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Der Untergang des Hauses Usher

Der Meister des Unheimlichen
Horror Haus im Stil der schwarzen Romantik mit Grabsteinen im Vorgarten. Fledermäuse sind in der Luft und im Haus scheint Licht.
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Inhalte

Intro

Wie kaum ein anderer lässt der US-amerikanische Autor Edgar Allan Poe seine Figuren an ihrem Verstand zweifeln und dann langsam, aber sicher verrückt werden. In dieser Story erfährst du, was Poes wohl berühmteste Kurzgeschichte so besonders unheimlich macht.

Kapitel 1: Ein rätselhafter Patient

Der Mann wirkt verwahrlost. Verwirrt läuft er durch die Straßen von Baltimore. Ist er betrunken? Oder krank? Die meisten Passanten machen einen großen Bogen um ihn, doch einer bleibt stehen und versucht zu helfen. Schließlich wird der verwirrte Mann in eine nahegelegene Klinik eingeliefert. Vergeblich versuchen die Ärzte herauszufinden, was dem Patienten fehlt. Der brabbelt nur unverständliches Zeug vor sich hin. Eines Nachts aber ruft er klar und deutlich: „Reynolds! Reynolds!“ Um wen oder was es sich bei diesem Reynolds handelt, ist allerdings nicht aus ihm herauszubekommen. Ein paar Stunden später ist der Mann tot. Seine letzten Worte lauten: „Gott, hilf meiner armen Seele.“ Ob er damit verzweifelt um Hilfe rief oder ob er sein Ende kommen sah? Die Antwort darauf hat der rätselhafte Patient mit ins Grab genommen.

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Kapitel 2: Bis an den Rand des Wahnsinns

Der verwirrte Mann, der am 3. Oktober 1849 ins Krankenhaus eingeliefert wurde und vier Tage später starb, war der erst 40-jährige Schriftsteller Edgar Allan Poe. Sein Tod ist mindestens so geheimnisvoll wie viele seiner Geschichten, mit denen er sich in den USA und weltweit einen Namen als Meister des Unheimlichen machte. Irgendjemand ist in Poes schauerlicher Welt immer dabei, an seiner Wahrnehmung zu zweifeln und seinen Verstand zu verlieren. Dazu bemerkte der Autor selbst: „Man behauptet von mir, ich sei wahnsinnig – aber es ist doch die Frage, ob der Wahnsinn nicht die höchste Stufe der Durchgeistigung ist.”

Wie unter einer Lupe betrachtet Poe in seinen Texten die Nachtseiten der menschlichen Seele. Stets lauert der Wahnsinn und droht das Verderben. Poe bediente sich nicht nur aus dem Motivschatz der Schwarzen Romantik, sondern schuf eine eigene literarische Form: die schaurige Kurzgeschichte. Oder auch Short Story, wie’s im Englischen heißt. Das Besondere: Poe konnte mit nur wenigen Zeilen eine bedrückende Atmosphäre erzeugen. Ständig scheint etwas Furchtbares bevorzustehen. Auf Schritt und Tritt begegnen uns Widersprüche und Ungereimtheiten. Das macht die Short Storys von Edgar Allan Poe nur schwer greifbar. Sie entziehen sich einer eindeutigen Interpretation, gleiten einem förmlich durch die Finger. Poe scheint uns zu fragen: Was glaubst du denn, was hier gerade passiert? Ein Paradebeispiel für Poes ganz eigenen Stil ist seine 1839 erschienene Kurzgeschichte „Der Untergang des Hauses Usher”.

Kapitel 3: Grässliche Gewissheit

Der namenlose Ich-Erzähler besucht seinen kranken Jugendfreund Roderick Usher, den letzten Spross eines alten Adelsgeschlechts. Roderick leidet unter Schwermut und einer Nervenkrankheit. Mit seiner Zwillingsschwester Madeline lebt er in einer Art Schloss, das einsam inmitten eines sumpfigen Weihers thront und deutliche Zeichen des Verfalls aufweist. Als der Erzähler sich dem Haus der Ushers nähert, empfindet er die trostlose Umgebung, vor allem aber den Anblick des Hauses, als bedrohlich. Drinnen trifft er Roderick in sehr schlechter Verfassung an: Er ist leichenblass, wirkt verstört, und seine Augen haben einen irren Glanz. Es handele sich um eine Erbkrankheit, erklärt er. Außerdem mache ihm zu schaffen, dass auch seine geliebte Schwester schwer erkrankt sei.

