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Gründung des Deutschen Reichs

So erfüllte sich der Traum vom Nationalstaat
Die Proklamierung des deutschen Kaiserreiches, 3., sog. Friedrichsruher Fassung, 167 × 202 cm, Bismarck-Museum.
Gründung des Deutschen Reichs
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Intro

Der Deutsch-Französische Krieg war noch nicht zu Ende, als der große Traum der deutschen Nationalbewegung schließlich in Erfüllung ging: 1871 wurde das Deutsche Kaiserreich gegründet. Zum Kaiser des ersehnten deutschen Nationalstaats wurde im Spiegelsaal von Versailles der König von Preußen ausgerufen. Warum seine Proklamation bis zur letzten Minute eine Zitterpartie war, erfährst du in dieser Story.

Kapitel 1: „Kaiser Wilhelm lebe hoch!“

Einen größeren und prunkvolleren Saal als diesen haben die Herren Offiziere, Fürsten und Minister wohl noch nie gesehen. Bewundernde Blicke wandern über all die Goldverzierungen, die Deckengemälde, das glänzende Parkett und die riesigen Spiegel im gewaltigen Prunksaal des Residenzschlosses der einstigen französischen Herrscher! Die Zeremonie, die an diesem 18. Januar 1871 im Spiegelsaal des Versailler Schlosses stattfindet, ist indessen kurz und eher nüchtern: ein Gottesdienst, ein paar huldvolle Worte, schließlich die feierliche Verlesung eines Dokuments. Dann aber kommt der brisante Augenblick. Alle Blicke richten sich auf den Großherzog von Baden, den ranghöchsten unter allen an diesem Tag versammelten Fürsten. Der Großherzog reißt sich seinen Uniformhelm vom Kopf, streckt ihn hoch in die Luft und ruft, so laut er kann: „Seine kaiserliche und königliche Majestät, Kaiser Wilhelm, lebe hoch!“

In der ersten Reihe der erlauchten Gäste schaut ein kräftig gebauter Mann mit dickem Schnurrbart sehr zufrieden drein: Wieder einmal hat Otto von Bismarck erreicht, was er beabsichtigt hatte.

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Kapitel 2: Stolpersteine auf der Zielgeraden

Am 18. Januar 1871 wurde im Schloss Versailles der preußische König Wilhelm I. zum deutschen Kaiser proklamiert − so nennt sich die feierliche Ausrufung eines Herrschers. Bereits am 1. Januar hatte das Reich seine neue Verfassung bekommen. Und Fürst Bismarck war am Ziel seiner Wünsche angekommen. Aber der Weg dahin war lang und steinig gewesen. Es hatte viel Überzeugungsarbeit und zudem einen ordentlichen Batzen Geld gekostet, um auch die letzten Stolpersteine aus dem Weg zu räumen.

Die heiße Phase der Reichseinigung hatte im November 1870 begonnen. Noch immer tobte der Krieg gegen Frankreich, der letzte der drei Einigungskriege, die die deutsche Reichsgründung einleiteten. Gemeinsam mit Österreich hatten Preußen und die anderen beteiligten deutschen Staaten das Königreich Dänemark besiegt, dann hatte Preußen im Deutschen Krieg das Kaisertum Österreich als führende Großmacht abgelöst. Nun, seit dem deutschen Sieg in der Schlacht bei Sedan, war Frankreich wieder eine Republik. Und während Napoleon III. im Schloss Wilhelmshöhe bei Kassel in Gefangenschaft saß, schraubten die Deutschen in Berlin an ihrem großen Plan: der Gründung des Deutschen Kaiserreichs.

Die Zeichen dafür standen gut. Die Soldaten der süddeutschen Staaten kämpften zusammen mit den preußischen Truppen gegen Frankreich und wuchsen allmählich zu einer nationalen Armee zusammen. Für den preußischen Ministerpräsidenten Otto von Bismarck war das genau der richtige Zeitpunkt, auch die politische Einigung voranzutreiben. Verträge zwischen den Einzelstaaten wurden ausgehandelt und unterzeichnet, eine neue gesamtdeutsche Reichsverfassung erarbeitet. Für die künftige Nationalflagge des Deutschen Reiches wählte man nach einigen Diskussionen die Farbkombination Schwarz-Weiß-Rot. Sie entsprach den Farben des Norddeutschen Bundes.

Aber neben der deutschen Einheit musste Bismarck noch ein anderes Problem lösen. Denn: Das Deutsche Reich brauchte einen Kaiser.

