Wusstest du, dass Heinrich Heine zunächst nicht Dichter, sondern ein erfolgreicher Geschäftsmann werden sollte? In dieser Story erfährst du, warum er dann doch nicht wurde, was er werden sollte, und wie der Liebeskummer Heinrich Heine zum Dichten motivierte.
Der junge Mann steht im Garten seines Onkels. Er blickt auf die herrschaftliche Villa und fühlt sich ganz elend, sein Herz ist schwer. Eigentlich ist er hier in Hamburg, um ein erfolgreicher Unternehmer zu werden. Aber das muss warten. Er hat ganz andere Sorgen. Er ist unsterblich verliebt: in seine Cousine Amalie! Er betet sie an, er schreibt ihr Gedichte. Und was macht die Angebetete? Sie macht sich darüber lustig. Was soll sie – Tochter eines Millionärs – schon mit dem schmächtigen Cousin aus Düsseldorf? Für sie ist er nur ein Träumer, ein Windbeutel, der lieber dichtet statt Geschäfte zu machen. „Sie liebt mich nicht“, notiert der Abgewiesene und ist tief gekränkt. Es ist ja nicht nur Amalie, nein, die ganze High Society von Hamburg belächelt ihn. All die Ablehnung, die er hier von den Reichen und Schönen erfährt – er wird sie nicht vergessen. Amalie wird schon bald einen ostpreußischen Gutsbesitzer heiraten. Und er, der Windbeutel, wird noch zahlreiche Gedichte über die unerfüllte Liebe schreiben – und damit zum weltberühmten Dichter Heinrich Heine werden.
Die erste App, die dich wirklich schlauer macht.
Jetzt runterladen!Gewiss: Seine Eltern Betty (geb. van Geldern) und Samson Heine meinen es nur gut, als sie den jungen Heine zum Onkel Salomon nach Hamburg schicken. Der Onkel, einer der reichsten Männer der Hansestadt, soll einen ordentlichen Kaufmann aus dem 18-Jährigen machen. Bekanntlich kommt es anders. Zum Glück – aus heutiger Sicht.
Geboren wird Heine 1797 in Düsseldorf. Er kommt aber gar nicht als Heinrich, sondern als Harry zur Welt. Seine Familie ist jüdisch, lebt jedoch nicht religiös. Wenig später wird das Rheinland von den Franzosen besetzt. Napoleon hatte 1799 die Französische Revolution in Frankreich für beendet erklärt und anschließend fast ganz Europa unter seine Kontrolle gebracht. Mit der französischen Besatzung aber werden Juden und Christen im Rheinland erstmals gleichgestellt. Kein Wunder also, dass der junge Harry zu einem großen Bewunderer Napoleons wird. Er geht als eines der ersten jüdischen Kinder in eine katholische Schule, das Düsseldorfer Lyzeum. Aber in der deutschen Gesellschaft ist Judenfeindlichkeit nach wie vor weit verbreitet. Sie wird Heine im Laufe seines Lebens noch oft begegnen.
Auf Heines Schuljahre folgt dann die schwierige Zeit in Hamburg. Dort ist der reiche Onkel bemüht, aus Harry einen Unternehmer zu machen. Er richtet dem Neffen sogar ein eigenes kleines Tuchgeschäft ein: Harry Heine & Co. Doch schon nach wenigen Monaten geht es pleite. Nein, Harry Heine ist eindeutig nicht zum Geschäftsmann geboren – und dann ist da ja auch noch die unglückliche Liebe zu seiner Cousine Amalie. Was bleibt, ist Schmerz. Viel Schmerz, gut so! Denn genau der motiviert den jungen Heine zum Schreiben. Er veröffentlicht erste Gedichte und wird in den folgenden Jahren immer wieder über das eine Thema dichten: die unglückliche Liebe.
Bei Heine klingt sie so:
Ein Jüngling liebt ein Mädchen,
Die hat einen andern erwählt;
Der andre liebt eine andre,
Und hat sich mit dieser vermählt.
Es ist eine alte Geschichte,
Doch bleibt sie immer neu;
Und wem sie just passieret,
Dem bricht das Herz entzwei.