Und tatsächlich: Bereits am nächsten Morgen teilt Roderick seinem Freund mit, Madeline sei letzte Nacht gestorben. Gemeinsam legen sie die schöne junge Frau in einen Sarg und tragen ihn in eine enge, feuchtkalte Gruft. In den folgenden Tagen verschlechtert sich der Zustand des Gastgebers zusehends. Um ihn etwas aufzuheitern, liest sein Freund ihm eine Rittergeschichte vor. Doch aufmuntern kann das den verängstigten Roderick nicht. Im Gegenteil: Gequält von einem entsetzlichen Grauen erleidet er einen Anfall und stammelt wie im Wahn vor sich hin. Da wird seinem Freund klar, dass Roderick seine Schwester lebendig begraben hat. Und nur wenig später erscheint die totgeglaubte Madeline in ihrem blutigen Leichenhemd. Sterbend wirft sie sich auf ihren Bruder. Dieser erleidet dadurch einen Schock und stirbt ebenfalls. Voller Panik flüchtet der Ich-Erzähler aus dem unheilvollen Gemäuer. Als er sich ein letztes Mal umdreht, stürzt es vor seinen Augen ein und versinkt im tiefschwarzen Pfuhl. Bei Poe klingt das so: „Mein Geist erbebte, als ich jetzt die gewaltigen Mauern auseinanderbersten sah; es folgte ein langes, tosendes Krachen wie das Getöse von tausend Wasserfällen, und der tiefe und schwarze Teich zu meinen Füßen schloss sich finster und schweigend über den Trümmern des Hauses Usher.“

Kapitel 4: Ein Haus und eine Seele

Was für ein Finale! Ein Finale, das dem titelgebenden Charakter angemessen ist. Denn genau das ist dieses monströse Haus: ein Charakter. Seine Fenster starren „wie leere Augenhöhlen“, seine Gegenwart ist erdrückend. Die Bewohner und das Haus scheinen auf sonderbare Art miteinander verbunden zu sein. Wie ein und derselbe Organismus. Zunächst ist nicht klar, ob Roderick sich das alles nur einbildet. Dann aber sterben er und seine Schwester – und das Haus stirbt mit ihnen. So verweist Rodericks fortschreitender Verfall auf den Verfall der gesamten Familie Usher: Das Adelsgeschlecht verfällt. Das Wort „Haus” wird hier also bewusst doppeldeutig verwendet. Der Verfall kündigt sich dem Ich-Erzähler in mehrfacher Hinsicht an: Zum Beispiel wird bald klar, dass Geschlechtsverkehr unter nahen Verwandten bei den Ushers keine Seltenheit war. Auch Roderick und Madeline standen sich wohl näher als normale Geschwister. Doch es bleibt bei Andeutungen. Und wer sagt denn, dass der Ich-Erzähler mit seinen Beobachtungen und Schlussfolgerungen richtig liegt? Überhaupt: Was wissen wir eigentlich über ihn? Genau genommen nichts. Nicht einmal seinen Namen. Dass der Erzähler derart undurchsichtig ist, macht das Phänomen Usher nur umso geheimnisvoller. Typisch Poe: Es könnte so sein, aber vielleicht ist alles auch ganz anders.

Kapitel 5: Lauter schöne, tote Frauen

Der Tod einer schönen Frau, fand Edgar Allan Poe, sei ohne Zweifel das poetischste Thema der Welt. Man muss schon sagen: Der Mann hatte eine makabre Vorstellung von Poesie. Doch die kam nicht von ungefähr. Als Dreijähriger verlor er seine leibliche Mutter an die Tuberkulose, als Jugendlicher starb auch seine Pflegemutter. Die Folge war eine tiefe Depression. Wie verzweifelt muss Poe also gewesen sein, als sich seine Ehefrau Virginia ebenfalls mit Tuberkulose infizierte, mit dieser damals noch unheilbaren Lungenkrankheit. Eine qualvolle Leidenszeit begann. Und Poe versuchte, seinen Schmerz immer öfter mit Alkohol zu betäuben. So wurde er nicht nur immer gebrechlicher, sondern auch unberechenbar.

