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An die Freude

Wie aus einem Trinklied eine Hymne für Europa wurde
Das Bild zeigt eine Szene in einer traditionellen Gaststätte, mit Personen in historischer Kleidung, die bei Kerzenlicht sitzen und sich unterhalten. Eine Bedienung in zeitgenössischem Gewand steht mit einem Bierkrug in der Hand, während eine andere hinter dem Tresen arbeitet.
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Intro

Freude, schöner Götterfunken! Woher stammt das noch mal? Vielleicht hast du diese Worte schon mal im berühmten Schlusschor der 9. Sinfonie von Ludwig van Beethoven gehört. Doch wusstest du, dass Friedrich Schiller sie geschrieben hat? Sie stammen aus seinem Gedicht „An die Freude“ – und das legte eine steile Karriere hin. Nach dieser Story weißt du, wie aus einem Trinklied eine Hymne für Europa werden konnte ...

Kapitel 1: Ein Fest der Freude

Freude, schöner Götterfunken,
Tochter aus Elysium,
Wir betreten feuertrunken,
Himmlische, dein Heiligthum.
Deine Zauber binden wieder,
Was die Mode streng getheilt;
Alle Menschen werden Brüder,
Wo dein sanfter Flügel weilt.

(...)

Wem der große Wurf gelungen,
Eines Freundes Freund zu seyn,
Wer ein holdes Weib errungen,
Mische seinen Jubel ein!
Ja – wer auch nur eine Seele
Sein nennt auf dem Erdenrund!
Und wer’s nie gekonnt, der stehle
Weinend sich aus diesem Bund. 

Wovon handelt dieses bekannte Gedicht Friedrich Schillers? Was ist gemeint mit dem „Elysium“, das hier besungen wird? Ganz einfach: „Elysion“, so heißt in der griechischen Mythologie die Insel der Seligen. Ein Ort des Glücks, an den nur jene gelangen, die von den Göttern geliebt werden. Wenn Friedrich Schiller in seinem Gedicht „An die Freude“ also davon fantasiert, das Elysium zu betreten, beschreibt er einen Idealzustand. Eine Utopie. Einen Traum von der Erfüllung größten Glücks, von Einigkeit und Frohsinn. Seine Ode „An die Freude“ aus dem Jahr 1785 steht bis heute für dieses Gefühl. Und das passt auch zu ihrer Entstehung.

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Kapitel 2: Ein Traum von Einigkeit

Friedrich Schiller war gerade 25 Jahre alt, als er das Gedicht verfasste. Der Sommer des Jahres 1785 dürfte der bisher glücklichste seines Lebens gewesen sein. Endlich konnte er etwas Abstand von den Problemen gewinnen, die bisher sein Leben bestimmt hatten: Er war geflohen vor seinem Dienstherrn, dem Herzog Karl Eugen, weil dieser Schiller nach dessen rebellischem Drama „Die Räuber“ ein Schreibverbot erteilt hatte. Der junge Militärarzt Schiller galt also als Deserteur. Außerdem hatte er eine Menge Schulden und war verstrickt in eine Affäre mit einer verheirateten Frau. In dieser Zeit erhielt er plötzlich die Einladung eines gewissen Christian Gottfried Körner. Er war Oberkonsistorialrat in Leipzig und ein echter Fan von Schiller und seinem Bürgerlichen Trauerspiel „Kabale und Liebe“. Was folgte, war nicht nur ein Besuch Schillers bei Körner, sondern auch die Lösung all seiner Probleme. Körner nahm Schiller auf, bezahlte seine Schulden und machte ihn mit wichtigen Leuten bekannt. Das konnte man echtes Glück nennen! Es folgten sorglose Monate für den jungen Autor. Er wohnte in einem Bauernhaus in Gohlis bei Leipzig, das später zur ersten deutschen Literaturgedenkstätte wurde. Und in eben jenem Sommer des Jahres 1785 schrieb Schiller dort die ersten Strophen seiner Ode „An die Freude“. Im Herbst stellte er sie in Loschwitz bei Dresden fertig, wo sein Freund und Gönner einen Weinberg am Elbhang besaß. So manches Glas werden sie dort im Freundes- und Familienkreis geleert haben. Und dies findet sich auch im Gedicht wieder ...

Themen wie Freude, Einigkeit, Freundschaft, Glück und Freiheit spielen eine tragende Rolle in Schillers Ode – ein wahres Fest der Solidarität und Menschlichkeit.

