Im Frühjahr 1848 standen alle Zeichen auf Revolution. Ihre Zutaten waren Bevölkerungsexplosion und Verarmung, Missernten und Hungersnöte im einfachen Volk sowie die Unzufriedenheit des Bürgertums in den Staaten des Deutschen Bundes. Die Märzrevolution 1848 beendete die Epoche des Vormärz in der deutschen Geschichte und leitete zur Frankfurter Nationalversammlung über. Aber: Erfolgreich war diese Revolution nur zu Beginn. Was schief ging, erfährst du in dieser Story.
Seit Tagen summt Berlin wie ein riesiger Bienenstock. Demonstrationszüge formieren sich und werden von Soldaten aufgelöst, deren Truppenstärke stetig ansteigt. In den Ausflugslokalen wird aufgeregt über die sensationellen Nachrichten diskutiert, die aus Westen und Süden nach Berlin hereinbranden: Frankreich ist wieder eine Republik, König Louis-Philippe ist entthront! In Wien haben sie den verhassten Fürsten von Metternich aus dem Amt gejagt, und auch in vielen anderen Ländern begehren die Volksmassen gegen ihre Herrscher auf. Die größte Neuigkeit aber kommt direkt aus dem Berliner Schloss: Der König will die Pressezensur aufheben und gibt bekannt, dass er die Zukunft Preußens in einem einigen Deutschland mit einer Verfassung sieht! Die Berliner sind hin- und hergerissen – halb ungläubig, halb begeistert: Gehen nun alle Wünsche nach Einheit, Freiheit und demokratischen Rechten in Erfüllung, und das sogar auf friedlichem Wege?
Was ihren König wirklich umtreibt und wie blutig der Kampf noch werden wird, das können die Berliner am Morgen des 18. März 1848 noch nicht einmal ahnen.
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Jetzt runterladen!All die aufrührerischen Ideen, die in den Köpfen der deutschen Untertanen herumspukten, raubten dem König von Preußen den Schlaf. Seit dem Wiener Kongress, der Gründung des Deutschen Bundes und dem Wartburgfest hatte sich das undankbare Volk immer wieder zusammengerottet, hatte unverschämte Schriften gegen die gottgewollte Ordnung verbreitet und angebliche Volksfeste wie das Hambacher Fest veranstaltet, auf denen in Wahrheit Verrat und Aufruhr tobten. Nur den wachsamen Polizeibehörden des Fürsten von Metternich war es zu verdanken, dass Ruhe und Ordnung bisher noch jedes Mal wiederhergestellt werden konnten! Aber − würde das auch in Zukunft so bleiben? In die Fürstenschlösser und Königspaläste schlich sich allmählich die Angst vor dem Umsturz.
Und es gab auch allen Grund dazu. Denn große Teile des Volkes hungerten. Seit Anfang des Jahrhunderts war die Bevölkerungszahl in Europa buchstäblich explodiert, während die wirtschaftliche Entwicklung nur langsam vorankam. Mit der beginnenden Industrialisierung gingen wiederum viele Arbeitsplätze in Handwerk und Kleingewerbe verloren. Die Menschen zogen massenhaft in Städte, die ihnen zunächst weder ausreichend Arbeitsplätze noch bezahlbaren Wohnraum bieten konnten. Und fanden die Ankömmlinge doch Arbeit, dann nur unter menschenunwürdigen Bedingungen.
Diese Situation wurde auch noch durch eine Serie von schlechten Ernten verschärft. Grundnahrungsmittel wie Kartoffeln und Brotgetreide wurden knapp und damit drastisch teurer. Es kam zu einer Verarmung der Massen, die als Pauperismus bezeichnet wird. Immer mehr Menschen konnten sich kaum mehr das Notwendigste zum Leben kaufen. Es war auch diese bittere Not, die die Spannungen zwischen Arm und Reich immer weiter verschärfte und bei den Herrschern Ängste vor einer Revolution schürte. Als eine verheerende Dürre im Sommer 1846 nahezu die gesamte Ernte vernichtete, wuchs sich die Nahrungsmittelkrise zu einer europaweiten Hungerkatastrophe aus.
Und dann, im Februar 1848, jagten die Franzosen ihren König Louis-Philippe I. davon.
