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Innerdeutsche Grenze

So wurde ein ganzes Volk eingesperrt!
Innerdeutsche Grenze
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Intro

Anfang der 50er-Jahre war Deutschland endgültig in Ost und West geteilt: die marktwirtschaftlich orientierte Bundesrepublik und die von den Sowjets kontrollierte DDR. Der Grenzzaun zwischen ihnen war bewacht, aber es gab genügend Schlupflöcher, durch die immer mehr Menschen von Ost nach West flohen. Das aber sollte sich schon bald ändern.

Kapitel 1: „Zu Ihrer eigenen Sicherheit!“

Es ist noch früher Morgen, als das kleine Altmark-Dorf nahe der deutsch-deutschen Grenze zu Niedersachsen jäh aus dem Schlaf gerissen wird. Lastwagen rumpeln über Kopfsteinpflaster, Fäuste wummern an Hoftore, Polizisten fordern lautstark Einlass. Erschrocken hastet die Bauersfrau aus der Küche, ruft nach ihrem Mann, der gerade die Schweine füttert. Ihre Gedanken überschlagen sich: Sind die Gerüchte, die seit ein paar Tagen herumgehen, am Ende doch wahr? Diese Gerüchte, dass ganze Familien aus den Grenzdörfern abtransportiert werden? Als die fremden Männer schließlich im Hof stehen, bricht der schlimmste Albtraum über das Ehepaar herein: „Packen Sie zusammen“, heißt es in barschem Ton. „Sie werden umgesiedelt! Zu Ihrer eigenen Sicherheit!“

Fragen werden nicht beantwortet. Es gibt keine Auskunft und keinen Ausweg für die verzweifelte Familie. Weinend hetzt die Frau durch die Zimmer des alten Bauernhauses, reißt Schranktüren auf, stopft wahllos Stiefel und Kindersachen in Säcke, wickelt Teller und Tassen in Bettlaken, hüllt die Familienfotos in einen Kopfkissenbezug. Draußen fliegen Kisten und Koffer im hohen Bogen auf die Ladefläche. Es klirrt und scheppert. Und ein flüchtiger Blick aus dem Fenster offenbart: Sie sind nicht die einzigen Dorfbewohner, die heute aus ihrem bisherigen Leben gerissen werden.

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Kapitel 2: Die „Aktion Ungeziefer“

Im Mai 1952 hatte die Partei- und Staatsführung der DDR beschlossen, die Grenze zur Bundesrepublik Deutschland komplett dichtzumachen. Die Machthaber sahen keine andere Möglichkeit mehr, die eigene Bevölkerung im Staat zu halten. Und die ersten, die das zu spüren bekamen, waren die Menschen in den Dörfern entlang der Grenze selbst. Für sie änderte sich innerhalb weniger Wochen alles. Es war nicht nur der Stacheldraht, der plötzlich mitten durch bestellte Felder und quer über Landstraßen gezogen wurde. Der Ausbau der Grenze sollte ganze Dörfer verschlingen. Und auch in den Orten im Grenzgebiet, die nicht einfach abgerissen wurden, verloren viele Familien Haus, Hof und Heimat.

Betroffen waren Menschen, die in den Augen der DDR-Machthaber als „politisch unzuverlässig“ galten – zum Beispiel weil von ihnen zu befürchten war, dass sie ihre Ortskenntnis dazu nutzen könnten, sich noch während des Grenzausbaus in den Westen abzusetzen. Es traf aber auch Bauern, die sich gegen die Kollektivierung wehrten oder die einfach nur angeschwärzt worden waren. All diese Menschen wurden gegen ihren Willen ins Landesinnere der DDR „umgesiedelt“, wie es beschönigend hieß. Tatsächlich war es eine generalstabsmäßig organisierte Vertreibung, deren zynischer Tarnname sich nach der Wende in den Stasi-Unterlagen fand: „Aktion Ungeziefer“.

Kapitel 3: Ein Volk wird eingesperrt

Die 50er-Jahre. Sie waren die Zeit des Kalten Kriegs zwischen den Weltmächten USA und Sowjetunion. Es gab zwei deutsche Staaten; mit ihrer Gründung im Jahr 1949 war die deutsche Teilung zementiert worden. Im fernen Korea tobte ein Krieg, der im Westen die Furcht vor einem kommunistischen Vormarsch in Europa. Im Mai 1952 erklärten sich die drei Westmächte dazu bereit, die Bundesrepublik Deutschland als souveränen Staat anzuerkennen – was letztlich zum NATO-Beitritt der BRD führen sollte.

