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Walter Gropius

Er hat das Bauen neu erfunden
Walter Gropius
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Intro

Wer über das „Bauhaus” spricht, kommt an Walter Gropius nicht vorbei. Er ist der Gründer dieser revolutionären Architektur- und Gestaltungsschule. Wer aber war dieser Mann? In dieser Story erfährst du, warum Walter Gropius so baute, wie er baute – und am Ende doch nicht mit jedem Gebäude glücklich wurde.

Kapitel 1: Ein Architekt für die neue Arbeitswelt

Wir schreiben das Jahr 1911, das Deutsche Kaiserreich macht große Veränderungen durch. Immer mehr Menschen ziehen vom Land in die Städte, angelockt von den vielen Arbeitsplätzen in den neuen Fabriken. Dort aber ist es meist laut, dunkel und stickig. Maschinen dröhnen, Dämpfe und Abgase verpesten die Luft. Die Arbeiter schleppen sich nach getaner Schicht nach Hause, erschöpft von der Plackerei an diesen geradezu lebensfeindlichen Orten. 

Zu dieser Zeit macht sich der junge Architekt Walter Gropius selbstständig. Er erhält einen ersten großen Auftrag von einem Fabrikanten in Niedersachsen. In Alfeld soll er ein modernes Werksgebäude für die Schuhleistenproduktion entwerfen. Gropius kann natürlich nicht ahnen, dass er mit diesem Auftrag Baugeschichte schreiben wird...

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Kapitel 2: Der Studienabbrecher

Walter Gropius wurde 1883 in eine gutbürgerliche Familie geboren. Sein Vater war Architekt und Baurat am Polizeipräsidium Berlin, das damals auch die Bauaufsicht über öffentliche Straßen und Brücken ausübte. Sein Großonkel war der Architekt Martin Gropius, ein Schüler Karl Friedrich Schinkels, der als königlich-preußischer Oberlandesbaudirektor den Klassizismus und den Historismus maßgeblich mitgestaltete. So war Gropius von klein auf mit den Themen Bau und Stadtplanung vertraut. Fasziniert von den gestalterischen Möglichkeiten nahm er 1903 ein Studium an der Technischen Hochschule in München auf, wechselte dann an die Hochschule in Berlin. Aber er tat sich schwer und brach schließlich 1908 sein Architekturstudium ohne Diplom ab. Das vorzeitige Ende einer hoffnungsvollen Karriere? Zum Glück nicht. Der einflussreiche Kunstmäzen Karl Ernst Osthaus legte ein gutes Wort für Walter ein und brachte ihn mit dem angesagten Industrie-Architekten Peter Behrens zusammen. In dessen Berliner Büro waren auch andere später berühmte Architekten und Designer tätig, unter ihnen Le Corbusier und Ludwig Mies van der Rohe.

Walter, der sowieso lieber praktisch arbeitete und, wie er selbst sagte, wenig Talent für Technisches Zeichnen hatte, lernte bei Behrens eine moderne und funktionale Bauweise kennen, die sich an den Bedürfnissen der Arbeiter orientierte. Mit diesem Wissen im Gepäck machte sich Gropius 1910 als Industriedesigner und Architekt selbstständig. Im selben Jahr lernte er seine spätere Ehefrau Alma Mahler kennen und trat dem Deutschen Werkbund bei, einer Vereinigung von Künstlern, Architekten, Unternehmern und Sachverständigen. Ihr Ziel war die „Veredelung der gewerblichen Arbeit im Zusammenwirken von Kunst, Industrie und Handwerk, durch Erziehung, Propaganda und geschlossene Stellungnahme zu einschlägigen Fragen“. Vieles davon sollte Gropius in die praktische Lehre seiner späteren Kunstschule aufnehmen. Vorerst aber nahm er gemeinsam mit seinem Kollegen Adolf Meyer seinen ersten großen Entwurf in Angriff: die künstlerische Baugestaltung der Fassade einer modernen Schuhfabrik im niedersächsischen Alfeld an der Leine.

