Raus aus dem Atelier und rein in die Natur! So könnte der Slogan der impressionistischen Maler gelautet haben, die im Gegensatz zu ihren Vorgängern nun lieber direkt vor dem Motiv malten. In dieser Story erfährst du, dass auch Claude Monet am liebsten draußen malte und dass das sogar Auswirkungen auf die Größe seiner Bilder hatte.
Sommer! Endlich. Wie sehr hat sich Camille danach gesehnt. Das Frühjahr war so verregnet, der Alltag grau und ihre finanzielle Situation in den letzten Jahren alles andere als rosig gewesen. Öfter als nur einmal hatte sie Jean mit knurrendem Magen in sein Bettchen schicken müssen. Nun aber, hier in Argenteuil, scheint sich alles zum Guten zu wenden. Und Claude hat auch endlich wieder ein Bild verkaufen können. Was für ein Glück.
Camille lässt ihren Sonnenschirm sinken und blickt nach oben, weiße Wattewölkchen ziehen über den blauen Himmel, eine leichte Brise bringt etwas Erfrischung in der flirrenden Hitze. Der Sommer ist immer so von Leichtigkeit erfüllt. Camilles Hand streicht sacht über das wogende Meer aus Gras. Der kleine Jean verschwindet bis zur Brust darin. Wie entzückend er in seinem Matrosenanzug doch aussieht.
Es duftet nach Heu und Blumen, und zwischen den Halmen zirpen die Grillen. Und der Klatschmohn leuchtet so herrlich. Kein Wunder, dass Jean da einen dicken Strauß pflücken musste. Später, wenn Claude endlich fertig mit Malen ist und sie nach Hause gehen können, wird sie die Blumen auf den Tisch im Wohnzimmer stellen. Auch wenn sie schneller verwelken als alle anderen Blüten auf dieser Welt, so werden sie doch wenigstens für kurze Zeit etwas Farbe in das triste Zimmer mit der durchgesessenen Couch bringen. Lächelnd muss sie an Claudes Pläne von einem leuchtend gelb gestrichenen Esszimmer denken. Irgendwann, ja irgendwann werden sie genau das haben...
Die erste App, die dich wirklich schlauer macht.
Jetzt runterladen!In seinem Ölgemälde Mohnfeld bei Argenteuil (französisch: Les Coquelicots à Argenteuil; englisch: Poppy Field near Argenteuil) verewigte Claude Monet seine Ehefrau Camille und den gemeinsamen Sohn Jean bei einem sommerlichen Spaziergang über Wiesen und Felder. Keinen anderen Menschen porträtierte der Maler so oft wie seine Ehefrau – auf mindestens 58 seiner Bilder ist sie zu finden, und auch anderen Impressionisten wie Edouard Manet stand sie Modell.
Mit Anfang 30, ab Dezember 1871, lebte Monet mit seiner kleinen Familie im Dörfchen Argenteuil, unweit von Paris und malerisch an der Seine gelegen. Schwärmerisch schwelgte er in der schönen Landschaft, die das Dorf umgab. Hier konnte Monet seine Werktage mit Farbenexperimenten verbringen und sich zu dem „Maler des Lichts“ entwickeln, als der er oft bezeichnet wird. Im Lauf der Jahre folgten Monet noch weitere Maler in den Vorort, der sich zu einem Zentrum der impressionistischen En Plein-Air-Malerei – der Malerei an der freien Luft – entwickeln sollte.
Das Mohnfeld bei Argenteuil malte Monet im Jahr 1873. Bereits seit einigen Jahren hatten befreundete Maler – unter ihnen Pierre-Auguste Renoir und Camille Pissarro – neue Inspirationsquellen in der Natur gefunden. Diese Künstler wollten Bilder mit neuen Themen und Motiven malen und sich absetzen von dem, was bis dahin die Mode auf der Künstlerleinwand bestimmte. Hatten Maler bislang vornehmlich religiöse und mythologische Szenen erschaffen, wollten die jungen Impressionisten lieber das moderne Leben in die Bilderrahmen bringen. Ihre großen Themen wurden die Natur, die Stadt, der Mensch und auch der Reiz des Exotischen. Vor allem aber zogen die Impressionisten aus ihren Ateliers hinaus in die freie Natur, um dort zu malen. Auch Monets Mohnfeld entstand direkt vor Ort. Deshalb ist es mit einem Format von 50 mal 65 Zentimetern relativ klein, gerade mal so groß wie ein Sofakissen – so war es leicht zu transportieren und fand Platz auf der Staffelei, die Monet stets zusammen mit Farben und Pinseln zu seinem Motiv trug. Monet malte schnell, mit wilden, freien Pinselstrichen, um den Augenblick, der sich ihm offenbarte, festzuhalten. Seine Mohnblumen sind kräftig rote Farbkleckse, die über dem Gras zu schweben scheinen und im Hintergrund immer mehr verschwimmen. Auch die Gesichter der Frau und des Kindes sind nur angedeutet. Gerade deshalb wirkt das Bild so spontan und frisch, obwohl die Farben teilweise fast blass erscheinen. Im Laufe seines Aufenthalts in Argenteuil wandelte sich aber sein Stil, und die Farben wurden kräftiger.
