Jan ... wer?! Heute zählt der Niederländer wieder zu den Stars der Kunstgeschichte, seine Werke sind weltberühmt. Jahrhundertelang aber war der Name Jan Vermeer in Vergessenheit geraten, und seine Gemälde wurden einfach anderen Malern zugeschrieben. Nach dieser Story weißt du, wie es dazu kommen konnte und was die Bilder des Niederländers so besonders macht.
Ein Rembrandt?! Was für ein Unsinn! Dieses Gemälde ist doch eindeutig nicht von Rembrandt! Der ungeheure Detailreichtum, der feine Pinselstrich, die leuchtenden Farben und nicht zuletzt dieses sanfte Licht! Der Kunsthistoriker Etienne-Joseph Théophile Thoré seufzt entzückt. Liebevoll streift sein Blick noch einmal über das Ölgemälde, bevor er einen Schritt zurück tritt und sich an den Leiter der kurfürstlichen Sammlung wendet: „Werter Herr, was wir hier sehen, ist ein Meisterwerk von Jan Vermeer. Ich bin mir sicher.“ Mmmh. Vermeer ... Ist das nun gut oder schlecht? Der Sammlungsleiter hadert. Zweifelnd blickt er zu dem französischen Kunsthistoriker, der seine Aufregung kaum noch zügeln kann. Vermeer … natürlich, der Name geistert schon seit einer Weile durch die Kunstwelt des 19. Jahrhunderts. Aber keiner kann ihn so recht greifen, man weiß nichts über diesen großen Unbekannten der niederländischen Malerei. Wer soll denn das überhaupt gewesen sein?
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Jetzt runterladen!Heute wie damals ist über den holländischen Barockmaler Jan Vermeer nicht viel bekannt. So geheimnisvoll war der Maler, dass der Kunsthistoriker Etienne-Joseph Théophile Thoré ihn sogar als „Sphinx von Delft“ bezeichnete und sich Mitte des 19. Jahrhunderts aufmachte, das Mysterium Vermeer zu entschlüsseln. Vieles von dem, was wir heute wissen, verdanken wir den Nachforschungen des Franzosen.
Thoré, der auch unter dem Pseudonym Willem Bürger bekannt wurde, war Kunsthistoriker, Kritiker und Schriftsteller. Als einer der ersten Kritiker äußerte er sich positiv über die Impressionisten, deren Neuerungen in der Kunst er lobend anerkannte. Die künstlerische Behandlung des Lichts in den impressionistischen Gemälden erinnerte ihn an die niederländische Kunst des 17. Jahrhunderts, für die er ein besonderes Faible hatte. Besonders ein Maler kam ihm da in den Sinn, der in seinen Gemälden die unterschiedlichen Stimmungen des Lichts ebenso gekonnt einzufangen wusste, wie es die zeitgenössischen Künstler nun vermochten. Und so kam es, dass im Zuge der Entwicklung des Impressionismus auch der Barockmaler Jan Vermeer wiederentdeckt wurde.
Jan, oder auch Johannes Vermeer wurde vermutlich 1632 in der niederländischen Stadt Delft geboren. Dokumente überliefern uns jedenfalls den 31. Oktober 1632 als Datum seiner Taufe in der Delfter Nieuwe Kerk. Wir wissen auch, dass sein Vater als Weber arbeitete und auf die Produktion von feinen Seidenstoffen und edlem Samt spezialisiert war. Außerdem besaß er zusammen mit seiner Ehefrau ein Gasthaus, in dem er einen kleinen, aber florierenden Kunsthandel betrieb. Nach dem Tod des Vaters führte Jan das Geschäft als Kunsthändler fort.
Umgeben von zahllosen Kunstwerken entwickelte der junge Vermeer hier wohl bald seine Leidenschaft für die Malerei. Ob und bei wem er eine Malerausbildung erhielt, ist nicht bekannt. Ebenso wenig, ob er jemals ins Ausland reiste, um die Werke anderer Künstler kennenzulernen und sich inspirieren zu lassen. Vermeer hinterließ kaum Spuren. Vielleicht lernte er bei Carel Fabritius, einem Maler, der seinerseits von Rembrandt ausgebildet worden war. Vielleicht war Vermeer auch ein Schüler von. Leonaert Bramer. Vielleicht aber war er auch Autodidakt und brachte sich sein gesamtes Können selbst bei. Inspiration fand er zu Hause ja zur Genüge. Überliefert ist, dass er 1653 Mitglied in der Delfter Malergilde wurde – der Lukasgilde. Mit dem Beitritt galt er als ausgelernter und selbstständiger Maler. Nun durfte er seine Bilder signieren und verkaufen.
Im selben Jahr heiratete er Catharina Bolnes. 15 Kinder hatten die beiden. Vier von ihnen starben jedoch bereits in jungen Jahren. Mit dem Niedergang des Goldenen Zeitalters in den Niederlanden erlosch auch Vermeers Stern. Sein Kunsthandel brach ein, und seine eigenen Gemälde verkauften sich auch nicht mehr. Immer wieder musste er sich große Summen leihen, um seine Familie überhaupt noch ernähren zu können. Schließlich wurde er krank und starb im Alter von nur 43 Jahren. Der Maler hinterließ seiner Familie nicht nur einige seiner Gemälde, sondern auch horrende Schulden. Seine Witwe hatte schließlich keine andere Wahl mehr, als die Bilder Vermeers zu verkaufen – weit unter Wert, teilweise sogar nur für ein paar Laib Brot.
