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Selbstporträt als Allegorie der Malerei

Dieses Gemälde ist eine Ansage an die Männerwelt
Selbstporträt als Allegorie der Malerei, 1630,[13] Kensington Palace, London
Selbstporträt als Allegorie der Malerei
Selbstporträt als Allegorie der Malerei
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Inhalte

Intro

Artemisia Gentileschi war eine selbstbewusste Künstlerin. Heute wird sie gerne mit Etiketten wie „Karrierefrau des 17. Jahrhunderts" oder „eine der ersten emanzipierten Frauen" versehen. Und tatsächlich traute sie sich, dies der Männerwelt ihrer Zeit unter die Nase zu reiben. Mit welchem Gemälde ihr das besonders gelang, erfährst du in dieser Story.

Kapitel 1: London is calling

Artemisia ist skeptisch. Was soll sie in England? Dort regnet es doch immer und kalt ist es außerdem. Sicher, es ist schmeichelhaft, dass der König höchstselbst um ihre Anwesenheit bittet. Aber London? Seit einigen Jahren schon arbeitet ihr Vater am Hof von Karl I., doch der kunstsinnige König will eigentlich sie – die populärste und beliebteste Malerin Italiens! Sie hat sich einen Ruf erarbeitet, der durch ganz Europa hallt. Nicht nur ihr Können wird gerühmt, sondern auch ihre Schönheit, ihre scharfe Zunge, ihr Intellekt. Artemisia Gentileschis Werke sind Prestigeobjekte – allen voran ihre Selbstporträts.

Nur von den italienischen Fürsten kommen einfach keine Aufträge. Und das, obwohl sie bereits etliche Briefe an potenzielle Auftraggeber geschickt hat. Nach Rom, Florenz und Modena. Aber die Antworten der Herzöge und Kardinäle sind vage. Sie würde doch so gerne in ihrem Heimatland bleiben. Es ist frustrierend. Die Kunstmetropole Neapel, wo sie sich seit 1630 aufhält, ist teuer und unruhig. Immer wieder brechen in den engen Straßen Querelen aus. Artemisia will lieber heute als morgen weg. Also doch nach England…?

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Kapitel 2: Malen für den König

1638 machte sich Artemisia Gentileschi in Begleitung ihres Bruders Francesco auf nach London. Zwei Einladungen des englischen Königs Karl I. hatte sie zuvor abgelehnt, in der Hoffnung, noch etwas Besseres in Italien zu finden. Doch gute Angebote blieben aus. Auch ihrem Mäzen Cassiano dal Pozzo hatte sie geschrieben, dass sie zurück nach Rom wolle, in ihre Heimatstadt. Sie brauchte dringend Geld. Sie arbeitete hart und war auch in Neapel eine gut beschäftigte Künstlerin, aber seit jeher hatte Artemisia ein Problem: Sie konnte nicht mit Geld umgehen. Zu gern lebte sie auf großem Fuß. Farben waren teuer, und sie liebte schöne Kleider und edlen Schmuck. Sie hatte eine Werkstatt, die sie selbst führte und in der sie auch Männer beschäftigte. Mit kostbaren Kleidern und prestigeträchtigen Aufträgen kultivierte sie ihren Ruhm. Artemisia wollte gesehen werden. Jetzt aber brauchte sie Geld für die Mitgift ihrer Tochter Prudenzia, genannt Palmira. Sie war das einzige ihrer vier Kinder, das noch lebte. Von ihrem Ehemann hatte sich Artemisia wohl schon 1623 getrennt, und auch die Beziehung mit ihrem reichen Liebhaber, einem jungen Adeligen aus Florenz, war gescheitert. Von dieser Seite waren keine Zahlungen mehr zu erwarten, und die italienischen Höfe hielten sich auch zurück. So zog sie eben nach England.

