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Heine Romanzero

Sie war Heines letzte Liebe
Das Bild zeigt die Silhouette eines Mannes, der am Ufer eines Flusses steht und in die Ferne schaut, was auf Heinrich Heines Tod im Exil anspielt. Die Szene wird von kahlen Bäumen und einem schwachen, nebligen Sonnenlicht hintergründig beleuchtet, was eine melancholische Stimmung erzeugt.
Heine Romanzero
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Inhalte

Intro

In Paris fühlte sich Heinrich Heine der Freiheit um einiges näher als in seiner deutschen Heimat. In der Hauptstadt der Exilanten war er unter Gleichgesinnten. Doch dann traf ihn ein schwerer Schicksalsschlag, der sein ganzes Leben veränderte. In dieser Story erfährst du, dass selbst eine schwere Krankheit Heine nicht daran hinderte, sich noch einmal unsterblich zu verlieben ...

Kapitel 1: Ans Bett gefesselt

Heinrich Heine liegt im Bett – ein Lager aus übereinandergestapelten Matratzen. Seine Beine sind gelähmt, auch seine linke Gesichtshälfte. Er kann kaum sehen, hat Krämpfe, liegt nachts wach. In eine offene Wunde streut man ihm regelmäßig Morphium. Nur so lassen sich die Schmerzen oft noch lindern. Und doch: Trotz all der Qualen – sein Geist ist erstaunlich wach. Er dichtet, diktiert einem Sekretär, wenn er selbst nicht schreiben kann. Doch die Pariser Wohnung, in der er mit seiner Frau Mathilde lebt, kann er nicht mehr verlassen. Diesmal ist es seine Krankheit, die ihn zum Außenseiter macht. In einem Brief schreibt er: „Es ist sehr hart, auf einer Matratze festgenagelt zu sein, wenn alle Welt auf den Beinen ist und alle Dinge im Fluss sind.“ Heine fühlt sich wie ein Sterbender, der nicht weiß, wann sein Ende kommen wird. Wie viel Zeit wird er noch haben? Sind es Jahre, Wochen – oder Tage?

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Kapitel 2: Die „Matratzengruft”

Acht Jahre sollten es werden. So lange dichtete Heine bis zu seinem Tod unter Qualen im Bett. Die Krankheit hatte sich schleichend angekündigt. 1848, ausgerechnet im deutschen Revolutionsjahr, brach sie dann aus. Sein Krankenlager, an das Heine von nun an gefesselt war, nannte er ironisch seine „Matratzengruft“. Heine selbst hielt sein Leiden für eine Spätfolge der Syphilis, eine Geschlechtskrankheit. Heute vermuten Medizinhistoriker, dass es sich um eine unheilbare Krankheit des Zentralnervensystems handelte. 

Wer Heine in dieser Zeit besuchte, wunderte sich darüber, dass der Schriftsteller trotz aller Qualen manchmal noch Witze machte und der alte Spötter war. Und vor allem: Er schrieb! Unbeirrt und immer weiter. Zum Beispiel die Lyriksammlung „Romanzero“. Sie umfasst drei Teile bzw. Bücher. Erstes Buch: Historien, Zweites Buch: Lamentationen und Drittes Buch: Hebräische Melodien. Heine schrieb sie zwischen 1848 und 1851 in seiner „Matratzengruft” und nahm auch einige Gedichte aus dem „Buch der Lieder” mit auf. Während dieses allerdings bereits sozusagen das „Best of” seines Frühwerks gewesen war und auch der später erschienene Gedichtband „Neue Gedichte” überwiegend ältere Werke enthielt, besteht „Romanzero” zum größten Teil aus neuem Stoff. In der Forschung blieb das Werk lange Zeit unbeachtet. Heute gilt es als sozusagen endgültige Abrechnung des Dichters mit der Romantik und deren Realitätsferne, auch wenn sich einiges darin auf den ersten Blick durchaus „romantisch” liest. In schlichter, bildhafter Sprache und pointierter Ironie nimmt Heine vielmehr einmal mehr die Missstände der deutschen Gesellschaft aufs Korn.