Ja, der junge Heine liebt das Dichten. Doch Poet? Das ist für Harrys Familie kein richtiger Beruf. Nichts, womit man sein Brot verdienen könnte. Harry zieht es weg von Hamburg. Er studiert Rechtswissenschaften – erst in Bonn, dann in Göttingen und Berlin, wo er Vorlesungen von Georg Wilhelm Friedrich Hegel hört. Dessen Philosophie wirkt sich nachhaltig auf Heines Geschichtsverständnis und späteres Werk aus.
Vorerst promoviert er zum Doktor der Rechte und möchte an der Uni München Professor werden. Aber Juden bleibt im Deutschen Bund jede Karriere versagt. Also macht der junge Heine nach seinem das, was damals viele Juden tun. Er trifft eine schwere Entscheidung: In einem Hinterzimmer lässt er sich heimlich von einem Pfarrer taufen. Er ist jetzt Protestant und hat einen neuen Namen: Christian Johann Heinrich Heine.
Auch das Studium hält Heine nicht davon ab, zu schreiben. Und er geht auf Reisen: durch die deutschen Länder, den Harz, später auch nach England und Italien. Seine Eindrücke schildert er in insgesamt vier Bänden seiner „Reisebilder”. Schon der erste Band „Die Harzreise”, der 1826 erscheint, wird ein Publikumserfolg.
Immer mal wieder veröffentlicht er auch Gedichte in Zeitschriften. Der Durchbruch gelingt ihm aber erst im Alter von 30 Jahren: 1827 erscheint seine Sammlung von 237 Gedichten unter dem Titel „Buch der Lieder“. Eine Art „Best-of“ aus fast zehn Jahren, inklusive der weltberühmten „Loreley”. Dieser Gedichtband macht Heine mit einem Schlag weit über die Landesgrenzen hinaus berühmt. Heute gehört die Gedichtsammlung zur erfolgreichsten Lyrik der Weltliteratur. Aber was ist daran so besonders?
Nun, Heine bringt einen ganz neuen Stil in die Dichtung. In seiner Jugend hatte er romantische Gedichte geschrieben. Nun löst er sich von deren übertriebener Gefühlswelt und Naturergriffenheit. Seine Sprache ist einfach, liedhaft und volkstümlich. Auch über melancholische, schwere Themen dichtet er mit der für ihn so typischen Leichtigkeit. Und seine Gedichte haben oft einen ironischen Unterton.
Die besondere Sprachmelodie Heines entgeht auch großen Komponisten wie Schubert, Liszt, Mendelsohn-Bartholdy und Schumann nicht. Sie denken sich Musik zu seinen Versen aus. Kein deutscher Dichter – nicht einmal Goethe – wird so oft vertont wie Heinrich Heine. „Aus meinen großen Schmerzen mach ich die kleinen Lieder“, dichtet Heine einmal. Eines davon geht so:
Sie haben heut Abend Gesellschaft,
Und das Haus ist lichterfüllt.
Dort oben am hellen Fenster
Bewegt sich ein Schattenbild.
Du schaust mich nicht, im Dunkeln
Steh ich hier unten allein;
Noch wen’ger kannst du schauen
In mein dunkles Herz hinein.
Mein dunkles Herze liebt dich,
Es liebt dich und es bricht,
Und bricht und zuckt und verblutet,
Aber du siehst es nicht.
