Der sowjetische Diktator Josef Stalin war tot, und viele Menschen in der DDR hofften nun auf einen gemäßigteren Sowjet-Kurs und bessere Lebensverhältnisse. Doch weit gefehlt: Die DDR-Staatsführung zog die Schrauben nur noch fester und forderte immer höhere Arbeitsleistungen. Im Juni 1953 aber hatten Berliner Bauarbeiter endgültig genug …
Der junge Maurer lehnt sein altes Fahrrad an die Wand der schäbigen Bretterbude, die den Arbeitern auf dieser Ost-Berliner Großbaustelle als Frühstücksraum dient. Er ist spät dran, aber an diesem Montagmorgen rührt sich offenbar sowieso keine Hand auf der ganzen riesigen Baustelle. Kein Mischer läuft, niemand schreit nach Steinen oder Mörtel, Schippen und Schubkarren stehen unberührt herum. Hier draußen ist es still wie an einem Sonntag. Nur durch die dünne Bretterwand der Baubude dringt aufgebrachtes Stimmengewirr. Verwundert reißt der junge Maurer die Tür auf – und findet seine Kollegen mit zornigen, entschlossenen Gesichtern um den rohen Holztisch versammelt. Und noch ehe er fragen kann, was eigentlich los ist, bekommt er schon die Antwort entgegengerufen: „Heute wird nicht gearbeitet. Wir streiken!“
Es ist der Morgen des 15. Juni 1953. Und keiner der erregt diskutierenden Männer in der Baubude ahnt auch nur, welche Ausmaße ihr Streik noch annehmen wird.
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Jetzt runterladen!Ein Streik – das war in der DDR etwas völlig Unerhörtes! Wer im selbsternannten Arbeiter- und Bauern-Staat die Arbeit niederlegte, galt für die Partei- und Staatsführung unweigerlich als Saboteur – als jemand, der dem Aufbau des Sozialismus im Wege stand. Auf dieses „Verbrechen“ standen schwere Strafen. Und trotzdem traten die Ostberliner Bauarbeiter in den Streik. Was aber hatte sie derart wütend gemacht, dass sie die Arbeit niederlegten?
Einfach ausgedrückt, war es der Ärger darüber, dass sie für denselben Lohn plötzlich mehr arbeiten sollten. Im Juni 1953 hatte die DDR-Parteiführung unter Walter Ulbricht nämlich die sogenannten Arbeitsnormen um 10,3 Prozent erhöht. Für die Arbeiter bedeutete das allerdings nichts anderes als eine Senkung ihrer Löhne! Denn wie sollten sie von einer Woche zur nächsten noch schneller bauen, wo es doch noch immer an allen Ecken und Enden an Material fehlte?
Die SED-Genossen in der Staatsführung machten es sich einfach: Die Lebensbedingungen der gesamten Bevölkerung könnten nur durch die „Erhöhung der Arbeitsproduktivität“ und die „Steigerung der Produktion“ verbessert werden. Das war im Grunde ja nicht falsch, aber noch immer fehlten in nahezu allen Bereichen die grundlegenden Voraussetzungen dafür! Material war knapp, Lieferketten funktionierten nicht, wirre Anweisungen und Eingriffe inkompetenter SED-Funktionäre taten ein Übriges. Dennoch glaubten viele Menschen tatsächlich, dass ihr Leben bald besser werden würde, wenn sie jetzt nur fleißig arbeiteten. Das wurde ihnen ja auch von der Parteipropaganda so vorgekaut. Aber die Realität sah anders aus. Es fehlte an allem, die Löhne waren niedrig, die Lebensverhältnisse erbärmlich, und noch immer gab es Lebensmittel nur auf Zuteilung oder aber zu absurd überhöhten Preisen. Die SED-Machthaber reichten all diese Probleme einfach an die Arbeitenden zurück. Die würden sich schon nicht wehren.
Falsch gedacht.