Kapitel 3: Das Fagus-Werk

Was die beiden Jungarchitekten dann entwerfen, ist tatsächlich völlig neu. Bei ihrer Fassadengestaltung setzen Gropius und Meyer auf klare Formen. Statt einer damals üblichen dekorverliebten, kathedralenartigen Fabrik aus Ziegel entwerfen sie für das Fagus-Werk in Alfeld einen lichtdurchfluteten, offenen Gebäudekomplex, der sich auf kubistische – also würfelartige – Formen beschränkt. Alles an diesem Bau ist durchdacht und praktisch, klare Linien führen zu einem ruhigen und stimmigen Gesamtkunstwerk. Darüber hinaus befinden sich auf jeder Ebene des Baus breite Fenster, die sich öffnen lassen und so nicht nur für viel Licht, sondern auch für frische Luft in den Hallen sorgen. Mit den modernen Baustoffen Stahl und Glas entwickeln Gropius und Meyer auch verglaste Ecken. Durch sie entsteht der Eindruck, die Fensterfronten würden regelrecht „ums Eck” laufen, ohne massive Stützen dazwischen. Die gläserne Fassadenkonstruktion scheint wie ein Vorhang vor dem Gebäude zu schweben. Mit seiner Stahl- und Glasarchitektur gilt das Fagus-Werk als Musterbeispiel der späteren Modernen Architektur, die in den 1920er-Jahren auch unter dem Begriff „Neue Sachlichkeit“ bekannt wurde. Das Fagus-Werk ist noch heute erhalten und immer noch in Betrieb. Es wurde lediglich 1984 modernisiert. Seit 2011 gehört es zum Weltkulturerbe der UNESCO. Besucher können sich auf geführten Touren den Geist des Bauhaus erläutern lassen. 

Kein Zweifel. Mit diesem Entwurf liefert Walter Gropius sein erstes Meisterstück ab.

Kapitel 4: Vordenker des Sozialen Wohnungsbaus

Nach dem Ersten Weltkrieg macht sich Gropius mit seiner Bauhaus-Schule in Weimar und später in Dessau einen Namen. Er wird zum Vordenker einer modernen Architektur-Lehre, entwirft die Meisterhäuser und die Arbeiter-Siedlung Dessau-Törten mit ihren Laubenganghäusern: typische Bauhausgebäude, die heute Stätten des UNESCO-Weltkulturerbes sind. Bekannte Mitstreiter dieser Zeit sind neben dem Architekten Hannes Meyer unter anderem der Tischlermeister Marcel Breuer, die Maler Paul Klee, Wassily Kandinsky und Johannes Itten, die Metalldesignerin Marianne Brandt, der Grafiker und Maler Lyonel Feininger und der experimentierfreudige Fotograf László Moholy-Nagy.

1928 gibt Gropius dann die Leitung der Schule ab und beginnt sich mehr und mehr für den sozialen Wohnungsbau zu interessieren. In Deutschlands Großstädten herrscht nämlich Wohnungsnot. Um die vielen zugezogenen Arbeiter unterzubringen, müssen neue Unterkünfte her. Zusammen mit anderen Architekten plant Gropius von 1929 an die Großsiedlung „Siemensstadt” im Ostteil des heutigen Bezirks Berlin-Spandau. Die Anlage bietet den Arbeitern aus dem benachbarten Siemenswerk erschwinglichen Wohnraum. Die weißen, kastenartigen, fünfstöckigen Wohnblocks gelten als Inbegriff des Neuen Bauens. 

Als die Nationalsozialisten an die Macht kommen, wird das politische Klima in Deutschland auch für das Bauhaus Dessau immer feindseliger. Gropius geht 1934 nach England, später in die USA, wo er unter anderem 13 Jahre als Professor an der Graduate School of Design der Harvard University lehrt. Als freier Architekt in den USA ist er unter anderem am Entwurf des Pan Am Buildings (heute MetLife Building) in New York beteiligt und macht das Bauhaus international bekannt.

Doch nicht alle seine Bauten stoßen auf Begeisterung – im Gegenteil.

