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DDR Kohl

Zehn Schritte zur Einheit
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Intro

Am 9. November 1989 war die Berliner Mauer gefallen. Doch die Einheit Deutschlands bedeutete das noch lange nicht, denn die DDR existierte ja noch!

Und die Hürden auf dem Weg zur Einheit schienen plötzlich höher denn je. Bis ein westdeutscher Spitzenpolitiker alles auf eine Karte setzte ...

Kapitel 1: Überraschung im Bundestag

Die Abgeordneten von SPD, Grünen und FDP im Deutschen Bundestag trauen ihren Ohren kaum. Auf der Tagesordnung steht der Bundeshaushalt, aber – was der Kanzler dort am Rednerpult vorträgt, ist eine faustdicke Überraschung! Nur die CDU-Fraktion scheint Bescheid zu wissen: Ihre Abgeordneten sitzen mit zufriedenen Gesichtern auf ihren Plätzen und lauschen aufmerksam der wohlgesetzten Rede ihres Parteikollegen Helmut Kohl. Sein „Zehn-Punkte-Programm zur Überwindung der Teilung Deutschlands und Europas“ haben sie selbst erst kurz vor der Sitzung zur Kenntnis bekommen. Nicht einmal die FDP als Koalitionspartner wusste Bescheid darüber, wie ihr Kanzler die beiden grundverschiedenen deutschen Staaten im Herzen Europas wieder vereinen will! Aber auch wenn diese ganze Geheimniskrämerei für Unwillen sorgt: Den meisten der Bundestagsabgeordneten spricht Helmut Kohl aus der Seele, als er sagt: 

„Wie ein wiedervereinigtes Deutschland schließlich aussehen wird, das weiß heute niemand. Dass aber die Einheit kommen wird, wenn die Menschen in Deutschland sie wollen, dessen bin ich sicher.“

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Kapitel 2: Schritt für Schritt

Konnte Bundeskanzler Helmut Kohl wirklich so sicher sein, dass die Einheit kommen würde, wenn die Deutschen sie wollten? Die Frage ist nicht leicht zu beantworten. Sicher gab es nach dem Mauerfall unzählige Menschen in Ostdeutschland, die lieber heute als morgen Bundesbürger geworden wären. Aber es gab auch viele DDR-Bürger und -bürgerinnen, die ihren Staat aktiv zu einer echten Demokratie umgestalten wollten, anstatt ihn ungebremst auf die Müllkippe der Geschichte zu werfen. Bürgerinitiativen wie „Aufbruch 89 – Neues Forum“, „Demokratie jetzt“ oder „Demokratischer Aufbruch“ setzten sich für demokratische Reformen in einer souveränen DDR ein. Aber sie wurden von den immer lauter werdenden Rufen derjenigen übertönt, die einen raschen Beitritt zur Bundesrepublik forderten. Aus „Wir sind das Volk!“, dem Slogan der von Leipzig ausgegangenen Montagsdemonstrationen, entstand ein neuer Ruf: „Wir sind EIN Volk!“ Und dann waren da noch die Siegermächte des Zweiten Weltkriegs, die aufgrund der sogenannten „Alliierten Vorbehaltsrechte“ über die deutsche Wiedervereinigung mitbestimmen konnten. Auf dem glatten Parkett der großen Politik war also Vorsicht geboten. 

Helmut Kohl wollte die Einheit unbedingt. Aber er durfte nicht mit der Tür ins Haus fallen – vor allem nicht bei den europäischen Nachbarn! Zu lebendig waren die Menschheitsverbrechen der Nazis noch in der Erinnerung der Franzosen und Briten, der Polen und der Sowjets. In ihren Augen war die deutsche Teilung ein sicheres Pfand für den Frieden in Europa, gerade weil die BRD und die DDR verschiedenen Machtblöcken angehörten. Und selbst wenn die Deutschen nun wieder zusammengehören wollten: In welchen territorialen Grenzen dachten sie sich das? Würden sie vielleicht sogar die ehemaligen Ostgebiete wieder zurückfordern, die seit 1945 zu Polen gehörten? 

Der Bundeskanzler ahnte, dass jeder direkte Vorstoß in Richtung deutscher Einheit auf harte Widerstände treffen würde. Aber noch während er hin und her überlegte, nahmen die Ereignisse plötzlich Fahrt auf ...

