Nach der Schlacht von Crécy schienen die Verhältnisse zugunsten des englischen Königs Eduard III. geklärt zu sein. Doch dann traten neue Mitspieler auf den Plan. In dieser Story erfährst du, wie die nächste Generation den Kampf um den französischen Königsthron aufnahm – und wie ein unsichtbarer, besonders grausamer Feind den Hundertjährigen Krieg in ganz neue Bahnen lenkte.
Der englische Krieger zügelt sein Pferd, als die ersten Häuser des kleinen französischen Dorfes in Sichtweite kommen. Nun muss er auf der Hut sein, denn jetzt ist er in Feindesland. Und vor allem: Er ist ganz allein unterwegs. Noch kann er keine französischen Soldaten entdecken, doch er weiß, dass sie hier sind und mit ihren Armbrüsten auf ihn lauern. Und als er vorsichtig um die Ecke biegt, sieht er sie auch schon: Ein ganzes Dutzend Franzosen hat sich mitten auf der Straße aufgereiht – bewegungslos, die Augen starr auf sein Gesicht gerichtet, die Armbrüste in den Händen. Langsam steigt der Engländer vom Pferd und legt den Pfeil auf seinen tödlichen Langbogen. Doch als er die Sehne spannen will, hält er inne. Irgendetwas stimmt mit diesen Franzosen nicht. Keiner von ihnen hebt seine Waffe. Stattdessen beginnen sich die französischen Soldaten auf ihn zuzubewegen – langsam, mit unheimlichen, schlurfenden Schritten. Noch immer zögert der Engländer, seinen ersten Pfeil abzuschießen, zu seltsam scheint ihm diese Szenerie. Die Männer schleppen sich näher und näher an ihn heran, und als der englische Krieger endlich ihre Gesichter erkennen kann, lässt er erschrocken seinen Langbogen fallen. Über und über mit Beulen übersät sind ihre Nasen und Münder, ihre Augen glühen vor Fieber. Dem Engländer reicht, was er da sieht. Er flieht so schnell er nur kann. Mit der halben französischen Armee hätte er es aufnehmen können. Nicht jedoch mit dem Schwarzen Tod...
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Jetzt runterladen!Nach dem Sieg seiner Bogenschützen bei Crécy war der englische König Eduard III. offenbar auf den Geschmack gekommen und wütete mit seinen Truppen noch einige Monate lang weiter in den nordfranzösischen Gefilden. Doch der Tod sollte die Menschen im mittelalterlichen Europa nun von ganz anderer Seite aus erreichen: Denn im Jahr 1347 begann die Pest auf dem Kontinent zu wüten, der „Schwarze Tod“, wie man diese schreckliche Seuche auch nannte – und sie verschonte weder Frankreich noch das Inselreich England. Das hatte verheerende Folgen: Gut ein Drittel der Bevölkerung Europas fiel dieser grausamen Epidemie zum Opfer, und zwischen Frankreich und England musste zwangsweise erst einmal ein Waffenstillstand geschlossen werden – denn: Wo sollten jetzt noch ausreichend Soldaten rekrutiert und wovon sollten sie bezahlt werden? Hinzu kam der unerwartete Tod des französischen Königs, und einige Zeit darauf war auch sein Rivale Eduard III. durch eine schwere Krankheit ans Bett gefesselt. War der große Krieg also nun vorbei? Vielleicht wäre er das wirklich gewesen, wenn es nicht die eigensinnigen Söhne der beiden verfeindeten Herrscher gegeben hätte – zwei Männer, die den blutigen Kampf ihrer Väter auf unerbittliche Weise weiterführen sollten. Auf französischer Seite war das ein neuer junger König mit dem Namen Johann der Gute, in England aber betrat ein düster gewandeter Ritter die Bühne – den bald alle nur noch „The black Prince” – den „Schwarzen Prinzen“ – nennen würden...