Erneut war es also – nach der Französischen Revolution von 1789 – eine Revolution in Frankreich, die wie der Funkenregen eines Flächenbrandes in ganz Europa lauter weitere Feuer entzündete. Auch in den deutschen Staaten wurden nun die Rufe nach nationaler Einheit und bürgerlichen Grundrechten lauter denn je. Aber die deutschen Revolutionäre hatten ein grundlegendes Problem, und das lag genau in jener Kleinstaaterei begründet, die sie ja durch eine gesamtdeutsche Verfassung auf politischem Wege beseitigen wollten. Die Franzosen hatten es vergleichsweise einfach gehabt: Sie brauchten nur einen Regierungssitz zu stürmen. Im Deutschen Bund gab es aber rund 40 davon – und so zersplittert wie das Land war auch die deutsche Revolutionsbewegung, die in Baden und anderen Ländern im Südwesten ihre ersten Protestversammlungen abhielt. Die bürgerlichen Kreise lehnten jede Gewalt ab und gaben sich vielerorts mit Zugeständnissen der Fürsten zufrieden. Damit gingen sie auf Abstand zu den Land- und Fabrikarbeitern, die ihre erbärmliche Lage nicht nur den Fürsten, sondern auch den Großgrundbesitzern und Industriellen anlasteten. Die Wut der verarmten Kleinbauern richtete sich vor allem gegen die herrschaftlichen Verwaltungen, denn von diesen wurden Zinsen und Steuern ohne Rücksicht auf die Not der Familien eingetrieben. Wütende Dorfbewohner stürmten die Amtshäuser ihrer Gutsherren und verbrannten Berge von Akten, Schuldscheinen und Besitzurkunden – als könnten sie damit die erdrückenden Abgabenlasten ein für alle Mal von sich werfen.
Liberale und demokratisch gesinnte Bürger griffen unterdessen zu Feder und Tinte und brachten ihre Forderungen fein säuberlich zu Papier.
Im Frühjahr 1848 formulierte eine Volksversammlung im badischen Mannheim die Eckpunkte eines Programms, das rasch in den anderen Teilstaaten des Deutschen Bundes aufgegriffen und ergänzt wurde. Bald kursierten mehrere Versionen, die in den wichtigsten Punkten übereinstimmten: Pressefreiheit, Bürgerrechte sowie ein deutscher Nationalstaat mit einer Nationalversammlung und einer zwischen Herrschern und Volksvertretern vereinbarten Reichsverfassung. Und: Das Militär sollte nicht mehr den Fürsten und Königen, sondern dem Volk verpflichtet sein!
Die Umsetzung dieser Märzforderungen hätte unterm Strich das Ende der herrschaftlichen Allmacht in den deutschen Einzelstaaten bedeutet. Also machten die Fürsten kleinere Zugeständnisse, um die Wogen zu glätten, Aufstände zu vermeiden und die Zügel weiterhin in den eigenen Händen zu behalten.
Am 13. März aber, am Ende eines weiteren grausamen Hungerwinters, brach in Österreichs Hauptstadt Wien ein Volksaufstand los. Er fegte den verhassten Staatskanzler Metternich aus dem Amt − und zog seine Kreise bis in die preußische Hauptstadt Berlin.
König Friedrich Wilhelm IV. galt bei seinen Untertanen als durchaus fortschrittlich. So hatte er die Zensur gelockert, das Turnverbot aufgehoben und einigen prominenten Revolutionären wieder zu Amt und Würden verholfen. Nur die Forderung nach einer mit Volksvertretern vereinbarten Verfassung wies er empört zurück. Am 18. März 1848 aber schien der Preußenkönig seine Meinung geändert zu haben. So war es zumindest der königlichen Bekanntmachung zu entnehmen, die am Morgen überall in der Stadt aushing und die Berliner in freudige Aufregung versetzte.
Gegen Mittag begann sich vor dem Berliner Schloss eine riesige Menschenmenge zu versammeln. Die Stimmung hätte man fast schon festlich nennen können – wären da nicht die vielen Soldaten gewesen. Sie waren seit Tagen im Alarmzustand und entsprechend nervös. Das übertrug sich auf die Menge. Rufe wurden laut: „Militär zurück!“ Plötzlich fielen zwei Schüsse − irgendwo am Rande des Geschehens, vermutlich nur aufgrund eines Missverständnisses. Aber die Menge fühlte sich verraten – und in ganz Berlin brachen blutige Barrikadenkämpfe aus, die Hunderte Todesopfer forderten. Sie gingen als „Märzgefallene“ in die Revolutionsgeschichte ein.
