Die Idee der Planwirtschaft entstand zu einer Zeit, in der die Arbeiterklasse in unmenschlichen Verhältnissen lebte. Sie sollte die Probleme des ungezügelten Kapitalismus lösen. Ob ihr das tatsächlich gelang und wie sie funktioniert, hörst du in dieser Story.
Es war wieder einmal ein harter Arbeitstag in der Baumwollspinnerei, aber heute kommt Erich mit guten Nachrichten nach Hause: In der Fabrik ist ein Platz für seinen Sohn Siegfried frei geworden; gleich morgen kann er anfangen. Siegfried ist elf Jahre alt und somit groß genug, um die Maschine zu bedienen, die aus den Baumwollwölkchen Fäden spinnt. Einerseits ist der kleine Siggi stolz darauf, nun wie ein Erwachsener für die Familie zu sorgen, aber er hat auch etwas Angst vor der harten Arbeit. Seit dem neuen preußischen Gesetz von 1839 darf diese höchstens 60 Stunden pro Woche betragen. Siggis Familie lebt zu sechst in einem einzigen Zimmer. Hier wird geschlafen, gegessen und im Winter gefroren. Ein weiteres Einkommen, auch wenn es nur ein Kinderlohn ist, würde da sehr helfen. Und so trottet Siggi am nächsten Morgen neben seinem Vater zur nahegelegenen Fabrik. Bevor sie eintreten, ermahnt ihn der Vater, hart zu arbeiten und immer mit dem Tempo der Maschine mitzuhalten. Die Luft in der Fabrik ist stickig – und dann diese Hitze! Schnell beginnt Siggi zu schwitzen, seine Arme werden schwer und schwerer. „Wie lange noch!?“, denkt er, beißt aber die Zähne zusammen. Auf keinen Fall soll die Maschine angehalten werden, weil er zu langsam gearbeitet hat!
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Jetzt runterladen!Siggis Schicksal teilten Mitte des 19. Jahrhunderts Millionen Fabrikarbeiter weltweit. Die Kritik am Kapitalismus wurde immer lauter, während die Besitzer der Fabriken immer reicher wurden und die einfachen Arbeiter auf der Strecke blieben. Ließe sich die Wirtschaft denn nicht gerechter gestalten? Ein Mann hatte da eine Idee. Er hieß Karl Marx und war der wichtigste Vertreter des sogenannten Kommunismus. In dem Wort „Kommunismus“ steckt das lateinische Wort „communis“, was „gemeinsam“ bedeutet. Marx war der Ansicht, dass allen Menschen gemeinsam das gehören sollte, was für den Lebensunterhalt notwendig war. Er forderte, die Produktionsmittel zu verstaatlichen, also alle bei der Produktion von Gütern erforderlichen Gegenstände wie Maschinen, Werkzeuge und Fabrikgebäude. Und Marx’ Idee ging viral, wie wir heute sagen würden.
Im Manifest der Kommunistischen Partei, das er 1848 zusammen mit seinem Gesinnungsgenossen Friedrich Engels veröffentlichte, wurde diese Idee beschrieben, und sie fand sogar internationalen Anklang. In diesem Manifest, später auch in Marx’ Buch „Das Kapital“, sind die gesellschaftlichen Verhältnisse der Zeit genau beschrieben. Und Marx entwickelte einige Analysen, die auch heute noch, oder besonders heute, genau zutreffen.
Das Problem der freien Marktwirtschaft beschrieb er folgendermaßen: Kapitalisten, die er auch die Bourgeoisie nennt, besitzen Fabriken, Maschinen, Land und eben das gesamte Kapital, das zur Produktion von Waren benötigt wird. Der Arbeiter hingegen hat lediglich seine Arbeitskraft anzubieten, die er dem Kapitalisten verkauft. Da es sehr viele Arbeiter gibt, die einfache Fabrikarbeit machen können, hat ein einfacher Arbeiter eine äußerst schlechte Verhandlungsposition. Verlangt ein Arbeiter mehr Gehalt, kann der Kapitalist mühelos einen anderen finden, der den Job für noch weniger Geld macht. Und: Da ein Unternehmen wegen des Wettbewerbs an freien Märkten immer unter Preisdruck steht, versucht es, seine Kosten zu senken, indem es seinen Arbeitern so wenig wie möglich zahlt.
Für dieses Problem gab es aus Sicht von Karl Marx nur eine Lösung: die Verstaatlichung der Produktionsmittel. Wenn Fabriken, Land und Maschinen nicht mehr einzelnen Personen gehörten, sondern den Arbeitern selbst, dann würden die Arbeitsbedingungen besser und die Löhne fairer sein. Marx und Engels formulierten genau das in ihrem kommunistischen Manifest und riefen zur Revolution der Arbeiterklasse auf.
Ihre Ideen wurden allerdings erst im 20. Jahrhundert in die Tat umgesetzt. In dieser Zeit kam es nämlich zu kommunistischen Revolutionen. Allerdings nur in landwirtschaftlich geprägten Staaten wie Russland und China. In Ländern also, an die Marx überhaupt nicht gedacht hatte, weil sie das Industriezeitalter noch gar nicht durchlaufen hatten.
Das Wirtschaftssystem von Marx und Engels ist das komplette Gegenteil einer freien Marktwirtschaft: Die „unsichtbare Hand” wird durch die „sichtbare Hand” des Staates ersetzt. Er übernimmt alle Funktionen der Wirtschaft, alle wesentlichen Produktionsmittel sind Staatseigentum und werden von einer zentralen Planungsbehörde verwaltet.
