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Götz von Berlichingen

Mit diesem Werk brach Goethe alle Regeln
Das Bild zeigt Friedrich Schiller und Götz von Berlichingen gemeinsam in einer klassizistischen Gartenlandschaft, wahrscheinlich in Weimar, spazierend und im Gespräch. Beide sind in zeitgenössische Kleidung des späten 18. oder frühen 19. Jahrhunderts gekleidet, und im Hintergrund ist ein klassizistisches Gebäude zu sehen.
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Intro

Das Drama „Götz von Berlichingen“ war das erste Bühnenstück des jungen Johann Wolfgang Goethe – und machte den unbekannten Autor auf einen Schlag berühmt. Das Besondere: Das Drama verstieß gegen alle geltenden Regeln der damaligen Zeit. Nach dieser Story weißt du alles über ein Werk, mit dem Goethe einem legendären Raubritter ein Denkmal setzte.

Kapitel 1: Ein Gruß mit Wirkung

Götz von Berlichingen steigt grimmig die Treppen seiner Burg hinauf und ballt die linke Hand zur Faust. Mit der rechten ist ihm dies unmöglich. Schließlich hat er sie vor Jahren verloren und trägt eine eiserne Prothese. Eiserne Hand – diesen Beinamen trägt er seitdem. Ja, viele Menschen bewundern ihn aufgrund seiner Verdienste im Kampf. Aber das ist längst Vergangenheit. Heute hat niemand mehr für einen ehrenhaften Ritter wie ihn Verwendung. Will man es ihm da wirklich verübeln, dass er den einen oder anderen Kaufmann überfallen hat? 

Schwer atmend erreicht Götz das Turmzimmer und wirft einen Blick durchs Fenster. Reichstruppen haben seine Burg umstellt. Er sitzt in der Falle. Ein Trompeter redet ihm zu und will ihn zur Aufgabe bewegen – doch Götz schnaubt. Aufgeben? Niemals! Er ruft hinab: 

„Mich ergeben! Auf Gnad und Ungnad! Mit wem redet Ihr! Bin ich ein Räuber! Sag deinem Hauptmann: Vor Ihro Kaiserliche Majestät hab ich, wie immer, schuldigen Respekt. Er aber, sag’s ihm, er kann mich im Arsche lecken!“

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Kapitel 2: Historisches Vorbild

Moment?! „Im Arsche lecken?“ Ja, so heißt es in Goethes Original; heute kennen wir das Götz-Zitat eher mit „am”. Aber überhaupt: Kann der derbe Spruch tatsächlich aus der Feder des größten aller deutschen Dichter und Denker stammen? Absolut. Der junge Johann Wolfgang Goethe schockierte mit seinem ersten Werk – und wurde deutschlandweit bekannt. Er veröffentlichte „Götz von Berlichingen mit der eisernen Hand“, so der Originaltitel, als er gerade einmal 23 Jahre alt war. Aber nicht nur die Sprache in diesem Stück ist kraftvoll und provokant, auch mit der Form sprengte Goethe Grenzen. Die zahlreichen Figuren und Handlungsorte fordern dem Zuschauer einiges ab. Doch er wird belohnt mit einer dramatischen Geschichte, die sich dem Leben der letzten Ritter widmet. 

Im Mittelpunkt steht Götz von Berlichingen. Der hat tatsächlich zu Beginn des 16. Jahrhunderts gelebt. Seiner Familie, dem Rittergeschlecht derer von Berlichingen gehört die Burg Jagsthausen, wo Gottfried von Berlichingen zu Hornberg um 1480 zur Welt kam. Mit 14 wurde er Knappe seines Onkels Konrad von Berlichingen, der Hofmeister bei dem einflussreichen Markgrafen von Brandenburg-Ansbach war. Mit ihm besuchte der junge Götz den Reichstag zu Worms, von ihm lernte er ritterliche Kampfweise und die alten Tugenden. Schon während seiner Lehrjahre wurde er zum Draufgänger, der keinem Krawall aus dem Wege ging. Später lebte er als fränkisch-schwäbischer Reichsritter auf der Burg Hornberg in Neckarzimmern, wo er 1562 im hohen Alter starb. Auch seine „eiserne Hand” ist historisch belegt: Seit er 1519 in einer Schlacht während der Landshuter Erbfolgekriege seine rechte Hand verloren hatte, trug er eine Prothese aus Eisenblech. Sie war mit einem für die Zeit erstaunlich funktionalen Mechanismus ausgestattet, der es Götz sogar ermöglichte, eine Schreibfeder zu halten. Ob er mit dieser künstlichen Hand allerdings ein Schwert führen konnte, ist in der Forschung umstritten.

