Was ist im Leben wirklich von Bedeutung? Diese Frage kann man sich eigentlich nicht oft genug stellen, auch schon in jungen Jahren. Die Antwort allerdings, die ein Schüler darauf in dem Jugendroman der dänischen Autorin Janne Teller gibt, hat es in sich. In dieser Story erfährst du, wie sich eine ganze Schulklasse auf die Suche nach dem Sinn des Lebens begibt – und wie furchtbar die Sache aus dem Ruder läuft.
Pierre Anthon geht ihnen allen unglaublich auf die Nerven! Da sind sich die Schüler der Klasse 7a ausnahmsweise einig. Es ist erst eine Woche her, dass die Schule nach den Sommerferien wieder begonnen hat. Doch schon der erste Schultag hielt eine Überraschung für die Klasse bereit. Kurz nach Unterrichtsbeginn stand plötzlich ihr Mitschüler Pierre Anthon auf und erklärte mit lauter Stimme: „Nichts bedeutet Irgendetwas. Das weiß ich schon lange. Deshalb lohnt es sich nicht, irgendetwas zu tun. Das habe ich gerade herausgefunden.“ Und mit diesen Worten packte er seelenruhig seine Tasche und marschierte aus dem Klassenraum. Die Tür ließ er dabei einen Spalt weit geöffnet, so dass sie den Mitschülern wie ein fürchterlich breit grinsendes Maul vorkam.
Seitdem sitzt Pierre Anthon im Pflaumenbaum vor der Schule. Und wann immer die anderen Schüler vorbeigehen, macht er sich über sie lustig. Er lästert über die Sinnlosigkeit ihres Tuns und ihre Einfalt, weil sie immer noch zum Unterricht gehen. Und der Gipfel des Ganzen ist, dass er sie dabei auch noch mit unreifen Pflaumen bewirft. Was bildet sich dieser Kerl ein? Als Sofie neulich wütend einen Stock nach ihm warf, lachte er sogar noch mehr! Es gebe nichts, worüber es sich lohne, sich zu freuen oder zu ärgern – nichts bedeute etwas, rief er und fügte noch hinzu: „In wenigen Jahren seid ihr alle tot und vergessen und nichts, also könnt ihr genauso gut damit anfangen, euch darin zu üben!“
Da wird den anderen Schülern klar, dass sie Pierre Anthon von seinem Pflaumenbaum herunterholen müssen.
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Jetzt runterladen!In dem Jugendbuch „Nichts“ der dänischen Autorin Janne Teller geht es um nichts weniger als die großen Lebensfragen: Was ist im Leben eigentlich von Bedeutung? Wofür mühen wir uns ab?
Diese Fragen lässt die Autorin in ihrem Roman von einem Siebtklässler mit einem saloppen „Nichts“ beantworten. Nach seiner Meinung gibt es absolut nichts, was irgendeinen Wert hat oder die Zeit überdauert. Deshalb sei alles Handeln sinnlos. Durch diese drastischen und provokanten Aussagen des Jungen fühlen sich seine Mitschüler herausgefordert: Können sie ihm das Gegenteil beweisen?
Das nehmen sich die Schülerinnen und Schüler der siebten Klasse nämlich vor. Sie alle kommen aus behüteten Verhältnissen, sie alle haben Zukunftspläne und Erwartungen an das Leben. Und plötzlich soll all das wertlos sein? Die pessimistische Botschaft des Klassenkameraden dort oben im Pflaumenbaum stellt ihre Welt ganz grundsätzlich in Frage. Um ihm das Gegenteil zu beweisen, starten sie ein Experiment: In einem stillgelegten Sägewerk tragen sie persönliche Dinge zusammen, um einen „Berg der Bedeutung“ zu errichten. Dieser soll Pierre Anthon davon überzeugen, dass es in ihrem Leben sehr wohl Sinn und Bedeutung gibt.
Jeder ist aufgerufen, für diesen „Berg der Bedeutung“ ein Opfer zu bringen. Doch das Projekt läuft auf grausame Weise aus dem Ruder.
Bei ihrem Experiment darf jeder, der selbst etwas geopfert hat, die Opfergabe des Nächsten bestimmen. Mal ist es ein Fahrrad, mal sind es Boxhandschuhe. Der Berg der Bedeutung wächst immer weiter. Aber bald fordern die Schüler Opfer von emotionalem Wert – und werden dabei immer skrupelloser. Sie glauben, dass nur ein Opfer, das besonders schmerzt, auch besonders bedeutend ist. Und je schmerzhafter das eigene Opfer war, desto mehr soll der oder die Nächste in der Reihe leiden. Ein gläubiger Muslim muss seinen Gebetsteppich hergeben, ein Mädchen seine Zöpfe, ein anderes muss ihren Hamster töten. Auch eine herrenlose Hündin, die sich einem der Mädchen angeschlossen hat, wird zum Opfer der Fanatiker. Jedes Mitgefühl ist ihnen abhanden gekommen.
Schließlich zwingt die Gruppe die Schülerin Sofie, ihre Jungfräulichkeit zu opfern. Einer der Vergewaltiger ist nach ihr an der Reihe – das Gitarren-Talent Jan-Johan. Sofie fordert seinen rechten Zeigefinger, den sie ihm persönlich abhackt. Der Junge informiert – endlich – die Erwachsenen.
