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Dolchstoßlegende

Eine Lüge, die bis heute nachwirkt
Auf dieser Karikatur über die Dolchstoßlegende sind zwei Männer in Anzügen zu sehen , die aggressiv aufeinander einwirken, während eine Gruppe von Menschen im Hintergrund zuschaut. Über der Szene steht der Text "Das bist Du, Du Schuft! Deutsche, denkt daran!".
Dolchstoßlegende
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Inhalte

Intro

Das Deutsche Reich hatte den Ersten Weltkrieg verloren und der Kaiser sich ins Exil abgesetzt. Der Grund für die deutsche Niederlage: Die Alliierten waren schlicht in der Überzahl. Und mit den bestens ausgerüsteten amerikanischen Truppen war der Sieg über die erschöpften deutschen Soldaten nur eine Frage der Zeit gewesen. Trotzdem sollte Paul von Hindenburg, der Chef der deutschen Truppen, nach Kriegsende eine ganz andere Geschichte verbreiten...

Kapitel 1: Waffenstillstand im Wald

Nasskalter Novembernebel liegt über der noch dunklen Waldlichtung. Doch als die Morgendämmerung einsetzt, wird ein riesiger Umriss sichtbar. An diesem stillen Ort wirkt er wie aus einer anderen Welt. Es ist aber weder ein aufgegebener Panzer noch das Bollwerk einer verlassenen Verteidigungsanlage. Nein, was dort im Wald bei Compiègne steht, ist ein Zugwaggon. Ein prunkvoller Salonwagen, der einst zu einem luxuriösen Zug gehörte und im Ersten Weltkrieg zum mobilen Büro des Oberkommandierenden der alliierten Streitmacht umgebaut worden war. In diesem Zugwaggon, der wie aus der Zeit gefallen scheint, wird im November 1918 Weltgeschichte geschrieben. Ferdinand Foch, Marschall von Frankreich und gemeinsamer Oberbefehlshaber der alliierten Armeen, ist gleichermaßen von Triumph und Hass erfüllt: Jetzt werden die Deutschen für ihre Schlachtereien in seinem Heimatland geradestehen. Deutschland soll sich nie wieder gegen Frankreich erheben! Etwas allerdings schmälert seine Genugtuung. Denn kein deutscher Militärvertreter ist entsandt worden, um den Waffenstillstand zu unterzeichnen, sondern „nur“ ein Staatssekretär: Matthias Erzberger, gerade einmal 43 Jahre alt. Aber sei’s drum: Viel können die Deutschen ohnehin nicht erreichen. Erzberger hat so gut wie keinen Verhandlungsspielraum und muss all die Demütigungen Fochs ertragen, die eigentlich Paul von Hindenburg gelten sollten. Generalfeldmarschall Hindenburg, dem Chef der Obersten Heeresleitung…

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Kapitel 2: Ein bitteres Eingeständnis

Am Morgen des 11. November 1918 unterzeichneten die beiden Vertreter Deutschlands und der Alliierten im Wald von Compiègne den Waffenstillstand – und ab elf Uhr schwiegen die Waffen. Endlich. Nach mehr als vier Jahren Krieg. „Der nationale Leidensweg nach Compiègne war das Schwerste und Bitterste, was mir in meiner amtlichen Tätigkeit auferlegt worden ist“, erinnerte sich Staatssekretär Matthias Erzberger später. Aber er musste ihn gehen, um das massenhafte Blutvergießen zu beenden. Die Oberste Heeresleitung (OHL) um Paul von Hindenburg und General Erich Ludendorff hingegen zog sich geschickt aus der Verantwortung, obwohl auch sie wusste, dass dieser Krieg nicht mehr zu gewinnen war. Denn bereits am 29. September 1918 hatte die OHL des Deutschen Kaiserreichs gegenüber Kaiser Wilhelm II. die Ausweglosigkeit der militärischen Lage eingestanden. Der Krieg sei nicht mehr zu gewinnen und sollte schnellstmöglich durch einen Waffenstillstand beendet werden. Die deutsche Admiralität war allerdings anderer Meinung. Sie wollte noch Ende Oktober Kriegsschiffe in die Schlacht schicken. Als in Wilhelmshaven Heizer und Matrosen den Auslaufbefehl verweigerten und die eigenen Offiziere festsetzten, begann die Novemberrevolution. Sie sollte die Monarchie im Deutschen Reich hinwegfegen und den Weg aus dem Militarismus hin zur Errichtung der ersten Demokratie auf deutschem Boden ebnen.