Der preußische König lenkte ein und kommandierte die Truppen ab. Ja, er zog sogar den Hut vor den Särgen der Gefallenen! Wenige Tage später sorgte er für die nächste faustdicke Überraschung: Er ritt in den Farben Schwarz-Rot-Gold durch Berlin und erklärte, dass er sich ab sofort höchstpersönlich an die Spitze der deutschen Nationalbewegung setzen werde!
Die Revolutionäre fühlten sich als Sieger. Nun sollte ein frei gewähltes Parlament über die Zukunft des Deutschen Reiches entscheiden. Zum Versammlungsort wurde die Frankfurter Paulskirche auserkoren. Dort entschieden sich die gewählten Abgeordneten nach langen Debatten für ein Deutsches Reich ohne den Vielvölkerstaat Österreich – die sogenannte kleindeutsche Lösung – und eine konstitutionelle Monarchie – eine Gesellschaftsordnung, bei der die Regierung vom Monarchen ernannt und geleitet, aber von einem Parlament kontrolliert wird. Dies wurde in ein Grundgesetz gegossen, das als Paulskirchenverfassung in die deutsche Geschichte einging. Und nicht nur das. Dem König von Preußen wurde die Kaiserkrone angetragen. Er schien die Idealbesetzung für diese höchste Würde im Staat zu sein, weil er ja als so liberal galt. Würde sich mit seiner Proklamation zum Kaiser der Traum von der deutschen Einheit nun endlich erfüllen?
Nein, das würde er nicht. Denn die selbstzufriedenen bürgerlichen Revolutionäre ahnten nicht einmal, wie der Preußenkönig wirklich über die ganze Angelegenheit dachte! Er dachte nämlich überhaupt nicht daran, seine Macht mit Untertanen zu teilen. Die wiederum waren untereinander nicht so ganz einig über ihre Ziele. Und so kam es, wie es kommen musste: Im Oktober 1848 wurde die Revolution in Wien blutig beendet und einer der führenden Vertreter der republikanischen Idee hingerichtet. Sein Name war Robert Blum. Im November ließ der Preußenkönig die eigene Hauptstadt Berlin mit Truppen besetzen. Noch tagte die Nationalversammlung in der Paulskirche, aber die Tage der Deutschen Revolution waren bereits gezählt...
Zusammenfassung
Im Februar 1848 gab es in Frankreich eine neue Revolution, die mit der Ausrufung einer Republik endete. Die Februarrevolution wurde zum Zündfunken für Aufstände in mehreren Ländern Europas, darunter auch im Deutschen Bund.
Auslöser der Deutschen Revolution waren wirtschaftliche Probleme und Hungersnöte sowie die Unzufriedenheit der Bevölkerung mit dem starren politischen System.
Liberale und demokratisch gesinnte Bürger formulierten die sogenannten Märzforderungen. Die wichtigsten Punkte darin waren Pressefreiheit, Bürgerrechte sowie ein deutscher Nationalstaat mit einer vereinbarten Verfassung.
Die Revolution in den deutschen Ländern verlief wegen der Kleinstaaterei unter erschwerten Bedingungen. Erst als sich der König von Preußen offiziell an die Spitze der bürgerlichen Nationalbewegung setzte, schien das Ziel in greifbare Nähe zu rücken.
Friedrich Wilhelm IV. verfolgte allerdings andere Pläne. Seine Vorstellung von einem geeinten Deutschland war keineswegs eine konstitutionelle Monarchie.
Er meinte ein Reich nach dem Vorbild des ehemaligen Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation − mit einem Kaiser von Gottes Gnaden an der Spitze, den nur die Fürsten wählen durften.
Teste dein Wissen im Quiz
Richtige Antworten:
1. C) 1848
2. A) Frankreich
3. B) Märzforderungen
4. A) Preußen
5. C) Zwischen Wiener Kongress und Nationalversammlung in der Frankfurter Paulskirche