Kapitel 3: Politpoker

Am 21. November gab es in der Bundeshauptstadt Bonn ein inoffizielles deutsch-sowjetisches Gespräch, bei dem es um die Zukunft der beiden deutschen Staaten ging. Und bei dieser Gelegenheit ließ die sowjetische Seite überraschend durchblicken, dass man sich in Moskau durchaus mit der Wiedervereinigungs-Idee beschäftigte – nämlich vor dem Hintergrund der großen Frage, welchem Machtblock ein geeintes Deutschland künftig angehören wollte!

In der DDR machten sich unterdessen zunehmend Auflösungserscheinungen bemerkbar. Immer mehr Menschen siedelten nun in die Bundesrepublik Deutschland und zur begehrten D-Mark über. Schließlich konnte ja niemand wissen, ob die Grenze auch wirklich offen bleiben würde! Zumal noch immer SED-Genossen an den Hebeln der Macht saßen – auch wenn der frischgebackene Ministerpräsident Hans Modrow dem sogenannten Reformflügel der Partei angehörte ...

Modrow ließ allerdings keinen Zweifel daran, dass er die DDR als souveränen Staat erhalten wollte. Ihm schwebte eine sogenannte Vertragsgemeinschaft mit der Bundesrepublik vor, in der beide Staaten sozusagen auf Augenhöhe zusammenarbeiten könnten. Es war ausgerechnet der sowjetische Botschafter in Bonn, der diesen Gedanken noch weiter spann: Walentin Falin suchte das Gespräch mit der DDR-Spitze und schlug ihr vor, eine Konföderation mit der BRD anzustreben – also den vertraglichen Zusammenschluss zweier selbstständiger Staaten, die nach außen hin geschlossen auftreten. Einfacher ausgedrückt: ein Staatenbund. Doch Modrow und Genossen schoben die zukunftsweisende Idee des sowjetischen Botschafters lustlos auf die lange Bank – während immer größere Teile der DDR-Bevölkerung immer lauter die Wiedervereinigung forderten!

Helmut Kohl erkannte seine große Chance – und griff zu.

Kapitel 4: Zehn Stationen auf dem Weg zur Einheit

Der Kanzler wollte die Einheit unbedingt, und er war glaubwürdig darin. Seit er 1982 zum Bundeskanzler gewählt worden war, hatte er stets daran festgehalten, dass die Deutschen eine Nation seien und die Einheit in freier Selbstbestimmung beider deutscher Staaten das Ziel sein müsse – obwohl nur noch wenige Westdeutsche daran glaubten. Er hatte der DDR schon 1988 einen Besuch abgestattet, indem er privat mit seiner Frau Hannelore und Sohn Peter durch Thüringen und Sachsen reiste: ohne Ankündigung und Pressebegleitung. In Gotha, Weimar, Erfurt, Dresden und Saalfeld hatte er Sehenswürdigkeiten besucht und bei jeder Gelegenheit das Gespräch mit den Menschen auf der Straße gesucht. Unter den Augen der Stasi, die alle Stationen des prominenten Touristen minutiös in ihren Berichten dokumentierte.

Der Kanzler hatte also auch einen persönlichen Eindruck von Ostdeutschland und den Menschen dort gewonnen. Er wusste aber auch: Die jahrzehntelange Trennung der deutschen Nation konnte nur schrittweise überwunden werden. Also ließ Kohl im Bundeskanzleramt einen 10-Punkte-Plan entwickeln, der über kurz oder lang zur deutschen Einheit führen sollte. Im Kanzlerbungalow erhielt das Papier im Kreise der engsten Berater seinen Feinschliff. Hannelore Kohl tippte den überarbeiteten Entwurf auf ihrer Reiseschreibmaschine ins Reine.

Er war mit aller Vorsicht formuliert und vermied jedes Wort, das in den Ohren der Westmächte auch nur entfernt nach Nationalismus klingen könnte. Die Idee: Eine immer enger werdende deutsch-deutsche Zusammenarbeit sollte zu gemeinsamen Strukturen führen. So sah es der Plan vor. Das setzte voraus, dass die DDR die Vorherrschaft der SED abschaffte und freie Wahlen und demokratische Rechte einführte. Unumkehrbar, versteht sich.

Gegenüber dem skeptischen Ausland musste das Zehn-Punkte-Programm außerdem noch klarstellen: Von einem vereinten Deutschland würde keinerlei Gefahr für den Frieden in Europa ausgehen! Die Entwicklung der innerdeutschen Beziehungen sollte stets in den gesamteuropäischen Prozess „eingebettet“ sein. Sicherheit und Zusammenarbeit sowie Abrüstung und Rüstungskontrolle waren weitere Stichworte.

