Jahrhunderte lang glaubten die Römer an viele verschiedene Götter. Mit Kaiser Konstantin I. aber änderte sich das. Er war der erste christliche Kaiser des Römischen Reichs. Wer weiß, ob das Christentum ohne ihn jemals eine Weltreligion geworden wäre. Denn unter seinem Vorgänger Diokletian wurden die Christen noch mit äußerster Brutalität verfolgt.
Seit Stunden schon zieht sich die Opferzeremonie am Kaiserhof hin. Kaiser Diokletian hat sämtliche Hofbedienstete zum Altar des Jupiter befohlen, vom ranghöchsten Berater bis zur Stallmagd. Jeder Untertan soll ihnen huldigen: Jupiter, dem König der Götter, und ihm, Diokletian, dem gottgleichen Kaiser. Wer sich weigert, ist dem Tod geweiht. Denn wer sich weigert, kann nur zu den Christen gehören – zu dieser lästigen Sekte, die alle römischen Götter ablehnt und keinen Herrscher anerkennt außer ihrem einzigen christlichen Gott. Damit soll jetzt endgültig Schluss sein. Er, Diokletian, wird endgültig mit ihnen abrechnen!
Hinter dem Kaiser steht der junge Offizier Flavius Valerius Constantinus. Er kennt den Befehl, der schon bald im ganzen Reich Angst und Schrecken verbreiten wird. Alle Kirchen der Christen sollen zerstört, alle christlichen Schriften verbrannt, der christliche Glaube von der Erde getilgt werden. Und jeder Anhänger des Christengottes muss Jupiter huldigen – oder sterben.
Nachdenklich beobachtet der junge Offizier, wie Diokletians Gerichtsbeamte immer wieder Männer und Frauen, Greise und Kinder aus den Reihen zerren und abführen. Insgeheim nötigen ihm diese Christen Respekt ab: Wie stolz und unbeugsam sie in Gefangenschaft gehen – bereit, ihr Leben für ihren Messias zu geben. Ist dieser Christengott womöglich doch mächtiger als alle römischen Götter zusammen?
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Jetzt runterladen!Als Diokletian im Jahr 284 römischer Kaiser wurde, hatte das Imperium Romanum seine besten Tage bereits hinter sich: Dekadenz, Misswirtschaft, Korruption und jahrzehntelange Machtkämpfe hatten das Weltreich in einen Papiertiger verwandelt, der kaum noch in der Lage war, seine Grenzen vor den Feinden zu schützen. Die Macht im Reich übte das Heer aus, und es stellte auch die Kaiser – die sogenannten „Soldatenkaiser“. Doch was versteht ein Soldat vom Regieren? Diokletian aber hatte eine Idee. Er teilte das riesige Imperium in zwei Verwaltungseinheiten: in das Weströmische Reich und das Oströmische Reich. Die Oberhoheit im Ostteil übernahm er selbst, und zum Herrscher des Westteils machte er seinen Verbündeten Maximian – einen erfahrenen und erfolgreichen Offizier des Heers. Ihm und sich selbst unterstellte Diokletian zudem jeweils einen Unterkaiser. Sie sollten später die Seniorkaiser ablösen und selbst wieder jüngere Mitkaiser ernennen.
Damit war die unheilvolle Zeit der Soldatenkaiser beendet – und das Vier-Kaiser-System – die Tetrarchie – erfunden. Sie sollte ungefähr zwei Jahrzehnte lang auch ganz gut funktionieren. Jede Hälfte des Reichs wurde also von je einem Seniorkaiser, Augustus genannt, und einem Juniorkaiser, Caesar genannt, regiert. Die geteilte Macht erleichterte die Verwaltung und Verteidigung des Reichs erheblich, die einzelnen Teilgebiete ließen sich viel besser gegen Angriffe von außen sichern, und die Juniorkaiser konnten sich von den Alten jede Menge praktisches Regierungswissen abschauen.
Konstantins Vater Constantius Chlorus war zunächst einer dieser Caesaren, wurde später zum Augustus befördert und regierte die Provinz Britannien. Sein Sohn sollte währenddessen an Diokletians Hof in Nikomedia, dem heutigen Izmit in der Türkei, zum Offizier und Heerführer ausgebildet werden.
