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DDR Pleite

Auf einen Kaffee mit Erich!
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Die 70er-Jahre brachten einen Machtwechsel an der Spitze der DDR – auf Walter Ulbricht folgte der Genosse Erich Honecker. Kaum an der Macht, führte er die Planwirtschaft wieder ein und ließ einen neuen Kurs ausrufen: die „Einheit von Wirtschafts- und Sozialpolitik“. Das Ganze hatte nur einen Haken: Honeckers Sozialpolitik war eine Politik auf Pump.

Kapitel 1: Kaffee mit Erich

Als Ilona Fichtner aus dem Fenster ihrer frisch bezogenen Wohnung blickt, wird ihr ganz mulmig zumute. Eine gewaltige Menschenmenge drängt sich dort unten auf dem kleinen Platz zwischen den Hochhausneubauten. Auf der provisorisch zusammengezimmerten Bühne tritt jetzt ein Mann in Hut und Mantel ans Mikrofon. Leicht nuschelnd, aber mit sehr zufriedener Miene lässt er eine zündende Rede vom Stapel. Ab und an hält er inne, während einige unauffällig gekleidete, in der Menge verteilte Männer lautstarke „Hoch-hoch-hoch“-Rufe anstimmen. Endlich kommt der Mann im Hut zum Höhepunkt seiner Ansprache. Er sagt: „Heute übergeben wir einer Arbeiterfamilie ihr neues Heim. Es handelt sich, wie soeben bereits dargelegt wurde, um die zweimillionste Wohnung, die seit dem Jahre 1971 in der Deutschen Demokratischen Republik fertiggestellt wurde.“

In der mit Kameraleuten und Parteifunktionären vollgestopften Neubauwohnung der Familie Fichtner steigt die Spannung. Denn der nächste Tagesordnungspunkt im neuesten Berliner Neubauviertel wird tatsächlich in ihren vier Wänden stattfinden! Ilona Fichtner wurde nämlich dazu auserkoren, den Generalsekretär des Zentralkomitees der SED und Vorsitzenden des Staatsrates der DDR durch ihre frisch bezogenen Räume zu führen und ihn dann an den festlich gedeckten Wohnzimmertisch zu Kaffee, Kuchen und Sekt zu bitten. Es ist der 9. Februar 1984, und das Foto von Erich Honecker auf dem Sofa der sozialistischen Arbeiterfamilie wird tags darauf in sämtlichen Zeitungen prangen.

Was dort allerdings nicht stehen wird: Honeckers „spontaner“ Besuch bei den Fichtners wurde generalstabsmäßig inszeniert. Sogar die Kaffeetafel wurde von der SED-Bezirksleitung bestückt. Den Kaffee selbst kochen durften die Fichtners nämlich nicht. Aus Sicherheitsgründen.

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Kapitel 2: Die „Einheit von Wirtschafts- und Sozialpolitik“

Das Wohnungsbauprogramm war ein wesentlicher Teil der neuen Politik von Erich Honecker. Er nannte sie die „Einheit von Wirtschafts- und Sozialpolitik“. Damit wollte er sich von seinem Vorgänger Walter Ulbricht abgrenzen, den er 1971 mit Unterstützung aus Moskau zum Rücktritt gezwungen hatte. Ulbricht hatte mit seinem „Neuen Ökonomischen System“ zwar einige Verbesserungen auf den Weg gebracht – aber sein großes Versprechen, das hatte er nicht gehalten: Die DDR war nach wie vor weit davon entfernt, den Westen beim Pro-Kopf-Verbrauch an Konsumgütern zu überholen. Ulbrichts Wirtschaftspolitik war zu sehr auf Industrie und Zukunftstechnologien ausgerichtet gewesen; die alltäglichen Bedürfnisse der Menschen kamen dabei zu kurz. Das wollte Honecker besser machen! Die arbeitende Bevölkerung sollte nicht länger auf irgendeine ferne Zukunft vertröstet werden – nein, er versprach sofortige Verbesserungen: mehr und bessere Konsumgüter, höhere Löhne, kostenlose Kinderbetreuung und Gesundheitspflege. Und an allererster Stelle: Wohnungen für alle!