Das Gemälde hängt heute im Musée d’Orsay in Paris, das bekannt ist für seine exquisite Impressionisten-Sammlung.
In Argenteuil reifte in Claude Monet und einigen seiner Malerkollegen die Idee, sich in einer eigenen Künstlergenossenschaft zusammenzuschließen. Sie wussten, dass ihre Gemälde nicht den Traditionen und Forderungen des etablierten Pariser Salons entsprachen und dort wohl niemals ausgestellt werden würden. Der Salon war die wichtigste Kunstausstellung in dieser Zeit. Er war die Institution, die darüber bestimmte, was gute und was schlechte Kunst war. Also planten Monet und seine Kollegen eine eigene Ausstellung – am Pariser Salon vorbei. Ein radikaler und mutiger Schritt. Im April 1874 eröffneten sie ihre erste Ausstellung, in der auch Monets „Mohnfeld“ zu sehen war. Es war allerdings ein anderes Gemälde von Monet, das der neuen Stilrichtung dieser vom Pariser Salon unabhängigen Gruppe um Monet schließlich ihren Namen gab. Ein Kritiker der Ausstellung hatte nämlich den Titel des Monet-Gemäldes „Impression: Sonnenaufgang“ (eine Ansicht des Hafens von Le Havre am frühen Morgen) als Stichwort genommen, um damit den Stil der ausstellenden Künstler zu kennzeichnen – und ihn lächerlich zu machen. Während er den skizzenhaften, scheinbar unfertigen Charakter der Gemälde verspottete und in ihnen nicht mehr als simple Impressionen sah, war es eben genau das, was die jungen Maler anstrebten. Sie waren Impressionisten und nahmen diese Bezeichnung, die eigentlich als Beleidigung gedacht war, selbstbewusst als ihren Gruppennamen an.
In Argenteuil lebte der Künstler sechs Jahre lang. Dann zog es Monet mit seiner Familie wieder nach Paris, wo Camille den zweiten gemeinsamen Sohn Michel zur Welt brachte. Lange aber hielten sie es nicht in der Großstadt aus und kehrten bald schon wieder aufs Land zurück, dieses Mal in das Örtchen Vétheuil, unweit von Paris gelegen. Dort schuf Claude Monet über 150 neue Gemälde und dort starb auch seine Frau Camille im Alter von nur 32 Jahren – man vermutet, an einer Krebserkrankung. Monet malte sie ein letztes Mal, das Bild zeigt sie auf dem Totenbett. Trost fand der Maler in den Armen der noch verheirateten Alice Hoschedé. Bis zu dem Tod ihres Mannes lebten Claude Monet und Alice in wilder Ehe. Dann zogen sie nach Giverny und heirateten schließlich. In Giverny legte der Maler seinen berühmten Garten an, der ihm fortan seine Motive, wie die berühmten Seerosen und die japanische Brücke, liefern sollte. Und auch den Traum vom leuchtend gelben Esszimmer erfüllte er sich dort.
Claude Monet ist hauptsächlich für seine Natur- und Landschaftsbilder bekannt und Reproduktionen seiner Werke zieren als Kunstdrucke und Leinwandbilder mittlerweile die Wände vieler Wohnzimmer.
Zusammenfassung
Monet lebte einige Jahre lang im idyllischen Örtchen Argenteuil, wo sich ein Zentrum der impressionistischen Malerei entwickelte.
Der Impressionismus entwickelte sich als Gegenbewegung zur traditionellen, vom Pariser Salon geförderten Malerei.
Der Titel eines Gemäldes von Monet gab dem Impressionismus seinem Namen.
Monet reiste viel und zog oft um, bevor er in Giverny endgültig sesshaft wurde und seinen berühmten Garten anlegte.
Teste dein Wissen im Quiz
Richtige Antworten:
1. B) Claude Monet
2. C) Mohnfeld bei Argenteuil
3. A) Impressionismus
4. D) Seine Ehefrau Camille und Sohn Jean
5. B) Giverny