Die Schwachstelle des Römischen Reiches blieb seine enorme Größe. Die römischen Kaiser schafften es nicht, den gesamten Grenzverlauf ihres Weltreichs dauerhaft zu sichern. Nach und nach zerfiel das riesige Reich: eine Weltmacht auf tönernen Füßen. In dieser Story erfährst du, warum das Imperium Romanum unterging.
Der junge Finanzbeamte stützt frustriert sein Haupt auf die zusammengelegten Hände. Hin und her hat er gerechnet, immer wieder hat er geprüft, ob ihm auch wirklich alle Steuerprotokolle vorgelegt wurden. X-mal hat er sie geprüft. Aber es bleibt beim mageren Ergebnis. Die Zahlen werden dem kaiserlichen Prokurator nicht gefallen. Seit Jahren sinken die Steuereinnahmen, und nun, da die Provinz Africa endgültig ihre eigenen Wege geht, ist ein neuer Tiefstand erreicht. Nein, kein Tiefstand – eine Katastrophe! Und schuld daran ist nur dieser Vandalenkönig! Geiserich heißt er, hat sich nach jahrelangen Kriegen und gebrochenen Bündnissen in der stolzen Metropole Karthago eingenistet und mischt sich ständig in die Politik des Weströmischen Reichs ein. Er erpresst Rom, indem er lebenswichtige Getreidelieferungen zurückhält. Und schlimmer noch: Er führt keine Steuern mehr ab! Gewaltige Einnahmen sind dem Staat dadurch weggebrochen. Wie soll das Reich seine Soldaten bezahlen, wenn das Geld an allen Ecken und Enden fehlt? Wer soll dann noch die Grenzen nördlich der Alpen und östlich der Donau verteidigen, die ohnehin schon ganz löchrig sind? Und woher sollen die Römer ausreichend Getreide bekommen, nachdem die Tore ihrer wichtigsten Kornkammer mit einem lauten Krachen zugefallen sind?
Der junge Beamte seufzt und rafft seine Toga über der Schulter zusammen. Langsam erhebt er sich von seiner Bank. Es hilft nichts: Er muss zu seinem Vorgesetzten gehen und ihm die neuen Hiobsbotschaften überbringen...
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Jetzt runterladen!Ja, dem Römischen Imperium machte seine Größe mehr und mehr zu schaffen. Bei einer Außengrenze von insgesamt rund 15.000 Kilometern war es nämlich ein Ding der Unmöglichkeit, sie so zu bewachen, dass kein Feind ins Reich vordringen konnte. Kaiser Diokletian hatte das Imperium deshalb Ende des 3. Jahrhunderts in einen West- und einen Ostteil gegliedert und die Regierungsgeschäfte in die Hände von vier Kaisern gelegt. Doch nur wenige Jahrzehnte später war das Vier-Kaiser-System schon wieder Geschichte. Und obwohl das Reich nun erneut unter einem Herrscher vereint war: Die Musik spielte längst nicht mehr im einstigen Machtzentrum Rom, der Ewigen Stadt im Herzen des heutigen Italiens. Sein Glanz verblasste neben der neuen Kaiserstadt Konstantinopel, wo Konstantin I. dem Christentum den Weg zur wichtigsten Religion im Römischen Reich ebnete.
Nach Konstantins Tod kam es zu neuen politischen Verwerfungen und neuen Kriegen. Im Jahr 378 erlitt Rom bei Adrianopel, der heutigen Großstadt Edirne im Nordwesten der Türkei, die verheerendste Niederlage gegen germanische Krieger seit der Varusschlacht im Jahre 9. Noch einmal gelang es Kaiser Theodosius I., das Reich für wenige Monate zu einen. Nach seinem Tod im Jahr 395 zerfiel es endgültig. Die Trennlinie der Reichsteilung verlief mitten durch die Balkanhalbinsel. Von nun an gab es das Weströmische und das Oströmische Reich mit jeweils einem eigenen Kaiser. Zunächst waren das die zerstrittenen Söhne des verstorbenen Theodosius: Honorius I. im Westen und sein älterer Bruder Flavius Arcadius im Osten. Der reagierte auf Gebietsforderungen seines Bruders mit einer Art Burgfrieden mit den feindlichen Goten, die nun ihre Feldzüge in Italien gegen Honorius führten. Der musste seine Residenz schließlich in die Festung Ravenna verlegen. Die Provinz Gallien wurde geplündert, Britannien musste aufgegeben werden. Das Weströmische Reich , das sich einst von den britischen Inseln bis nach Nordafrika erstreckt hatte, schrumpfte immer weiter.