In dem Gedicht „Annabel Lee”, das kurz nach seinem eigenen Tod erschien, hat er sich mit dem frühen Lebensende seiner Frau Virginia auseinandergesetzt. Es liest sich fast wie „Dornröschen” – nur ohne Happy End: Die schöne Annabel Lee ist tot, aber sie kann niemand wachküssen. Nicht mal ein Prinz. Es bleibt nur der nächtliche Traum, um der toten Geliebten nah zu sein. Auch Poes Erzählungen wie „Der Untergang des Hauses Usher” erinnern an das Finstere der Grimm’schen Märchen.

Und der mysteriöse Tod des Autors? Der schwarzromantische Edgar Allan Poe, der im Oktober 1849 bitterarm unter ungeklärten Umständen in Baltimore starb, hätte sich sein eigenes Ende kaum besser ausdenken können.

Ziemlich lebendig, wenn auch düster und alles andere als moralisch geht es hingegen in den Gedichten zu, die der französische Lyriker und Poe-Übersetzer Charles Baudelaire 1857 in seinem Sammelband „Die Blumen des Bösen“ zusammenfasste. Dafür landete er sogar vor Gericht …

Zusammenfassung

  • Der US-amerikanische Autor Edgar Allan Poe ist vor allem für seine schaurigen Kurzgeschichten (Short Stories) bekannt. Er hat diese literarische Form entscheidend geprägt. 

  • Wie mit einer Lupe erforscht der Schwarzromantiker Edgar Allan Poe die Nachtseiten der menschlichen Seele. Viele seiner Figuren zweifeln an ihrer Wahrnehmung und verlieren den Verstand. So auch die englische Hauptfigur in seiner berühmten Schauergeschichte „Der Untergang des Hauses Usher” (Originaltitel: „The Fall of the House of Usher“).

  • Im Mittelpunkt dieser phantastischen Geschichte steht die geistige Zerrüttung des Adligen Roderick Usher, der an Schwermut und einer offenbar erblichen Nervenkrankheit leidet. Sein Verfall und Tod spiegeln sich im Verfall und Untergang des Hauses wider. Das Haus steht dabei sowohl für das reale Haus der Familie als auch für das Adelsgeschlecht: das „Haus Usher”. 

  • „Der Untergang des Hauses Usher” greift Aspekte auf, die Poe selbst stark beeinflusst haben, darunter der Tod junger Frauen: Als Kind verlor er seine leibliche Mutter, als Jugendlicher seine Pflegemutter und schließlich seine erst 24-jährige Ehefrau. 

  • „Der Untergang des Hauses Usher” erschien 1839 in „Burton’s Gentleman’s Magazine“ und wurde 1861 erstmals ins Deutsche übersetzt.

  • Weitere bekannte Horrorgeschichten von Poe sind „Der Rabe“ (Versdichtung, 1845), „Das verräterische Herz“ (1843) „Die Maske des Roten Todes“ (1842), und „Der Doppelmord in der Rue Morgue“ (1841) sowie „Phantastische Erzählungen“ (1832−1839).

Teste dein Wissen im Quiz

  1. Wer schrieb die Kurzgeschichte „Der Untergang des Hauses Usher”?
    1. A) E.T.A. Hoffmann
    2. B) Mary Shelley
    3. C) Charles Baudelaire
    4. D) Edgar Allan Poe 
  2. Woran leidet der Adlige Roderick Usher in Edgar Allan Poes Geschichte „Der Untergang des Hauses Usher”?
    1. A) An einer Herzkrankheit
    2. B) An einer Nervenkrankheit
    3. C) An Pocken
    4. D) An Langeweile
  3. Was geschieht mit Rodericks Zwillingsschwester Madeline in Edgar Allan Poes Geschichte „Der Untergang des Hauses Usher”?
    1. A) Sie wird lebendig begraben
    2. B) Sie wird nach Deutschland entführt
    3. C) Sie brennt mit einem Geliebten durch
    4. D) Sie verschwindet spurlos
  4. Welche literarische Form hat Edgar Allan Poe geprägt? 
    1. A) Das Hörbuch
    2. B) Das Hörspiel
    3. C) Die Kurzgeschichte (Short Story)
    4. D) Die Meistererzählungen
  5. Worin versinkt das Haus Usher in Allan Poes Kurzgeschichte?
    1. A) Im Meer
    2. B) In Treibsand
    3. C) In der Erde
    4. D) Im Teich

Richtige Antworten: 
1. D) Edgar Allan Poe 
2. B) An einer Nervenkrankheit
3. A) Sie wird lebendig begraben
4. C) Die Kurzgeschichte (Short Story)
5. D) Im Teich

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