Dort erwartete sie nicht nur das englische Königspaar, sondern auch ihr Vater Orazio. Der arbeitete bereits seit einem guten Jahrzehnt in London, hatte sich aber mit seinem aufbrausenden Temperament nicht sonderlich beliebt gemacht. Gerade gestaltete er im Auftrag von Königin Henrietta Maria die Deckengemälde für das Schloss in Greenwich, genannt „The Queen’s House“. Seine Tochter sollte ihm bei diesem Fresko zur Hand gehen. Die Stile der beiden Gentileschis glichen sich hier aneinander an; heute weiß man nicht mehr, welche Malereien von Artemisias Hand stammen. Einige Frauenfiguren aber tragen ihre Handschrift und ähneln nicht nur in der Technik, sondern auch im Ausdruck den Frauen auf ihren Gemälden. Im Februar 1639 starb ihr Vater, aber Artemisia entschied sich, noch ein Jahr am Hof Karls I. zu bleiben.

Kapitel 3: Ich bin die Malerei

In London wurde sie gefeiert und vom König mit Ehren empfangen. Vielleicht regte das die ohnehin selbstbewusste Künstlerin zusätzlich an, sich nicht nur als Malerin in einem Selbstbildnis zu verewigen, sondern sich auch als die Malerei in Person darzustellen. Als Personifizierung, als die Allegorie der Malerei.

Die Idee dazu lieferte ihr das Buch Iconologia von Cesare Ripa. Die erste Ausgabe war 1593 erschienen und diente Künstlern und Schriftstellern des Barock als Inspiration. Ripa war eigentlich gelernter Koch, doch nebenbei verfasste er kluge Schriften. In seiner „Iconologia“ gab er abstrakten Begriffen wie Laster, Leidenschaften, Künste oder Wissenschaften eine Gestalt. So schuf er allegorische Figuren und verpasste ihnen Attribute. Ripa ordnete auch dem Begriff „Malerei“ ein Bild zu. Traditionell wurde die Malerei immer durch weibliche Figuren symbolisiert und er beschrieb diese aber genauer. Diese Kunstgattung charakterisierte er nämlich als schöne Frau mit vollem, dunklem Haar und fein geschwungenen Augenbrauen. Um ihren Mund hat sie ein Tuch gewickelt – sie braucht ja nicht zu sprechen – und um den Hals trägt sie eine goldene Kette mit einem Anhänger in Form einer Maske mit der lateinischen Inschrift „imitatio“, zu deutsch „Nachahmung“. In einer Hand hält sie einen Pinsel, in der anderen eine Palette.

Bei ihrem Selbstporträt als Allegorie der Malerei (engl. Self-Portrait as the Allegory of Painting) folgt Artemisia Gentileschi dieser Beschreibung. Nur das Tuch und die Inschrift auf der Kette fehlen. Vielleicht als Zeichen dafür, dass sie sich den Mund nicht verbieten lasse und ihre Kunst auch keine Nachahmung sei. Artemisia hatte zwar früh Inspiration in den Werken von Caravaggio gefunden, war aber trotzdem stets eine souveräne Künstlerin geblieben. Der Figur der Malerei verlieh sie ihre eigenen Züge und krönte sich so selbst zur Personifikation der Malerei: Artemisia als Inbegriff der Künste, Malerin und Malerei in einer Person! Mit ihrem originellen Gemälde rückte sich Artemisia ins beste Licht.

Kapitel 4: Sich selbst das liebste Modell

Von Artemisia Gentileschi sind zahlreiche Briefe erhalten, die Einblick geben in ihren Charakter als Frau und als Künstlerin. Und wir kennen ihr Aussehen aus ihren Selbstporträts, aber auch von etlichen Frauengestalten in ihren Bildern, denen sie in Öl auf Leinwand ihr eigenes Gesicht verlieh. Das brachte ihr vermutlich extra Publicity, und zugleich sparte sie damit eine Menge Geld, denn Modelle waren teuer.

