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Artemisia Gentileschi

Berühmt, vergessen und wiederentdeckt
Portrait of Artemisia Gentileschi, using influences of Caravaggio's dramatic tenebrism, rendered in watercolor, balanced lighting that emulates the natural illumination of a Baroque workspace, colors in muted tones with an emphasis on maroons, ochres, and olive greens, shot with a 50mm lens capturing her expression and brushstrokes with intimate attention to detail.
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Inhalte

Intro

Zu Lebzeiten war sie bekannt und geschätzt – und damit eine absolute Ausnahmeerscheinung: Artemisia Gentileschi. Doch nach ihrem Tod geriet die italienische Barockmalerin in Vergessenheit. Wie das passieren konnte und wann diese ungewöhnlich starke Frau wiederentdeckt wurde, erfährst du in dieser Story.

Kapitel 1: Ein Neuanfang

Wer hätte das gedacht? Vor einem Jahr musste sie Rom in Schimpf und Schande verlassen. Zwangsverheiratet, Ruf und Ehre zerstört. Aber wenn die anderen glauben, man sei am Ende, muss man erst richtig loslegen. Sie hat Talent, sie hat Ehrgeiz, und sie hat die nötige Willensstärke. Florenz bietet ihr endlich den Rahmen, sich zu entfalten.

Artemisia Gentileschi richtet sich auf, strafft ihre Schultern. Die Frisur sitzt, das Kleid ist aus edlem Stoff und nach der neuesten Mode geschneidert. Sie ist zu Gast am Hof von Cosimo II. aus der mächtigen Florentiner Herrscherfamilie Medici. Stolz kann sie den Fürsten ihren Patron nennen – ihren Schirmherrn und Auftraggeber. Er wird nicht der einzige bleiben. Schon jetzt ist sie in Florenz bekannt als „La Pittora“, als „Die Malerin“, sie ist die gefragteste Künstlerin der Stadt. Warum nicht nach den Sternen greifen? Bald wird man sie auch an den Höfen anderer Herrscher kennen, weit über Italien hinaus.

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Kapitel 2: Große Begabung

Artemisia Gentileschi – eigentlich Artemisia Lomi – wurde 1593 in Rom geboren. Sie war das erste Kind des angesehenen Malers Orazio Gentileschi und seiner Frau Prudenzia – und ihre einzige Tochter. Wie damals üblich, befand sich die Malerwerkstatt des Vaters im Wohnhaus der Familie. Früh kam das kleine Mädchen auf diese Weise in Kontakt mit Farben und Pinseln, versteckte sich hinter den Staffeleien und sah Orazio dabei zu, wie seine Kunstwerke auf Leinwand Gestalt annahmen.

Tatsächlich zeigte sie großes Interesse an der Arbeit des Vaters – und größeres künstlerisches Talent als ihre Brüder, von denen sich Vater Orazio mehr erhofft hatte. Als Artemisia 12 Jahre alt war, starb ihre Mutter im Kindbett. Von nun an fehlte dem Mädchen weibliche Fürsorge, sie war für den Haushalt und die jüngeren Brüder verantwortlich. Eine Schule besuchte sie nie, lernte weder lesen noch schreiben. Aber das Malen, das brachte Orazio ihr bei. 1610 signierte sie ihr erstes Gemälde. Es war so schön, so perfekt, dass ihr stolzer Vater überall von dem unglaublichen Talent seiner Tochter erzählte. Sicher war sie nicht die erste Frau, die als Malerin von sich Reden machte. Aber für Mädchen ihrer Epoche war immer noch die Rolle als Ehefrau und Mutter vorgesehen. Von Artemisia erwartete man, dass sie denselben Weg beschritt.

1611 ließ Orazio seine Tochter zusätzlich von seinem Malerkollegen Agostino Tassi unterrichten. Tassi war spezialisiert auf Architektur- und Kulissenmalerei und sollte ihr räumliches Verständnis fördern. Doch Tassi war ein durchtriebener und brutaler Charakter, hatte zeit seines Lebens Prozesse am Hals wegen Schlägereien, Diebstahl und Vergewaltigung. Auch die 18-jährige Artemisia fiel ihm zum Opfer. Über Monate ertrug sie schweigend ihre Schmach, weil er sie mit einem Heiratsversprechen hinhielt. Als sich aber herausstellte, dass seine angeblich verstorbene Ehefrau noch lebte und er sein Versprechen gar nicht halten konnte, ging Artemisias Vater vor Gericht. In den Schmutz gezogen wurde allerdings das Opfer: Artemisia.