Kapitel 3: Romantisch, aber nur ein bisschen

Warum aber ausgerechnet „Romanzero”? Der Titel auf dem Einband verwirrt ein wenig, lässt er doch eher unverfängliche und unpolitische Gedichte erwarten, obwohl Heine mit der Romantik doch längst nichts mehr am Hut hatte! Vielleicht war das aber sogar Absicht, sozusagen als Verkaufsargument. Denn in der Zeit kurz vor der Jahrhundertmitte – dem literarischen Biedermeier – waren Romanzen und Naturschwärmerei bei der Leserschaft groß in Mode. Das repressive „System Metternich”, benannt nach dem damaligen Regierungschef, hatte zahlreiche Freigeister ins Exil getrieben und bei den im Land Gebliebenen Resignation bewirkt, die im Rückzug ins Private ihren Ausdruck fand. Man verklärte mittelalterliche Ritterlichkeit und fantastische Traumwelten. Und Heine beruft sich im Nachwort zu Romanzero ja auch darauf, dass „der Romanzenton vorherrschend (sei) in den Gedichten, die hier gesammelt”. Bei Erscheinen des Werks, herausgegeben von Hoffmann und Campe Hamburg, fand sich jedoch wieder einmal reichlich politischer Sprengstoff. Wie in dem schlichten Achtzeiler namens „Weltlauf”, der das zweite Buch eröffnet:

Hat man viel, so wird man bald
Noch viel mehr dazu bekommen.
Wer nur wenig hat, dem wird
Auch das wenige genommen.

Wenn du aber gar nichts hast,
Ach, so lasse dich begraben –
Denn ein Recht zum Leben, Lump,
Haben nur, die etwas haben.

Bündiger und treffender kann man die Auswüchse des Feudalstaats in der beginnenden Industrialisierung nicht auf den Punkt bringen.

Das erste Buch, die Historien, bieten einen Ritt kreuz und quer durch die Geschichte, angefangen bei den alten Ägyptern über den 1649 geköpften König Karl I. (er wollte das englische Parlament abschaffen, was einen Bürgerkrieg und die zeitweise Abschaffung der Monarchie auslöste) bis hin zum Azteken-Gott Vitzliputzli (der den Ureinwohnern und ihrem König Montezuma noch einmal zu einem Triumph über Hernán Cortés und dessen goldgierige Konquistadoren verhilft, bevor ihre Kultur endgültig untergeht).

Da ist der Dichter Firdusi, der seinem vergötterten Herrscher Mahomet siebzehn Jahre lang einen bestellten Lobgesang aus „Zweimalhunderttausend Versen” dichtet und statt des versprochenen Goldes nur Silber bekommt. Enttäuscht verschenkt er die Silbermünzen und lebt fortan in „Dürftigkeit und Elend” in der Stadt Thus. Mahomet aber ist am Ende so hingerissen von Firdusis Meisterwerk, dass er seine Hinterlist bereut und dem Dichter reiche Schätze schickt. Doch zu spät: Als die Karawane nach vielen Tagen in Thus eintrifft, ist Firdusi gestorben ...

Kapitel 4: Spukgestalten

In den „Lamentationen” thematisiert der Dichter Schwermut, Tod und auch die Leiden des unheilbar Kranken. So wie im Gedicht „Lazarus”:  

Wie langsam kriechet sie dahin,
Die Zeit, die schauderhafte Schnecke!
Ich aber, ganz bewegungslos
Blieb ich hier auf demselben Flecke.

In meine dunkle Zelle dringt
Kein Sonnenstrahl, kein Hoffnungsschimmer,
Ich weiß, nur mit der Kirchhofsgruft
Vertausch ich dies fatale Zimmer.

Vielleicht bin ich gestorben längst;
Es sind vielleicht nur Spukgestalten
Die Phantasien, die des Nachts
Im Hirn den bunten Umzug halten.

Es mögen wohl Gespenster sein,
Altheidnisch göttlichen Gelichters;
Sie wählen gern zum Tummelplatz
Den Schädel eines toten Dichters. –

Die schaurig süßen Orgia,
Das nächtlich tolle Geistertreiben,
Sucht des Poeten Leichenhand
Manchmal am Morgen aufzuschreiben.

Doch es wäre nicht Heine, wenn er nicht seine eigene aussichtslose Situation auch mit Ironie betrachtet hätte:

Das Glück ist eine leichte Dirne,
Und weilt nicht gern am selben Ort;
Sie streicht das Haar dir von der Stirne
Und küßt dich rasch und flattert fort.

Frau Unglück hat im Gegentheile,
Dich liebefest ans Herz gedrückt;
Sie sagt, sie habe keine Eile,
Setzt sich zu dir ans Bett und strickt.