Für die SED-Parteispitze in Ost-Berlin war das eine schallende Ohrfeige – andererseits aber passte es gut in das Bild, das die DDR-Machthaber ihrer Bevölkerung vorgaukelten. Sie behaupteten, dass der aufstrebende Arbeiter- und Bauernstaat nun erst recht vor „feindlichen und kriminellen Elementen“ aus dem Westen geschützt werden müsse – durch einen „antifaschistischen Schutzwall“! In Wirklichkeit war es genau umgekehrt: Der Staat sollte davor bewahrt werden, dass ihm die Arbeiter und Bauern wegliefen! Denn die Abstimmung mit den Füßen nahm immer größere Ausmaße an. Es war nicht nur der Wunsch nach Freiheit, der die DDR-Bürger in den Westen zog. Es waren ganz profan auch die weitaus besseren Lebensbedingungen in der BRD. Dort nahm die Marktwirtschaft allmählich Fahrt auf, die West-Industrie suchte Fachkräfte und ließ sie auch, wenn nötig, gezielt aus der DDR abwerben. Dort fehlten sie dann natürlich. Also musste diese massenhafte „Republikflucht“ endlich gestoppt werden! Und zwar dadurch, dass man die Staatsgrenze undurchlässig machte  – koste es, was es wolle ...

Gesagt, getan. Von der Ostseeküste bis zum Erzgebirge wurden Betonpfosten in den Boden gerammt, doppelte Stacheldrahtzäune gezogen, Fahrwege angelegt, Wachtürme errichtet. Das Eisen und der Zement fehlten im Wohnungsbau, aber der „antifaschistische Schutzwall“ war schließlich wichtiger. Später kam sogenanntes Streckmetall zum Einsatz: engmaschige Gitterzaunfelder, die sich weder überklettern noch aufschneiden ließen. Davor wurde ein zehn Meter breiter sogenannter Kontrollstreifen komplett gerodet, damit sich niemand unbemerkt dem Zaun nähern konnte. Dörfer, die im Grenzverlauf lagen, wurden dem Erdboden gleichgemacht. Und auf der gesamten Länge dieses Bollwerks, fast 1400 Kilometer vom Nordwesten bis zum Südosten der DDR, wurde ein fünf Kilometer breiter Streifen Land zum „Sperrgebiet“ erklärt. In diese Sperrzone durfte nur hinein, wer einen Passierschein vorweisen konnte – also ein handverlesener Personenkreis, der penibel überprüft wurde.

War das Problem der massenhaften „Republikflucht“ damit nun aus der Welt geschafft? Nein, nicht wirklich ...

Kapitel 4: Der Mauerbau

Auch wenn der DDR-Staat alle Kräfte in die Befestigung seiner Grenze steckte: Genau diese löste nochmals eine regelrechte Massenflucht aus. Der Ausweg für die meisten hieß nun: West-Berlin! Die geteilte, von vier Mächten kontrollierte Stadt mitten in der DDR war das letzte Schlupfloch im Eisernen Vorhang; der letzte Weg, um in den Westen zu gelangen. Denn noch konnten DDR-Bürger die Sektorengrenzen der Viermächtestadt nahezu ungehindert passieren. Das änderte sich schlagartig am 13. August 1961: In der Nacht vom 12. auf den 13. August begannen DDR-Polizisten damit, Straßen zu sperren, Stacheldraht zu verlegen, Asphalt aufzureißen und Hauseingänge zuzubetonieren. Die Grenzübergangsstellen zwischen Ost- und West-Berlin und um West-Berlin herum wurden abgeriegelt. Stein für Stein wurde die Mauer hochgezogen. Dafür hatte Partei- und Staatschef Walter Ulbricht bereits seit Wochen an strategisch günstigen Stellen Zement und Baumaterial horten lassen. Dabei hatte er stets abgestritten, dass es zum Bau einer Mauer kommen würde! In einer Pressekonferenz sagte er: „Niemand hat die Absicht, eine Mauer zu errichten!“ Eine dreiste Lüge. Die Berliner Mauer, die doch angeblich nie beabsichtigt war, sollte 28 Jahre Berlin teilen. Sie wurde weltweit zum Symbol für den Kalten Krieg. Denn sie stand für eine Diktatur, die ihrer eigenen Bevölkerung so sehr misstraute, dass sie sie einfach einsperrte.