Aber noch war es nicht soweit in diesem letzten Kriegsjahr. US-Präsident Präsident Woodrow Wilson zeigte sich bereit, zwischen den verfeindeten europäischen Mächten zu vermitteln. Er stellte einen Forderungskatalog mit 14 Punkten zusammen. Danach sollte das Deutsche Reich umgehend die Kampfhandlungen einstellen, alle besetzten Gebiete einschließlich der Kolonien räumen, das Militär entmachten und nicht zuletzt die Demokratie im eigenen Land einführen. Und so kam es.

General Erich Ludendorff wurde abgesetzt, der deutsche Kaiser ins Exil geschickt und Staatssekretär Matthias Erzberger zu den Waffenstillstandsverhandlungen nach Frankreich entsandt. Als diese im November 1918 im Salonwagen von Compiègne begannen, hatte Erzberger gegenüber den Siegern allerdings ganz schlechte Karten. Er hatte kaum Spielraum für Verhandlungen, zumal er nur mit rangniederen Offizieren reden durfte. Marschall Foch selbst zog es vor, nicht mit den verhassten Deutschen zusammenzutreffen.

Kapitel 3: Schwarzer Peter

Paul von Hindenburg und seine militärischen Handlanger von der OHL taten unterdessen so, als ginge sie das alles nichts an. Sie übernahmen keinerlei Verantwortung für das jahrelange Abschlachten an den Fronten und schoben sie auf die Politik ab. Die Schuldfrage sollten andere beantworten. Und da Staatssekretär Matthias Erzberger den Waffenstillstand aushandelte, brauchte die Oberste Heeresleitung nicht einmal selbst zu kapitulieren.

Den Auflagen des Waffenstillstands mussten Hindenburg und Co. sich zwar beugen, doch persönlich gab Hindenburg sich nicht geschlagen. Er stellte bereits die Weichen für die Zukunft. Ein gutes Jahr nach Kriegsende setzte er vor einem parlamentarischen Untersuchungsausschuss der Weimarer Nationalversammlung eine teuflische Lüge in die Welt: die sogenannte Dolchstoßlegende. „Ein englischer General sagte mit Recht: Die deutsche Armee ist von hinten erdolcht worden. Den guten Kern des Heeres trifft keine Schuld. Wo die Schuld liegt, ist klar erwiesen.“ Das deutsche Heer sei im Felde unbesiegt und eigentlich auf dem besten Weg gewesen, den Krieg zu gewinnen. Schuld an der deutschen Niederlage, so Hindenburg, seien Kriegsgegner, SPD, Linke und überhaupt all die demokratischen Politiker mit ihrem Friedensgesuch! Sie seien dem deutschen Heer in den Rücken gefallen, ja, hätten ihm quasi von hinten einen Dolchstoß versetzt. Und auch das unmotivierte Bürgertum sei mitschuldig an der deutschen Niederlage, die hungernden Arbeiter und jammernden Frauen, die meuternden Matrosen und Novemberverbrecher – und natürlich auch die Juden! Sie alle zusammen stellten für den nationalistisch gesinnten Hindenburg den wahren Feind dar.

