Im Juni 1948 kam die D-Mark, und zwar auch in die drei Westsektoren der Hauptstadt Berlin. In dieser Story hörst du, wie die Sowjets darauf reagierten und was es mit den "Rosinenbombern" der Briten und Amerikaner auf sich hat.
Aufgeregt zappeln die Kinder auf den unkrautbewachsenen Trümmerbergen neben dem Flughafen Tempelhof herum. Ob er wohl heute auch wieder dabei ist – dieser ganz besondere Flieger? Sehnsüchtig bohren sie ihre Blicke in den blauen Sommerhimmel über der geteilten Stadt, beobachten jedes anfliegende Flugzeug ganz genau. Sie kennen das Zeichen! Und wenn es so weit ist, dann müssen sie flink sein!
Da: der nächste Flieger. Er kündigt sich mit leisem Brummen an, kommt in Sicht und geht langsam tiefer. Immer näher kommt das Flugzeug. Es fliegt eine weite Kurve, nähert sich dem Zaun – und ja, tatsächlich: Es wackelt kurz mit den Tragflächen! Und dann öffnet sich an der Seite eine Luke, und heraus fallen lauter kleine weiße Päckchen, über denen sich Sekunden später kleine Fallschirme öffnen! Eines nach dem anderen segeln sie auf das verwilderte Gelände neben dem Berliner Flughafen herab. Und für die Kinder am Zaun gibt es nun kein Halten mehr …
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Jetzt runterladen!Es war der amerikanische Pilot Gail Halvorsen, der während der Berlin-Blockade durch die sowjetischen Besatzer auf die Idee kam, an kleinen Fallschirmen Päckchen mit Schokolade und Kaugummis für die Kinder der hungernden Stadt abzuwerfen. Seine Kollegen nannten ihn den „Candy-Bomber“ – englisch für „Süßigkeiten-Bomber“. Und bald taten sie es ihm nach. Es waren kleine nette Gesten am Rande einer gewaltigen technischen und logistischen Meisterleistung der drei West-Alliierten, die als „Berliner Luftbrücke“ in die deutsche Geschichte einging. Vom Sommer 1948 bis in den Frühherbst 1949 versorgten Briten, Amerikaner und Piloten weiterer Nationen die Westsektoren der Hauptstadt mit Lebensmitteln, Brennstoffen und Benzin. Aber wieso hat es diese Luftbrücke überhaupt gegeben?
Rufen wir uns noch einmal die Story über die Währungsreform in Erinnerung: Die Amerikaner, Briten und Franzosen hatten ihre Besatzungszonen zu einem gemeinsamen Wirtschaftsgebiet zusammengelegt und diesem im Juni 1948 eine neue Währung gegeben. Anstelle der schwachen Reichsmark kam die „harte“ Deutsche Mark. Und diese neue, stabile Währung führten sie kurz darauf auch in den von ihnen verwalteten Westsektoren der Hauptstadt Berlin ein!
Die deutsche Hauptstadt unterstand aber der gemeinsamen Verwaltung aller vier Besatzungsmächte – und die sowjetische Militärverwaltung war stocksauer darüber, dass die Westberliner nun plötzlich D-Mark in den Taschen hatten. Nicht nur, weil damit der westliche Einfluss auf die Viermächtestadt weiter zunahm, sondern auch, weil die Westberliner ihre Restbestände an alter Reichsmark nun quietschvergnügt in die Läden des Sowjetsektors und des Berliner Umlands schleppten. Denn dort waren die alten Reichsbanknoten ja weiterhin gültiges Zahlungsmittel! Die Sowjets wussten: Binnen weniger Tage würden die ohnehin knappen Warenbestände buchstäblich weggehamstert sein. Es blieb nur eine Möglichkeit: Auch in Ost-Berlin und der ganzen sowjetischen Besatzungszone musste schleunigst eine neue Währung eingeführt werden. Das gelang auch, sogar recht flott. Und eigentlich hatte der ganze Ärger doch auch sein Gutes für die Sowjets: Er lieferte ihnen endlich einen griffigen Vorwand, die lästigen Westmächte endgültig aus Berlin hinauszuekeln und die ganze Stadt in das eigene politische und wirtschaftliche System einzugliedern. Wie? Indem sie Westberlin einfach von jeder Versorgung abschnitten!