Als die Öffentlichkeit Wind von der Sache bekommt und ein New Yorker Museum die zusammengetragenen Dinge zum Kunstwerk erhebt und einen Millionenbetrag dafür bietet, glauben die Schüler, am Ziel zu sein. Sie verkaufen ihren „Berg der Bedeutung“ für 3,6 Millionen Dollar. Doch als sie Pierre Anthon davon erzählen, hat der nur noch mehr Hohn für sie übrig: Wenn dieser Berg überhaupt jemals eine Bedeutung hatte, dann habe er sie durch den Verkauf verloren, lautet sein gnadenloses Urteil.
Dass ihre Opfer umsonst gewesen sein sollen, das wollen die traumatisierten Schüler aber nicht akzeptieren. Die Situation eskaliert immer mehr, während Pierre Anthon weiter auf der Bedeutungslosigkeit aller Dinge beharrt. Am Ende muss er seine doch eigentlich harmlose Provokationen mit seinem Leben bezahlen. In der folgenden Nacht vernichtet ein Großbrand das Sägewerk mit dem Berg der Bedeutung darin. Am Morgen wird Pierre Anthons verkohlter Leichnam neben der Asche der Opferstätte gefunden.
Mit Bedeutung spaßt man nicht – dieses nüchterne Fazit zieht die Erzählerin Agnes, als sie die Asche betrachtet.
Als das Jugendbuch „Intet“ (auf deutsch: „Nichts“) von Janne Teller im Jahr 2000 in Dänemark erschien, löste es sofort kontroverse Debatten aus. Als Schullektüre wurde es zunächst sogar verboten. Viel zu radikal und verstörend sei es für junge Menschen, so die Begründung der zuständigen Behörden. Ein Jahr später wiederum ehrte das dänische Kulturministerium das Werk mit dem Jugendbuchpreis und stellte sich damit hinter die Autorin.
In Deutschland wurde das Buch erst 2010 mit dem ergänzenden Untertitel „Was im Leben wichtig ist“ veröffentlicht. Zehn Jahre nach dem Erscheinungsdatum der Erstausgabe also. Hatten die Verlage vielleicht Bedenken, ein so heißes Eisen anzufassen? Weil es jungen Lesern vielleicht zu viel zumute, sie zu radikaler Skepsis verführe? Oder gar zum Nihilismus, jener Lebenseinstellung, die sämtliche bestehenden und erstrebenswerten Dinge, Ideale, Normen und Werte ablehnt und verneint?
„Nichts“ ist ein aufrüttelndes Buch, das wichtige, grundsätzliche Fragen stellt. Janne Teller lässt ausgerechnet einen 13-jährigen Jungen zu einem Nihilisten werden. Das macht „Nichts“ zu einem Roman über eine große Sinnkrise, die sich auf die Gemeinschaft einer ganzen Schulklasse erstreckt. Sie muss sich selbst der Sinnsuche stellen. Dabei aber erliegen die Mädchen und Jungen einem fatalen Gruppendruck und verlieren jedes moralische Maß. Bis heute werfen einige Kritiker Janne Teller deshalb vor, dass sie junge Menschen ihrer positiven Lebenseinstellung beraube.
Teller begegnet solchen Vorwürfen stets souverän. In einem Interview mit dem Zeit-Magazin sagte sie: „Junge Leute stellen sich alle fundamentalen Fragen ganz von allein. Es sind die Erwachsenen, die sich unwohl fühlen, wenn an der Lackierung all dessen gekratzt wird, was wir aus reinem Konformismus täglich mitmachen.“
Zusammenfassung
Was ist im Leben überhaupt wichtig? Was ist von Bedeutung? Diese existenziellen Fragen stehen im Zentrum des Jugendbuchs „Nichts“ (Originaltitel: „Intet“) der dänischen Autorin Janne Teller.
Eine siebte Klasse in der fiktiven dänischen Stadt Taering wird mit der lebensverneinenden Haltung eines Mitschülers konfrontiert. Mit einem schlichten „Nichts“ gibt die Hauptfigur eine sehr einfache, aber auch provokante Antwort auf die Frage, was im Leben eigentlich von Bedeutung sei. Davon fühlen sich die Mitschüler derart herausgefordert, dass sie bei dem Versuch, das Gegenteil zu beweisen, in einen fatalen Strudel der Gewalt geraten.
Auch oder gerade junge Menschen stellen sich die wichtigen Fragen des Lebens. Insofern ist Janne Teller eine Autorin, die sich auf eine sehr lebensnahe Weise mit dem Prozess des Erwachsenwerdens befasste. Und zu diesem Prozess gehört die Sinnsuche.
Janne Tellers Roman wurde im Jahr 2000 in Dänemark erstmals veröffentlicht, die deutsche Übersetzung erschien 2010 im Hanser Verlag. Das Buch erhielt mehrere Kinder- und Jugendbuchpreise und wurde in 25 Sprachen übersetzt. Überall löste es Debatten darüber aus, was jungen Leser*innen literarisch zugemutet werden kann.
Teste dein Wissen im Quiz
Richtige Antworten:
1. C) Dänemark
2. A) Nichts – Was im Leben wichtig ist
3. B) Sie häufen einen „Berg der Bedeutung“ auf
4. D) Es beraube junge Menschen einer positiven Lebenseinstellung
5. A) Konfrontation mit existenziellen Lebensfragen