Vermeer bleibt ein Phantom, von dessen Leben nur ein paar wenige gesicherte Fakten überliefert sind. Geblieben sind jedoch seine Gemälde, die von einem großen künstlerischen Talent erzählen, ebenso wie von der Detailverliebtheit ihres Erschaffers. Vermeer malte sehr langsam, widmete sich jedem Werk mit größter Sorgfalt. Er trug mehrere Farbschichten übereinander auf und erzielte so die speziellen Lichteffekte, die seine Gemälde wie von innen heraus zum Strahlen bringen. Seine Gemälde sind technisch wahrhaft brillant und machten ihn zu einem der größten Maler aller Zeiten. Neben Rembrandt van Rijn und Frans Hals gilt Jan Vermeer als einer der Großen Drei des Niederländischen Barock.
Pro Jahr entstanden aufgrund seiner gemächlichen Malweise aber vielleicht gerade einmal zwei Gemälde. Nur 45 Bilder soll er zu Lebzeiten gemalt haben, wovon heute noch 37 bekannt sind – und selbst unter diesen gibt es noch einzelne, für die es als unsicher gilt, ob sie wirklich von Vermeer stammen, wie es beispielsweise bei dem Ölgemälde Die heilige Praxedis der Fall ist. Signiert sind die wenigsten seiner Gemälde. Deshalb wurden einige seiner Werke zunächst auch ganz anderen Künstlern zugeschrieben. Sonderlich bekannt war Vermeer zu Lebzeiten nicht. Seine Bekanntheit hatte sich auf seine Heimatstadt Delft beschränkt. Dort hatte sich ein kleiner Kennerkreis gebildet, der die Werke Vermeers zu schätzen wusste. Vermeer malte wahrscheinlich hauptsächlich für gut zahlende Auftraggeber, seine Werke wurden nicht gehandelt oder öffentlich ausgestellt. Somit blieben sie einem breiteren Publikum verborgen. Vermeers Gemälde wurden zum Schatz einzelner Liebhaber, blieben lange Zeit in den privaten Sammlungen wie verschollen. So kam es schließlich auch, dass Vermeer schon kurz nach seinem Tod in Vergessenheit geraten konnte.
Erst in den folgenden Jahrhunderten tauchten ab und an Werke Vermeers auf dem Kunstmarkt auf. Ihrer außerordentlichen Qualität war man sich stets bewusst. Von wem sie stammten, blieb aber oft ein Rätsel.
So klein auch Vermeers Gesamtwerk ist, so vielfältig ist doch sein Oeuvre. Bekannt sind vor allem seine Darstellungen von jungen Frauen in Innenräumen. Neben der Genremalerei schuf aber auch Historienbilder und Stadtansichten, die detailgetreu ein Bild seiner Zeit vermitteln. Besondere Aufmerksamkeit hat sicherlich sein Gemälde Das Mädchen mit dem Perlenohrring erhalten. Die geheimnisvolle Schöne ist nicht nur Gegenstand zahlreicher kunsthistorischer Untersuchungen und Highlight von Vermeer-Ausstellungen, sondern war auch schon Hauptperson in Romanen und Hollywood-Filmen.
Zu Vermeers bekannten Gemälden zählen:
Christus bei Maria und Martha (1654/55, National Gallery of Scotland, Edinburgh)
Bei der Kupplerin (1656, Gemäldegalerie Alte Meister, Dresden)
Brieflesendes Mädchen am offenen Fenster (1657-59, Gemäldegalerie Alte Meister, Dresden)
Dienstmagd mit Milchkrug (1658-60, Rijksmuseum, Amsterdam)
Ansicht von Delft (1660/61, Mauritshuis, Den Haag)
Briefleserin in Blau (1662-64, Rijksmuseum, Amsterdam)
Frau mit Waage, auch Die Perlenwägerin genannt (1662-64, National Gallery of Art, Washington, D.C.)
Junge Dame mit Perlenhalsband (1662-65, Gemäldegalerie, Berlin)
Die Malkunst (1664-68 oder 1673, Kunsthistorisches Museum, Wien)
Junge Frau mit Wasserkanne am Fenster stehend (1664/65, Metropolitan Museum of Art, New York)
Das Mädchen mit dem Perlenohrgehänge (1665, Mauritshuis, Den Haag)
Der Astronom (1668, Louvre, Paris bzw. Abu Dhabi)
Der Geograph (1669, Städel Museum, Frankfurt)
Die Spitzenklöpplerin (1669/70, Louvre, Paris)
Der Liebesbrief (1669/70, Rijksmuseum, Amsterdam)
Zusammenfassung
Der Künstler Jan Vermeer van Delft geriet nach seinem Tod in Vergessenheit und wurde erst im 19. Jahrhundert wiederentdeckt.
Vermeer hat kaum Spuren hinterlassen, er lebt aber durch seine wunderbaren Gemälde weiter.
Seine Gemälde wurden lange Zeit anderen Künstlern zugeschrieben – eben weil man von ihm nichts mehr wusste.
Vermeer malte nur langsam und konnte in seinem kurzen Leben daher auch nicht viele Kunstwerke erschaffen.
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Richtige Antworten:
1. C) Goldenes Zeitalter
2. A) Rembrandt van Rijn und Frans Hals
3. B) Delft
4. D) Rembrandt
5. C) Spezielle Lichteffekte