Der Schwarze Prinz kam im Juni 1330 als ältester von sieben Söhnen Edwards III. und seiner Gemahlin Philippa im Woodstock-Palast in Oxfordshire zur Welt. Er stand also in der Thronfolge ganz oben und wurde daher schon im zarten Alter mit Gütern und Titeln überhäuft. Als Dreijähriger wurde er zum Earl of Chester ernannt, mit sieben wurde er Duke of Cornwall, mit 14 dann erhielt er den offiziellen Titel der englischen Kronprinzen: Prince of Wales. In den Jahren dazwischen wurde er in Schriftkunde, Latein und Arithmetik unterrichtet und in den ritterlichen Kampfkünsten unterwiesen. Neben Reiten, Fechten und weiterem militärischem Rüstzeug legten seine Lehrer offenbar großen Wert auf die ritterlichen Tugenden. Dazu gehörten Eigenschaften wie Tapferkeit und Treue, aber auch Höflichkeit und Anstand, Würde und Milde. Außerdem sollte ein Ritter großzügig gegenüber anderen sein, selbst aber einen maßvollen Lebenswandel führen. Ob dies alles auf den jungen Edward zutraf, der 1346 zum Ritter geschlagen wurde und wenige Jahre später von seinem Vater als erster Ritter überhaupt den berühmten Hosenbandorden erhielt? Der bekannte britische Historiker Richard Barber zeichnete in seiner 2003 erschienenen Biografie ein differenzierteres Bild.
Zumindest bewies Prinz Edward schon mit 16 Jahren hervorragende militärische Qualitäten. In der berühmten Schlacht von Crécy führte er einen Teil des englischen Ritterheers zum Sieg gegen die Franzosen. Schon seit Jahren bekriegten sich die Königshäuser von England und Frankreich um Krone und Herrschaftsgebiete, also Ländereien wie etwa Aquitanien an der Grenze zu Spanien. Um den Sieg von Crécy rankt sich eine Legende, wonach der Prinz dem in der Schlacht getöteten blinden König Johann von Böhmen die Ehre erwiesen und dessen Zimier, den Helmschmuck, übernommen haben. Dieser soll aus drei Straußenfedern und dem Motto „Ich dien” bestanden haben; Letzteres ist bis heute im Wappen der Prinzen of Wales zu finden. Ebenso soll Edward nach dieser Schlacht nicht nur den Ruhm eines vorbildlichen Ritters, sondern auch seinen Beinamen „Schwarzer Prinz” bekommen haben. Aber auch das ist historisch nicht bewiesen. Anderen Meinungen zufolge erhielt er ihn wegen seiner brutalen Kriegführung in Frankreich.
Beim Feldzug gegen Frankreich ließ der junge Ritter nämlich keine Gnade walten. Statt den Franzosen in einem offenen Feldgefecht entgegenzutreten, ließ er seine Truppen in Mittel- und Südwestfrankreich zahlreiche Städte plündern und ganze Landstriche bis zur Unbewohnbarkeit verwüsten. Doch im September des Jahres 1356 musste sich Edward the black Prince dem Feind doch noch auf dem offenen Schlachtfeld stellen – in der Schlacht von Poitiers. Mit 10.000 Soldaten konnten die Engländer zwar nur halb so viele Kämpfer aufbieten wie der französische König Johann II., genannt „der Gute”. Doch dafür hatten die Engländer die modernere Waffe und einen darauf abgestimmten Schlachtplan: Während Johann II. aufgrund des schwierigen Geländes vor allem mit Fußsoldaten aufmarschierte, setzte der Schwarze Prinz auf seine bewährten Langbogenschützen, die den Engländern schließlich auch schon in der Schlacht von Crécy zum Sieg verholfen hatten. Und genau das war auch diesmal der Fall – die Geschichte wiederholte sich. Der König der Franzosen wurde gefangengenommen und nach London gebracht. Und König Edward III. rieb sich die Hände, denn sein gefangener Widersacher würde sich seine Freiheit teuer erkaufen müssen.
In Frankreich war nun guter Rat teuer. Die Verantwortung für das geschwächte Königreich lastete jetzt auf den Schultern des 18-jährigen Kronprinzen Karl, mit dem Eduard leichtes Spiel zu haben glaubte. Also forderte der englische König nicht nur ein horrendes Lösegeld für den gefangenen König Johann, sondern auch mehrere französische Provinzen und sozusagen als Krönung auch noch den Thron von Frankreich! Einige Monate später ließ er zwar den Thronanspruch fallen, erhöhte aber seine Gebietsforderungen noch weiter um die strategisch und wirtschaftlich wichtigen Atlantikhäfen auf dem Festland.
