Über sieben Brücken musst du gehn … So heißt es in einer bekannten Liedzeile. Dem Maler Claude Monet reichte schon eine. Die aber malte er immer wieder und wieder. Nach dieser Story weißt du, warum er mit seinen immer abstrakter werdenden Brückenbildern auch gegen eine drohende Erblindung anmalte.
Mit feinem Schwung spannt sich die Brücke im japanischen Stil über den Teich. Sie scheint von einem Bildrand zum anderen zu schweben, hat keinen Anfang und kein Ende – und doch verbindet ihr Bogen Luft und Wasser. Obwohl von Menschenhand gestaltet, wirkt die Brücke natürlich und nicht als Fremdkörper inmitten scheinbar unberührter Natur. Im Gegenteil: Kunst und Natur wirken hier zusammen. An manchen Stellen lässt die Sonne das Brückengeländer inmitten des satten Grüns aufleuchten. Pappeln und Trauerweiden breiten ihre Äste über ihr aus, Glyzinien fallen wie grüne Kaskaden auf die Brücke herab. Eine Symphonie in Grün. Hohes Gras und Iris wachsen am Ufer des Teichs, der fast komplett von Seerosen bedeckt ist. Ihre großen Blüten treiben wie Inseln auf dem Wasser. Fast meint man, das Summen der Insekten zu hören und die warmen Sonnenstrahlen zu spüren, die schillernde Reflexe auf das Wasser des Teichs werfen. Und es duftet, nach Blumen und nach Wasser, nach Sommer und irgendwie nach Licht.
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Jetzt runterladen!Claude Monets Gemälde Die japanische Brücke ist ein Fest für die Sinne. Monet malte es 1899 in seinem Garten in Giverny, einem kleinen Bauerndorf in der französischen Normandie. Dort hatte er sich mit Anfang 40 niedergelassen. Und dort gestaltete der Naturmaler die Natur nach seinen Vorstellungen. Er schuf sich eine sinnliche Gartenlandschaft, eine Kulisse, die bereits wie ein Gemälde angelegt war. So natürlich unberührt sein Garten nämlich auch wirkt, so geplant und geordnet war er in Wirklichkeit. Wie ein Passepartout. Sogar die Farben der Blüten waren aufeinander abgestimmt. Andere Künstler malten einfach nur einen Garten. Monet aber legte 1893 sogar einen an, nur um ihn zu malen. Später ließ er von einem lokalen Handwerker die geschwungene Brücke bauen, die über das Gewässer führt. Inspiriert wurde er dazu durch japanische Farbholzschnitte, die er leidenschaftlich sammelte und die in eleganten Bilderrahmen die Wände seines Hauses zierten.
Symmetrie war Monet sehr wichtig, und so achtete er auch darauf, dass die japanische Brücke auf einer Linie mit der Allee lag, die zum Haus führte. Auf dem Gemälde gibt die geometrische Brückenstruktur sogar Symmetrie und Linienführung vor. Im Lauf der Jahre wurde die echte Brücke von der überbordenden Fülle der Glyzinien überwuchert, sie wurde nach und nach Teil der Natur. Nach Claude Monets Tod im Jahr 1926 begann der Garten von Giverny dann immer mehr zu verwildern. Erst 1977 wurde er wieder hergerichtet und die bröckelnde Brücke ausgetauscht. Drei Jahre später öffnete Monets Garten seine Pforten für die Öffentlichkeit und kann bis heute besucht werden. Das Gemälde Die Japanische Brücke von Claude Monet, ein Meisterwerk des Impressionismus, kann im Musée d’Orsay in Paris bewundert werden.