Kapitel 3: Die Letzten ihres Standes

Dieser historische Gottfried „Götz” von Berlichingen war einer der letzten echten Ritter. Denn die wurden irgendwann einfach nicht mehr gebraucht. Die Welt im 16. Jahrhundert war im Umbruch, die Menschheit stand an der Schwelle vom Mittelalter zur Neuzeit. Längst war eine neue Gesellschaftsform entstanden, in der nicht mehr das freie, auf gewachsenem Naturrecht und Treue gegründete Rittertum den Ton angab, sondern Fürsten und Bischöfe. Es war die Zeit der Bauernkriege und der ersten Feuerwaffen, welche die alten Kampftechniken der gepanzerten Reiter schon bald ins Abseits drängen sollten. Ritter wie Götz von Berlichingen jedoch hielten stur an der alten Zeit mit ihren alten Werten fest. Die Abschaffung des Fehderechts – also des Rechts, Streitigkeiten untereinander selbst zu regeln – durch den Ewigen Landfrieden von 1495 empfanden sie als unzulässigen Eingriff in die uralten Privilegien ihres Standes. Die aufstrebenden Städte waren ihnen ein Dorn im Auge. Nicht zuletzt schielten sie neidisch auf den wachsenden Reichtum der Kaufleute und Handwerksmeister, während sie auf ihren Burgen oft genug den Gürtel enger schnallen mussten. Etliche verlegten sich aufs Wegelagern und Rauben, andere zettelten verbotene Fehden gegen die reichen Städte an. So einer war auch der historische Götz von Berlichingen. Er legte sich mit Köln, Bamberg, Nürnberg und schließlich mit dem ganzen Schwäbischen Bund an – jenem Fürstenbündnis, das den Landfrieden sichern sollte. Kaiser Maximilian I. hatte genug von dem rebellischen Raubritter und verhängte die Reichsacht gegen ihn. Das bedeutete: Ritter Götz verlor alle seine Besitz- und Adelsrechte und konnte im gesamten Heiligen Römischen Reich verfolgt werden. Götz wurde eingesperrt, von Freunden ausgelöst und zeigte sich weiterhin völlig unbeeindruckt. Er zog sogar im Bauernkrieg an der Spitze des Odenwälder Haufens gegen den Schwäbischen Bund – und landete erneut hinter Gittern. 1530 kam er gegen Geld frei – und ließ es nun doch etwas ruhiger angehen. Noch einmal zog er an der Seite des neuen Kaisers Karl V., der ihn rehabilitiert hatte, gegen die Türken und zwei Jahre später gegen die Franzosen. Dann setzte sich der alte Ritter mit der eisernen Hand endgültig zur Ruhe. Was ihn zur Legende machte, war weniger seine Raubritterkarriere, die hatten viele seines Standes oft notgedrungen eingeschlagen. Es war seine rebellische Persönlichkeit, sein Mut und nicht zuletzt seine derbe Ausdrucksweise. Zu einem Mainzer Amtmann soll er gesagt haben: „Er soll mich hinten lecken!”

Der junge Goethe fand wohl, dies ließe sich noch präzisieren ...

Kapitel 4: Ein Werk, das Regeln sprengt

Goethe machte aus dem rebellischen Götz eine Symbolfigur des Widerstands und ließ ihn sogar gegen die Kirche aufbegehren. Das war ganz schön gewagt für einen jungen unbekannten Autor. Doch Goethe traf damit den Nerv der jungen Generation. Das Stück „Götz von Berlichingen“ wurde 1774 uraufgeführt und fiel in die Epoche des Sturm und Drang. Das war eine literarische Strömung, in der junge Autoren wie Goethe gegen die alte Ordnung, aber auch gegen den vernunftorientieren Zeitgeist der Aufklärung aufbegehrten. Und konnte es einen besseren Botschafter des Aufbegehrens geben als einen störrischen alten Raubritter, der gegen seine Zeit rebellierte? 