Die Bauarbeiter in der Stalinallee kochten vor Wut über die Erhöhung der Arbeitsnormen. Deswegen war ihr letzter Wochenlohn bereits um zehn Prozent gekürzt worden. Das war der Tropfen, der an diesem 15. Juni 1953 das Fass überlaufen ließ. Keiner ging an die Arbeit. Stattdessen schrieben sie einen Brief an den Ministerpräsidenten Otto Grotewohl und forderten die Rücknahme der Normerhöhung. Eine Antwort ließ auf sich warten. Am nächsten Tag, dem 16. Juni, hieß es: Nein.
Was die Bauarbeiter zu diesem Zeitpunkt nicht wussten, war: Moskau hatte die schlechte Stimmung in der DDR längst registriert und vom Politbüro – dem zentralen Sekretariat der SED – einen „neuen Kurs“ eingefordert. Tatsächlich wurden einige Maßnahmen des „Aufbaus des Sozialismus“ gemildert. Nur an den erhöhten Arbeitsnormen am Bau hielten die Machthaber noch fest, und ausgerechnet Funktionäre der Einheitsgewerkschaft FDGB äußerten gehorsam ihre Zustimmung. Am 16. Juni hatte sich die Regierung eigentlich schon eines Besseren besonnen, aber das wurde nicht kommuniziert. Also traten die wütenden Arbeiter von zwei Großbaustellen in der Stalinallee als Erste in den Streik.
Sie formierten sich zu einem Demonstrationszug und marschierten in die Leipziger Straße, direkt vor den Regierungssitz, um ihrer Forderung Nachdruck zu verleihen. Unterwegs schlossen sich ihnen immer mehr weitere Arbeiter auch aus anderen Betrieben an. Am Ende waren es mehrere Tausend Menschen. Und tatsächlich: Der zuständige Minister kam heraus, stieg auf einen Tisch und erklärte, die Normerhöhung sei zurückgenommen. Aber seine Worte gingen im allgemeinen Tumult unter. Denn die Menge hatte noch einen anderen Punkt, der ihr wichtig war: „Wir fordern freie Wahlen!“
Die Rufe wurden immer lauter. Die Menschen wollten keine Scheinwahlen mit vorgegebenen Einheitslisten mehr, sie wollten künftig ihre eigenen Kreuze bei den Parteien und Kandidaten machen, denen sie selbst vertrauten. So, wie es im Westteil Deutschlands längst üblich war. Dafür würden sie weiter streiken. Und das auch nicht mehr allein! Sie riefen zum Generalstreik auf.
Am Abend des 16. Juni demonstrierten rund 20.000 Menschen in mehreren Stadtteilen Berlins. Und nun ging alles Schlag auf Schlag. Über den Rundfunk im Amerikanischen Sektor (RIAS), der auch in der DDR empfangen werden konnte, erfuhren die Menschen in ganz Ostdeutschland vom Streik der Berliner Bauarbeiter. RIAS verbreitete ihre Forderungen: Auszahlung der Löhne nach den alten Normen, Senkung der Lebenshaltungskosten, freie und geheime Wahlen, Straffreiheit für die Streikenden und ihre Sprecher. Nur den Aufruf zum Generalstreik ließ RIAS vorsichtshalber unerwähnt – und wenig später verboten die Amerikaner die Verbreitung über den Sender.
Aber – was tat die Staatsmacht der DDR? Überraschenderweise vorerst gar nichts. Die sogenannte Kasernierte Volkspolizei – Vorläuferin der späteren Nationalen Volksarmee – hatte einen Stillhaltebefehl bekommen. Die Proteste sollten sich von selbst „totlaufen“, hieß es vom Chef des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS). Taten sie aber nicht. Ganz im Gegenteil. Am nächsten Tag, dem 17. Juni, zogen bereits 100.000 Demonstranten durch die Stalinallee in Richtung Innenstadt. Die Streiks weiteten sich auf zahllose andere Betriebe aus: Fabriken, Handwerksfirmen, Lieferanten, Handelsgeschäfte. Und jetzt wurden nicht mehr nur höhere Löhne und freie Wahlen gefordert, sondern der Rücktritt des SED-Zentralkomitees und die Wiedervereinigung Deutschlands!