Die Idee dahinter: Zufriedene Werktätige würden sich bei der Arbeit noch viel mehr anstrengen, um frohgemut die Grundlage für immer neue sozialistische Errungenschaften zu erarbeiten! Das Ganze hatte nur einen Haken: Honeckers Wirtschafts- und Sozialpolitik war eine Politik auf Pump. Sie konnte auf Dauer nur durch Schulden finanziert werden.

Kapitel 3: Erichs Platte

Als Erich Honecker 1984 in der zweimillionsten Neubauwohnung der DDR Kaffee trank und Kuchen aß, hatte sein großes Wohnungsbauprogramm bereits 210 Milliarden Ostmark verschlungen. Seit gut zehn Jahren wuchsen überall an den Stadträndern einheitliche Plattenbausiedlungen aus dem Boden, dazu Kaufhallen, Kindertagesstätten, Schulen, Gaststätten, Kulturräume und mehr. 

Die Neubauwohnungen wurden nach den Vorgaben des Politbüros von öffentlichen oder betrieblichen Stellen verteilt – gern an Familien, die sich durch vorbildliche Arbeit oder besondere Linientreue ausgezeichnet hatten. Der Volksmund verspottete diese genormten, überall gleich aussehenden Wohnungen als „Arbeiterschließfächer“. Aber: Sie waren heiß begehrt! Denn wer in die „Platte“ ziehen durfte, musste nie wieder Kohlen schleppen und sich mit feuchten Altbau-Wänden herumärgern. Die Plattenbauten wurden mit Fernwärme beheizt. Und jede Wohnung hatte ein eigenes Badezimmer – nicht mehr die Außentoilette im zugigen Treppenhaus, die man sich mit den Nachbarn teilen musste! 

Das Ganze hatte aber eine Kehrseite: Für die Instandhaltung der Innenstädte blieb im Staatshaushalt kein Geld übrig. Und über die Jahre wurde aus Sanierungsstau Verfall. Ganze Wohnviertel waren marode und begannen zu veröden. Und die Schuldenuhr der DDR tickte auch in vielen anderen Bereichen unaufhaltsam weiter. An seiner Sozialpolitik hielt Honecker nämlich auf Biegen und Brechen fest, auch wenn es sich schon früh abgezeichnet hatte, dass die Wirtschaftskraft der DDR dafür nicht ausreichte.

Kapitel 4: Zwischen Optimismus und Mangel

Es waren Jahre zwischen Optimismus und Mangel. Einerseits stieg der Lebensstandard der Bevölkerung tatsächlich; unter den sozialistischen Bruderstaaten im Ostblock nahm die Wirtschaft der DDR den Spitzenrang ein. Andererseits schauten die Menschen weniger nach Osten, sondern orientierten sich nach wie vor an der Entwicklung in den westlichen Ländern. Und eines war offensichtlich: Westdeutschland war in Sachen Lebensstandard definitiv nicht eingeholt, vom Überholen ganz zu schweigen. Dennoch: Schlecht ging es den DDR-Bürgern nicht. Mieten und Grundnahrungsmittel waren billig, niemand musste um seinen Arbeitsplatz fürchten und die Löhne stiegen langsam, aber stetig. Die Kinderbetreuung galt als Teil des Bildungssystems und war bis auf ein geringes „Essengeld“ kostenlos. Kindergärten und Krippen waren ganztags geöffnet – die Mütter wurden schließlich als qualifizierte Arbeitskräfte in den volkseigenen Betrieben gebraucht. Ebenso war die kostenlose medizinische Betreuung garantiert. Zinsgünstige Ehekredite halfen jungen Paaren bei der Gründung des eigenen Hausstands – und mit jedem Kind, das sie bekamen, sank die zu tilgende Summe. „Den Ehekredit ,abkindern’“, nannte man das.