Kapitel 3: Eine großartige Karriere

Nach einem langen und entwürdigenden Gerichtsverfahren wurde Artemisia verheiratet, mit dem unbedeutenden Maler Pierantonio Stiattesi, dem Bruder des Notars, der für ihren Vater die Anklage gegen Tassi vorbereitet hatte. Wenige Monate später zog das junge Ehepaar nach Florenz. Dort endlich sollte es mit Artemisias Karriere steil bergauf gehen.

Im Haus des Schwiegervaters richtete sie sich eine Werkstatt ein und kam schnell in Kontakt mit den Berühmtheiten der Stadt. Sie freundete sich mit Michelangelo Buonarroti dem Jüngeren an, dem Neffen des bedeutenden Renaissance-Künstlers gleichen Namens. Für Cosimo II., Großherzog der Toskana, malte sie und war oft zu Gast an seinem Hof. Auch der Astronom Galileo Galilei gehörte zu ihrem engeren Kreis. Artemisia verstand es, zu “netzwerken” und Beziehungen zu knüpfen. Hätte es damals schon Soziale Medien gegeben, Artemisia hätte sie sicherlich geschickt für sich genutzt.

In Florenz lernte sie auch endlich lesen und schreiben, denn Bildung war in der besseren Gesellschaft jener Zeit unabdingbar. Wer dazugehören wollte, musste sich in Wissenschaften und in Kultur auskennen. Artemisia gehörte dazu. 1616 wurde sie in die Accademia delle Arti del Disegno in Florenz aufgenommen. Sie war die erste Frau, die an dieser renommierten Kunstakademie studieren durfte!

Viele von Artemisias Briefen sind erhalten und vermitteln das Bild einer starken, selbstbewussten Frau, die um ihr einzigartiges Talent wusste und es vermarkten konnte. Ihr war bewusst, dass sie als malende Frau eine Ausnahme war und dass sie begabter war als so mancher männliche Kollege. Bald galt sie als bekannteste Malerin des Barock – jene Epoche, die von etwa 1600 bis 1720 dauerte und zwischen Renaissance und Aufklärung angesiedelt wird. Die Kunst des Barock ist geprägt von bewegten, üppigen Formen, die Figuren sind gefühlsbetont. Als einer der bekanntesten Künstler des italienischen Barock zählt sicherlich Michelangelo Merisi da Caravaggio, der Artemisia wie auch ihren Vater Orazio in Stil und Technik beeinflusst hatte. Mit ihren dramatischen Lichteffekten und lebensnahen Darstellungen gehören beide daher zu den wichtigsten Vertretern des sogenannten Caravaggismus. Später wurde Artemisia vom eleganten Tenebrismus des französischen Malers Simon Vouet, aber auch von der Malerei niederländischer Barockkünstler beeinflusst.

Artemisia arbeitete nicht nur in Florenz. Sie kehrte 1620 nach Rom zurück, wo der einflussreiche Kardinal Francesco Barberini zu ihren Mäzenen gehörte. Zehn Jahre später ließ sie sich in Neapel nieder, wo sie bis zu ihrem Tod ein erfolgreiches Atelier betrieb. Sie arbeitete in Venedig und sogar am Hof König Karls I. in London. Dort gestaltete sie u.a. zusammen mit ihrem Vater die Deckengemälde im Queen’s House in Greenwich. Mehr als 40 Jahre lang malte sie – vor allem für bekannte Auftraggeber, zu denen auch König Philipp IV. von Spanien gehörte. Artemisia Gentileschi hatte sich mutig eine Karriere erarbeitet – für eine Frau jener Zeit einzigartig. Dennoch geriet sie nach ihrem Tod in Vergessenheit.

Kapitel 4: Vergessen und wiederentdeckt

Artemisia Gentileschi starb vermutlich 1654 in Neapel. Und plötzlich wurde es still um die berühmte Malerin. Jahrhundertelang erinnerte man sich kaum noch an sie und ihre Werke. Ein Schicksal, das sie mit vielen Künstlerinnen teilte. Das sie nach und nach vergessen wurde, lag vor allem daran, dass sich der Kunstgeschmack im Laufe der Zeit änderte. Ihre Bilder waren nicht mehr gefragt, sie wurden weder verkauft noch ausgestellt. Und als man sich später wieder für die Kunst des Barock interessierte, wurde ihr die Urheberschaft an ihren Werken abgesprochen. Gemälde von dieser Qualität und mit diesen Motiven von der Hand einer Frau? Unmöglich! Waren es nicht viel eher Werke ihres Vaters?