Das heute in London ausgestellte Ölgemälde ist Eigentum des Royal Collection Trust of Her Majesty the Queen Elizabeth II.. La Pittura, wie Artemisias Selbstporträt als Allegorie der Malerei auch genannt wird, entstand vermutlich 1638 bis 39 während ihres England-Aufenthalts. Es zeigt die Künstlerin als junge Frau, obwohl sie bereits 45 war. Aber warum nicht die Gelegenheit nutzen, auf ewig jung zu bleiben? Artemisia stellte sich beim Akt des Malens dar. Ihr rechter Ärmel ist hochgekrempelt, um die frische Farbe nicht zu verwischen. Sie blickt seitlich an der Staffelei vorbei, um den Gegenstand zu fixieren, den sie gleich auf die Leinwand bannen will - die Pinselhand ist schon erhoben. Damit verbildlicht Artemisia auf geniale Weise die Gleichzeitigkeit von Sehen – mit dem realen Auge – und dem Sehen mit dem künstlerischen Auge. Der wahre Künstler malt eben nicht nur stur, was er sieht, er ist ein Schöpfer. Sie zeigt uns das auch in ihrem Blick, der sich nachdenklich-konzentriert unter halb geschlossenen Augen verliert. Und wie schon in ihrem Gemälde Judith und Holofernes stellt sie geschickt ihr technisches Können unter Beweis: Die sich zur Seite neigende Figur der Malerin führt die bei den Zeitgenossen so geschätzte Drehbewegung vor. Noch anspruchsvoller ist die verkürzte Profildarstellung ihres Kopfes. Ihr Gesicht ist damit zwar kaum zu erkennen. Aber darum ging es ihr hier auch nicht. Sie stellte den Schaffensprozess und ihre Berufung über die Darstellung ihrer Person.

1640 verließ sie England und kehrte nach Neapel zurück; dort sollte sie bis zu ihrem Lebensende bleiben.

Zusammenfassung

  • Artemisia Gentileschi verstand es meisterhaft, sich in einer männerdominierten Welt zu behaupten. Sie wurde als erste Frau überhaupt in die Florentiner Akademie der Künste aufgenommen und war die Chefin in ihrer eigenen Werkstatt. Dort beschäftigte sie sogar Männer als Angestellte – für damalige Verhältnisse sehr ungewöhnlich.

  • 1638 ging Artemisia für zwei Jahre nach England an den Hof von König Karl I.. Während dieser Zeit schuf sie eines ihrer schönsten Selbstbildnisse, in dem sie sich als Personifikation der Malerei darstellte.

  • In ihrem Selbstporträt als Allegorie der Malerei verbildlicht sie auf geniale Weise, wie der wahre Künstler das reale Sehen mit dem künstlerischen Sehen verbindet.

  • Zugleich führt sie dem Betrachter die schwierigsten und zugleich beliebtesten künstlerischen Ausdrucksmittel der zeitgenössischen Malerei vor: raffinierte Drehbewegungen und extreme Verkürzungen.

Teste dein Wissen im Quiz

  1. Wo entstand das Gemälde Selbstporträt als Allegorie der Malerei von Artemisia Gentileschi?
    1. A) Neapel
    2. B) Rom
    3. C) Wien
    4. D) London
  2. Wer schrieb das Buch  Iconologia, in dem “die Malerei” als Frauenfigur beschrieben wird?
    1. A) Cesare Ripa
    2. B) Giorgio Vasari
    3. C) Leonardo da Vinci
    4. D) Rembrandt van Rijn
  3. Mit wem arbeitete Artemisia Gentileschi in England an einem Deckengemälde?
    1. A) Caravaggio
    2. B) Orazio Gentileschi
    3. C) Élisabeth Vigée-Lebrun
    4. D) Peter Paul Rubens
  4. Warum ging Artemisia Gentileschi letztlich nach England?
    1. A) Geldnot
    2. B) Sehnsucht nach ihrem Vater
    3. C) folgte ihrem Liebhaber
    4. D) Verhaftung
  5. Wen personifizierte die Künstlerin in diesem Gemälde?
    1. A) Diana, Göttin der Jagd
    2. B) die Malerei
    3. C) die Unschuld
    4. D) Venus

Richtige Antworten:

1. D) London
2. A) Cesare Ripa
3. B) Orazio Gentileschi
4. A) Geldnot
5. B) die Malerei

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