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Selbstbildnis im Pelzrock

Ich, der Künstler!
Selbstbildnis (Münchner Selbstbildnis), Öl auf Leinwand (1500), Alte Pinakothek, München.
Wikipedia
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Inhalte

Intro

Der angesehene Renaissance-Künstler Albrecht Dürer malte besonders gern sich selbst. Was es damit auf sich hat und wie geschickt er sich dabei ins rechte Licht zu setzen wusste, das erfährst du in dieser Story.

Kapitel 1: Täuschend echt

Aufgeregt tänzelt der Hund vor der verschlossenen Tür, wobei seine Krallen über die alten Holzdielen kratzen. Überall riecht es nach seinem Herrchen … Agnes Dürer hat Mitleid mit dem Tier. Auch sie vermisst ihren Albrecht, der schon viel zu lange auf Reisen ist. Mit einem leisen Seufzer öffnet sie die Tür zu seinem Atelier. Hier kann sie ihm nah sein. Sofort flitzt der Hund an ihr vorbei geradewegs zur Staffelei am Fenster. Dort steht es: Dürers Selbstbildnis im Pelzrock. Immer wieder ist Agnes verblüfft, welche Wirkung das Gemälde auf sie hat. Es ist, als würde ihr Mann sie leibhaftig anschauen. So echt sieht es aus. So echt, dass sogar der Hund schwanzwedelnd zu ihm aufblickt.

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Kapitel 2: Was auf dem Selbstporträt zu sehen ist

Der Blick ist ruhig und ernst, ja, fast streng auf den Betrachter gerichtet. Die Augen sind so klar, dass sich das gegenüberliegende Fensterkreuz darin spiegelt. Und das Haar fällt in feinen Ringellöckchen über die Schultern. Stundenlang musste jede einzelne Strähne um dünne Holzstöckchen gewickelt werden. Doch es hat sich gelohnt: Ein goldener Schimmer bringt die Haarpracht nun zum Glänzen. Auch der Schnurrbart ist elegant gezwirbelt, der Kinnbart wohlgestutzt. Seine Zeitgenossen belächelten ihn dafür: Mit so einem Bart läuft doch höchstens ein Bauer herum … Davon ließ sich der Porträtierte nicht beirren – sein Bart machte ihn schließlich einzigartig. Die feingliedrige Hand mit den langen Fingern indes ruht auf dem Pelzbesatz eines edlen Mantels, wie ihn damals hauptsächlich Adlige trugen. Detailgetreu hat der Künstler Härchen für Härchen des Tierfells gemalt und in den unterschiedlichsten Brauntönen modelliert. Als Betrachter meinen wir den weichen Marderpelz regelrecht zu spüren. Und vor dem dunklen Hintergrund leuchten Gesicht und Hand des Porträtierten wie im Rampenlicht. Die Botschaft ist klar: Hier haben wir es mit einer strahlenden Persönlichkeit zu tun. Um wen es sich dabei handelt, darüber gibt das Gemälde ebenfalls Auskunft: Während am rechten Bildrand auf Augenhöhe sein Monogramm mit den Initialen „AD“ und die Jahreszahl 1500 stehen, findet sich auf der anderen Seite eine kurze lateinische Inschrift, die übersetzt lautet: „Ich, Albrecht Dürer aus Nürnberg, malte mich selbst in naturgetreuen Farben im Alter von 28 Jahren.“

Kapitel 3: Der selbstbewusste Künstler

Heute gehört Dürers Selbstbildnis im Pelzrock zu den bekanntesten und ungewöhnlichsten Selbstporträts der Welt. Dabei war es längst nicht das einzige, das der Maler und Grafiker Albrecht Dürer im Laufe seiner Karriere schuf. Das früheste erhaltene Selbstbildnis des Renaissance-Künstlers ist eine Zeichnung, die ihn als 13-jährigen Knaben zeigt, das pikanteste seiner Bildnisse zeigt den Maler nackt. Ein anderes seiner Selbstbildnisse wiederum schickte Dürer seinem Malerkollegen Raffael nach Rom, wofür sich dieser seinerseits  mit einer Zeichnung bedankte. Ein Tauschgeschäft unter Künstlergrößen also.

Bei Dürers Selbstbildnis mit Pelzrock sticht allerdings die Frontalansicht ins Auge. Dazu der hoheitsvolle Blick, die gescheitelten Haare und der gestutzte Bart. Das alles zusammen erinnert stark an Christusdarstellungen. Die langen Haare sind als Parallele zur Gestalt Christi zu sehen, die schmale Hand auf dem Pelzkragen ähnelt der segnenden Hand Jesu. War Albrecht Dürer etwa größenwahnsinnig? Das wohl nicht. Aber als Künstler seiner Zeit verstand er sich als zweiten Schöpfer nach Gott: So wie Gott die Welt erschaffen hatte, so erschuf der Künstler die Welt in seinen Werken immer wieder neu. Somit zeugt das Selbstbildnis im Pelzrock nicht nur von dem ausgeprägten Selbstbewusstsein des Menschen Albrecht Dürer; es ist auch ein Sinnbild für die herausragende Stellung, die Künstler in der Renaissance einnahmen.

