Das Kurzwort steht für Staatssicherheit. Sie war die Geheimpolizei der DDR. Nach dem Volksaufstand von 1953 wurde sie massiv ausgebaut und mit immer mehr Macht ausgestattet. Welche Folgen es haben kann, wenn ein Staat seinen eigenen Bürgerinnen und Bürgern misstraut, das hörst du in dieser Story.
Endlich Feierabend. Die junge Fabrikarbeiterin schließt die Tür zu ihrer Ostberliner Wohnung und lässt sich erschöpft auf das verschlissene Wohnzimmersofa sinken. Wieder einmal hat sie einen harten Arbeitstag hinter sich gebracht, wieder einmal hat sie ihren persönlichen Teil zum Aufbau des Sozialismus beigetragen. Gerade greift sie entspannt nach einer Zigarette, als ein seltsames Gefühl sie beschleicht. Irgendetwas in ihren eigenen vier Wänden ist anders als sonst. Misstrauisch blickt sie sich um. Tisch, Stühle, Kommode stehen an Ort und Stelle, Schubladen und Schranktüren sind ordentlich geschlossen. Eingebrochen wurde offenbar nicht. Seltsam. Dann fällt ihr Blick auf das Fensterbrett. Die Blumentöpfe! Sie stehen ganz anders als sonst! Verwirrt blickt die junge Frau durch das Fenster auf das Hochhaus gegenüber. Die Überwachungskamera, die von dort aus auf sie gerichtet ist, wird sie niemals zu Gesicht bekommen ...
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Jetzt runterladen!Was sich heute wie eine Szene aus einem verstörenden Zukunftsroman anhört, war noch vor wenigen Jahrzehnten bittere Realität – in der DDR. Der sozialistische Staat ließ seine Bürgerinnen und Bürger oft genug bis ins Schlafzimmer hinein überwachen. Privatsphäre? Fehlanzeige. Wer verdächtig war, gegen den sozialistischen Staat zu reden oder gar zu handeln, hatte aus Sicht der Stasi das Recht auf Privatsphäre verwirkt. Er oder sie wurde fortan ausspioniert, beobachtet und belauscht. Die Methoden, die dabei zur Anwendung kamen, wurden immer ausgefeilter. Wohnungen wurden heimlich durchsucht, während die sogenannte „Zielperson“ auf der Arbeit war. Arbeitskollegen und sogar Verwandte wurden auf sie angesetzt, um sie auszuhorchen. Kritiker der DDR verschwanden ohne Begründung im Gefängnis, es gab ungeklärte Todesfälle und offene Mordanschläge.
Und das in einem Staat, der doch angeblich so friedliebend und demokratisch war…
Gegründet wurde die Stasi im Jahr 1950 nach dem Vorbild des KGB, des Geheimdienstes der kommunistischen Sowjetunion. Anfangs war das Ministerium für Staatssicherheit, kurz MfS, vor allem dafür zuständig, die DDR-Bürger von der sogenannten „Republikflucht“ abzuhalten. Denn die Abwanderung in den demokratischen Westen hatte Anfang der 50er-Jahre dramatische Ausmaße angenommen. Nicht nur enteignete Unternehmer und Großgrundbesitzer verkrümelten sich über die noch durchlässige Grenze in den Westen, auch zahllose Fachkräfte verließen die DDR für immer. Und weil die Kritik am politischen System stetig zunahm, wurden immer mehr Menschen in ihren Fluchtgedanken bestärkt. Für die alles bestimmende Sozialistische Einheitspartei Deutschlands (SED) gab es nur eine Möglichkeit dagegen: Die Grenzen in den Westen mussten dichtgemacht werden! Das begann ab etwa 1952 mit verschärften Kontrollen und dem Bau erster Stacheldrahtzäune an der Westgrenze. Die Berliner Mauer war hingegen noch Zukunftsmusik; sie sollte erst 1961 errichtet werden.
