Künstliche Intelligenz klingt nach Matrix, Terminator und nach Zukunft. Dabei haben Menschen schon in den 1950ern an denkenden Maschinen getüftelt. In dieser Story erfährst du, warum Alan Turing als Vater der KI gilt, wie man die Intelligenz einer Maschine feststellt – und warum wir beim Surfen im Internet heute selbst eine Art Turing-Test bestehen müssen.
30 Juroren, eine Mission. Beim „Turing Test 2014“ an der University of Reading in der Nähe von London starren die Testpersonen konzentriert auf ihre Bildschirme. Sie chatten mit echten Menschen, aber auch mit Computerprogrammen. Ihre Aufgabe ist es, nach fünf Minuten Gespräch herauszufinden, wer Mensch und wer Maschine ist. Puh, gar nicht so einfach. Da ist zum Beispiel Eugene Goostman. Er trägt eine runde Streberbrille, hat kurze braune Haare und ein etwas schüchtern wirkendes Lächeln. Zumindest zeigt ihn so sein Avatar. Doch eigentlich ist Eugene Goostman kein 13-jähriger Junge aus der Ukraine, wie er vorgibt – sondern ein Computerprogramm. Und sein Ziel ist es, das zu verschleiern...
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Jetzt runterladen!Der „Turing-Test“ war zunächst nur ein Gedankenexperiment des britischen Mathematikers und Informatikers Alan Turing. Er bezeichnete es als Imitation Game, auf deutsch: als Nachahmungsspiel, und er stellte dabei die Frage: Kann eine Maschine dieses Spiel gewinnen? Die Idee dahinter: Wenn ein Mensch mit einer Maschine kommuniziert und gar nicht merkt, dass er mit einer Maschine kommuniziert, dann verfügt diese Maschine offenbar über eine Art von Intelligenz. Alan Turing entwarf mit seiner Versuchsanordnung also so etwas wie einen Intelligenz-Test für Maschinen, und zwar bereits im Jahr 1950. Er beschäftigte sich mit Artificial Intelligence (Künstlicher Intelligenz), als es diesen Begriff überhaupt noch nicht gab. Heute gilt er als „Vater der KI“.
Hochintelligent und eigenbrötlerisch, beeindruckte er früh mit seinem mathematischen Verstand. Berühmt wurden auch seine Überlegungen zu der „Turing-Maschine“, einem Automaten, der schwierige Probleme lösen konnte, obwohl er nur drei einfache Funktionen hatte.
Heute kennt man Alan Turing vor allem für seine Rolle im Zweiten Weltkrieg. Auch wenn polnische Experten dafür bereits wichtige Vorarbeit geleistet hatten: Turing half, „Enigma“ zu knacken – die berüchtigte Verschlüsselungsmaschine der Deutschen. Dass nun wichtige Funksprüche von Wehrmacht, Luftwaffe und Kriegsmarine entschlüsselt wurden, dürfte den Krieg nach Einschätzung von Historikern um einige Zeit verkürzt haben. Nach dem Krieg feierte man Turing in Großbritannien allerdings nicht als Helden – denn seine Arbeit war streng geheim gewesen. Sein Leben endete vielmehr tragisch: 1952 wurde Alan Turing von einem britischen Gericht verurteilt, weil er homosexuell war – damals eine Straftat! Turing musste sich einer Behandlung mit Medikamenten unterziehen, die seine Sexualität unterdrückten. Er wurde durch diese Behandlung depressiv und starb 1954 an einer Cyanid-Vergiftung – alle Indizien deuten auf Selbstmord.