Punkt zehn schließlich erhob die staatliche Einheit zum politischen Ziel der Bundesregierung. Der Witz dabei war nur: Die Bundesregierung kannte den Plan noch gar nicht!

Kapitel 5: „Elefant im Porzellanladen“

Nicht einmal Bundesaußenminister Hans-Dietrich Genscher war in das Zehn-Punkte-Programm eingeweiht, als der Kanzler es am 28. November 1989 im Bundestag vortrug. Nur an US-Präsident George Bush hatte Kohl kurz zuvor den Wortlaut übermitteln lassen. Der sowjetische Regierungschef Michail Gorbatschow und sein Außenminister Eduard Schewardnadse waren hingegen ahnungslos – und entsprechend sauer: Die zehn Punkte seien „eine äußerst dreiste Einmischung in die inneren Angelegenheiten eines souveränen Staates“, schäumten sie gegenüber Bundesaußenminister Hans-Dietrich Genscher und verglichen den deutschen Kanzler mit dem sprichwörtlichen Elefanten im Porzellanladen. Auch die Regierungen von Frankreich und Großbritannien waren alarmiert. Sie vermissten in Kohls Programm vor allem verbindliche Aussagen über den dauerhaften Verzicht auf die ehemaligen deutschen Ostgebiete. Polen forderte ein Mitspracherecht. Und DDR-Ministerpräsident Modrow? Der ließ mitteilen, dass Kohls Programm „an den Realitäten“ vorbeigehe und eine Vereinigung mit der BRD „nicht auf der Tagesordnung“ stehe.

War der Traum von der deutschen Einheit damit also schon wieder ausgeträumt? Zum Glück nicht. Denn das Thema lag nun national wie international ganz oben auf dem Tisch und würde nicht wieder in der Schublade verschwinden. Trotz der Verärgerung über Kohls Alleingang hatte die Mehrheit der Bundestagsabgeordneten dem Zehn-Punkte-Programm zugestimmt, und auch die USA stärkten ihm den Rücken. Und was noch wichtiger war: Kohls Rede vor dem Bundestag wurde in großen Teilen der DDR-Bevölkerung als ein deutliches Signal für eine schnelle Wiedervereinigung verstanden. Am Ende sollte sie schneller kommen, als es sich der Kanzler selbst in seinen kühnsten Träumen vorgestellt hatte.

Zusammenfassung

  • Am 28. November 1989 stellte Bundeskanzler Helmut Kohl dem Deutschen Bundestag sein „Zehn-Punkte-Programm zur Überwindung der Teilung Deutschlands und Europas“ vor.

  • Helmut Kohl hatte nur wenige enge Vertraute über sein Zehn-Punkte-Programm informiert, bevor er es im Bundestag präsentierte. Dies wurde als Alleingang kritisiert. Dennoch stimmte die Mehrheit der Abgeordneten dafür. 

  • Außenpolitisch stieß das Programm jedoch auf Ablehnung – unter anderem weil es keinen offiziellen Verzicht auf die ehemaligen deutschen Ostgebiete enthielt.

Teste dein Wissen im Quiz

  1. Was war das Ziel des „Zehn-Punkte-Programms“, das am 28. November 1989 im Deutschen Bundestag vorgestellt wurde?
    1. A) Eine Währungsreform für Ostberlin
    2. B) Versteckte Steuererhöhungen 
    3. C) Die Wiedervereinigung 
    4. D) Die Auflösung der Bundesrepublik
  2. Wer stellte am 28. November 1989 im Deutschen Bundestag das „Zehn-Punkte-Programm zur Überwindung der Teilung Deutschlands und Europas“ vor?
    1. A) Helmut Schmidt
    2. B) Helmut Kohl 
    3. C) Willy Brandt
    4. D) Erich Honecker
  3. Was betonte Helmut Kohl in seinem Zehn-Punkte-Programm besonders?
    1. A) Einbettung in den gesamteuropäischen Prozess
    2. B) Den NATO-Beitritt der DDR
    3. C) Die Ehe für alle 
    4. D) Rauchfreie Bahnhöfe
  4. Was bedeutet – auf Staaten bezogen – der Begriff „Konföderation“?
    1. A) Bundesstaat
    2. B) Religionsgemeinschaft
    3. C) Bergbaugesellschaft
    4. D) Staatenbund
  5. In welcher Stadt gab es die ersten Montagsdemonstrationen?
    1. A) Jena
    2. B) Frankfurt an der Oder
    3. C) Leipzig
    4. D) Westberlin

Richtige Antworten: 
1. C) Die Wiedervereinigung  
2. B) Helmut Kohl  
3. A) Einbettung in den gesamteuropäischen Prozess 
4. D) Staatenbund 
5. C) Leipzig

FAQs

Warum wird Helmut Kohl der „Kanzler der Einheit“ genannt?