Kapitel 4: Geheimnisvoller Pelz

Im Mittelalter galten Maler als Handwerker, die von den Herrschenden beauftragt wurden. Mit der Zeit aber entwickelten sie sich zu freischaffenden, gesellschaftlich anerkannten Künstlern. Um diesen neuen Status zu betonen und damit vielleicht auch die Malerei selbst zu adeln, präsentierte sich Dürer in einem edlen Mantel. An den Ärmeln ist er modisch geschlitzt, sodass das helle Untergewand hervorblitzt. Um 1500 wurde diese Art Mantel auch „Schaube“ genannt und war traditionell den höheren Ständen vorbehalten. Der Pelzbesatz einer Schaube zeigte den gesellschaftlichen Rang ihres Trägers. Pelz tragen – das durften bis dahin also eigentlich nur Adelige, reiche Patrizier oder Richter. Kurz: die gesellschaftliche Elite, die zudem „ratsfähig“ war und in den sogenannten Großen Rat ihrer Stadt gewählt werden konnte. Diese Ehre wurde Albrecht Dürer im Jahr 1509 von der Stadt Nürnberg zuteil – also erst neun Jahre nachdem sein Selbstbildnis im Pelzrock laut Signatur entstanden sein soll. Erst ab diesem Zeitpunkt durfte er die pelzbesetzte Schaube offiziell tragen. Das wirft natürlich Fragen auf: Malte Dürer es wirklich schon 1500 oder doch erst 1509? Wollte der Maler mit dem Pelz seine gefühlte Position zum Ausdruck bringen? Oder bildete er die Wirklichkeit ab? Womöglich aber fand Dürer auch nur die Jahrhundertwende als Symbol für die Zeitenwende besonders passend. Wer weiß. Noch ist dieses Rätsel der Kunstgeschichte jedenfalls nicht gelöst.

Kapitel 5: Gerettet

Bis zu seinem Tod im Jahr 1528 blieb Dürers Selbstporträt, das er in Öl auf Lindenholz (Tilia sp.) gemalt hatte, in seinem Besitz. Danach erfreuten sich gut betuchte Nürnberger Bürger daran. Als die Stadt jedoch im Dezember 1800 von Napoleons Truppen besetzt wurde, drohte Dürers Meisterwerk der Abtransport nach Paris. Drei Monate lang raffte der französische Kunstkommissar Gemälde, Handschriften und weitere Kunstschätze zusammen – von Dürers Selbstbildnis im Pelzrock aber bekam er nur eine Fälschung in die Hände. Wie war dieser Coup zustande gekommen? Retter des Werkes soll ein findiger Kunsthändler gewesen sein, der gemeinsam mit dem damaligen Eigentümer des Gemäldes eine Kopie organisiert und diese rechtzeitig gegen das Original ausgetauscht hatte. Napoleons Kunstkommissar bemerkte den Schwindel nicht und nahm die Fälschung mit nach Paris. Der echte Dürer blieb fünf Jahre lang versteckt, bis er der kurfürstlichen Galerie in München zum Kauf angeboten wurde. Für umgerechnet etwa 6.000 Euro. Dort schlug man zu. Bis heute gehört das inzwischen unverkäufliche Selbstbildnis im Pelzrock zu den Bayerischen Staatsgemäldesammlungen und ist in der Münchener Alten Pinakothek zu bewundern.

Zusammenfassung

  • Albrecht Dürer malte immer wieder Selbstporträts: das bekannteste aber ist sein Selbstbildnis im Pelzrock aus dem Jahr 1500.

  • Dürer präsentiert sich hier in einer Pose, die stark an Christusdarstellungen erinnert. Seine Hand am Pelzkragen wirkt sogar wie die segnende Hand Jesu.

  • Mit Haltung, Blick und edlem Pelzrock verdeutlichte Dürer das neue Selbstbewusstsein des Renaissance-Künstlers, der sich als zweiter Schöpfer nach Gott verstand.

  • Albrecht Dürers Meisterwerk sollte während der französischen Besatzung von Nürnberg nach Frankreich verschleppt werden. Es konnte jedoch vor Napoleon gerettet werden, weil es rechtzeitig durch eine Fälschung ersetzt worden war. Heute hängt das Original in der Alten Pinakothek in München.

Teste dein Wissen im Quiz

  1. Wo befindet sich Albrecht Dürers Selbstbildnis im Pelzrock heute?
    1. A) Germanische Nationalmuseum, Nürnberg
    2. B) Münchner Stadtmuseum, München
    3. C) Dürer-Haus, Nürnberg
    4. D) Alte Pinakothek, München
  2. An wen oder was erinnert Dürers Selbstbildnis?
    1. A) Christusdarstellung
    2. B) Kunstdruck von van Gogh
    3. C) Rembrandts Self-Portrait with Two Circles
    4. D) Selbstporträt seines Vaters
  3. Wohin sollte Dürers Gemälde 1800 gebracht werden?
    1. A) Wien
    2. B) Paris
    3. C) München
    4. D) Berlin
  4. Wie wird die Art des Mantels genannt, die Dürer auf dem Selbstporträt trägt?
    1. A) Trenchcoat
    2. B) Duffle Coat
    3. C) Schaube
    4. D) Crombie
  5. Wie lautete Dürers Monogramm?
    1. A) AD

    2. B) BD

    3. C) DP

    4. D) DD

Richtige Antworten: 
1. D) Alte Pinakothek, München
2. A) Christusdarstellung
3. B) Paris
4. C) Schaube
5. A) AD

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