Ja, und mitten hinein in all diese Entwicklungen platzten im Juni 1953 die Streiks der Berliner Bauarbeiter, die sich innerhalb von nur drei Tagen nahezu die gesamte DDR erfassten und zu einem Volksaufstand wurden, der erst mithilfe der Sowjetmacht niedergeschlagen werden konnte. Der damalige Minister für Staatssicherheit, Wilhelm Zaisser, hatte die Lage schlicht unterschätzt. Folgerichtig wurde er aus dem Amt entfernt. Und vor jedem möglichen weiteren Aufstand wollte sich die SED-Diktatur nun wirksamer schützen. Ebenso wie die sogenannte Republikflucht sollten sie dadurch verhindert werden, dass man die eigenen Bürger rund um die Uhr überwachte und bespitzelte.
In den folgenden Jahren wurde das Ministerium für Staatssicherheit (MfS) massiv ausgebaut. Es erhielt Gebäude und Fahrzeuge, Personal und Schulen, Waffen und allerlei technisches Gerät zum heimlichen Fotografieren und Abhören. Nichts war zu teuer für den wachsenden Apparat, der im SED-Sprachgebrauch den blumigen Namen „Schild und Schwert der Partei“ trug. Der Volksmund fand einen anderen Namen für die zunehmend verhasste Behörde: „Horch und Guck“.
1955 wurden die Bezirksverwaltungen des MfS noch um eine sogenannte „Hauptverwaltung Aufklärung“ („HVA“) ergänzt, um in West-Berlin und der BRD zu spionieren. Zwei Jahre später trat ein Mann namens Erich Mielke an die Spitze des Ministeriums für Staatssicherheit. Unter ihm wurde die „Stasi“ zu jenem gefürchteten Machtapparat, vor dem kein DDR-Bürger sicher war. Erich Mielke wurde zur Symbolfigur der totalen Überwachung. Heute wird die Stasi vor allem mit seinem Namen verbunden.
Mithilfe der Stasi sollten also nun alle Kritiker des sozialistischen Partei- und Staatsapparats für immer ausgeschaltet werden. Und zwar möglichst so, dass die verhasste West-Presse keinen Wind davon bekam. Schließlich wollte sich die DDR nach innen und außen weiterhin als sozialistischer Vorzeigestaat präsentieren!
Das System der Stasi wurde immer ausgeklügelter. Dazu gehörten Abhörgeräte in Privatwohnungen ebenso wie die heimliche Begutachtung von Krankenakten oder der Literaturauswahl im Bücherschrank. Vereine wurden unterwandert, Briefe abgefangen, Telefone angezapft. Ja, es wurden sogar „Geruchsproben“ gesammelt – Stofflappen in Einweckgläsern, die man bei Bedarf einem Polizeihund unter die Nase halten konnte. Kurz: Die Stasi setzte genau jene demokratischen Freiheitsrechte außer Kraft, auf die sich die SED-Führung in ihrer Propaganda so vehement berief. Kirchliche Gruppen und kritische Künstler standen besonders häufig unter Beobachtung. Aber es genügte auch schon ein politischer Witz, um ins Visier der Stasi zu geraten.
Regimekritikern drohten willkürliche Verhaftung und endlose Verhöre, ja sogar Folter. Eine beliebte Methode war es, die Gefangenen nachts nicht schlafen zu lassen. Und auch Menschen, die nicht im Gefängnis landeten, konnten Opfer einer anderen perfiden Stasi-Methode werden: der sogenannten „Zersetzung“. Plötzlich kursierten üble Gerüchte, Freunde wandten sich ab, im Beruf folgte ein Misserfolg dem anderen – und die Opfer ahnten nicht einmal, dass die Stasi hinter all dem steckte.
Aber: Wie sah der typische Stasi-Mitarbeiter eigentlich aus? Nun, auch dies gehörte zu den perfiden Methoden des MfS. Denn neben Zehntausenden hauptamtlichen Stasi-Mitarbeitern wurden auch zahllose Privatbürger als Stasi-Spitzel eingesetzt. Manche machten freiwillig mit und zogen Vorteile daraus, andere waren zuvor selbst wegen irgendwelcher Kleinigkeiten in die Fänge der Stasi geraten. Nun wurden sie so lange bedroht und erpresst, bis sie sich zur Mitarbeit bereiterklärten. Fortan waren sie „Inoffizielle Mitarbeiter“, kurz „IM“, und mussten regelmäßig Berichte abliefern: Worüber unterhielten sich die Kollegen in der Mittagspause? Wer hatte Verwandte im Westen oder schwänzte politische Pflichtveranstaltungen? Wer schimpfte allzu laut über die alltäglichen Ärgernisse der Mangelwirtschaft? Und vor allem: Wer plante möglicherweise seine Flucht? Nachbarn, Freunde – jeder konnte so ein „IM“ sein. Sogar die eigenen Kinder oder der Lebenspartner. Niemand war vor diesem Spitzelsystem sicher, weder die Arbeiterin im „Volkseigenen Betrieb", noch der Bauer auf dem Feld, noch der Soldat an der Grenze zum Westen. Einer Grenze, die in den rund vier Jahrzehnten des DDR-Regimes zu einem mörderischen Bollwerk ausgebaut wurde.