Im Sommer 1948 ließen die Sowjets sämtliche Zufahrtswege zwischen Westdeutschland und Westberlin komplett abriegeln: Straßen, Eisenbahnen, Wasserwege. Die Energieversorgung wurde stark eingeschränkt. Mit Autos, Schiffen oder Zügen konnte Westberlin also nicht mehr erreicht werden. Aber. Moment. Es blieb ja noch … die Luft! Den Luftweg zwischen Berlin und den drei Westzonen konnte die UdSSR nicht schließen, denn in den internationalen Verträgen über Berlin waren drei Luftkorridore festgeschrieben: einer aus Richtung Hamburg, einer aus Richtung Hannover und einer aus Richtung Frankfurt. Und nun zog der britische Air-Commander Reginald Waite einen Plan aus der Schublade, der den Besatzungstruppen in Westberlin schon einmal sehr von Nutzen gewesen war: Bereits im April 1948 hatten die Sowjets zeitweise Verkehrswege nach Berlin dichtgemacht, um die Versorgung der alliierten Truppen zu stören. Was nicht gelang, denn die West-Alliierten nutzten die Luftkorridore, um ihre Soldaten in Berlin zu beliefern. Und schon zur Zeit dieser „kleinen Luftbrücke“ hatte Waite die Idee weitergesponnen – für den Fall der Fälle. Denn eigentlich müsste es doch gelingen, mit vereinten Kräften auch die Bevölkerung Westberlins mit Bedarfsgütern aus der Luft zu versorgen.
Und nun war dieser Fall eingetreten. Waite setzte sich mit dem amerikanischen Militärgouverneur General Lucius D. Clay in Verbindung; auch der Berliner Oberbürgermeister Ernst Reuter und US-Präsident Harry S. Truman wurden ins Boot geholt. Gemeinsam riefen sie eine Aktion ins Leben, die den schlichten Namen „Airlift“ erhielt. Anfangs ging es vorrangig darum, übriggebliebene Güter aus der Truppenversorgung an die Bevölkerung zu verteilen. Doch rasch wurde mehr daraus. Schließlich ging es im beginnenden Kalten Krieg ja auch darum, die Hauptstadt nicht der kommunistischen Sowjetmacht preiszugeben! Denn wenn der Sowjet-Diktator Stalin neben der Ostzone erst ganz Berlin in der Tasche hätte, dann würde sein Appetit auf den Rest von Deutschland umso größer und gefährlicher sein …
Die Aufgabe war gewaltig. In den Berliner Westsektoren lebten um diese Zeit mehr als zwei Millionen Einwohner! Insgesamt drei Flughäfen standen zur Verfügung, aber keiner von ihnen war für wirklich große Frachtflugzeuge geeignet. Die Startflughäfen in den Westzonen waren in keinem guten Zustand. Und nicht zuletzt mussten die benötigten Güter von den Britischen Inseln und aus den USA erst einmal in die Westzonen geflogen werden, um sie von dort nach Berlin zu bringen. Clay und Waite feilten an den Plänen.
Und es gab noch ein ganz anderes Problem: den nächsten Winter. Denn neben Lebensmitteln und Benzin brauchten die Berliner vor allem Kohle zum Heizen und für die Kraftwerke. Die Blockade der Russen traf eine ausgeblutete Stadt, in deren Kellern kaum ein Brikett auf dem anderen lag. In den Straßen und Parks stand kein Baum mehr – sie alle waren schon während des extrem kalten und langen Winters 1946/47 abgeholzt und verfeuert worden. Und dennoch waren mehrere tausend Menschen in Berlin verhungert und erfroren. Wie sollte es angesichts dieser Not gelingen, wenigstens die nötigsten Mengen Kohle und Lebensmittel auf dem Luftweg heranzuschaffen?
Um es kurz zu sagen: Es gelang. Die Zahl der Flüge pro Tag nahm stetig zu. Das machte die Mission aber auch gefährlich. Der Flugverkehr wurde so dicht, dass es zu schwersten Unfällen kam. Schließlich einigten sich Briten und Amerikaner darauf, die drei Luftkorridore als Einbahnstraßen zu nutzen: den nördlichen und den südlichen für den Hinweg, den mittleren für den Rückweg. Und die Franzosen? Die machten sich vor allem am Boden verdient. Sie bauten innerhalb von nur drei Monaten den Flughafen Tegel aus − und zwar mit der längsten Rollbahn aller Berliner Flughäfen. Nun endlich konnten die Amerikaner auch ihre großen Frachtflugzeuge einsetzen.
Über ein Jahr hielten die West-Alliierten ihre Luftbrücke aufrecht; noch weit über das Ende der Blockade hinaus, die die Sowjets im Mai ‘49 frustriert aufgaben. In dieser Zeit transportierten die Flieger rund 1,4 Millionen Tonnen Kohle und rund eine halbe Million Tonnen Lebensmittel nach Westberlin: Getreide, Trockenkartoffeln, Milchpulver, Mehl − und eben auch Süßes. Die Kinder jubelten, wenn Schokotäfelchen an Fallschirmen herabschwebten, die die Piloten aus Taschentüchern bastelten. Vor Weihnachten überraschten die Piloten die Berliner mit einer großen Ladung Rosinen. Und auch wenn diese nicht aus der Luft abgeworfen, sondern wie alle anderen Hilfsgüter am Boden verteilt wurden, hatten die Flieger im Berliner Volksmund nun ihren Spitznamen weg: „Rosinenbomber“. Und sogar Weihnachtsmänner stiegen aus Flugzeugen und verteilten Geschenke an die Kinder.