Kapitel 5: Tödliche Grenze

Einige Monate später führte die DDR die allgemeine Wehrpflicht ein. Bis zu 40.000 Grenzsoldaten der Nationalen Volksarmee (NVA) hatten den offiziellen Auftrag, „jede Flucht zu verhindern“ – auch unter Einsatz der Schusswaffe! Aber noch immer nahmen DDR-Bürger und -Bürgerinnen das Risiko auf sich. Sie versuchten es über die Ostsee und auf dem Luftweg, ließen sich in Autos durch die Grenzkontrollen schmuggeln oder gruben Tunnel unter den Grenzanlagen hindurch. Knapp 3,8 Millionen Menschen schafften es tatsächlich. 

Und die Staatsmacht? Die verschwendete keinen Gedanken darauf, dass vielleicht diese oder jene Reform viel besser geeignet sein könnte, die Bevölkerung im Land zu halten. Nein, sie baute stattdessen immer mehr tödliche Fallen in die Grenzanlagen ein. Signaldrähte wurden gezogen, Minen gelegt, Selbstschussanlagen installiert. Mit Todesstreifen und Schießbefehl nahm die DDR-Führung den Tod beim Fluchtversuch wissentlich in Kauf. 1968 wurde die „Republikflucht“ zur Straftat erklärt und mit Zuchthaus belegt – der schwersten Form des DDR-Strafvollzugs. Bis Ende 1989 sollten mehr als 300 Menschen an der innerdeutschen Grenze und weitere mindestens 140 an der Berliner Mauer den Tod finden – durch Schüsse, Tretminen oder unterlassene Hilfeleistung. Die Untersuchung der Todesfälle oblag der Stasi, und die vertuschte die Verbrechen, wo es nur ging. Die Angehörigen der Todesopfer wurden verhört und eingeschüchtert. Oft bekamen sie nur die lapidare Auskunft, dass der Verstorbene durch eine angeblich „selbstverschuldete Grenzprovokation ums Leben gekommen“ sei.

Der offizielle Sprech für dieses tödliche Grenzregime lautete: „Sicherung des Friedens am antifaschistischen Schutzwall“. Warum aber waren dann all diese „Sicherungsanlagen“ nach innen gerichtet, und warum ließ die Partei- und Staatsführung auf die eigenen Bürger schießen? Das fragten sich wohl viele Menschen in der DDR hinter vorgehaltener Hand. Die Jugend indessen wuchs damit auf – eingezwängt in ein Bildungssystem, das keine abweichende Meinung zuließ. Und das schon von Kindesbeinen an.

Zusammenfassung 

  • 1952 begann die Partei- und Staatsführung der DDR mit dem massiven Ausbau der Grenze zur Bundesrepublik. Sie war fast 1400 Kilometer lang und reichte von der Lübecker Bucht bis zur tschechisch-bayerischen Grenze. 

  • Im Zuge der Grenzbefestigung wurden Tausende Menschen zwangsweise ins Landesinnere umgesiedelt. Die erste Vertreibungswelle wurde in Stasi-Kreisen zynisch „Aktion Ungeziefer“ genannt. 

  • Nach und nach wurde die innerdeutsche Grenze technisch ausgebaut und mit tödlichen Fallen bestückt. Dazu zählten Tretminen, Signaldrähte und Selbstschussanlagen. Die Grenztruppen hatten Befehl, auch die Schusswaffe gegen Flüchtende einzusetzen. 

  • Am 13. August 1961 ließ der DDR-Partei- und Staatschef Walter Ulbricht die Sektorengrenze nach Westberlin abriegeln. Der Bau der Berliner Mauer begann.

  • Bis Ende 1989 sollten mehr als 300 Menschen an der innerdeutschen Grenze und weitere mindestens 140 an der Berliner Mauer den Tod finden.