Kapitel 5: Zurück zu Gott, aber nicht zur Kirche

Unter dem Eindruck des nahenden Todes wandte sich Heine wieder der Religion zu. In den drei Gedichten des dritten Buchs beschäftigt er sich mit dem Judentum, so mit der spirituellen Bedeutung des jüdischen Ruhetags Sabbat oder mit dem Leben des spanischen Dichters Jehuda ben Halevy. Und das Christentum, das er in Werken wie „Die schlesischen Weber” oder „Deutschland. Ein Wintermärchen” doch mit beißender Ironie kritisiert hatte? Im Nachwort zu Romanzero macht der schwerkranke Dichter tatsächlich seinen „Frieden” mit dem „Schöpfer” – „zum größten Ärgernis meiner aufgeklärten Freunde, die mir Vorwürfe machen über dies Zurückfallen in den alten Aberglauben, wie sie meine Heimkehr zu Gott zu nennen beliebten.” (…) Dennoch, so stellt er klar: „Ausdrücklich widersprechen muss ich jedoch dem Gerüchte, als hätten mich meine Rückschritte bis zur Schwelle irgendeiner Kirche oder gar in ihren Schoß geführt. Nein, meine religiösen Überzeugungen und Ansichten sind frei geblieben von jeder Kirchlichkeit; kein Glockenklang hat mich verlockt, keine Altarkerze hat mich geblendet.”

In seinen Texten stellte Heinrich Heine immer wieder Sinnfragen – und fand doch keine erlösenden Antworten. Auch von den politischen Entwicklungen war Heine in dieser Lebensphase tief enttäuscht. Vom Krankenbett aus verfolgte er die Geschehnisse – auch das Scheitern der Revolution in Deutschland im Jahr 1848. Seine Hoffnungen auf Freiheit und Demokratie hatten sich nicht erfüllt. 

Doch dann – nur wenige Monate vor Heines Tod – passierte etwas Überraschendes.

Kapitel 6: Die Fliege

Eines Tages, im Juni 1855, stand eine Frau vor Heines Bett. Elise Krinitz: Deutsche, 27 Jahre alt, Pianistin und selbst Schriftstellerin. Sie sollte ihm nur einige Musikstücke von einem Freund vorbeibringen, doch Heine bat sie wiederzukommen. Das tat sie. Sie kam wieder und wieder. Sie las ihm vor oder schrieb auf, was er ihr diktierte. Heines Frau Mathilde duldete es. Heine nannte seine neue junge Freundin „Mouche“ – „Fliege“. Er schrieb ihr Liebesbriefchen und widmete ihr seine letzten Liebesgedichte. Mit der ihm eigenen Selbstironie bedauerte er darin, dass ihre Beziehung nicht körperlich sein konnte. Am Ende seines Lebens war Heine – wieder einmal – unmöglich verliebt:

Wahrhaftig, wir beide bilden
Ein kurioses Paar,
Die Liebste ist schwach auf den Beinen,
Der Liebhaber lahm sogar.

Sie ist ein leidendes Kätzchen,
Und er ist krank wie ein Hund,
Ich glaube, im Kopfe sind beide
Nicht sonderlich gesund.

Vertraut sind ihre Seelen,
Doch jedem von beiden bleibt fremd
Was bei dem andern befindlich
Wohl zwischen Seel und Hemd.

Vielleicht aus diesem Grund hat Heine auch ein anderes, älteres Gedicht noch einmal in den Romanzero aufgenommen: Es heißt „Der Asra” (Erstdruck 1846) und handelt von der unerfüllbaren Liebe eines Sklaven zur „wunderschönen” Tochter des Sultans. Sehnsuchtsvoll sucht er jeden Abend die – verbotene – Begegnung mit ihr. Schließlich stellt sie ihn zur Rede:

Eines Abends trat die Fürstin
Auf ihn zu mit raschen Worten:
Deinen Namen will ich wissen,
Deine Heimath, deine Sippschaft!

Und der Sklave sprach: ich heiße
Mohamet, ich bin aus Yemmen,
Und mein Stamm sind jene Asra,
Welche sterben wenn sie lieben.

Heinrich Heine starb am 17. Februar 1856. Er wurde auf dem Pariser Friedhof von Montmartre beigesetzt, wo man sein Grab noch heute besuchen kann. 