Aus den Streiks und Demonstrationen wurde eine Revolution. An mehr als 700 Orten der DDR fanden an diesem 17. Juni spontane Massenproteste statt: In Halle an der Saale strömten 60.000 Menschen auf den Marktplatz, in Magdeburg und Görlitz wurden Polizeibehörden verwüstet und Gefängnisse gestürmt. Die Gewalt eskalierte. Fahrzeuge und Gebäude wurden angezündet, Staatsbedienstete verprügelt. Polizei und Staatssicherheit waren überfordert – ganz abgesehen davon, dass sie auch mangelhaft ausgerüstet waren. War das nun also das Ende der Deutschen Demokratischen Republik? Vielleicht wäre dies wirklich der Fall gewesen – wenn nicht die Sowjetmacht eingegriffen hätte.
Eigentlich war die sowjetische Besatzungsmacht ja dafür gewesen, nach dem Ableben des Diktators Stalin die Zügel ein wenig zu lockern. Aber einen Volksaufstand – den konnte sie nun wirklich nicht dulden. Noch dazu einen in der DDR – dem wichtigsten Bollwerk im Kalten Krieg gegen den kapitalistischen Westen!
Noch in der Nacht auf den 17. Juni hatte der sowjetische Militärkommandant seine Truppen in Alarmbereitschaft versetzt, und am Vormittag fuhren sowjetische Panzer in die Berliner Innenstadt ein. Über Ostberlin wurde der Ausnahmezustand verhängt. Damit trat Kriegsrecht in Kraft – und das bedeutete: Die Sowjetunion übernahm offiziell die Regierungsmacht über die DDR.
Sowjetische Soldaten besetzten öffentliche Gebäude, nahmen Aufständische fest. Schüsse fielen. Es gab Tote und Schwerverletzte. Die Grenzübergänge nach Westberlin wurden abgeriegelt. Überall in der DDR wurde der Volksaufstand von Sowjets und Kasernierter Volkspolizei brutal niedergeschlagen – in einem der größten Militäreinsätze der europäischen Nachkriegsgeschichte.
Noch war der Widerstand aber nicht völlig gebrochen. Einige Betriebe wurden weiter bestreikt, in anderen erklärten sich die Belegschaften solidarisch mit den Aufständischen und forderten die Freilassung festgenommener Kollegen. Im Juli gab es neue Streiks in Thüringen und Sachsen mit der Forderung, dass die versprochenen Reformen endlich umgesetzt werden sollten.
Doch die Verfolgungsmaschinerie der Staatsmacht und der sowjetischen Militärbehörden lief bereits auf Hochtouren. Zahllose Wohnungen wurden durchsucht und mehr als 10.000 Menschen verhaftet. DDR-Gerichte und sowjetische Militärtribunale verurteilten angebliche Rädelsführer zu hohen Zuchthausstrafen – der strengsten Form der Freiheitsstrafe in der DDR – oder zu langjähriger Zwangsarbeit in sowjetischen Straflagern. Es gab sogar Todesurteile und Hinrichtungen.
Der Volksaufstand war gescheitert. Aber die Partei- und Staatsführung war zutiefst verunsichert. All die Streiks und Demonstrationen gegen den Arbeiter- und Bauernstaat mussten nicht nur hart bestraft werden – sie durften vor allem nicht als berechtigte Proteste in Erinnerung bleiben! Also griffen die SED-Machthaber zum bewährtesten Propagandamittel: der Verschwörungserzählung. Sie bogen die Ereignisse zu einem fremdgesteuerten „Putschversuch“ zurecht; zu einer „faschistischen Provokation“, wie die Partei-Zeitung „Neues Deutschland“ schrieb. Angebliche Agenten aus dem Westen hätten die Bevölkerung aufgewiegelt, am vorherbestimmten „Tag X“ gegen die Volkswirtschaft und die sozialistische Regierung vorzugehen. Die Demonstrierenden wurden diffamiert, ihre Zahl kleingeredet. Und in allen größeren Städten wurden staatlich befohlene Gegendemonstrationen organisiert. Sie sollten das angeblich „feste Vertrauen“ der Arbeiterschaft zu Partei und Staat beweisen. In den Zeitungen und im Staatsfernsehen wimmelte es von Bildern mit Kindern und lachenden Sowjetsoldaten, welche die „unverbrüchliche Freundschaft“ mit dem „großen Bruder“ Sowjetunion zeigen sollten.