Konstantin war in Naissus im heutigen Serbien geboren worden und kam im Alter von etwa 13 Jahren an Diokletians Hof. Dort wurde er Zeuge der letzten großen Christenverfolgung, die im Februar des Jahres 303 begann und zahllose Opfer fordern sollte. Im Jahr 305, nachdem sich Diokletian ins Privatleben zurückgezogen hatte, ritt Konstantin 1700 Kilometer quer durchs Reich zu seinem Vater ins heutige England. Noch galt die Aufteilung der Macht zwischen Augusten und Caesaren, doch die Tage der Tetrarchie waren gezählt. Wieder einmal war es die Machtgier einzelner Männer, die dazu führte, dass die von Kaiser Diokletian so vorausschauend geregelte Thronfolge durchbrochen wurde. Bald bekriegten sich fünf Kaiser rund ums Mittelmeer von Hispanien bis Thrakien, von Afrika bis Britannien um die Alleinherrschaft, wenig später waren es schon sechs. Und einer von ihnen war der junge Konstantin, den die Soldaten seines Vaters nach dessen Tod regelwidrig zum Kaiser über Gallien und Britannien proklamiert hatten.
Sein Herrschersitz wurde Augusta Treverorum, das heutige Trier. Hier rüstete er zum Feldzug gegen Rom, um Maxentius – seinen Konkurrenten im Weströmischen Reich – zu beseitigen.
Zur Entscheidungsschlacht zwischen Konstantin und Maxentius kam es Ende Oktober 312 an der Milvischen Brücke vor der Stadt Rom. Kurz zuvor geschah jedoch etwas, das den Lauf der Weltgeschichte maßgeblich beeinflussen sollte. Der Überlieferung nach hatte Konstantin nämlich eine Vision. Kein Geringerer als Jesus Christus soll ihm in der Nacht vor der Schlacht erschienen sein. Mehr noch: Konstantin sei der Sieg prophezeit worden: ein Sieg im Zeichen des christlichen Kreuzes also. Sofort wies Konstantin seine Soldaten an, sämtliche Schilde und Feldzeichen mit dem Monogramm des Namens „Christus“ zu beschriften. Und siehe da: Konstantin gewann die Schlacht und damit die Oberhand über den gesamten Westen.
War Konstantins Sieg an der Milvischen Brücke der Anstoß zu seiner Bekehrung zum Christentum? Darüber sind die Historiker*innen uneins. Einige vermuten, dass er aus reinem Kalkül das Symbol dieser unbeugsamen Gläubigen nutzte, zumal er sich selbst ja erst auf dem Totenbett taufen ließ. Andere halten es für möglich, dass er in Jesus Christus den römischen Sonnengott Sol verkörpert sah, denn ihn ließ er unter anderem auf die Münzen seines Reichs prägen. Dennoch gelten die folgenden Ereignisse, die auch als konstantinische Wende bezeichnet werden, bis heute als ein Meilenstein in der Geschichte des Christentums.
Gemeinsam mit Kaiser Licinius, der sich gegen seinen Rivalen Maximinus Daia als Kaiser im Osten des Reiches durchgesetzt hatte, unterzeichnete Konstantin nämlich im Jahr 313 die sogenannte Mailänder Vereinbarung, die oft auch als „Toleranzedikt” bezeichnet wird. Darin wurde allen Menschen Glaubensfreiheit und die freie Ausübung ihrer Kulte zugesichert. Auch die Christen blieben also fortan unbehelligt. Sie bekamen ihre Kirchen zurück, wurden Lehrer, Beamte und sogar Politiker, womit ihr Einfluss auf das Staatswesen stetig wuchs.
Aber bald kam es zu Spannungen zwischen den beiden römischen Kaisern. Und Konstantin wollte die Macht im Reich nicht mehr mit Licinus teilen.
Nach zehn wechselhaften Jahren mit Streit und Frieden kam es zwischen den beiden römischen Kaisern zum Krieg ums Ganze. In drei großen Schlachten besiegten Konstantin und sein ältester Sohn Crispus im Jahr 324 auch den letzten Konkurrenten Licinius. Seine Alleinherrschaft krönte Konstantin, indem er seinem Weltreich eine neue Hauptstadt schenkte. Die alte griechische Kolonie Byzanz, strategisch günstig am Bosporus gelegen, schien dem Kaiser ideal geeignet, die neue Hauptstadt des Römischen Reichs zu werden. Konstantin ließ sie prachtvoll ausbauen und verlieh ihr feierlich seinen Namen: Konstantinopel, das heutige Istanbul, wurde eine der größten Metropolen des Reichs.