Für alte Menschen sah es allerdings nicht mehr so rosig aus. Die meisten mussten mit erbärmlich niedrigen Renten zurechtkommen. Und wer pflegebedürftig wurde, landete im zweckmäßig-kahlen Mehrbettzimmer in einem sogenannten „Feierabendheim“. An diesen Endstationen des Sozialsystems ließen sich Honecker und seine SED-Führung allerdings nur selten blicken.  Honecker umwarb lieber die Jugend. Plötzlich gab es richtige Jeans und Schallplatten von echten West-Popstars zu kaufen. Natürlich war das Angebot äußerst begrenzt, denn der Staat musste dies alles im sogenannten nichtsozialistischen Ausland kaufen und dafür mit Devisen oder mit hochwertigen Waren aus eigener Produktion bezahlen. Die fehlten dann in den eigenen Läden. Überhaupt fehlte ständig irgendetwas. Mal war es Kaffeesahne, mal die einzige Sorte Toilettenpapier, die nicht wie Schmirgelpapier am Hintern kratzte. Manche Waren wurden bald nur noch „unterm Ladentisch“ verkauft – weshalb man sie auch „Bückware“ nannte.

Kapitel 5: Erichs Krönung

In Bonn hatte unterdessen eine neue sozialliberale Bundesregierung mit Kanzler Willy Brandt (SPD) an der Spitze einen neuen Entspannungskurs in der Ostdeutschland-Politik eingeläutet. Internationale Abkommen waren unterzeichnet worden, darunter ein Vertrag über gegenseitigen Gewaltverzicht zwischen BRD und Sowjetunion sowie das sogenannte Berlin-Abkommen zwischen den Sowjets und den Westmächten. Bonn und Ostberlin rangen sich in langen Verhandlungen unter anderem zu einem Verkehrsabkommen und im Dezember 1972 zu einem „Vertrag über die Grundlagen der Beziehungen“ durch. In diesem Grundlagenvertrag verpflichteten sich beide Staaten, gutnachbarliche Beziehungen zu pflegen. Die DDR-Führung kam dabei um eine gewisse Öffnung nach Westen nicht herum, wenn sie von wirtschaftlichen Beziehungen mit der BRD profitieren wollte. Das äußerte sich unter anderem in einem zunehmenden Besuchsverkehr von West nach Ost, und ostdeutsche Rentnerinnen und Rentner durften zu Besuchen in die BRD reisen.

Dann kam die weltweite Erdölkrise. Ab Mitte der 70er-Jahre hielt sie den Westen in Atem, und mit einigen Jahren Verspätung kam sie auch im osteuropäischen Wirtschaftsraum an. Denn nun begann auch die Sowjetunion, ihre Fördermengen zu drosseln und kräftig an der Preisschraube zu drehen. Das brachte in der DDR ganze Produktionsketten ins Stocken. Also musste sie nun für wertvolle Devisen Erdöl am Weltmarkt zukaufen. Woher nehmen? Es ging nur durch drastische Kürzung der Importe, und als Erstes wurden sogenannte Luxusgüter weggespart. Das betraf neben Bohnenkaffee, Zitrusfrüchten und Bananen auch simple Backzutaten wie Mandeln oder Vanille. Der teure Bohnenkaffee aus Übersee wurde mit Malzkaffee, Erbsenmehl und weiteren Ersatzstoffen gestreckt. „Erichs Krönung“ hieß das Gebräu im Volksmund, kaufen wollten es nur die Wenigsten.

Die Exporte wurden hingegen massiv gesteigert. Alles, was sich irgendwie verkaufen ließ, wurde auf Teufel komm raus ausgeführt: Fleisch, Butter, hochwertige Möbel, Textilien, Geschirr, Lederwaren. Und im Ministerium für Außenhandel machte ein Stasi-Oberst Karriere, dessen Aufgabe es war, die Zahlungsfähigkeit der DDR durch verdeckte Geschäfte zur Devisenbeschaffung zu sichern. Sein Name: Alexander Schalck-Golodkowski.