Kurz: Das Regime unternahm alles, um die wahren Bilder des 17. Juni 1953 aus dem Gedächtnis der Menschen zu tilgen. Anders in Westdeutschland: Hier wurde die Erinnerung an den Volksaufstand und seine Niederschlagung wachgehalten. Bis zur Wiedervereinigung 1990 war der 17. Juni in der Bundesrepublik gesetzlicher Feiertag.
In der DDR aber folgte dem Volksaufstand eine neue Eskalationsstufe der zentralistischen Machtausübung. Jeder Widerstand gegen die Beschlüsse der SED-Führung sollte künftig schon im Keim erstickt werden. Die wichtigste Behörde dabei würde das Ministerium für Staatssicherheit sein, kurz „die Stasi“ genannt. In den folgenden Jahren wurde sie unter Leitung ihres neuen Chefs Erich Mielke zu einer Spitzel- und Spionageorganisation ausgebaut, die vor absolut nichts mehr zurückschreckte.
Zusammenfassung
Anfang der 1950er-Jahre hatten sich die Lebensverhältnisse in der DDR nicht verbessert. Die SED-Regierung reagierte darauf mit immer höheren Anforderungen an die Arbeiter und Arbeiterinnen. Die Löhne waren an sogenannte Arbeitsnormen gekoppelt, die im Mai 1953 nochmals verschärft wurden.
Am 15. Juni streikten Berliner Bauarbeiter für die Rücknahme der Normenerhöhung. Die Proteste weiteten sich auf Städte in der ganzen DDR aus. Zwei Tage später demonstrierten bereits 100.000 Menschen in Berlin für freie Wahlen, den Rücktritt der Regierung und die Einheit Deutschlands. Auch in hunderten anderen ostdeutschen Städten gingen die Menschen auf die Straße.
Die DDR-Sicherheitsorgane waren mit der Situation überfordert. Deshalb schickte die sowjetische Besatzungsmacht am Vormittag des 17. Juni Panzer und Truppen in die deutschen Städte. Sowjetische Soldaten schlugen die Aufstände unter Beteiligung von DDR-Sicherheitskräften gewaltsam nieder. Es gab Todesopfer und Schwerverletzte, Tausende Demonstrierende wurden verhaftet und von sowjetischen sowie DDR-Gerichten verurteilt.
Der Volksaufstand vom 17. Juni 1953 war die erste Massenerhebung im Machtbereich der Sowjetunion nach dem Zweiten Weltkrieg. In der DDR wurde er weitgehend totgeschwiegen. Die Bundesrepublik Deutschland hielt das Gedenken wach. Bis 1990 wurde der 17. Juni als „Tag der Deutschen Einheit“ begangen.
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Richtige Antworten:
1. D) Am 17. Juni 1953
2. B) Bauarbeiter
3. A) Freie Wahlen
4. C) Sowjet-Truppen und DDR-Sicherheitskräfte
5. B) Kasernierte Volkspolizei
Am 17. Juni 1953 streikten und demonstrierten rund eine Million Menschen in Ostberlin und der gesamten DDR. Sie forderten unter anderem freie Wahlen und die Einheit Deutschlands. Sowjetische Besatzungstruppen schlugen mithilfe der Kasernierten Volkspolizei den Volksaufstand in der DDR mit Waffengewalt und unter Einsatz von Panzern nieder.
Im Juli 1952 hatte Walter Ulbricht auf der II. Parteikonferenz der SED den Beschluss des Politbüros verkündet, dass „der Sozialismus planmäßig aufgebaut werden“ solle. Der Beschluss hatte weitreichende Auswirkungen auf alle Lebensbereiche. Die politische Indoktrination und der Stalin-Kult wurden verschärft, der Ausbau der Schwerindustrie forciert, Handwerks- und Gewerbebetriebe zur Kollektivierung gezwungen. Bauern sollten Acker und Nutztiere in die neuen Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften einbringen. Unter der Planwirtschaft verschlechterte sich die Lebenssituation der Menschen jedoch massiv. Viele flüchteten über die noch durchlässige Zonengrenze nach Westdeutschland.