Kapitel 3: Trinklied de

Die Ode An die Freude, die Schiller 1786 veröffentlichen ließ, gilt bis heute als eines der bekanntesten Gedichte des großen Autors. Aber nicht nur die freudigen Lebensumstände Schillers im Sommer 1785 beeinflussten das Werk. Eine Rolle spielte auch der Zeitgeist jener Jahre. Denn das späte 18. Jahrhundert stand im Zeichen des Sturm und Drang. In dieser Epoche rebellierten junge Autoren gegen alte Regeln. Ihre Werke waren von einer kraftvollen Sprache geprägt. Leidenschaft und große Emotionen wurden gefeiert! Und ganz in diesem Geiste entstand auch Schillers „An die Freude“. So heißt es im Gedicht:

Freude sprudelt in Pokalen,
In der Traube goldnem Blut
Trinken Sanftmut Kannibalen,
Die Verzweiflung Heldenmut.
Brüder, fliegt von euren Sitzen,
Wenn der volle Römer kreist,
Laßt den Schaum zum Himmel sprützen:
Dieses Glas dem guten Geist! 

Die Wortwahl erscheint uns heute wohl etwas übertrieben. Aber ganz offensichtlich wurde ja auch ziemlich viel getrunken. Denn der „volle Römer“, den Schiller hier kreisen lässt, ist nichts anderes als ein Trinkgefäß! Und tatsächlich war Schillers Gedicht damals ein echter Hit in den Studentenkneipen! Eine erste Melodie hatte sein Freund und Gönner Körner dazu ersonnen, und die lebenslustigen jungen Leute sangen die Ode bei ihren Zusammenkünften und Trinkgelagen. Kaum zu glauben, aber tatsächlich hat dieses Meisterwerk der Literatur seine Karriere als Trinklied begonnen! Knapp 200 Jahre später sollte es einen ganzen Kontinent erobern ...

Kapitel 4: Ein selbstkritischer Autor

Wie es bei vielen Autoren der Fall ist, betrachtete auch Friedrich Schiller seine Werke durchaus kritisch. Über seine Ode „An die Freude“ fällte er Jahre später ein strenges Urteil. Er schrieb seinem Freund Körner im Jahr 1800:

„Deine Neigung zu diesem Gedicht mag sich auf die Epoche seiner Entstehung gründen: Aber dies gibt ihm auch den einzigen Wert, den es hat, und auch nur für uns und nicht für die Welt, noch für die Dichtkunst.“

Wenig später hat er es gekürzt und der ersten Strophe den heute bekannten Wortlaut gegeben: „Alle Menschen werden Brüder”. In der Urversion hatte es noch geheißen: „Bettler werden Fürstenbrüder“.

Vielleicht wäre sein Urteil überhaupt milder ausgefallen, hätte er noch die letzte und berühmteste aller Vertonungen seines Gedichtes miterlebt: Der Komponist Ludwig van Beethoven nahm das Loblied auf die Freude und Menschlichkeit im Jahr 1823 als letzten Satz in seine 9. Sinfonie auf. Als sie ein Jahr später uraufgeführt wurde, war Schiller bereits fast 20 Jahre tot.

Kapitel 5: Eine Hymne für die Ewigkeit

Ludwig van Beethoven machte die Ode an die Freude zu einer Hymne. Und im Jahr 1972 erhob sie der Europarat per Beschluss sogar zur eigenen Hymne und beauftragte den bekannten Dirigenten Herbert von Karajan mit dem instrumentalen Arrangement. Seit 1985 ist Karajans Orchesterversion die offizielle Hymne der Europäischen Union, die damals noch Europäische Gemeinschaft hieß. Seither ist die Ode Ausdruck der gemeinsamen europäischen Werte – Freiheit, Frieden und Solidarität. Und seither hören wir Schillers Traum von einer besseren Welt im Zusammenklang mit Beethovens kraftvoller Melodie bei allen möglichen internationalen Anlässen. Es scheint ganz so, als hätte es Schiller tatsächlich geschafft, sein Ideal einer geeinten Menschheit bis in unsere Gegenwart zu tragen:

Freude, schöner Götterfunken,
Tochter aus Elysium,
Wir betreten feuertrunken,
Himmlische, dein Heiligthum.
Deine Zauber binden wieder,
Was die Mode streng getheilt;
Alle Menschen werden Brüder, 
wo dein sanfter Flügel weilt.
Chor:
Seid umschlungen Millionen!
Diesen Kuß der ganzen Welt!
Brüder – überm Sternenzelt
muß ein lieber Vater wohnen.

Wem der große Wurf gelungen,
eines Freundes Freund zu seyn;
wer ein holdes Weib errungen,
mische seinen Jubel ein!
Ja – wer auch nur  e i n e  Seele
s e i n  nennt auf dem Erdenrund!
Und wer’s nie gekonnt, der stehle
weinend sich aus diesem Bund!
Chor:
Was den großen Ring bewohnet
huldige der Simpathie!
Zu den Sternen leitet sie,
Wo der  U n b e k a n n t e  tronet.

Freude trinken alle Wesen
an den Brüsten der Natur,
Alle Guten, alle Bösen
folgen ihrer Rosenspur.
Küße gab sie  u n s  und  R e b e n ,
einen Freund, geprüft im Tod.
Wollust ward dem Wurm gegeben,
und der Cherub steht vor Gott.
Chor:
Ihr stürzt nieder, Millionen?
Ahndest du den Schöpfer, Welt?
Such’ ihn überm Sternenzelt,
über Sternen muß er wohnen.