Ein Staat aber, der seinen eigenen Bürgerinnen und Bürgern derart misstraut, der ist am Ende vor allem eines: zum Scheitern verurteilt …
Zusammenfassung
Die Partei- und Staatsführung der DDR ließ ihre Bevölkerung umfassend überwachen und durch Einschüchterung gefügig machen. Das wichtigste Instrument dafür war die Stasi, das Ministerium für Staatssicherheit – kurz „MfS“.
Die Staatssicherheit der DDR verfolgte vor allem Andersdenkende und vermeintliche Staatsfeinde. Sie wurden gezielt ausspioniert, schikaniert und ohne Begründung verhaftet. Schlafentzug war eine häufig angewandte Foltermethode.
Anfangs war die Eindämmung der sogenannten „Republikflucht“ die vordringliche Aufgabe der Stasi gewesen. Nach dem Volksaufstand von 1953 wurde das Ministerium massiv verstärkt und ausgebaut.
Neben zehntausenden Hauptamtlichen setzte die Stasi auch zahllose Privatleute als sogenannte „Inoffizielle Mitarbeiter“ ein. Dadurch konnte kein DDR-Bürger mehr sicher sein, dass er nicht auch von Verwandten oder Freunden bespitzelt wurde.
Die ehemalige Stasi-Zentrale in Berlin-Lichtenberg ist heute eine Gedenk stätte.
Teste dein Wissen im Quiz
Richtige Antworten:
1. A) 1953
2. D) Eindämmung der „Republikflucht“
3. B) Erich Mielke
4. C) Inoffizielle Mitarbeiter
5. A) Stofflappen
Das Ministerium für Staatssicherheit (MfS), meist kurz „Stasi“ genannt, war sowohl eine politische Geheimpolizei als auch ein Nachrichtendienst, der im Ausland spionierte. Das MfS wurde 1950 nach dem Vorbild des sowjetischen Geheimdienstes KGB gegründet. Anfangs war die Eindämmung der sogenannten „Republikflucht“ die vordringliche Aufgabe der Stasi gewesen. Nach dem Volksaufstand 1953 wurde es mit immer mehr Personal und Spionage-Technik ausgestattet, um Oppositionelle lückenlos zu überwachen. Auch Besucher aus dem Westen wurden bespitzelt; eine Hochburg dieser Bespitzelung war die Leipziger Messe.
Das Ministerium für Staatssicherheit warb gezielt besonders linientreue Angehörige der Polizei, der Armee und des Staatsdienstes als hauptamtliche Mitarbeiter an. Zusätzlich schuf es ein engmaschiges Netz sogenannter Inoffizieller Mitarbeiter (IM), die in den Betrieben ihre Kollegen und Vorgesetzten sowie im Privatleben ihre Nachbarn, Freunde und sogar Familienangehörige zu bespitzeln hatten. Sie wurden mit Vorteilen belohnt oder durch subtile Erpressung zu Spitzeldiensten genötigt. Der Personalbedarf stieg stetig an; 1989 beschäftigte das MfS laut eigenem Register rund 91.000 hauptamtliche und rund 180.000 Inoffizielle Mitarbeiter. Der bekannteste und berüchtigtste Chef der Stasi war Erich Mielke. Er löste im November 1957 den bisherigen Leiter Ernst Wollweber ab und leitete das MfS bis zum Zusammenbruch des SED-Regimes 1989.