Und der Kaiser selbst war fortan auch oberster Richter in Kirche und Staat. Konstantin der Große erließ zahlreiche Gesetze, reformierte die Zivilverwaltung und führte eine stabile Währung ein. Und er berief das erste ökumenische Diskussionsforum der Geschichte ein, in dem Gelehrte verschiedener Religionen ihre Thesen diskutierten: das Konzil von Nicäa. Mehr als 200 Geistliche folgten der kaiserlichen Einladung zu diesem christlichen Diskussionsforum. Und so, wie seine Vorgänger Tempel gestiftet hatten, ließ Konstantin nun zahlreiche christliche Gotteshäuser errichten, etwa den Dom in Trier und die Lateranbasilika in Rom.
Das wertvollste Geschenk hat dem Christentum aber vermutlich Konstantins Mutter Helena gemacht, die heute als Heilige verehrt wird. Im Alter von fast 80 Jahren reiste sie nach Palästina, um einer alten Legende über das Grab Christi in Jerusalem nachzugehen: Unter der Terrasse eines Venus-Tempels aus dem zweiten Jahrhundert sollte es zu finden sein. Helena veranlasste Grabungen, bei denen laut Überlieferung unter anderem die Reste des Kreuzes Christi gefunden wurden. Helena und Konstantin ließen über der Stätte eine Basilika bauen – die Grabeskirche. Auch die Geburtskirche Jesu in Bethlehem und viele weitere Kirchenbauten gehen auf Helena zurück.
Konstantin selbst handelte allerdings höchst unchristlich gegen seine Nächsten: Im Jahr 226 ließ er seinen Sohn Crispus und seine Ehefrau Fausta heimtückisch töten. Weitere Familienmitglieder und hochrangige Freunde starben in einer langen Mordserie, vermutlich weil Konstantin eine Verschwörung befürchtete.
Konstantin I. war von 306 bis 337 römischer Kaiser und regierte ab 324 als Alleinherrscher. Eine wesentliche Schwachstelle des Imperiums konnte aber auch er nicht beseitigen: die unüberschaubar langen Außengrenzen. Sie waren kaum mehr zu überwachen und forderten Bedrohungen von außen geradezu heraus. Im Osten war es das Neupersische Reich der Sassaniden, mit dem Rom zwischen dem 3. und 7. Jahrhundert mehrere Kriege führen musste. Im Westteil schwächten die andauernden Konflikte mit den germanischen Völkern die römische Abwehr. In den weiten Steppen Asiens sammelten machthungrige Reiterfürsten ihre Heerscharen. Und auf dem Mittelmeer nahm ein Vandalenkönig namens Geiserich mit einem gewaltigen Heer Kurs auf die Küste Nordafrikas, der reichsten Kornkammer des Weströmischen Reichs.
Zusammenfassung
Im späten dritten Jahrhundert führte Kaiser Diokletian im Römischen Reich das Vier-Kaiser-System ein: die Tetrarchie. Je ein Seniorkaiser mit einem von diesem benannten Juniorkaiser sollte über den West- bzw. den Ostteil des Reiches herrschen. Und sobald ein Juniorkaiser zum Seniorkaiser aufrückte, sollte er seinerseits einen neuen Juniorkaiser benennen.
Die Tetrarchie, die das Soldatenkaisertum abgelöst hatte, hielt jedoch nur wenige Jahrzehnte. Immer öfter kam es zu kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen den rivalisierenden Kaisern. Im Jahr 324 ging Kaiser Konstantin I. als neuer Alleinherrscher aus diesen Kriegen hervor.
Unter Konstantin I_._, genannt Konstantin der Große, begann die großflächige Ausbreitung des Christentums im Römischen Reich, die sogenannte konstantinische Wende. Warum sich Konstantin dem Christentum zuwandte, ist allerdings unklar.
Konstantin erwählte Byzanz, das heutige Istanbul, als seinen Regierungssitz und nannte die neue Kaiserstadt Konstantinopel.
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Richtige Antworten:
1. A) Vier-Kaiser-System
2. D) Ein römischer Kaiser
3. C) Am Hof von Kaiser Diokletian
4. A) Maxentius
5. C) Verbreitung des Christentums im Römischen Reich
6. B) Die Grabeskirche in Jerusalem