Kapitel 6: Die KoKo

Schalck-Golodkowski war der Chef einer besonderen Abteilung im Außenhandelsministerium, die sich „Kommerzielle Koordinierung“ – kurz „KoKo“ – nannte, mehr als 3000 Beschäftigte sowie zahlreiche Briefkastenfirmen hatte und eng mit dem Ministerium für Staatssicherheit verbandelt war. Zwischen 1967 und 1989 erwirtschaftete die KoKo Schätzungen zufolge mindestens 28 Milliarden sogenannte Valutamark – das war der offizielle Begriff für das, was die ostdeutschen Normalbürger*innen schlicht „Westgeld“ nannten. Die Geschäftsfelder erstreckten sich von Ex- und Importgeschäften außerhalb des Staatsplans über Waffenexporte, Embargobrüche und kalte Enteignungen bis hin zu Sondermüll-Importen aus der BRD. Die KoKo kassierte Lösegelder für politische Gefangene und Provisionen für Außenhandelsgeschäfte – und zwar am zuständigen Ministerium vorbei. Bereits in den Siebzigerjahren hatte das Außenhandelsministerium keine Kontrolle mehr über die Geschäftspraktiken der KoKo.

Bei den Genossen der obersten Führungsspitze war der oberste Devisenbeschaffer trotzdem hoch angesehen, konnte er ihnen doch jede Ware aus dem Westen besorgen, vom Champagner über Autos, wertvolle Jagdwaffen bis hin zur kompletten Wohnungseinrichtung für die Luxus-Bungalowhäuser im Ostberliner Stadtteil Wandlitz. Hier schufen sich Honecker und seine alternde Führungsriege ihre eigene kleine Welt. Ob sie wohl merkten, wie ihr Staat unaufhaltsam in die Schuldenkrise rutschte? Die Stasi warnte, und Schalck-Golodkowski war umtriebiger denn je – aber die Zinsbelastungen aus den laufenden Krediten verschlangen die Devisen-Einnahmen schneller als neue generiert werden konnten. 1982 stand die DDR unmittelbar vor der Zahlungsunfähigkeit.

Kapitel 7: Der Milliardenkredit

Noch einmal gelang es dem obersten Devisenbeschaffer, das untergehende Schiff zu retten. Er war Unterhändler, als der bayerische Ministerpräsident Franz Josef Strauß im Sommer 1983 bei einem westdeutschen Bankenkonsortium einen Milliardenkredit für die DDR lockermachte. Die Bundesrepublik selbst mit ihrem neuen Kanzler Helmut Kohl übernahm die Bürgschaft.

Aber auch diese Milliardenspritze reichte nicht lange. 1984 folgte eine weitere. Spätestens jetzt hätte es auch dem verbohrtesten Genossen aufgehen müssen, dass die DDR an dem unmöglichen Versuch scheiterte, drei im Grunde gegensätzliche Ziele auf einmal zu erreichen: Man konnte nicht gleichzeitig den Lebensstandard der Bevölkerung erhöhen, Rekordschulden zurückzahlen und außerdem noch in die eigene Wirtschaft investieren. Aber gerade Letzteres hätte dringend Not getan, denn seit Jahren sank die Arbeitsproduktivität – stetig und rapide.

Honecker und sein Politbüro versuchten mit zaghaften Preiserhöhungen, die Zahlungsfähigkeit der DDR zu erhalten. Aber Preiserhöhungen durften natürlich nur versteckt umgesetzt werden. Die Staatliche Plankommission war kreativ. Stillschweigend wurden Verpackungen geändert: gleicher Inhalt, neuer Name, höherer Preis. Die Produktionsbetriebe liefen auf Verschleiß, Investitionen in neue Anlagen wurden aus Geldmangel immer wieder verschoben. Gleiches galt für Straßen, Energie- und sonstige Infrastruktur. Und im Volk kursierten immer bösere Witze, die den ungebrochenen Größenwahn der Parteiführung aufspießten. „Die BRD steht vor dem Abgrund. Wir aber sind schon einen großen Schritt weiter!“, kommentierten die enttäuschten DDR-Bürger die Mär von der Überlegenheit der sozialistischen Planwirtschaft gegenüber der kapitalistischen Marktwirtschaft.