Kapitel 3: Der Kaiserbrief

Erst ein Kaiser als Staatsoberhaupt würde Nord und Süd zu einer Nation zusammenschweißen und die deutsche Einigung vollenden, davon war Bismarck überzeugt. Wer sollte die Krone tragen? Natürlich Wilhelm I., der König von Preußen! Aber der zierte sich. Er trug Preußens altehrwürdige Krone als Herrscher von Gottes Gnaden − was sollte er mit einem Kaisertitel, den er als künstlich und überflüssig empfand?

Überhaupt war Vorsicht geboten, denn schon einmal hatte ein preußischer König die Kaiserwürde zurückgewiesen. Nämlich vor 22 Jahren, als die Frankfurter Paulskirchenversammlung dem älteren Bruder des aktuellen Königs die Kaiserkrone angetragen hatte. Und genau das war der springende Punkt: Damals waren es die Abgeordneten gewesen, die Untertanen also. Von denen hatte der König den Kaisertitel nicht haben wollen. Diesmal musste das also anders laufen: Die Fürsten mussten Wilhelm I. bitten, ihr Kaiser zu werden!

Problem war nur: Ausgerechnet König Ludwig II. von Bayern, der ranghöchste Monarch nach dem König von Preußen, war ein erklärter Gegner dieser Reichseinigung unter preußischer Führung. Im Deutschen Krieg hatte er für Österreich gekämpft, und jetzt sollte er sich der preußischen Vormacht unterordnen? Niemals! Seine Minister dachten zum Glück anders. Sie handelten noch ein paar Vorrechte für Bayern aus und stimmten dann einem Beitritt zum Deutschen Reich zu − über den Kopf ihres Königs hinweg. Der blieb störrisch, alle Überredungskünste halfen nichts. Aber dann bekam Bismarck einen wertvollen Tipp vom preußischen Botschafter aus Bayern: König Ludwig sei wegen seiner vielen Baustellen in großer Geldnot. Daher wäre er bereit, für sechs Millionen Gulden der Kaiserproklamation zuzustimmen! Streng geheim natürlich. Das brachte Bismarck auf eine Idee.

Er würde dem Bayernkönig finanziell aus der Patsche helfen. Aber dafür sollte Ludwig noch etwas mehr tun, als nur Ja zu sagen. Ludwig sollte den preußischen König darum bitten, die Kaiserwürde anzunehmen! Und zwar mit einem offiziellen Brief in warmen Worten von König zu König und sozusagen im Namen aller deutschen Fürsten! Den Brief entwarf Bismarck praktischerweise gleich selbst. Ludwig unterzeichnete ihn am 30. November, und Bismarck war wieder einen Schritt weiter. Doch es dauerte nicht lange, da tauchte schon das nächste Problem auf...

Kapitel 4: Streit um den Titel

Wilhelm I. hatte sich inzwischen überreden lassen, Kaiser zu werden. Er bestand aber darauf, den Titel „Kaiser von Deutschland“ zu tragen. Das jedoch hätte in den Ohren der anderen Fürsten sehr nach preußischer Alleinherrschaft geklungen und für neuen Unmut gesorgt: So war das nicht vereinbart! Bismarck schlug daher „Deutscher Kaiser“ vor. Darüber war jetzt Wilhelm sauer. Der Streit zog sich hin und war auch am Morgen des 18. Januar 1871 noch nicht beigelegt, als sich die hohen Herren im symbolträchtigen Spiegelsaal des Versailler Schlosses versammelten: deutsche Fürsten, hochrangige Militärs und Vertreter der Geistlichkeit − insgesamt rund 1400 Personen.

Durften sie alle nun Zeugen einer prunkvollen Krönungszeremonie werden? Keineswegs. Denn eine Krönung war gar nicht vorgesehen. Es gab einen kurzen Gottesdienst, und dann verlas Otto von Bismarck die Kaiserproklamation. Mit ihr erklärte der König von Preußen, dass er es als seine Pflicht gegenüber dem gemeinsamen Vaterland betrachte, dem Ruf der deutschen Fürsten und freien Städte zu folgen und die Kaiserwürde anzunehmen – für sich selbst und alle seine Nachfolger in der weiteren deutschen Geschichte. Dann kam der brisante Moment: der erste Hochruf auf den Kaiser! Weil Ludwig von Bayern nicht angereist war, musste der Großherzog von Baden als ranghöchster Mann im Saal diesen Jubelruf ausbringen. Aber welchen Titel sollte er dabei nun verwenden? Schließlich löste der Großherzog das Problem auf seine Weise: Er ließ einfach „Kaiser Wilhelm“ hochleben.