Der junge Karl war in der schwächeren Verhandlungsposition und hatte zudem mit rebellischen Adeligen und Bauern im eigenen Land zu kämpfen. Und Eduard erhöhte den Druck durch weitere Truppeneinmärsche nach Frankreich, nachdem die dortige Ständeversammlung die englischen Gebietsforderungen abgelehnt hatte. Dennoch ließ sich der Thronfolger nicht einschüchtern und erwies sich als zäher Verhandler. Im Vertrag von Brétigny kam 1360 tatsächlich ein Waffenstillstand zwischen den beiden mächtigsten Herrschern jener Zeit zustande. Die Bedingungen: drei Millionen Goldstücke und mehrere Provinzen Südwestfrankreichs für Edward – der dafür auf den französischen Königsthron verzichtete. König Johann II. durfte nach Frankreich zurückkehren, musste aber einen seiner jüngeren Söhne bis zur vollständigen Zahlung des Lösegeldes als Geisel in London lassen. Noch bevor der Vertrag erfüllt war, entwischte der Königssohn seinen Bewachern. Und nun geschah etwas, das in der Geschichte wohl einzigartig ist: Johann der Gute kehrte freiwillig in die englische Gefangenschaft zurück! Eduard empfing ihn mit allen Ehren als königlichen Gast, doch Johann sollte nur noch wenige Monate leben. 1364 bestieg dessen Sohn Karl V. den Thron von Frankreich – und nahm die Kampfhandlungen gegen die englischen Besatzer wieder auf.
Der Schwarze Prinz hatte unterdessen geheiratet und damit einen mittleren Skandal heraufbeschworen. Denn seine Gemahlin Joan of Kent war schon zweimal Witwe geworden und auch noch zwei Jahre älter als Edward. Dennoch erhob sein königlicher Vater keine Einwände. Joan gebar ihm zwei Söhne, darunter den späteren König Richard II.
1367 zog Prinz Edward erneut in den Krieg, diesmal nach Spanien. Dort musste König Peter I. von Kastilien und León seinen Thron gegen seinen Halbbruder Heinrich verteidigen, der von Frankreich unterstützt wurde. Edward wiederum rechnete sich Chancen aus, seinen Einfluss in Spanien vergrößern zu können. Und tatsächlich legte er in der Schlacht von Nájera einen weiteren grandiosen Sieg hin. Aber er musste erleben, dass eine gewonnene Schlacht noch kein gewonnener Krieg ist. Denn seine Spanien-Expedition misslang, und Edward selbst steckte sich im Heerlager mit einer nicht näher bekannten Infektionskrankheit an, von der er sich nicht wieder erholen sollte. Fortan musste er sich in einer Sänfte zum Schlachtfeld tragen lassen.
1369 starb seine innig geliebte Mutter, Königin Philippa von Hennegau. Ein Jahr später gelang ihm mit der Einnahme der Stadt Limoges ein letzter militärischer Erfolg. 1376 starb er im Westminster-Palast; seine Gebeine ruhen in der Kathedrale von Canterbury. Die Franzosen unter Karl V. wurden unterdessen immer stärker und eroberten ein Herrschaftsgebiet nach dem anderen wieder zurück. Unter seinem Nachfolger allerdings sollte sich das Blatt wieder wenden.
Zusammenfassung
Erstens: Nachdem ab 1347 überall in Europa die Pest zu wüten begann, wurden die großen Kampfhandlungen zwischen England und Frankreich zunächst eingestellt. Rund ein Drittel der europäischen Bevölkerung kam wohl durch diese Seuche ums Leben.
Zweitens: Nachdem Philipp VI. unerwartet starb und Eduard III. schwer erkrankt war, nahmen deren Söhne Johann der Gute und Edward of Woodstock – der Schwarze Prinz – die Kampfhandlungen wieder auf.
Drittens: In der Schlacht von Poitiers siegten die Engländer erneut über die Franzosen. Der französische König Johann der Gute wurde in London gefangen gehalten.
Viertens: Der kranke König Edward forderte ein horrendes Lösegeld und riesige Gebiete Frankreichs für die Freilassung Johanns. Nach langen Verhandlungen kam es zum Vertrag von Brétigny. Er bestätigte einen Großteil der Gebietsforderungen Edwards, der seinerseits auf die französische Krone verzichtete.
Fünftens: Johanns ältester Sohn Karl V. bestieg 1364 den Thron von Frankreich und gewann bis zu seinem Tod 1380 den größten Teil der englisch besetzten Gebiete zurück.
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Richtige Antworten:
1. C) Pest
2. A) Johann II., genannt „der Gute”
3. D) Poitiers
4. B) König Johann II.
5. A) Vertrag von Brétigny