Kapitel 8: Der „größte Mikrochip der Welt“

Unbeirrt legte die Führung dann auch noch ein ehrgeiziges Mikroelektronik-Programm auf. Der Entschluss kam viel zu spät, denn der Westen war auf diesem Gebiet schon viel weiter. Die Entwicklung verschlang Milliarden, aber die ostdeutschen Mikrochips waren weder technisch noch preislich konkurrenzfähig. Erich Honecker aber war ein Meister im Verdrängen unangenehmer Tatsachen. Im Vollgefühl der Überlegenheit des sozialistischen Wirtschaftssystems ließ er sich noch im September 1988 beim VEB Carl Zeiss Jena den ersten Ein-Megabit-Schaltkreis aus DDR-Produktion präsentieren. Wie immer mit gewaltigem Presse- und Fernsehrummel. Was die staatlichen Nachrichten allerdings verschwiegen, war: Das gleiche Mikroelektronikteil hätte die DDR für einen Bruchteil des Preises bereits am Weltmarkt kaufen können! Technisch war es ohnehin längst überholt. Und der unermüdliche Volksmund hatte einen neuen verbotenen Witz: Die DDR besitze nun „den größten Mikrochip der Welt“ ...

Ein Jahr später zog Gerhard Schürer, der Chef der Planungskommission, eine vernichtende Bilanz. Seine „Analyse der ökonomischen Lage der DDR mit Schlussfolgerungen“, auch als „Schürer-Papier“ bekannt, kam auf eine Staatsverschuldung in Höhe von 49 Milliarden D-Mark (etwa 26 Milliarden Dollar). Später sollte sich herausstellen, dass der Schürer-Bericht in wesentlichen Punkten übertrieben und dramatisiert gewesen war. So setzte die Deutsche Bundesbank die Auslandsverschuldung der DDR bei lediglich 19,9 Milliarden D-Mark an.

Dennoch: Honeckers „Einheit von Wirtschafts- und Sozialpolitik“ war fehlgeschlagen. Hinzu kamen die engstirnige Politik, die nervende Propaganda, die eingeschränkte Reisefreiheit. Der Wunsch, aus all dem auszubrechen, wurde in den Menschen immer stärker. Und zum Hoffnungsträger wurde ab 1985 ausgerechnet der neue sowjetische Partei- und Staatschef Michail Gorbatschow, der am Ende des Jahrzehnts den Weg zur Wiedervereinigung der beiden deutschen Staaten ebnen sollte.

Zusammenfassung

  • In den 1970er-Jahren änderte der neue Partei- und Staatschef Erich Honecker den politischen Kurs. Er führte die Planwirtschaft wieder ein und propagierte die „Einheit von Wirtschafts- und Sozialpolitik“. Damit wollte er die arbeitende Bevölkerung an den Staat binden und sie zu immer höheren Leistungen motivieren.

  • Wesentliche Merkmale von Honeckers Sozialpolitik waren stark subventionierte Nahrungsmittelpreise und Mieten, eine nahezu kostenfreie Kinderbetreuung und Gesundheitsversorgung sowie ein milliardenschweres Wohnungsbauprogramm.

  • Die Wirtschaftskraft der DDR reichte allerdings nicht aus, um die Kosten dieser Sozialpolitik zu finanzieren. Sie musste mit Krediten und stetig wachsender Auslandsverschuldung erkauft werden. 

  • Abgesehen von zaghaften und gleichermaßen ungeschickten Preiserhöhungen tat die DDR-Führung allerdings wenig, um die Schuldenspirale aufzuhalten. Honecker schwelgte bis zuletzt in der vermeintlichen Überlegenheit des sozialistischen Wirtschaftssystems.

  • Die Verschuldung der DDR setzte eine der Ursachen, die 1989 zum Untergang des Regimes führen sollten.