Teste dein Wissen im Quiz

  1. Welche Länge hatte die innerdeutsche Grenze (ohne Berliner Mauer)?
    1. A) Gut 2.400 Kilometer
    2. B) 140 Kilometer 
    3. C) Knapp 1.400 Kilometer
    4. D) 10.000 Kilometer
  2. Wie wurde in Stasi-Kreisen die organisierte Zwangsumsiedlung Tausender Menschen im Zuge des Grenzausbaus 1952 genannt?
    1. A) „Operation Lüttich“
    2. B) „Unternehmen Potsdam“
    3. C) „Aktion Rose“ 
    4. D) „Aktion Ungeziefer“
  3. Wie nannte die DDR-Staatsmacht in ihrer Propagandasprache die innerdeutsche Grenze?
    1. A) „Rote Linie“
    2. B) „Antifaschistischer Schutzwall“
    3. C) „Grünes Band“
    4. D) „Weißwurst-Äquator“
  4. An welchem Tag begann der Berliner Mauerbau? 
    1. A) Am 13. August 1961
    2. B) Am 7. Oktober 1949
    3. C) Am 17. Juni 1953
    4. D) Am 20. Februar 1967
  5. Warum konnten DDR-Bürger noch bis in den August 1961 hinein via Berlin in den Westen flüchten, obwohl die innerdeutsche Grenze doch schon seit fast einem Jahrzehnt abgeriegelt war?
    1. A) Weil in Berlin für die Deutsche Einheit geprobt wurde
    2. B) Weil die DDR überbevölkert war
    3. C) Weil Berlin dem Viermächtestatus unterstand
    4. D) Weil in Berlin die Grünen die absolute Mehrheit hatten

Richtige Antworten: 
1. C) Knapp 1.400 Kilometer 
2. D) „Aktion Ungeziefer“ 
3. B) „Antifaschistischer Schutzwall“
4. A) Am 13. August 1961 
5. C) Berlin unterstand dem Viermächtestatus.

FAQs

Wie lang war die Grenze zwischen Ost- und Westdeutschland?

Die innerdeutsche Grenze war knapp 1.400 Kilometer lang. Sie reichte von der Lübecker Bucht im Norden bis zum Dreiländereck Sachsen-Bayern-Tschechien.

Wie nannte die DDR-Staatsmacht in ihrer Propagandasprache die innerdeutsche Grenze?

Die DDR-Staatsmacht nannte die innerdeutsche Grenze den „antifaschistischen Schutzwall“.

Wie wurde die innerdeutsche Grenze gesichert?

Die Grenzbefestigungen bestanden zunächst aus doppelten Stacheldrahtzäunen, später wurden engmaschige Metallgitter und Stahlbeton eingesetzt. Unmittelbar an den Zäunen wurde jede Vegetation gerodet, damit sich niemand unbeobachtet nähern konnte. Hinzu kam ein sogenanntes Grenzsperrgebiet, das fünf Kilometer weit ins Landesinnere reichte. Es durfte nur mit besonderer Genehmigung der DDR-Behörden betreten werden.

Was waren die Todesstreifen?

Von den 60er-Jahren an wurde die innerdeutsche Grenze technisch ausgebaut und mit tödlichen Fallen bestückt. Dazu zählten Tretminen, Signaldrähte und Selbstschussanlagen. Der Tod sogenannter „Republikflüchtiger“ wurde wissentlich in Kauf genommen. Die Grenztruppen hatten Befehl, auch die Schusswaffe gegen Flüchtende einzusetzen.

Was war die „Aktion Ungeziefer“?

Im Zuge des Grenzausbaus ab 1952 organisierte die DDR-Führung eine großangelegte Zwangsaus- und -umsiedlung von Menschen, die im Grenzgebiet wohnten und verdächtigt wurden, politisch „unzuverlässig“ oder gar systemkritisch eingestellt zu sein. Diese Einschätzung erfolgte willkürlich, oft waren die Betroffenen auch einfach von Nachbarn angeschwärzt worden. Nach dem Mauerfall kam an die Öffentlichkeit, wie die Zwangsumsiedlung in Stasi-Kreisen zynisch genannt wurde: „Aktion Ungeziefer“. Parallel dazu gab es noch die Bezeichnung „Aktion Grenze“ und später (1961) weitere Zwangsaussiedlungen. Für sie kursierten Tarnnamen wie „Aktion Festigung“, „Aktion Kornblume“ oder „Aktion Frische Luft“.

Wie viele DDR-Bürger wurden im Zuge der Grenzbefestigung ab 1952 zwangsweise umgesiedelt?