Sein Werk jedoch wirkte weiter – bis in unsere Gegenwart. Und eine seiner Warnungen sollte sich auf furchtbare Weise erfüllen.

Kapitel 7: „Dort, wo man Bücher verbrennt“

77 Jahre nach Heines Tod, am 10. Mai 1933, kamen in mehreren deutschen Städten Tausende Menschen mit Fackeln zusammen, entzündeten große Scheiterhaufen und warfen die Bücher bekannter Autoren ins Feuer. Darunter Werke von Erich Kästner, Kurt Tucholsky, Heinrich Mann, Carl Zuckmayer, Alfred Döblin. Auch Heinrich Heines Bücher gingen an diesem Tag in Flammen auf.

Mit Hilfe von Studierenden und Professoren hatten die Nationalsozialisten schwarze Listen erstellt. Darauf standen die Autoren, die sie – wie sie es nannten – für „undeutsch“ hielten. Bücher, die nach ihrem Willen aus Bibliotheken und Buchhandlungen verschwinden sollten –  vor allem jüdische Schriftsteller, doch auch andere, die den Nationalsozialisten zu liberal, zu links oder zu kritisch waren. Wieder durften in Deutschland Schriftsteller nicht sagen, was sie wollten, wieder wurden sie zensiert und verfolgt. Einige von ihnen waren bereits ins Exil geflüchtet, andere wurden später in Konzentrationslager gebracht, gefoltert und ermordet. 

Gute 100 Jahre vor der Bücherverbrennung der Nazis hatte Heine in seinem Drama „Almansor“ bereits vor solchen Entwicklungen gewarnt und notiert: 

„Dort, wo man Bücher verbrennt, verbrennt man auch am Ende Menschen.“ 

Heute sind diese Zeilen an mehreren Denkmälern als Mahnung zu lesen. Und niemand bezweifelt mehr: Heinrich Heine war einer der größten deutschen Dichter, ein Romantiker, der neue Wege ging, ein liberaler Geist und scharfzüngiger Kritiker. Ein Außenseiter, der im Exil leben musste. Ein Jude, der konvertierte und es später bereute. Der erste deutsch-französische Intellektuelle. Einer, der mit der Feder für die Freiheit kämpfte.

Zusammenfassung

  • Die letzten acht Jahre seines Lebens war Heinrich Heine wegen einer schweren Krankheit an sein Bett gefesselt.

  • Trotz seiner Leiden verfasste er noch viele Werke. Eines davon ist die Lyriksammlung „Romanzero“. Sie umfasst drei Teile: Historien, Lamentationen und Hebräische Melodien.

  • 1933 warfen die Nationalsozialisten bei ihrer Bücherverbrennung auch Heinrich Heines Werke ins Feuer.

  • Heines Bücher sind aber nicht – wie von den Nazis beabsichtigt – für immer aus den Bibliotheken und Buchhandlungen verschwunden. Ganz im Gegenteil: Heine gilt heute als einer der bedeutendsten Dichter und Journalisten des 19. Jahrhunderts.

Teste dein Wissen im Quiz

  1. Welche Lyriksammlung schrieb Heine zwischen 1848 und 1851 im Krankenbett?
    1. A) Neue Gedichte
    2. B) Romanzero
    3. C) Almansor
    4. D) Die Romantische Schule
  2. In welchem seiner Werke schreibt Heine: „Dort, wo man Bücher verbrennt, verbrennt man auch am Ende Menschen“?
    1. A) Almansor
    2. B) Reisebilder
    3. C) Atta Troll
    4. D) Ideen. Das Buch Le Grand
  3. Welches Gedicht in Heines „Romanzero” ist offen gesellschaftskritisch?
    1. A) „Rhampsenit”
    2. B) „Das Glück ist eine leichte Dirne”
    3. C) „Der Asra”
    4. D) „Weltlauf”
  4. Wie nannte Heine (übersetzt) seine junge Freundin Elise Krinitz?
    1. A) „Mücke”
    2. B) „Fliege“
    3. C) „Hummel”
    4. D) „Schmetterling”
  5. In welcher Stadt befindet sich Heinrich Heines Grab?
    1. A) Berlin
    2. B) Hamburg
    3. C) Paris
    4. D) Düsseldorf

Richtige Antworten: 
1. B) Romanzero 
2. A) Almansor
3. D) „Weltlauf”
4. B) „Fliege“ 
5. C) Paris

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