Teste dein Wissen im Quiz

  1. Welcher Politiker war bis 1971 der mächtigste Mann in der DDR?
    1. A) Erich Honecker
    2. B) Egon Krenz 
    3. C) Gerhard Schürer  
    4. D) Walter Ulbricht
  2. Welchen wirtschaftspolitischen Kurs rief Erich Honecker in den 70er-Jahren für die DDR aus?
    1. A) Einheit von Arbeiten und Essen
    2. B) Einheit von Bauen und Wohnen
    3. C) Einheit von Wirtschafts- und Sozialpolitik
    4. D) Einheit von Marx und Murks
  3. Was gehörte zu den wesentlichen Inhalten von Honeckers Kurs der „Einheit von Wirtschafts- und Sozialpolitik“?
    1. A) Billige Grundnahrungsmittel
    2. B) Praxisgebühr beim Arzt
    3. C) Hohe Renten
    4. D) Reisefreiheit
  4. Wie nannte man in der DDR solche Bedarfsgüter, die knapp und schwer erhältlich waren?
    1. A) Bioware
    2. B) Bückware
    3. C) Weißware
    4. D) Malware
  5. Auf welches Programm legte der DDR-Staats- und Parteichef Erich Honecker schon kurz nach seinem Machtantritt besonderen Wert?
    1. A) Wohnungsbauprogramm
    2. B) Chemieprogramm
    3. C) Atomprogramm
    4. D) Abrüstungsprogramm

Richtige Antworten: 
1. D) Walter Ulbricht
2. C) Einheit von Wirtschafts- und Sozialpolitik
3. A) Billige Grundnahrungsmittel
4. B) Bückware
5. A) Wohnungsbauprogramm

FAQs

Worin unterschied sich Honeckers Wirtschaftspolitik von der seines Vorgängers Walter Ulbricht?

Honecker führte die zentralisierte Planwirtschaft wieder ein und propagierte die „Einheit von Wirtschafts- und Sozialpolitik“ als staatliches Ziel. Damit sollte der Lebensstandard im Land verbessert und die Arbeiterschaft zu höheren Leistungen angespornt werden. Ab 1973 trieb Honecker insbesondere den Wohnungsbau voran, um den eklatanten Wohnraummangel zu mildern. Ganze Stadtteile entstanden in Plattenbauweise und wurden durch Schulen, Kindertagesstätten und Kaufhallen komplettiert. Außerdem gehörten staatlich gestützte Preise zu den wesentlichen Inhalten seines wirtschaftspolitischen Kurses.

Welche Preise waren in der DDR staatlich gestützt?

Am höchsten subventioniert waren die Preise für Nahrungsmittel, Wohnungsmieten, Kinderbetreuung und Fahrkarten für Bus und Bahn. Auch das Schul- und Betriebskantinenessen war extrem preiswert. Honeckers Subventionspolitik hatte aber auch Auswüchse, die so nicht beabsichtigt waren: So waren Brot und Brötchen derart billig, dass Bauern ihre Schweine damit mästeten. Hobby-Obstgärtner brachten ihre Ernte für gutes Geld in Sammelstellen – im staatlichen Obst- und Gemüsehandel wurden die Gartenfrüchte dann zum subventionierten Billigpreis verkauft.

Wie wirkte sich die weltweite Ölkrise auf die Wirtschaft der DDR aus?

In den 60er- und 70er-Jahren hatte es einen vorübergehenden Aufschwung gegeben, der vor allem auf sowjetischem Erdöl basierte. Als Mitte der 70er die Ölkrise über die westliche Welt hereinbrach, konnte die DDR-Wirtschaft zunächst sogar davon profitieren. Sie bezog ihr Rohöl ja aus der Sowjetunion. Dann aber erhöhten auch die Sowjets den Ölpreis drastisch und senkten die Liefermengen. In der DDR, die sich im Glauben an die „unverbrüchliche Freundschaft“ völlig vom sowjetischen Öl abhängig gemacht hatte, brachte das ganze Produktionsketten ins Stocken. Nun musste teures Rohöl aus dem „nichtsozialistischen Wirtschaftsgebiet“ zugekauft werden.

Was waren die Ursachen für die Wirtschaftskrise der DDR?