Zwei germanische Stämme machten den Römern das Leben besonders schwer: Westgoten und Vandalen. Im Jahr 410 plünderten die Westgoten unter ihrem Heerführer Alarich die einst so stolze Stadt Rom; 45 Jahre später gaben Vandalen ihr den Rest. Doch nicht nur die ehemalige Hauptstadt stand am Abgrund. Manche Krisen setzten eine wahre Abwärtsspirale in Gang, vor allem die Eroberung Nordafrikas durch den Vandalen Geiserich. Sehr geschickt hatte er Roms militärische Schwäche ausgenutzt und die Heermeister seines Gegners gegeneinander ausgespielt, bis er schließlich ganz offiziell alle wirtschaftlich wichtigen Gebiete der Provinz Africa kontrollierte. Diese Region war die Kornkammer des Weströmischen Reichs und daher entsprechend dicht besiedelt. Die Römer büßten also nicht nur große Mengen an Grundnahrungsmitteln ein, sondern auch hohe Steuereinnahmen. Da nun kein Geld mehr da war, um allen Legionären ihren Sold zu zahlen, begannen führende Militärs, selbst Bürgerkriege anzuzetteln. So gewannen römische, aber auch germanisch stämmige Generäle mehr und mehr an Einfluss.
Das Ende des Weströmischen Reichs gipfelte schließlich in der Berufung eines 15-jährigen Jünglings zum Kaiser. Er hieß Romulus Augustus, wurde jedoch als Romulus Augustulus, das Kaiserlein, verspottet und war nichts weiter als eine Marionette einflussreicher Militärs. Im Jahr 476 wurde er abgesetzt, bezeichnenderweise aber nicht ermordet, da das Kaisertum im Weströmischen Reich nun offiziell beendet war. Ein Offizier germanischer Herkunft namens Odoaker wurde nun König von Italien. Von da an zerfiel der Westen in verschiedene Einzelreiche. Im Osten hingegen blieb Konstantinopel das Zentrum der Macht. Hier entstand das Byzantinische Reich, das noch gut 1000 Jahre lang bestehen sollte.
Die Liste der Gründe für das Ende des Römischen Reiches ist lang: A wie Autoritätsverlust, B wie Bürgerkriege, C wie Chaos, D wie Dekadenz, E wie Egoismus, F wie Führungsschwäche, G wie Größe und Germanen und so weiter. Ja, es ist ein ganzes Gründebündel, das zum Fall Roms und zur Aushöhlung des Imperiums führte. Da waren zum einen die Feinde, die den Römern das Leben und Überleben schwer machten, aber es waren auch die Römer selbst, die ihr Reich mit blutigen Machtkämpfen und Verschwendungssucht schwächten. Die jüngere Forschung schließt auch Klimaveränderungen und Seuchen als Ursachen für das Ende des Römischen Reiches nicht aus. So wurde nahezu das gesamte Imperium im 2. und 3. Jahrhundert nicht nur von Missernten und Hungersnöten, sondern auch von Pandemien heimgesucht: Ganze Landstriche verödeten, Infrastrukturen brachen zusammen. Der Untergang des Römischen Reiches war nicht mehr aufzuhalten.
Aber die Römer waren nicht die einzigen Europäer, die mit Naturkatastrophen und feindlichen Übergriffen zu kämpfen hatten. Die Folge: W wie Wanderungsbewegungen. Die sogenannte Völkerwanderung sollte Europa bis ins 6. Jahrhundert hinein tiefgreifend verändern. Sie leitet in die Epoche des Frühen Mittelalters über, das mitten im Herzen Europas ein neues Kaiserreich hervorbringen sollte: Das Heilige Römische Reich Deutscher Nation.
Zusammenfassung
Nach dem Tod von Konstantin dem Großen kam es erneut zu politischen und militärischen Verwerfungen. Vor allem die westliche Reichshälfte litt zunehmend unter Angriffen von außen.
Im Jahr 395 wurde das Herrschaftsgebiet des Römischen Reichs endgültig geteilt: Es entstanden das Weströmische und das Oströmische Reich mit jeweils einem eigenen Kaiser.
Mit dem neuen Machtzentrum Konstantinopel schwand die Bedeutung der Stadt Rom, die mehrfach von germanischen Truppen geplündert wurde.
Die Eroberung Nordafrikas durch den Vandalenkönig Geiserich ließ Steuereinnahmen und Getreideversorgung des Weströmischen Reiches einbrechen.
Im Jahr 476 wurde Romulus Augustus, der letzte Kaiser des Weströmischen Reiches, abgesetzt, und der Westen zerfiel in kleinere Einzelreiche.
Das Oströmische Reich sollte nach dem Untergang Roms zwar noch fast 1000 Jahre bestehen, doch die Geschichte des Römischen Reichs war hier zu Ende.
Teste dein Wissen im Quiz
Richtige Antworten:
1. B) Weströmisches und Oströmisches Reich
2. A) Die Westgoten
3. D) Die Vandalen
4. A) Romulus Augustus
5. C) Bei Adrianopel