Die Brücke und das Ufer rahmen den Teich ein und lenken den Blick auf die Wasseroberfläche. Sie war es, die Monet besonders interessierte. Die Spiegelungen des Himmels und der Bäume, ein Windhauch kräuselte das Wasser, das Licht erzeugte eine besondere Stimmung. Innerhalb weniger Sekunden änderte sich alles, und Monet hielt dieses Flüchtige fest. Denn genau das war sein Ziel: Luft und Licht – das eigentlich Nicht-Greifbare – in seinen Gemälden einzufangen. Für den Impressionisten war der Augenblick wichtig. Die Impression, also der Eindruck. Ihn wollte er festhalten. Monet wollte die Momentaufnahme eines bestimmten Augenblicks schaffen. Er wollte die Stimmungen sichtbar machen und schuf deswegen oft ganze Serien desselben Motivs – immer gleich und doch immer wieder neu. Er hielt in seinen Gemälden fest, wie sich das Licht zu unterschiedlichen Tages- und Jahreszeiten änderte und wie es die Atmosphäre eines Ortes veränderte. Es gelang ihm, diese flüchtige Lichtstimmungen einzufangen und das doch eigentlich nicht Fassbare, die Schönheit von Licht und Luft, sichtbar zu machen. Aber auch das Element Wasser faszinierte ihn. Zahlreiche seiner Gemälde zeigen das Meer, Flüsse und Seen. Oft malte er sogar von einem Boot aus, um die besondere Perspektive des direkten Blicks auf das Wasser darstellen zu können.
Da Monet vor Ort und nicht in einem Atelier arbeitete, passte er seinen Malstil dem schnellen Wechsel von Licht und Schatten an und malte ebenso schnell. In seinen Gemälden ist nichts glatt oder fein „ausgemalt“, stattdessen sind die Farben oftmals in dicken Schichten aufgetragen. Unzählige Pinselstriche liegen übereinander. Es sind diese wilden und breiten Pinselstriche, die die impressionistische Malerei auszeichnen.
Und so erkennt man auf seinem Brücken-Gemälde erst aus der Ferne das wahre Farbenspiel, die einzelnen Schattierungen des Grüns – hell, dunkel, Licht und Schatten.
Monet war regelrecht besessen von seinem Seerosenteich und der japanischen Brücke. Er wollte unbedingt den Zauber seines Teiches einfangen. Im Sommer des Jahres 1899 malte Claude Monet allein zwölf Brückenbilder und im folgenden Jahr noch einmal sechs. Auch zwanzig Jahre später entstanden noch weitere Gemälde der Japanischen Brücke.
Im Laufe der Jahre aber wurden die Ölgemälde immer abstrakter, die Pinselstriche wilder. So ist die Japanische Brücke auf den späten Bildern mehr zu erahnen als wirklich zu erkennen. Die Farbe übernahm das Kommando und löste das Gegenständliche auf. Fast scheint es, als wollte Claude Monet mit diesem Farbenrausch gegen den langsamen Verlust seines Augenlichts aufbegehren. Denn der graue Star hatte Monet zu dieser Zeit schon fast erblinden lassen. Nur noch 10 Prozent Sehkraft soll er besessen haben. Dennoch konnte er nicht von der Malerei lassen. Er sei wie Beethoven, meinte Monet einmal. Und der habe ja schließlich auch taub komponieren können. Mit über 80 Jahren wurde Monet dann an den Augen operiert und konnte danach mit Hilfe einer Brille wieder besser sehen. Vielleicht ist seine Fast-Erblindung eine Erklärung dafür, warum es Monet so wichtig war, festzuhalten, was nicht greifbar, nicht sichtbar war: Augenblicke, Stimmungen, Gefühle.
Das gelang Monet auch und ganz besonders in seinem wohl berühmtesten Bild. Mit diesem Werk hat die moderne Malerei des 20. Jahrhundert erst begonnen. Es heißt: Seerosen und ziert als Kunstdruck mittlerweile so manche Wand.
Zusammenfassung
Claude Monet wollte das „Nicht-Greifbare“ wie Luft und Licht malen. Er wollte die besondere Stimmung eines bestimmten Augenblicks festhalten. Das war den Impressionisten besonders wichtig.
Monet legte seinen Garten erst an, um ihn dann zu malen – er schuf sich die perfekte Kulisse.
Vorbild für die Brücke waren Brückendarstellungen auf japanischen Holzschnitten. Monet schuf zahlreiche Gemälde mit dem Motiv der Japanischen Brücke.
Claude Monet litt unter Grauem Star, verlor fast sein Augenlicht und malte dennoch weiter. Seine Brückenbilder wurden auch dadurch immer abstrakter.
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Richtige Antworten:
1. B) Musée d’Orsay, Paris
2. A) Giverny
3. B) Beethoven
4. C) Seerosen
5. D) Japanische Holzschnitte