Freude heißt die starke Feder
in der ewigen Natur.
Freude, Freude treibt die Räder
in der großen Weltenuhr.
Blumen lockt sie aus den Keimen,
Sonnen aus dem Firmament,
Sphären rollt sie in den Räumen,
die des Sehers Rohr nicht kennt!
Chor:
Froh, wie seine Sonnen fliegen,
durch des Himmels prächtgen Plan,
Laufet Brüder eure Bahn,
freudig wie ein Held zum siegen.

Aus der Wahrheit Feuerspiegel
lächelt  s i e  den Forscher an.
Zu der Tugend steilem Hügel
leitet sie des Dulders Bahn.
Auf des Glaubens Sonnenberge
sieht man ihre Fahnen wehn,
Durch den Riß gesprengter Särge
s i e  im Chor der Engel stehn.
Chor:
Duldet mutig Millionen!
Duldet für die beßre Welt!
Droben überm Sternenzelt
wird ein großer Gott belohnen.

Göttern kann man nicht vergelten,
schön ists ihnen gleich zu seyn.
Gram und Armut soll sich melden
mit den Frohen sich erfreun.
Groll und Rache sei vergessen,
unserm Todfeind sei verziehn.
Keine Thräne soll ihn pressen,
keine Reue nage ihn.
Chor:
Unser Schuldbuch sei vernichtet!
ausgesöhnt die ganze Welt!
Brüder – überm Sternenzelt
richtet Gott wie wir gerichtet.

F r e u d e sprudelt in Pokalen,
in der Traube goldnem Blut
trinken Sanftmut Kannibalen,
Die Verzweiflung Heldenmut – –
Brüder fliegt von euren Sitzen,
wenn der volle Römer kreist,
Laßt den Schaum zum Himmel sprützen:
Dieses Glas dem guten Geist.
Chor:
Den der Sterne Wirbel loben,
den des Seraphs Hymne preist,
Dieses Glas dem guten Geist,
überm Sternenzelt dort oben!

Festen Mut in schwerem Leiden,
Hülfe, wo die Unschuld weint,
Ewigkeit geschwornen Eiden,
Wahrheit gegen Freund und Feind,
Männerstolz vor Königsthronen, –
Brüder, gält’ es Gut und Blut –
Dem Verdienste seine Kronen,
Untergang der Lügenbrut!
Chor:
Schließt den heilgen Zirkel dichter,
schwört bei diesem goldnen Wein:
Dem Gelübde treu zu sein,
schwört es bei dem Sternenrichter!

Zusammenfassung

  • Schillers wohl bekanntestes Gedicht, die Ode „An die Freude“, entstand in einer Lebensphase voller Glück und Sorglosigkeit. Er schrieb sie in einem Bauernhaus in Gohlis bei Leipzig, wo er 1785 einen glücklichen Sommer mit neuen Freunden verbrachte.

  • Die Ode lebt von großen Gefühlen und einer emotionalen Wortwahl. Sie ist damit ein typisches Werk des Sturm und Drang.

  • Thematisch handelt die „Ode an die Freude“ von Freundschaft, Freude und Einigkeit.

  • Das Gedicht legte eine steile Karriere hin: Es begann als Trinklied, das von Studenten gesungen wurde. Ludwig van Beethoven vertonte es dann in seiner weltberühmten 9. Sinfonie. Ihr letzter Satz ist heute die offizielle Europa-Hymne („Ode to Joy“).

Teste dein Wissen im Quiz

  1. Was ist das Werk „An die Freude“?
    1. A) Eine Kurzgeschichte
    2. B) Ein Roman
    3. C) Eine Ballade
    4. D) Ein Lobgesang (Ode)
  2. Worum geht es in dem Werk „An die Freude“?
    1. A) Religiöse Verzückung
    2. B) Romantische Liebe
    3. C) Einigkeit und Freundschaft
    4. D) Friedensverhandlungen
  3. Wodurch zeichnet sich Schillers „An die Freude“ besonders aus?
    1. A) Emotionale Sprache
    2. B) Extreme Kürze
    3. C) Sozialkritik
    4. D) Informationsgehalt
  4. Welche Botschaft vermittelt Schillers Ode „An die Freude“?
    1. A) Frieden ist besser als Krieg
    2. B) Reichtum ist nichts
    3. C) Alle Menschen werden Brüder
    4. D) Geht mehr in die Natur
  5. Wodurch ist Schillers Ode „An die Freude“ besonders bekannt?
    1. A) Durch ein Verbot

    2. B) Napoleon war ein großer Fan

    3. C) Schiller wollte sie nicht veröffentlichen

    4. D) Durch die Vertonung Ludwig van Beethovens

Richtige Antworten: 
1. D) Ein Lobgesang (Ode)
2. C) Einigkeit und Freundschaft
3. A) Emotionale Sprache
4. C) Alle Menschen werden Brüder
5. D) Durch die Vertonung Ludwig van Beethovens

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