Die Nachfrage, also der Bedarf an Gütern in einer Volkswirtschaft, ermittelt eine Kommission, woraufhin ein Plan für die Produktion dieser Güter erstellt wird. Dieser Plan schreibt den Produzenten vor, was und wie viel sie herstellen sollen. Auch der Preis für die verschiedenen Güter wird in diesem System nicht mehr durch Angebot und Nachfrage bestimmt, sondern ebenfalls vom Staat festgelegt. Kurzum: Das gesamte Wirtschaftssystem ist dem Staat untergeordnet.
Einer, der die marxistischen Lehren begierig aufsog und beschloss, sie in die Praxis umzusetzen, war der russische Kommunistenführer Wladimir Iljitsch Lenin. Ein halbes Jahrhundert nach Marx strickte er dessen Ideen in das Programm für eine neue sozialistische Gesellschaft hinein, die aus der Russischen Revolution 1917 hervorgehen sollte. Eine sogenannte Diktatur des Proletariats: die Herrschaft der arbeitenden Bevölkerung also, mit einer zentralen Planwirtschaft. Mit der Gründung der Sowjetunion (auch: UdSSR) am 30. Dezember 1922 ging sein Traum in Erfüllung.
Nach dem Zweiten Weltkrieg übertrug die Sowjetunion diese Zentralverwaltungswirtschaft unverzüglich auch auf die Länder ihres Einflussbereichs in Europa, den sogenannten Ostblock. Dazu gehörte die Sowjetische Besatzungszone, die 1949 zur DDR wurde. Und während die junge Bundesrepublik Deutschland den Weg in die soziale Marktwirtschaft einschlug, führten die Sowjets und die Sozialistische Deutsche Einheitspartei (SED) in der DDR die sozialistische Planwirtschaft ein. Sie entsprach exakt dem sowjetischen Vorbild: Grundbesitz und Unternehmertum wurden enteignet, alle Produktionsmittel waren fortan staatliches Eigentum, die Produktivkräfte wurden ab 1951 mittels Fünfjahresplänen gesteuert.
Ob DDR, Kuba oder Nordkorea: Die Geschichte zeigt, dass die sozialistische Planwirtschaft in keinem Land funktioniert hat. In der Theorie hat diese Wirtschaftsform zwar einige Vorteile, etwa eine gewisse Versorgungssicherheit mit preiswerten Gütern des Grundbedarfs, kostenlose Gesundheitspflege und fast kostenlose Kinderbetreuung. Doch der ganze Wirtschaftsprozess läuft zäh und ist von Bürokratie und Ineffizienz geprägt. Er bietet kaum Anreize für Innovation und gute Leistung. Außerdem kommt es in der Praxis oft vor, dass von bestimmten Erzeugnissen plötzlich zu wenig da ist, denn ein kleiner Fehler in der Planung kann große Auswirkungen haben. Teilt die Behörde einer Fabrik zu wenig Material zu, stockt die Produktion. Fehlen Ersatzteile für Landmaschinen, können diese nicht repariert werden. Ein Engpass zieht den nächsten nach sich, bis überall nur noch der Mangel regiert. All das sorgt dafür, dass die Wirtschaft früher oder später zusammenbricht.
Und welchen Grund hätten die Betriebe in solch einer Planwirtschaft, guten Service zu leisten oder neue Ideen zu entwickeln? Einkauf, Produktionsmengen und Preise werden ihnen vorgeschrieben, Konkurrenz und Wettbewerb gibt es nicht. Unternehmer wie Steve Jobs, Mark Zuckerberg oder Elon Musk könnte es in einer Planwirtschaft nicht geben, denn sie dürften keine eigene Firma gründen, die ihre Vision umsetzt.
Was also bleibt dem Staat zu tun, wenn er einerseits die Vorteile der Marktwirtschaft behalten und andererseits Gerechtigkeit und Wohlstand auch für die Arbeitenden garantieren will? Gibt es ein Wirtschaftsmodell, das dies erlaubt? Ein Ökonom namens John Maynard Keynes hat sich nach dem US-Börsencrash von 1929 und der darauf folgenden Weltwirtschaftskrise dieser Frage gewidmet – und die theoretische Grundlage für eine neue Wirtschaftspolitik geschaffen.
Zusammenfassung
Die Idee der Planwirtschaft entstand zu einer Zeit, in der die Arbeiterklasse in menschenunwürdigen Verhältnissen lebte. Sie sollte die Probleme des ungezügelten Kapitalismus lösen.
Das Konzept der Planwirtschaft geht vor allem auf Karl Marx und Friedrich Engels zurück. Sie forderten in ihrem Kommunistischen Manifest die Verstaatlichung aller Produktionsmittel.
Das Wirtschaftssystem von Marx und Engels ist das komplette Gegenteil der freien Marktwirtschaft: Die Wirtschaftsplanung wird zentral gesteuert; die „unsichtbare Hand” wird durch die „sichtbare Hand” des Staates ersetzt.
Die Planwirtschaft bildet den Gegenpol zur freien Marktwirtschaft und hat genauso wie diese gravierende Nachteile.
Im sozialistischen Ostblock geriet die Planwirtschaft zur Mangelwirtschaft. Heute gibt es sie noch in kommunistischen Diktaturen wie Nordkorea.
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Richtige Antworten:
1. D) Der Staat
2. B) Wettbewerb
3. A) Sozialismus bzw. Kommunismus
4. D) Die Verstaatlichung der Produktionsmittel
5. A) In der Revolution