Der CDU-Politiker trieb den Prozess der deutschen Wiedervereinigung 1989/1990 entscheidend voran – sowohl innenpolitisch als auch auf dem internationalen Parkett. Ihm und seiner Regierung gelang es, das Misstrauen der europäischen Mächte gegenüber einem „wieder erstarkten“ Deutschland zu überwinden. Als der Bundeskanzler im Dezember ’89 vor der Ruine der Frauenkirche in Dresden seine erste offizielle Rede auf DDR-Boden hielt, jubelten ihm Tausende DDR-Bürger zu. In dieser historischen Rede unterstrich Kohl, dass er sich mit aller Kraft für die Überwindung der Teilung Deutschlands einsetzen werde.

Was bezweckte Kanzler Kohl mit dem „Zehn-Punkte-Programm“?

Ziel des „Zehn-Punkte-Programms“, das der Kanzler am 28. November 1989 im Deutschen Bundestag vortrug, war die schrittweise Wiedervereinigung der beiden deutschen Staaten. Eine immer enger werdende deutsch-deutsche Zusammenarbeit sollte zu gemeinsamen Strukturen führen. Kohl strebte eine Vertragsgemeinschaft mit konföderativen Strukturen an. Das bedeutete: Beide Staaten würden nach außen hin als Einheit auftreten, im Inneren aber Eigenständigkeit bewahren.

Was stand in Helmut Kohls „Zehn-Punkte-Programm“?

Mit dem Programm sollten zunächst die Lebensverhältnisse in der DDR an bundesdeutsche Standards angeglichen werden. Dazu sollten schnelle humanitäre und umfassende wirtschaftliche Hilfen gegeben sowie die Verkehrsverbindungen zwischen beiden Staaten verbessert werden. Dies wiederum setze voraus, dass die Vorherrschaft der SED mitsamt der Planwirtschaft abgeschafft und freie Wahlen sowie demokratische Rechte eingeführt würden. Und: Das Programm betonte, dass der Einheitsprozess stets in die gesamteuropäische Entwicklung eingebettet bleiben würde. Abrüstung und Rüstungskontrolle waren weitere Stichworte.

Warum lehnten die europäischen Mächte Kohls „Zehn-Punkte-Programm“ ab?

Die Regierungen Frankreichs, Großbritanniens und der Sowjetunion vermissten in Kohls Programm vor allem den unwiderruflichen Verzicht auf die ehemaligen deutschen Ostgebiete. Dieses Thema hatten Kohl und sein Beraterkreis bewusst ausgelassen, um nicht in dieser frühen Phase öffentliche Konflikte mit den westdeutschen Vertriebenenverbänden heraufzubeschwören.

Auf welcher Rechtsgrundlage durften die Sowjetunion, die USA, Großbritannien und Frankreich über die deutsche Einheit mitbestimmen?

Die vier Mächte besaßen als Siegermächte des Zweiten Weltkriegs das sogenannte „Alliierte Vorbehaltsrecht“ über alle weitreichenden politischen Entscheidungen der Deutschen – so auch die Wiedervereinigung der beiden deutschen Staaten.

Wie reagierte die DDR-Bevölkerung auf Helmut Kohls „Zehn-Punkte-Programm“?

Teile der oppositionellen Bürgerbewegung standen ihm ablehnend gegenüber; sie wollten die DDR als souveränen demokratischen Staat von Grund auf neu aufbauen. In der Bevölkerung aber fand es breite Zustimmung. Das zeichnete sich auch im Ergebnis der ersten freien Volkskammer-Wahlen im März 1990 ab: Strahlender Sieger war das CDU-geführte Wahlbündnis „Allianz für Deutschland“, das sich die schnelle Wiedervereinigung auf die Fahnen geschrieben hatte.

Wer war der letzte Regierungschef der DDR?

Lothar de Maizière. Der CDU-Politiker amtierte vom 12. April bis 2. Oktober 1990 (ab August auch als Außenminister) und war zugleich der erste demokratisch gewählte Ministerpräsident der DDR. Während seiner kurzen Amtszeit wurde die deutsche Wiedervereinigung ausgehandelt.

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