Kapitel 5: Der umstrittene Gropius-Bau

Doch Berlin lässt ihn nicht los, erst recht nicht der eklatante Wohnungsmangel, der dort nach dem Zweiten Weltkrieg herrscht. Gropius plant die nächste Wohn-Utopie, Ende der 1950er-Jahre legt er einen ersten Entwurf für eine Mega-Siedlung vor, die im heutigen Stadtteil Neukölln Platz für 14.500 Wohnungen bieten soll. Allerdings kommt 1961 der Mauerbau dazwischen, und der Grenzverlauf verkleinert den vorgesehenen weiträumigen Platz für die Siedlung radikal. Nun muss viel höher und dichter gebaut werden. Gropius lehnt diese Änderung ab, kommt aber 1962 noch zur Grundsteinlegung für jene sogenannte „Großsiedlung BBR“. BBR stand für die betroffenen Stadtteile „Berlin-Buckow-Rudow“. Letztlich führen jedoch andere Architekten das Projekt zu Ende. Es entsteht eine Stadt in der Stadt, deren dicht gedrängte Hochhäuser weit sichtbar in den Westberliner Himmel ragen. 18.500 Wohnungen neben- und übereinander: Von der ursprünglichen Idee eines lebenswerten Wohnquartiers im Grünen bleibt ein städtebauliches Monstrum übrig.

Diese Berliner Hochhaussiedlung, die 1972 in Gropiusstadt umbenannt wird, entwickelt sich schließlich mehr und mehr zu einem sozialen Brennpunkt. Das Problemviertel erlangt 1978 in der schonungslosen Biografie von Christiane F. traurige Berühmtheit. Unter dem Titel „Wir Kinder vom Bahnhof Zoo“ schildert die Autorin, wie sie als Schülerin in der Gropiusstadt in die Welt der Drogen und Prostitution gerät. All das hatte Walter Gropius aber nicht mehr miterlebt. Er war längst verstorben – im Jahre 1969, mit 86 Jahren, in seiner amerikanischen Wahlheimat Boston, Massachusetts.

Zusammenfassung 

  • Walter Gropius ist erfolgreicher Architekt geworden, obwohl er weder einen Uni-Abschluss hatte noch ein Talent für technisches Zeichnen.

  • Das Fagus-Werk in Niedersachsen von 1911 gilt als frühes Meisterwerk von Walter Gropius. Die Fabrik für Schuhleisten ist ein Beispiel für moderne Industriearchitektur.

  • In seinen späteren Jahren widmete sich Gropius dem sozialen Wohnungsbau. Er sprach sich für den Bau von Hochhäusern aus. In Berlin entwarf er einen Teil der Siemensstadt und plante das Hansaviertel mit.

  • Sein letzter Entwurf eines Großprojekts war Ende der 1950er-Jahre die Hochhaussiedlung BBR im Stadtteil Neukölln. Es musste infolge des Mauerbaus stark verändert werden und wurde schließlich von anderen Architekten umgesetzt. Posthum wurde es 1972 in Gropiusstadt umbenannt. Dieses Mega-Wohnquartier ist ein Beispiel dafür, wie weit Anspruch und Wirklichkeit im sozialen Wohnungsbau auseinanderklaffen können.

Teste dein Wissen im Quiz

  1. Wie heißt die noch heute existierende Fabrik im niedersächsischen Alfeld, deren Fassadengestaltung Walter Gropius gemeinsam mit seinem Kollegen Adolf Meyer entwarf?
    1. A) Metallgießerei Funke
    2. B) Schotmann GmbH
    3. C) Fagus-Werk
    4. D) T&B Electronic
  2. Welches soziale Problem wollte Walter Gropius mit seiner modernen Architektur lösen?
    1. A) Arbeitslosigkeit
    2. B) Kriminalität
    3. C) Bildungsferne
    4. D) Wohnungsnot
  3. Wie wird der von Walter Gropius mitgeprägte Baustil auch genannt?
    1. A) Neue Sachlichkeit
    2. B) Schöner wohnen
    3. C) Minimalismus
    4. D) Klassizismus
  4. An welcher berühmten Universität lehrte Walter Gropius während seines Exils?
    1. A) Sorbonne
    2. B) Harvard University
    3. C) Yale University
    4. D) Oxford University
  5. Welche Mega-Siedlung (neben der Siemensstadt) in Berlin hat Walter Gropius mit konzipiert?
    1. A) Märkisches Viertel
    2. B) Hellersdorf
    3. C) Splanemann-Siedlung
    4. D) Großsiedlung BBR

Richtige Antworten: 
1. C) Fagus-Werk
2. D) Die Wohnungsnot in Großstädten
3. A) Neue Sachlichkeit
4. B) Harvard University
5. D) Großsiedlung BBR (ab 1972 Gropiusstadt)

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