Erst 1916 veröffentlichte der italienische Kunsthistoriker Roberto Longhi eine Studie zu Artemisia und ihrem Vater Orazio Gentileschi und betonte ihre Bedeutung für die Barockmalerei. Die Kunstgeschichte begann sich zaghaft für die vergessene Malerin zu interessieren. Dreißig Jahre später veröffentlichte Longhis Ehefrau eine fiktive Biografie Artemisia Gentileschis und verschaffte ihr damit endlich die Aufmerksamkeit, die sie verdiente. Nun entdeckte auch die feministische Forschung die Malerin und machte sie zu einer frühen Heldin. Tatsächlich war Artemisia eine emanzipierte Frau und ihrer Zeit voraus gewesen. Sie betrieb ihre eigene Werkstatt, in der sie auch Männer beschäftigte. Sie schuf Historien- und Aktgemälde und damit Bildgattungen, die männlichen Künstlern vorbehalten waren. Sie kämpfte entschlossen um Anerkennung. Fast nebenbei brachte sie noch fünf Kinder zur Welt, von denen aber nur die Tochter Palmira das Erwachsenenalter erreichte.

2020 rückte eine große Ausstellung in der National Gallery in London die Künstlerin Artemisia Gentileschi noch mehr in das Bewusstsein der Öffentlichkeit und würdigte sie als eine der großen Künstlerinnen ihrer Zeit.

Kapitel 5: Artemisia Gentileschis bekannteste Werke

Vom Trauma der Gewalt und der Verleumdungen, die sie als junge Frau erleben musste, versuchte sich Artemisia zeitlebens zu befreien – auch mit Hilfe ihrer Kunst. Und so schuf sie zahlreiche Werke, die starke Frauenfiguren aus der Bibel oder der Mythologie zeigen. Oftmals gab sie ihnen sogar ihr eigenes Gesicht. Artemisia Gentileschi war sich ihres eigenen Wertes und Könnens bewusst und stolz auf sich selbst, wie sie vor allem in ihrem Selbstporträt als Allegorie der Malerei (1638/39) zeigt. Zu ihren weiteren bekannten Gemälden (von denen sie über die Jahre hinweg oft mehrere Versionen malte) gehören:

Susanna und die Ältesten (1610, Schloss Weißenstein, Pommersfelden )

Judith enthauptet Holofernes (1612, Museo di Capodimonte, Neapel)

Judith und Holofernes (1614-20, Uffizien, Florenz)

Heilige Katharina von Alexandria (1614/15, Uffizien, Florenz)

Selbstbildnis als Märtyrerin (1615, Newhouse Galleries, New York)

Die reuige Maria Magdalena (1615/16, Marc A. Seidner Collection, Los Angeles)

Jael und Sisera (1620, Szépmúvészeti Múzeum, Budapest)

Die Geburt Johannes des Täufers (1635, Prado, Madrid)

Lucretia (1642/43, Palazzo Reale, Neapel)

Zusammenfassung

  • Artemisia Gentileschi war die bekannteste Malerin des Barock.

  • Sie malte für die bedeutendsten Auftraggeber ihrer Zeit und zog dafür quer durch Italien und bis an den Königshof von England.

  • Weil ihre Gemälde aus der Mode kamen, geriet auch die Künstlerin im Laufe der Jahrhunderte in Vergessenheit.

  • Erst Anfang des 20. Jahrhunderts wurde Artemisia Gentileschi wiederentdeckt und zu einer Galionsfigur der feministischen Bewegung.

Teste dein Wissen im Quiz

  1. In welcher Epoche malte Artemisia Gentileschi?
    1. A) Barock
    2. B) Renaissance
    3. C) Impressionismus
    4. D) Moderne
  2. Bei wem lernte die italienische Barockmalerin Artemisia Gentileschi ihr Handwerk?
    1. A) Michelangelo Buonarroti
    2. B) Ehemann Pierantonio Stiattesi
    3. C) Vater Orazio Gentileschi
    4. D) Galileo Galilei
  3. An wessen Hof in London malte Artemisia?
    1. A) König Heinrich VIII.
    2. B) Queen Elizabeth I.
    3. C) König Georg V.
    4. D) König Karl I.
  4. Wann wurde Artemisia Gentileschi durch die Studie eines Kunsthistorikers erst als Künstlerin wiederentdeckt?
    1. A) Ende des 18. Jahrhundert
    2. B) Anfang des 21. Jahrhundert
    3. C) Anfang des 20. Jahrhunderts
    4. D) Ende des 20. Jahrhunderts
  5. Wo lebte Artemisia Gentileschi zuerst nachdem sie Rom verlassen musste?
    1. A) Neapel
    2. B) Mailand
    3. C) Florenz
    4. D) Palermo

Richtige Antworten:

1 A) Barock
2 C) Vater Orazio Gentileschi
3 D) König Karl I.
4 C) Anfang des 20. Jahrhunderts
5 C) Florenz

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