Der Großteil der Bevölkerung hoffte auf eine Besserung ihrer Lebensverhältnisse. Stattdessen erhöhte das SED-Regime die Arbeitsnormen um 10,3 Prozent. Viele Menschen bekamen dadurch weniger Lohn, weil es ihnen wegen der Mangelwirtschaft und der Materialknappheit gar nicht möglich war, die Normen zu erfüllen.
Die Streikenden forderten die Rücknahme der Normerhöhung, Straffreiheit für Demonstrierende und die Freilassung politischer Gefangener sowie freie Wahlen und den Rücktritt der Partei- und Staatsführung.
Zunächst wurde versucht, ihn kleinzureden. Der Minister für Staatssicherheit erteilte der Polizei sogar einen Stillhaltebefehl. Ungeschickterweise wurde aber auch die Rücknahme der Normerhöhung nicht bzw. zu spät kommuniziert. Als die Lage schließlich außer Kontrolle geriet, griff die Sowjetmacht ein und verhängte den Ausnahmezustand. Damit trat Kriegsrecht in Kraft, und das bedeutete: Die Sowjetunion übernahm offiziell die Regierungsmacht über die DDR.
Während des Aufstands und der darauffolgenden Wochen kamen insgesamt mindestens 55 Menschen ums Leben. 34 Menschen wurden während der Demonstrationen und Ausschreitungen von sowjetischen Soldaten und DDR-Polizisten erschossen oder starben an Verletzungsfolgen. Weitere fünf Todesopfer waren Angehörige der DDR-Sicherheitskräfte; ein Stasi-Mann wurde versehentlich von Sowjetsoldaten erschossen. Acht Aufständische überlebten ihre Haft nicht. Sowjetische Militärtribunale und DDR-Gerichte verhängten insgesamt sieben Todesurteile.
Die Partei- und Staatsführung unternahm alles, um die gegen sie gerichteten Demonstrationen als angeblich vom Westen gesteuerte Provokationen erscheinen zu lassen. Sie erfand die Legende vom „Tag X“, einem durch westliche Agenten eingefädelten Putsch. Um jede Gefahr eines erneuten Aufstands zu bannen, wurde in der Folge der Überwachungs- und Unterdrückungsapparat massiv verstärkt. Die sogenannte Kasernierte Volkspolizei (Vorgängerin der späteren Nationalen Volksarmee) erhielt 14.000 neue Stellen. Ein Netz sogenannter Abschnittsbevollmächtigter in Polizeiuniform wurde bis in die Wohnquartiere hinein ausgelegt. Die „ABV“ sollten freundlich Kontakt zu den Menschen halten und mögliche „staatsfeindliche Tendenzen“ unverzüglich der Staatssicherheit melden. Außerdem wurden paramilitärische sogenannte Betriebskampfgruppen bzw. „Kampfgruppen der Arbeiterklasse“ aufgebaut und ab 1955 auch bewaffnet. Sie unterstanden formal dem Zentralkomitee der SED in Ost-Berlin, faktisch aber direkt den leitenden SED-Funktionären der Bezirke. Im „Ernstfall“ sollten sie wie reguläre Polizei- bzw. Armee-Einheiten gegen Aufständische eingesetzt werden.
Zum ersten Mal in der DDR-Geschichte haben sich Bürgerinnen und Bürger an diesem Tag gegen das SED-Regime erhoben – gegen Unfreiheit, Unterdrückung und Verfolgung Andersdenkender. Ihre Beweggründe ähnelten denen, die 1989 zur friedlichen Revolution und letztlich zur Wiedervereinigung Deutschlands führten.
Nur in der Bundesrepublik Deutschland wurde die Erinnerung an den Aufstand wachgehalten. Der Deutsche Bundestag beschloss noch im Sommer 1953, den 17. Juni zum „Tag der deutschen Einheit“ (mit kleinem „d“ geschrieben) zu erheben. Bis zur Wiedervereinigung 1990 war er gesetzlicher Feiertag. Seit der Wiedervereinigung wird der 3. Oktober als „Tag der Deutschen Einheit“ und Nationalfeiertag aller Deutschen begangen; der 17. Juni ist nun Nationaler Gedenktag.