Jeder Mensch, der laut Staatssicherheit „staatsfeindliche Bestrebungen“ zeigte, also zum Beispiel die Flucht in den Westen plante oder des politischen Widerstands verdächtigt wurde. Dafür reichte es schon, in einer kirchlichen oder Umweltschutz-Gruppe aktiv zu sein oder zu enge Kontakte zu Verwandten in der BRD zu pflegen. Auch Punks und Wehrdienstverweigerer sowie Messegäste aus dem sogenannten „nichtsozialistischen Wirtschaftsgebiet“ wurden bespitzelt.
Zu den Mitteln der Unterdrückung gehörten heimliche Wohnungsdurchsuchungen, Abfangen von Postsendungen, Einschüchterung, Inhaftierung und die sogenannte „Zersetzung“: eine Form des systematischen verdeckten Mobbings, mit dem das Opfer gesellschaftlich isoliert werden sollte. In den Gefängnissen waren psychologische Foltermethoden wie Schlafentzug und stundenlange Verhöre an der Tagesordnung.
Noch während der friedlichen Revolution 1989 hatte Erich Mielke sein Ministerium in „Amt für Nationale Sicherheit (AfNS)“ umbenannt – ein letzter Versuch des Machterhalts. Gleichzeitig befahl er die Vernichtung der Aktenbestände. Bürgerrechtler besetzten daraufhin die Stasi-Zentrale in Berlin-Lichtenberg, um die noch vorhandenen Aktenbestände zu sichern. Gleiches geschah bis Ende ‘89 in den Kreis- und Bezirksämtern der Stasi.
In den Dienststellen des ehemaligen MfS wurden rund 61.000 laufende Meter Akten und Dokumente vorgefunden. Vieles davon lag auf Haufen geworfen in den Büros, weil Stasi-Mitarbeiter bis zuletzt versucht hatten, Beweismaterial zu vernichten.
Die Volkskammer der DDR bildete einen „Sonderausschuss zur Kontrolle der Auflösung des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) / Amt für Nationale Sicherheit (AfNS)“ und wählte den Abgeordneten der Liste Bündnis 90, Joachim Gauck, zu dessen Vorsitzenden. Gauck wurde einer der Initiatoren des Stasi-Unterlagen-Gesetzes und wenig später Bundesbeauftragter für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik. Spätere Leiter der Stasi-Unterlagen-Behörde (BStU) waren Marianne Birthler (ab September 2000) und Roland Jahn (ab März 2011).
Die Behörde des Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik – so der vollständige Name – wurde nach dem Ende des DDR-Regimes eingerichtet, um die Aktenbestände des MfS zu archivieren und beschädigte Akten zu rekonstruieren, denn Stasi-Mitarbeiter in der Berliner Zentrale und den Bezirksverwaltungen in Leipzig, Dresden, Erfurt und anderen Städten hatten bis zuletzt verfängliche Dokumente geschreddert. Des Weiteren war die Behörde Anlaufstelle für alle DDR-Bürger, die Einsicht in ihre Stasi-Akten nehmen wollten. Das war ab 1992 möglich, nachdem der Bundestag mit dem Stasi-Unterlagen-Gesetz die rechtliche Grundlage dafür geschaffen hatte.
Es regelt den Umgang mit den Aktenbeständen im Stasi-Unterlagen-Archiv der Bundesrepublik, der Nachfolgeeinrichtung der Stasi-Unterlagen-Behörde. Nach dem Ende der DDR ermöglichte das Gesetz eine relativ zeitnahe Akteneinsicht für Privatpersonen. Denn das Bundesarchiv darf ihnen normalerweise aus Datenschutzgründen erst nach Ablauf einer 30-jährigen Sperrfrist Dokumente zugänglich machen. Das Stasi-Unterlagen-Gesetz legt für die Nutzung des Unterlagen-Archivs eigene Bedingungen zum Schutz personenbezogener Daten fest. So darf eine Person grundsätzlich nur die eigene Akte einsehen und ausschließlich Informationen über sich selbst bekommen; Namen und Daten anderer Personen müssen unkenntlich gemacht werden. Außerdem bildet dieses Gesetz noch bis zum 31. Dezember 2030 die Grundlage für die Überprüfung von Bewerber*innen auf Stellen im Öffentlichen Dienst bzw. auf Übernahme ins Beamtenverhältnis der Bundesrepublik.