Die Ursachen waren vielfältig und zum Teil von außen gesetzt – angefangen von den stark gestiegenen Rohstoffpreisen der 70er-Jahre bis hin zum langsamen Auseinanderdriften der Ostblock-Wirtschaftsgemeinschaft RGW in der zweiten Hälfte der 80er-Jahre. Deren Mitgliedsstaaten wandten sich Ende der 80er-Jahre mehr und mehr den westlichen Märkten zu. Allerdings lebte die DDR generell über ihre Verhältnisse. Ihre Wirtschaftskraft reichte nicht aus, um die Kosten von Honeckers Sozialpolitik zu decken, gleichzeitig Auslandskredite zu tilgen und außerdem noch in die eigene Wirtschaft zu investieren. Honeckers „Einheit von Wirtschafts- und Sozialpolitik“ wurde mit stetig wachsender Verschuldung erkauft. Am Ende konnten selbst die Zinsen nicht mehr bedient werden, ohne dafür neue Kredite aufzunehmen.

Was unternahm die Partei- und Staatsführung gegen die Wirtschaftskrise?

Um die Schuldenspirale aufzuhalten, wurden Importe gedrosselt und alles exportiert, was sich irgendwie verkaufen ließ. Investitionen in Produktionsanlagen und sonstige Infrastruktur wurden immer wieder verschoben. Die Arbeitsproduktivität sank, aber Partei- und Staatschef Honecker schwelgte bis zuletzt in der vermeintlichen Überlegenheit des sozialistischen Wirtschaftssystems.

Was war „Erichs Krönung“?

„Erichs Krönung“ war in der DDR der Spottname für den sogenannten „Kaffee-Mix“. Ihn erfanden die Planwirtschaftsstrategen Mitte der 70er-Jahre, um angesichts stark gestiegener Weltmarktpreise für Kaffee Devisen zu sparen: Der teure Bohnenkaffee aus Übersee wurde mit Malzkaffee, Erbsenmehl und weiteren Ersatzstoffen gestreckt. Funktioniert hat das nicht: Die Bevölkerung lehnte das Gebräu mehrheitlich und protestierend ab.

Warum war die ostdeutsche Mikroelektronik nicht konkurrenzfähig?

Der Entschluss zum eigenen Mikroelektronik-Programm kam viel zu spät. Mikrochips gab es bereits billig am Weltmarkt, die ostdeutsche Technik war nicht konkurrenzfähig und außerdem noch viel zu teuer. Um sie überhaupt exportieren zu können, musste der Staat noch Geld drauflegen. Das Projekt verschlang Milliarden an Entwicklungskosten und Subventionen, wodurch die Schulden- und Versorgungskrise der späten 80er noch verschärft wurde.

Wie hoch war die Staatsverschuldung am Ende der DDR?

Gerhard Schürer, der Chefplaner der DDR, bezifferte die Auslandsschulden 1989 in einer „Analyse der ökonomischen Lage der DDR mit Schlussfolgerungen“ auf 49 Milliarden D-Mark (etwa 26 Milliarden Dollar). Später relativierte die Deutsche Bundesbank diese Zahl, ihr zufolge seien es lediglich 19,9 Milliarden D-Mark gewesen.

Brach die DDR zusammen, weil sie pleite war?

Fachleute beantworten diese Frage heute mit Nein. Die Verschuldungsquote in Bezug zum Bruttoinlandsprodukt – also dem Gesamtwert aller im Inland produzierten Waren und Dienstleistungen, die für den Verbrauch bestimmt sind – lag späteren Berechnungen zufolge nur bei knapp 28 Prozent und damit niedriger als die der BRD (damals knapp 42 Prozent). Die Verschuldung trug zweifellos zum Zusammenbruch der DDR bei, aber als wesentlichere Faktoren gelten heute das allgemeine Scheitern der Zentralplanwirtschaft und deren Versorgungskrisen, der völlige Gesichtsverlust der überalterten Führungsriege und nicht zuletzt die veränderte weltpolitische Lage, die die Bevölkerung zur Friedlichen Revolution von 1989/90 ermutigte.

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