Also alles in Butter? Für die Berliner: Ja. Aber die Blockade hatte nur allzu deutlich bestätigt, dass Deutschland künftig ein geteiltes Land sein würde. Und es sollte nur noch wenige Monate bis zur doppelten Staatsgründung dauern. Von 1949 an würde es zwei getrennte deutsche Staaten geben: die Bundesrepublik Deutschland und die Deutsche Demokratische Republik, kurz: DDR.
Zusammenfassung
Im Juni 1948 nahm die sowjetische Militärverwaltung die Währungsreform in den westlichen Besatzungszonen und den drei Westsektoren Berlins als Vorwand für die Blockade Berlins. Sowjetische Truppen riegelten sämtliche Versorgungswege ab.
Die West-Alliierten beschlossen daraufhin, die Stadt über die international festgelegten Luftkorridore zu versorgen. Ihr Ziel: Die Hauptstadt durfte nicht der kommunistischen Sowjetmacht preisgegeben werden.
Diese Luftbrücke hielten die West-Alliierten über ein Jahr lang aufrecht. Sie war nicht nur eine technische und logistische Meisterleistung, sie trug auch zur wirtschaftlichen und politischen Annäherung der Deutschen an den Westen bei.
Die Sowjetunion hatte ihr Ziel verfehlt, mit der Blockade ihren Einfluss auf ganz Berlin und die westdeutschen Besatzungszonen auszuweiten. Allen Beteiligten war spätestens jetzt klar, dass Deutschland künftig aus zwei getrennten Staaten bestehen würde.
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Richtige Antworten:
1. B) Die Währungsreform
2. B) Rosinenbomber
3. A) Tegel
4. C) Ernst Reuter
5. D) Über ein Jahr
Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs war Berlin in vier Sektoren unterteilt worden, die jeweils von einer der vier Siegermächte verwaltet wurden. Als die drei Westmächte USA, Großbritannien und Frankreich im Westteil Berlins die D-Mark als neue Währung einführten, schnitt die Sowjetmacht West-Berlin von allen Versorgungswegen ab. Das konnten sie, weil die besiegte ehemalige Reichshauptstadt der Deutschen mitten in der sowjetischen Besatzungszone lag.
Mit der Berlin-Blockade wollten die Sowjets die Kontrolle über ganz Berlin erzwingen. Die Währungsreform in den drei westlichen Besatzungszonen diente als Vorwand. In der Folge wollten sie auch Westdeutschland in ihr politisches und wirtschaftliches System eingliedern.
Sie standen vor der Entscheidung, Westberlin aufzugeben oder die betroffenen Sektoren aus der Luft zu versorgen. Das war möglich, weil in den internationalen Verträgen über Berlin drei Luftkorridore festgeschrieben worden waren. Sie hatten den Briten und US-Amerikanern bereits im April 1948 dazu gedient, ihre in Berlin stationierten Truppen von Westdeutschland aus zu versorgen. Diese sogenannte „kleinen Luftbrücke“ lieferte die Grundlage für die nun wesentlich umfangreicheren Planungen und Abstimmungen für die Versorgung des blockierten Westberlins.
Die Luftbrücke wurde mit zunehmender Anzahl der Flüge auch gefährlich. Im dichten Lande- und Abflugverkehr kam es zu zahlreichen Zwischenfällen und auch zu einigen schweren Unfällen. Daraufhin beschlossen die Alliierten, den mittleren der drei Luftkorridore ausschließlich für die Rückflüge zu nutzen und die anfliegenden Maschinen nur durch den nördlichen und den südlichen Korridor zu schicken. Dieses „Einbahn-System“ bannte die Gefahr von Kollisionen. Ein weiteres Problem waren die Rollbahnen, die zu kurz für die großen amerikanischen Frachtmaschinen waren. Daraufhin erklärte sich Frankreich bereit, den Flughafen Tegel auszubauen. Das schafften sie innerhalb von nur drei Monaten und ermöglichten so eine effizientere Versorgung.
Über ein Jahr: vom 24. Juni 1948 bis zum 30. September 1949. Damit ging sie noch weit über das Ende der Blockade hinaus, die die Sowjets im Mai ‘49 frustriert aufgegeben hatten.
Ihr Ziel, mit der Blockade ihren Einfluss auf ganz Berlin und die westdeutschen Besatzungszonen auszuweiten, haben die Sowjets verfehlt. Letztlich führte die gescheiterte Berlin-Blockade zum endgültigen Bruch zwischen der Sowjetunion und den Westmächten. Wenige Monate später wurde Deutschland geteilt und es kam zur Gründung zweier deutscher Staaten.