Goethes „Götz von Berlichingen“ ist ganz sicher eines der wichtigsten Werke des Sturm und Drang. Eine neue Autorengeneration machte es sich im ausgehenden 18. Jahrhundert zur Aufgabe, stürmisch und leidenschaftlich gegen den herrschenden Zeitgeist anzuschreiben. Auch Goethes Weimarer Weggefährte Friedrich Schiller gehörte dazu; ihn sollte der „Götz” zu seinem eigenen Werk „Die Räuber” inspirieren.

Dabei hielten sich die Stürmer und Dränger nicht unbedingt an die klassischen Regeln eines Theaterstücks. Und Goethe brach in seinem „Götz” mit diesen Dramen-Regeln besonders radikal. Im klassischen Theater hielt man sich an die Einheit von Zeit, Ort und Handlung. Dieses Prinzip ging auf den großen Philosophen Aristoteles zurück. Große Zeitsprünge, Ortswechsel und Nebenhandlungen waren eigentlich nicht vorgesehen. Goethe aber wechselt in seinem Stück „Götz von Berlichingen“ permanent Ort und Zeit, er lässt gewaltige Schlachten schlagen und unzählige Figuren auftreten. Das Stück ist so facettenreich, dass Goethe selbst es eigentlich für nicht aufführbar hielt. Umso überraschender war dann der große Erfolg.

Kapitel 5: Ein aussichtsloser Kampf

So abwechslungsreich das Stück ist, so lebendig sind auch die darin auftreten Figuren. Das hatte sich Goethe bei dem englischen Dramatiker William Shakespeare abgeschaut. Überhaupt waren die Autoren des Sturm und Drang regelrecht im Shakespeare-Fieber. Und so schuf Goethe mit seinem Götz von Berlichingen auch keinen klassischen Helden des 18. Jahrhunderts. Der typische Held dieser Zeit sollte sich nämlich vor allem von der Vernunft leiten lassen. Doch dem Draufgänger Götz fehlt dieses Maßvolle, Abwägende völlig. Goethe machte einen trotzigen und wüst fluchenden alten Ritter zum Helden. Das missfiel vor allem konservativen Zeitgenossen. Darunter auch der preußische König Friedrich II. Der stellte dem Drama das vernichtende Zeugnis aus, es sei eine „abscheuliche Nachahmung jener schlechten englischen Stücke“. Gemeint waren die Stücke von William Shakespeare.

Goethe könnte diesen Tadel glatt als Kompliment aufgefasst haben.

Sein „Götz“ lebt vor allem von seinen vielen Wendungen. Denn in dem Stück werden dem Ritter ganz schön viele Steine in den Weg gelegt. Strippenzieher ist dabei vor allem der Bischof von Bamberg, mit dem Ritter Götz in Fehde liegt. Zuerst lässt der Bischof einen Knappen von Götz gefangen nehmen und foltern, dann zieht er mithilfe der schönen Adelheid von Walldorf auch noch Götz‘ Freund Adalbert von Weislingen auf seine Seite. Der ist ein ziemlich wankelmütiger Charakter und verkörpert die neue Zeit, gegen die Götz ankämpft. Schließlich verliert Götz auch noch die Unterstützung des Kaisers. Seine Burg wird von Reichstruppen umstellt und belagert. Hier im dritten Aufzug des Dramas kommt es zum „schwäbischen Gruß”, eben jenem berühmt gewordenen Zitat.

Ritter Götz wird gefangengenommen und im Rathaus von Heilbronn vor Gericht gestellt. Doch sein Schwager Franz von Sickingen zieht mit 200 Mann vor die Stadt und droht, sie niederzubrennen. Götz kommt frei und wird von aufständischen Bauern zum Anführer erwählt. Sie versprechen ihm, von weiteren Gewalttaten abzusehen, aber sie brechen ihr Wort. Und Ritter Götz wird erneut gefangengenommen und in Heilbronn eingekerkert. Am Ende muss er feststellen: Freiheit gibt es nur im Jenseits, die Welt aber ist ein Gefängnis.