Die Geschichtswissenschaft schätzt die Zahl der zwangsausgesiedelten DDR-Bürger auf elf- bis zwölftausend. Wohin sie gebracht wurden, erfuhren die Betroffenen erst bei ihrer Ankunft am zugewiesenen Wohnort. Den dortigen Bewohnern wurde erzählt, es handele sich um „Kriminelle“. Damit sollte der politische Hintergrund der Zwangsaussiedlungen vertuscht werden.

Wann begann der Berliner Mauerbau?

Am 13. August 1961 ließ der DDR-Partei- und Staatschef Walter Ulbricht die Sektorengrenze nach Westberlin abriegeln und mit dem Bau der Berliner Mauer beginnen.

Warum konnten DDR-Bürger noch bis in den August 1961 hinein via Berlin in den Westen flüchten?

Anders als die vier Besatzungszonen hatte Berlin nach dem Zweiten Weltkrieg einen Sonderstatus bekommen: den Viermächtestatus. Er sicherte allen Besatzungsmächten den ungehinderten Zugang in alle vier Sektoren der Stadt zu und sollte bis zum Abschluss eines formalen Friedensvertrags mit Deutschland gelten. Auch die Berliner und DDR-Bürger aus dem Umland durfte die innerstädtischen Grenzübergänge benutzen. Viele nutzten dies auch, um in Westberlin zu arbeiten und „harte“ D-Mark zu verdienen, die im Osten ein Mehrfaches an Wert hatte. Umgekehrt fuhren Westberliner in den Osten, um billig einzukaufen oder in Restaurants zu speisen.

Wie kam es zum Mauerbau in Berlin?

Der sowjetische Staatschef Nikita Chruschtschow forderte ab November 1958 ultimativ den Abzug der Westmächte aus Berlin, die völkerrechtliche Anerkennung der DDR und den Abschluss des ausstehenden Friedensvertrags. Die USA und ihre Verbündeten stellten klar, dass sie Westberlin unter keinen Umständen aufgeben würden. Die Streitigkeiten zogen sich bis Mitte 1961 hin. Währenddessen drängte DDR-Staatschef Walter Ulbricht angesichts der ungebrochenen Massenflucht bei Chruschtschow darauf, die Grenzen nach West-Berlin abzuriegeln. Chruschtschow hatte das Ansinnen stets abgelehnt, weil er ja ganz Berlin unter sowjetische Oberhoheit stellen wollte. Eine Schließung der Sektorengrenze wäre vor diesem Hintergrund einem Offenbarungseid gleichgekommen. Aber als sein Berlin-Ultimatum wirkungslos blieb, gab er grünes Licht.

Wie viele Todesopfer hat es an der innerdeutschen Grenze gegeben?

Der Forschungsverbund SED-Staat veröffentlichte 2017 unter dem Titel „Die Todesopfer des DDR-Grenzregimes an der innerdeutschen Grenze“ eine Dokumentation, in der die Lebensgeschichten und Todesumstände von 327 Männern, Frauen und Kindern nachzulesen sind. Die meisten von ihnen kamen durch Schüsse sowjetischer Bewacher und DDR-Grenzpolizisten bzw. ab 1961 der NVA-Grenztruppen ums Leben. Das jüngste in der Doku genannte Opfer war erst sechs Monate alt; das Baby erstickte im Kofferraum eines Fluchtautos. Die Zahl der recherchierten und letztlich bestätigten Verdachtsfälle liegt indessen weitaus höher; der Forschungsverbund geht hierbei von 803 Todesfällen aus, die „räumlich“ oder „kausal“ im Zusammenhang mit dem DDR-Grenzregime standen. Die Studie wurde nach ihrer Veröffentlichung kontrovers diskutiert; unter anderem deshalb, weil die Forschenden auch Todesfälle mit einrechneten, die nach Ansicht der Kritiker von den tatsächlichen Fluchtfällen zu unterscheiden seien. Dazu gehören etwa erschossene Schmuggler in den Fünfzigerjahren (sie habe es in dieser Zeit auch an der Westgrenze der BRD gegeben) oder Selbstmorde von Grenzbewachern.

Wo kann man Teile der innerdeutschen Grenze noch besichtigen?

An einigen Orten entlang der ehemaligen innerdeutschen Grenze haben ehrenamtliche Initiativen Reste der ehemaligen Grenzbefestigungen erhalten, so etwa im Harz oder in Thüringen. Museale Einrichtungen gibt es unter anderem im bayerischen Mödlareuth oder am ehemaligen Grenzübergang Marienborn in Helmstedt (Niedersachsen).

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