Hindenburgs Dolchstoßlüge war eine bewusste Täuschung der Öffentlichkeit. Schließlich war es die Oberste Heeresleitung unter Hindenburg selbst gewesen, die angesichts der sicheren Kriegsniederlage die Reichsregierung dazu veranlasst hatte, Waffenstillstandsverhandlungen aufzunehmen. Aber einmal ausgesprochen, zog die Mär vom Dolchstoß ihre Kreise; sie erschien in zahlreichen Zeitungen und war von nun an nicht mehr aus der Welt zu schaffen. Denn nun ging es nicht mehr um die militärische Niederlage des Deutschen Reichs, sondern um die Kriegsschuldfrage. Die Bedingungen für den Frieden, die der jungen Weimarer Republik von den Siegermächten wenig später im Versailler Vertrag diktiert wurden, sollten ein Übriges dazu tun. Die rechten Parteien, allen voran die deutschnationale DNVP und Hitlers NSDAP, sollten die Dolchstoßlegende keine 15 Jahre später aufs Neue befeuern und für ihre eigenen mörderischen Zwecke nutzen.

Zusammenfassung

  • Der Waffenstillstand von Compiègne wurde am 11. November 1918 von Franzosen, Briten und Deutschen unterzeichnet. Er brachte das Ende des Ersten Weltkriegs. Für Deutschland unterzeichnete der Staatssekretär Matthias Erzberger.

  • Zuvor hatten Abgeordnete US-Präsident Woodrow Wilson um Friedensverhandlungen gebeten. Woodrow hatte bereits einen Forderungskatalog mit 14 Punkten entworfen. Eine seiner Bedingungen: Deutschland müsse eine Demokratie werden.

  • Paul von Hindenburg setzte die sogenannte Dolchstoßlegende in die Welt. Die deutsche Armee sei im Felde unbesiegt geblieben, aber von Feinden aus der Heimat quasi hinterrücks erdolcht worden – von streikenden Arbeitern, Kriegsgegnern, Linken und Sozialdemokraten.  Mit dieser Falschaussage täuschte er bewusst die Öffentlichkeit.

  • Rechtsextreme Parteien, allen voran die NSDAP der Nationalsozialisten, sollten die „Dolchstoßlegende“ später für ihre Zwecke ausschlachten.

Teste dein Wissen im Quiz

  1. Der Waffenstillstand von Compiègne beendete den Ersten Weltkrieg. Wann wurde er unterzeichnet?
    1. A) Am 11. November 1918
    2. B) Am 24. Dezember 1923
    3. C) Am 11. Januar 1919
    4. D) Am 20. April 1921
  2. In welchem Land wurde der Waffenstillstand im Ersten Weltkrieg ausgehandelt und der Waffenstillstandsvertrag unterzeichnet?
    1. A) In Russland
    2. B) In Deutschland
    3. C) In Frankreich
    4. D) In Italien
  3. Von welchem deutschen Funktionsträger wurde der Waffenstillstand von Compiègne unterzeichnet?
    1. A) Vom Reichspräsidenten
    2. B) Von einem Staatssekretär
    3. C) Vom Chef der OHL
    4. D) Vom deutschen Kaiser
  4. Wie hieß der Staatssekretär, der für das Deutsche Reich den Waffenstillstand von Compiègne unterzeichnete?
    1. A) Karl Liebknecht
    2. B) Matthias Erzberger
    3. C) Friedrich Ebert
    4. D) Wilhelm Groener
  5. Wie wird die erfundene Behauptung vom unbesiegten deutschen Heer im Ersten Weltkrieg genannt?
    1. A) Martinimärchen
    2. B) Novembersünde
    3. C) Dolchstoßlegende
    4. D) Franzosenscherz
  6. Wer wälzte die Verantwortung für die Niederlage Deutschlands im Ersten Weltkrieg auf die deutsche Zivilbevölkerung ab und brachte die Dolchstoßlegende in Umlauf?
    1. A) Erich Ludendorff
    2. B) Kaiser Wilhelm II.
    3. C) Adolf Hitler
    4. D) Paul von Hindenburg

Richtige Antworten:
1. A) Am 11. November 1918
2. C) In Frankreich
3. B) Von einem Staatssekretär
4. B) Matthias Erzberger
5. C) Dolchstoßlegende
6. D) Paul von Hindenburg

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