Kapitel 6: Kritik an der eigenen Zeit

Goethe lässt in seinem Werk nicht nur einen fast vergessenen Raubritter um seine Freiheit kämpfen, er übte mit dem Drama auch Kritik an seiner eigenen Zeit: Der Herrschaft der Fürsten stellte er das Ideal des freien Individuums gegenüber. Ja, Goethe erzählt in seinem „Götz“ auch vom Kampf gegen den Absolutismus. Und auch dieser Kampf war nicht zu gewinnen. Noch nicht. Erst 15 Jahre später sollte die Französische Revolution die Monarchen in Europa so richtig das Fürchten lehren. Bis es aber so weit war, stand ein Einzelner den Herrschenden doch recht ohnmächtig gegenüber. Dieses Ohnmachtsgefühl verkörpert Goethes Held Götz von Berlichingen – doch seinen Traum von der Freiheit träumt er bis zum Tod. In seinen letzten Worten warnt er seine Nachkommen: „Es kommen die Zeiten des Betrugs, es ist ihm Freiheit gegeben. Die Nichtswürdigen werden regieren mit List, und der Edle wird in ihre Netze fallen.”

Um eine ganz andere Freiheit geht es in Goethes zweitem Werk. Darin nimmt sich ein junger Held die Freiheit, bedingungslos zu lieben – und zwar bis in den Tod. Mit seinem Briefroman „Die Leiden des jungen Werthers“ sollte Goethe nicht nur Deutschland, sondern ganz Europa erobern.

Zusammenfassung

  • „Götz von Berlichingen“ (Originaltitel: „Götz von Berlichingen mit der eisernen Hand“) war Goethes Debüt und brachte ihm den literarischen Durchbruch in Deutschland. 

  • Im Drama wird das Leben eines Reichsritters aufgegriffen, der tatsächlich existierte. Es handelt von einem trotzigen Helden, der als Ritter im 16. Jahrhundert vergeblich versuchte, seine persönliche Freiheit zu verteidigen. Es geht um ritterliche Werte und den Kampf gegen Autoritäten.

  • „Götz von Berlichingen“ gilt als bedeutendes Werk des Sturm und Drang. Goethes Dramenheld verkörpert das antiautoritäre Freiheitsideal der Sturm-und-Drang-Dichter, die das Gefühl über die Vernunft stellten.

  • Goethe brach im „Götz” mit den Dramenregeln von Aristoteles – er sprengte die Einheit von Ort, Zeit und Handlung. Er übte mit dem Drama auch Kritik am Absolutismus seiner Zeit.

  • Goethes Erstlingswerk wurde 1774 am Berliner Comödienhaus uraufgeführt. Eine erste Fassung, den sogenannten „Urgötz”, hatte er bereits 1771 in Frankfurt am Main geschrieben; sie wurde erst nach seinem Tod veröffentlicht. Es gibt auch noch eine dritte Fassung, die Goethe für das Kurfürstliche Hoftheater Weimar geschrieben hatte.

Teste dein Wissen im Quiz

  1. Zu welcher Gattung der Dichtung gehört das Werk „Götz von Berlichingen“?
    1. A) Briefroman
    2. B) Novelle
    3. C) Drama
    4. D) Sonett
  2. Worum geht es in dem Werk „Götz von Berlichingen“?
    1. A) Um einen verliebten Wandersänger
    2. B) Um einen verarmten König
    3. C) Um einen erfolglosen Dichter
    4. D) Um einen historisch verbürgten Ritter
  3. Was ist ein zentrales Thema des Stückes „Götz von Berlichingen“?
    1. A) Ritterliche Werte und Kampf gegen Autoritäten 
    2. B) Die Abschaffung des Lehnswesens
    3. C) Hungersnot und Kriege
    4. D) Soziale Reformen
  4. Für welche Epoche ist Goethes Stück „Götz von Berlichingen“ ein bedeutendes Werk?
    1. A) Romantik
    2. B) Sturm und Drang
    3. C) Hochmittelalter
    4. D) Moderne
  5. Wodurch provozierte Johann Wolfgang Goethes Figur Götz im „Götz von Berlichingen“?
    1. A) Derber Rebell
    2. B) Intriganter Höfling
    3. C) Verliebter Mönch
    4. D) Wein trinkender Asket

Richtige Antworten: 
1. C) Drama
2. D) Um einen historisch verbürgten Ritter
3. A) Ritterliche Werte und Kampf gegen Autoritäten 
4. B) Sturm und Drang
5. A) Derber Rebell

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