Heine hat in den Herz-Schmerz-Gedichten seines Frühwerks nicht nur das Erlebnis mit seiner Cousine Amalie und die Erfahrung der Ausgrenzung durch die feine Hamburger Gesellschaft verarbeitet. Eine innere Zerrissenheit und das Gefühl des Nichtdazugehörens begleiten den Dichter im Grunde sein ganzes Leben. Gleichzeitig aber folgt bei Heine auf die Schwere immer auch diese zarte Ironie. Ein Augenzwinkern, das den Schmerz irgendwie erträglich macht. Versöhnlich endet dann auch die unglückliche Liebe zur Cousine. Denn Heine schickt der mittlerweile längst verheirateten Amalie ein Exemplar seiner ersten Bücher und schreibt dazu: „Endlich, Cousine, bin ich kein Windbeutel mehr.“
Ab etwa 1830 wendet sich Heine verstärkt politischen und gesellschaftlichen Themen zu. Er wird Mitgründer der literarischen Bewegung „Junges Deutschland”, die ihn mit Schriftstellern und Dramatikern wie Karl Gutzkow, Heinrich Laube und Ludwig Börne zusammenführt. Es ist die literarische Epoche des Vormärz, in der sich junge Dichter – inspiriert von der Juli-Revolution in Frankreich – gegen die rückwärtsgewandte und unterdrückerische Politik im Deutschen Bund wenden. Sie streben eine neue, liberale Gesellschaft an, eine Gesellschaft mit demokratischen Freiheitsrechten und sozialer Gerechtigkeit. Heines Eintreten für diese Werte, aber auch seine jüdische Herkunft tragen ihm zunehmend Anfeindungen ein. Schließlich geht er nach Paris, wo er neben seinem dichterischen Schaffen auch zum Vermittler zwischen der deutschen und der französischen Kultur wird. Er schreibt als Korrespondent für die beiden wichtigsten Zeitungen beider Länder, die Pariser Revue des Deux Mondes und die Augsburger Allgemeine Zeitung. Für sie verfasst er eine Artikelserie, die im Dezember 1832 unter dem Titel „Französische Zustände” bei Hoffmann und Campe in Buchform erscheint und als Meilenstein der deutschen Literatur- und Pressegeschichte gilt. Mit ihm wird Heine zum Vorreiter des Feuilletons (übersetzt: „Blättchen”), des Kulturteils einer Zeitung als einem der fünf klassischen Ressorts neben Politik, Wirtschaft, Lokalem und Sport.
Die Zensurbehörden im Deutschen Bund reagieren wieder einmal mit Verbot. Sie setzen Heines Werke auf den Index, inklusive aller zukünftigen Schriften. 1835 wird auch die Gruppe Junges Deutschland verboten. Paris wird nun endgültig zur Exilheimat Heines und seiner Frau Augustine Crescence Mirat, die er „Mathilde” nennt. Die letzten acht Jahre seines Lebens wird Heine auf dem Krankenlager schreiben, das er ironisch als seine „Matratzengruft“ bezeichnet. In dieser Zeit entstehen Werke wie die Lyriksammlung „Romanzero“, und er wird auch seine eigene Grabinschrift dichten, die bis heute in deutscher Sprache den schlichten Grabstein auf dem Montmartre-Friedhof schmückt.
Zusammenfassung
Im Haus seines reichen Onkels lernte Heine schon früh, was es heißt, ausgegrenzt zu werden. Seine Cousine ließ ihn spüren, dass er nicht standesgemäß war.
Heinrich Heine war Jude, konvertierte aber nach seinem Studium zum Christentum und änderte seinen Namen, weil Juden außerhalb des kaufmännischen Bereichs keine Karrierechancen hatten.
Heinrich Heines Gedichte wurden für ihren leichten und volkstümlichen Stil berühmt, aber auch für ihren ironischen Ton. In seiner Jugend ließ er sich von der Deutschen Romantik inspirieren. Später betrachtete er die Romantik mit Skepsis und Ironie; er parodierte deren übertriebene Gefühlswelt und stimmungsvolle Idylle.
Heinrich Heines „Buch der Lieder“ von 1827 gehört zur erfolgreichsten Lyrik der Weltliteratur. Darin enthalten ist neben den Gedichtzyklen „Lyrisches Intermezzo” und „Die Nordsee” eines der bekanntesten deutschen Gedichte: „Die Loreley“. Heines Eingangsvers zum Gedichtzyklus „Zeitgedichte” (1844) wurde zum geflügelten Wort: „Denk ich an Deutschland in der Nacht, dann bin ich um den Schlaf gebracht”.
Weitere Werke Heines: „Gedichte“ (1821), „Almansor“ (1823), „Reisebilder“ (1826/27/30), „Ideen. Das Buch Le Grand” (1827), „Englische Fragmente” (1828) „Französische Zustände“ (1832), „Zur Geschichte der Religion und Philosophie in Deutschland” (1833/34), „Die Romantische Schule“ (1836), „Neue Gedichte“ / „Die schlesischen Weber” (1844), „Atta Troll. Ein Sommernachtstraum“ (1847), „Romanzero“ und „Der Doktor Faust. Ein Tanzpoem“ (1851) sowie „Vermischte Schriften” (1854).
Teste dein Wissen im Quiz
Richtige Antworten:
1. C) Jura
2. A) Christentum
3. D) Harry
4. D) „Gedichte”
5. B) Vormärz