der eigentliche Teufelspakt bleibt noch unausgesprochen. Ihn fügte Goethe erst in die endgültige Fassung „Faust. Eine Tragödie” ein, die 1808 gedruckt wurde und die wir als „Faust I” kennen. Sie unterscheidet sich von den Vorgängerversionen auch durch die einleitenden Szenen „Zueignung”, „Vorspiel auf dem Theater” und „Prolog im Himmel”.

Kapitel 7: Suche nach der Welterkenntnis

In Faust I geht es also nicht allein um das tragische Schicksal Gretchens, sondern um das rastlose menschliche Streben nach dem Wissen um das, „was die Welt im Innersten zusammenhält”. In einigen Interpretationen wird damit der Wunsch nach Beherrschung und Ausbeutung der Natur gleichgesetzt.

Gretchen findet am Ende göttliche Erlösung. Die aber ist für den rastlosen Faust nicht in Sicht. Im zweiten Teil der Tragödie geht deshalb die nicht enden wollende Suche des strebsamen Doktors nach Erfüllung weiter. Und ganz am Ende soll Mephisto doch noch das Nachsehen haben…

Goethe widmete diesem Stoff nahezu sein ganzes Leben. Vielleicht weil er selbst – als Dichter und Wissenschaftler – die zwiegespaltene Natur des Faust besonders gut nachempfinden konnte. Ganz sicher aber ist, dass sich Goethe mit dem Faust ein eigenes Denkmal setzte. 

Doch Goethe konnte nicht nur mit gewaltigen Werken begeistern. Er war auch in der Lage, kürzere Verse für die Ewigkeit zu schaffen – In seiner Ballade „Der Erlkönig“ stirbt ein kleiner Junge unter mysteriösen Umständen.

Zusammenfassung

  • „Faust. Der Tragödie erster Teil“ von Johann Wolfgang von Goethe erschien im Jahr 1808. Der „Faust” gilt als Goethes Hauptwerk. Der Dichter schrieb über nahezu sechs Jahrzehnte hinweg an der zweiteiligen Tragödie und schuf damit die bedeutendste Faust-Version der Literaturgeschichte.

  • Den Mythos um Faust gab es schon vorher. Die Figur basiert auf einem Wunderheiler und Alchimisten, der im 16. Jahrhundert lebte.

  • Goethe schrieb drei Versionen seines Faust. Erst die dritte (Faust I) enthält die Wette zwischen Gott und dem Teufel Mephistopheles („Prolog im Himmel”). Mephisto will den Gelehrten Faust verführen und dessen Seele bekommen. 

  • In seiner Rastlosigkeit ist es Faust unmöglich, den Moment zu genießen. Er schließt einen Pakt mit dem Teufel, um zu erkennen, was die Welt wirklich „im Innersten zusammenhält“. Dabei wird die 14-jährige Gretchen zum Spielball des Teufels.

  • Mit der Frage „Nun sag, wie hast du’s mit der Religion?“ stellt Gretchen die zentrale Frage jener Zeit. Sie offenbart den Konflikt zwischen Vernunft und Religion. Heute verstehen wir unter einer Gretchenfrage eine Frage, die auf den Kern eines Problems abzielt.

  • Die Geschichte lebt von ihrer Sprachgewalt. Zitate und Redewendungen wie „das ist des Pudels Kern“ kennen und nutzen wir noch heute.

Teste dein Wissen im Quiz

  1. Welches Werk ist Goethes bedeutendstes?
    1. A) Wilhelm Tell
    2. B) Die Leiden des jungen Werther
    3. C) Iphigenie auf Tauris
    4. D) Faust
  2. In welche Literaturepoche gehört das Werk „Faust. Der Tragödie erster Teil“?
    1. A) Realismus
    2. B) Barock
    3. C) Sturm und Drang
    4. D) Französische Renaissance
  3. Die tragischen Schicksale welcher beiden Figuren verbindet Goethes Faust I?
    1. A) Bauer und Edelmann
    2. B) Faust und Gretchen
    3. C) Papst und Päpstin
    4. D) Prinz und Prügelknabe
  4. Was ist ein zentrales Element der Faust-Geschichte?
    1. A) Weissagungen des Nostradamus
    2. B) Pakt mit dem Teufel
    3. C) Eine Italienreise
    4. D) Eine lustige Person
  5. Welcher Konflikt ist in der Figur des Gelehrten Faust im gleichnamigen Stück von großer Bedeutung?
    1. A) Familienkrach
    2. B) Unglückliche Liebe
    3. C) Religiöse Krise
    4. D) Zwiespalt von Vernunft und Trieb

Richtige Antworten: 
1. D) Faust
2. C) Sturm und Drang
3. B) Faust und Gretchen
4. B) Pakt mit dem Teufel
5. D) Zwiespalt von Vernunft und Trieb

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