Können Maschinen denn nun denken? Schauen wir uns den Turing-Test noch einmal etwas genauer an. Alan Turing formulierte seinen Maschinen-Intelligenz-Test im Jahr 1950 in seinem Aufsatz „Computing Machinery and Intelligence”. Statt zu definieren, was „denken“ eigentlich heißt, schlug er darin eine andere Sicht vor, nämlich: Können Maschinen menschliches Verhalten nachahmen? Also: Kann eine Maschine in einem Gespräch als Mensch mit Denkvermögen durchgehen? Dieses „Imitationsspiel“ dachte sich Turing zunächst nicht als offiziellen Test, sondern eher als Party-Spiel aus. Zu seinen Lebzeiten waren Maschinen natürlich noch meilenweit davon entfernt, dieses Spiel zu spielen, geschweige denn den Test zu bestehen. Denn: Um ein dem Menschen ebenbürtiges Gesprächsverhalten hinzubekommen, müsste ein Computer fließend sprechen können, sich Dinge merken und sein Verhalten an neue Situationen anpassen können. So weit waren Computer in den 50er-Jahren natürlich noch lange nicht. Den ersten Computer hatte der Bauingenieur Konrad Zuse 1941 erfunden, angeblich weil er zu faul zum Rechnen war. Das schrankwandgroße Ungetüm hieß „Z3”, wog gut eine Tonne und war der erste voll funktionsfähige Digitalrechner der Welt. Er besaß noch keine Bildschirmoberfläche und wurde mittels Lochkarten programmiert. Von „Intelligenz” konnte bei ihm freilich noch keine Rede sein.
Der Informatik-Pionier Alan Turing wollte untersuchen, ob Maschinen intelligentes Verhalten zeigen können. Der deutsch-amerikanische Informatiker Joseph Weizenbaum ging unterdessen noch einen Schritt weiter. Er schrieb ein Programm namens ELIZA, das natürliche Sprache verarbeiten und in dieser auch antworten konnte.
Bis heute gilt der Turing-Test als eine Möglichkeit, die „Intelligenz“ von Systemen zu prüfen. Das überzeugt allerdings nicht jeden. Wissenschaftler*innen argumentieren: Ob sich eine Maschine als Mensch ausgeben kann, hat viel mit Täuschung zu tun und wenig mit Intelligenz. Die Maschine kann zum Beispiel ohne Anstrengung Tricks anwenden, Gegenfragen stellen oder ausweichende Antworten geben. Der Turing-Test zeige außerdem nicht, ob eine Maschine ein Bewusstsein hat und Probleme wirklich versteht.
Für Kritiker reicht also selbst ein bestandener Turing-Test nicht aus, um zu beweisen, dass eine Maschine intelligent ist oder gar denken kann. Denn Computer können bisher nur bestimmte Vorgänge nachspielen, sie simulieren, statt sie wirklich zu verstehen. Es gibt daher neben dem Turing-Test noch weitere Experimente, die darauf abzielen, die Intelligenz von Computern zu messen. Etwa den Lovelace-Test, benannt nach der britischen Mathematikerin Ada Lovelace, die in den 1840er-Jahren den Vorläufer eines Computerprogramms für eine Rechenmaschine veröffentlichte. Der Lovelace-Test wiederum wurde in den frühen 2000er-Jahren von einem Team von Informatikern ersonnen, zu denen auch David Ferrucci gehörte, der später den preisgekrönten Watson-Computer für IBM entwickelte. Der Lovelace-Test ist strenger, er verlangt nämlich Kreativität: Um diesen Test zu bestehen, muss die KI selbstständig etwas Originelles schaffen: etwa ein Gedicht schreiben oder eine Geschichte erfinden – und zwar aus eigener Kraft, ohne vorher dafür programmiert und gezielt mit Daten gefüttert worden zu sein. Bisher übersteigt diese Anforderung noch alle Fähigkeiten, die Computersysteme durch maschinelles Lernen (machine learning) und deep learning erreichen können. Und KI-Forscher vermuten, dass der Lovelace-Test vielleicht nie bestanden werden wird. Warum? Weil Maschinen keinen eigenen Willen haben, der ein wesentlicher Bestandteil menschlicher Intelligenz ist.