Wenige Tage später trat auch das Königreich Bayern offiziell dem Deutschen Reich bei. Das Kaiserreich hatte nun 25 Bundesländer und freie Städte mit insgesamt rund 41 Millionen Einwohnern – zwei Drittel davon preußische Untertanen. Im März wurde der Reichstag gewählt und im April die nochmals überarbeitete Reichsverfassung in Kraft gesetzt. Sie regelte die Machtverhältnisse im Staat klar zugunsten des Kaisers. Er durfte das Parlament eröffnen, vertagen und schließen, ihm unterstand das gesamte Militär. Der Kaiser ernannte auch den Reichskanzler: Otto von Bismarck. Wen sonst?

Und der Deutsch-Französische Krieg? Der endete mit dem Frieden von Frankfurt am 10. Mai 1871. Über vier Monate hatten deutsche Truppen die Hauptstadt Paris belagert, Ende Januar hatten die Verteidiger aufgegeben. Als Verlierer musste Frankreich den Siegern eine horrende Summe als Kriegsentschädigung zahlen und die überwiegend deutschsprachigen Gebiete westlich des Rheins abtreten – das Elsass und große Teile von Lothringen. Dass der deutsche Kaiser ausgerechnet im Schloss Versailles proklamiert wurde, war eine zusätzliche Demütigung und sollte das Verhältnis beider Nationen für Jahrzehnte belasten.

Der deutsche Sieg veränderte das Machtgefüge Europas entscheidend. Deutschland löste Frankreich als stärkste Militärmacht ab. Doch Bismarck nutzte das nicht aus. Wie schon nach dem Sieg über Österreich fuhr er einen Kurs der Mäßigung. Deutschland sei zufrieden, betonte er stets. Viel wichtiger war es ihm, kluge Bündnisse zu schließen. Erst nachdem Bismarck im Jahr 1890 von der politischen Bühne abtreten musste, wendete sich das Blatt. Unter einem neuen Kaiser − Wilhelm II. − steuerte Deutschland Jahre später auf einen neuen Krieg zu, der ganz Europa und die halbe Welt in einen Strudel der Vernichtung reißen sollte: der Erste Weltkrieg.

Zusammenfassung

  • Das Deutsche Reich wurde Anfang 1871 gegründet − noch während des Deutsch-Französischen Kriegs.

  • Deutscher Kaiser wurde der preußische König Wilhelm I.. Bei einer eher nüchternen Zeremonie am 18. Januar 1871 wurde eine Proklamation verlesen, mit der Wilhelm die Kaiserwürde annahm. Der deutsche Maler Anton von Werner verewigte die Zeremonie im Spiegelsaal von Versailles in mehreren großformatigen Gemälden.

  • Der Kaiserproklamation ging der sogenannte Kaiserbrief voraus. In diesem Schreiben bat König Ludwig von Bayern den preußischen König im Namen der deutschen Fürsten, die Kaiserwürde anzunehmen.

  • Dahinter steckte Otto von Bismarck. Er zahlte dem hoch verschuldeten König Ludwig dafür eine große Geldsumme aus.

  • Dass die Kaiserproklamation ausgerechnet im Schloss Versailles stattfand, war eine beispiellose Demütigung für Frankreich. Sie sollte das Verhältnis zwischen Franzosen und Deutschen über Jahrzehnte belasten.

Teste dein Wissen im Quiz

  1. Welcher deutsche Staat wurde im Jahr 1871 gegründet?
    1. A) Das Heilige Römische Reich
    2. B) Das Deutsche Reich
    3. C) Die Weimarer Republik
    4. D) Das Königreich Italien
  2. Während welches Krieges erfolgte die Reichsgründung 1871?
    1. A) Schleswig-Holsteinischer Krieg
    2. B) Deutsch-Dänischer Krieg
    3. C) Deutsch-Französischer Krieg
    4. D) Deutscher Krieg
  3. Welche Gebiete musste Frankreich nach dem Deutsch-Französischen Krieg an Deutschland abtreten?
    1. A) Baden und Württemberg
    2. B) Hessen und Holstein
    3. C) Bretagne und Normandie
    4. D) Elsass und Lothringen
  4. Wo wurde 1871 der Kaiser des Deutschen Reichs proklamiert?
    1. A) Potsdam
    2. B) Wien
    3. C) Versailles
    4. D) Berlin
  5. Welche Farbkombination wählte man für die Nationalflagge des Deutschen Reichs?
    1. A) Weiß-Blau
    2. B) Schwarz-Weiß-Rot
    3. C) Schwarz-Rot-Gold
    4. D) Grün-Gelb

Richtige Antworten: 
1. B) Das Deutsche Reich
2. C) Deutsch-Französischer Krieg
3. D) Elsass und Lothringen
4. C) Versailles
5. B) Schwarz-Weiß-Rot

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