Auch der Turing-Test ist im Grunde noch nicht so richtig bestanden worden. Erinnern wir uns an unsere Eingangsgeschichte: 2014 konnte ein Chatbot – sozusagen eine Art „sprechender Roboter” – eine Jury täuschen. Der Bot trat unter dem Decknamen „Eugene Goostman” auf und spielte einen fiktiven 13-jährigen Jungen aus der Ukraine. Fragen konnte er so beantworten, dass ihn ein Drittel der Jury für einen Menschen hielt. Allerdings dauerte jede Fragerunde nur fünf Minuten. So hatte es Turing nicht vorgesehen. Und in anderen Settings erwies sich der Bot als relativ dumm.
Als Durchbruch sahen manche die KI „Google Duplex“. Bei einem Versuch im Jahr 2018 rief sie einen realen Frisörsalon an und machte erfolgreich einen Termin für 10 Uhr aus, sogar mit Füllwörtern wie „Ähm“. Offenbar erkannte das Gegenüber am Telefon nicht, dass am anderen Ende eine Maschine sprach. Doch ob Google den Test wirklich bestanden hat, ist umstritten. Schließlich war es kein freies Gespräch, sondern ein Wortwechsel, der sich nur um den Frisörtermin drehte. Und die Mitarbeiterin im Salon war nicht darauf vorbereitet, dass sie von einer Maschine angerufen wurde. Weitere Sprachmodelle sind immerhin zumindest auf dem Weg, den Turing-Test zu bestehen.
Übrigens: Auch wir Menschen durchlaufen im Alltag immer wieder einmal einen Turing-Test. Wenn wir im Internet ein Formular ausfüllen, taucht manchmal ein CAPTCHA auf. Diese Abkürzung steht für das Wort-Ungetüm „Completely automated public Turing test to tell computers and humans apart“. Damit wird geprüft, ob es sich beim Nutzer um einen menschlichen Fragesteller oder um einen Bot handelt. Wir müssen dann zum Beispiel verzerrte Zeichenfolgen entziffern oder Verkehrsampeln zählen, um zu beweisen, dass wir keine Bots sind. Das klappt nicht immer – das weiß jeder, der schon einmal frustriert gerätselt hat, um welche Zahlen und Buchstaben es sich handeln könnte. Auch das zeigt, wie unzuverlässig solche Tests sein können. Denn selbst, wenn wir bei einem solchen umgekehrten Turing-Test durchfallen, der Maschine also nicht beweisen können, dass wir echte – und mitunter durchaus intelligente – Menschen sind, heißt das noch lange nicht, dass wir gleich Maschinen sein müssen. Auch, wenn uns vor dem heimischen Computer beim X-ten Versuch, das CAPTCHA-Rätsel zu lösen, ein solcher Gedanke ganz sicher in den Sinn kommen mag – und die Frage: Wer zur Hölle ist hier eigentlich Mensch und wer ist Maschine?
Zusammenfassung
Als „Vater der Künstlichen Intelligenz“ gilt der Brite Alan Turing. Er erfand den sogenannten Turing-Test, einen Intelligenztest für Maschinen.
Um den „Turing-Test“ zu bestehen, muss eine Maschine im Gespräch als Mensch durchgehen. Bisher wurde der Test nur eingeschränkt bestanden.
Eine anspruchsvollere Alternative zu Turing ist der Lovelace-Test, bei dem die KI völlig auf sich gestellt eine kreative Aufgabe lösen muss. Er wurde bisher noch nicht bestanden.
Eine Art umgekehrter Turing-Test begegnet uns im Alltag in sogenannten CAPTCHAs, die wir in bestimmten Chat-Funktionen lösen müssen, um uns als menschliche Anfragende zu erkennen zu geben.
Teste dein Wissen im Quiz
Richtige Antworten:
1. B) Turing Test
2. C) Ob ein Chat-Partner ein Mensch oder ein Bot ist
3. A) 1941
4. D) Er half, die deutsche Nachrichtenverschlüsselungsmaschine Enigma zu knacken
5. A) Sie vereinbarte telefonisch einen Friseurtermin und wurde dabei für einen Menschen gehalten