Die Olympischen Spiele 1936 sollten die Welt von den friedlichen Absichten Hitlerdeutschlands überzeugen. Doch der „Führer“ hatte andere Pläne. In dieser Story erfährst du, wie Hitler schon bald darauf seine Kriegsmaschinerie testete – bei einer grausamen Generalprobe in Spanien.
25. April 1937. In dem nordspanischen Städtchen geht an diesem sonnigen Montagnachmittag alles seinen gewohnten Gang: Auf dem Marktplatz wird um Waren gefeilscht, in den Cafés werden die Neuigkeiten des Tages ausgetauscht. Alles scheint wie jeden Tag zu sein. Doch plötzlich beginnen die Glocken der Kirche Sturm zu läuten. Augenblicklich herrscht Totenstille auf den Straßen. Dieses Läuten kann nur eines bedeuten: Fliegeralarm! Panik bricht aus. Jeder versucht, sich schnell irgendwo in Sicherheit zu bringen. Schon ist ein leises Brummen am Himmel zu hören. Kampfflugzeuge! Nur wenige Augenblicke später schlagen die ersten Bomben in die Dächer der Wohnhäuser ein. Brennende Trümmer regnen auf die Gassen, Menschen rennen um ihr Leben. Angriffswelle folgt auf Angriffswelle: schwere Sprengbomben, Splitterbomben, Brandbomben. Tiefflieger feuern aus Maschinengewehren auf flüchtende Frauen und Kinder. Menschen springen voller Panik in den Fluss, überall sind Schreie von Verletzten zu hören. Und das Inferno will kein Ende nehmen. Wenige Stunden später ist die Kleinstadt Guernica nur noch ein rauchendes Trümmerfeld. Und die Überlebenden fragen sich verzweifelt: Warum?
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Jetzt runterladen!Die Antwort auf diese Frage ist so einfach wie grausig: Die nordspanische Stadt Guernica diente an diesem Nachmittag im April 1937 als Übungs- und Testgelände für die Luftwaffe, die Nazi-Deutschland seit zwei Jahren massiv aufrüstete. Hitlers Luftwaffenminister Hermann Göring wollte moderne Bombensysteme und Kriegstaktiken unter „realen“ Bedingungen testen. Das gab er fast zehn Jahre später zu, als die Hauptschuldigen des Zweiten Weltkriegs in Nürnberg vor Gericht standen: „Im scharfen Schuss“ sollte erprobt werden, „ob das Material zweckentsprechend entwickelt wurde“! Und dieser „Zweck“ war unmissverständlich: Terror gegen die Zivilbevölkerung, um neben den Wohngebieten auch die allgemeine Kampfmoral des Gegners zu zerstören.
Die Wahlwar allerdings nicht ganz zufällig auf das Städtchen im spanischen Baskenland gefallen. Die Bombardierung hatte eine längere Vorgeschichte: 1936 hatte sich ein faschistischer General namens Francisco Franco in der Spanischen Republik an die Macht geputscht und damit einen Bürgerkrieg zwischen den republikanischen Truppen und den nationalistischen Putschisten ausgelöst. Den wollte er nun mithilfe des italienischen Diktators Mussolini und des deutschen „Führers“ Hitler für sich entscheiden. Hitler überlegte nicht lange. Er wollte weiterhin mit spanischen Rohstoffen beliefert werden, und außerdem wäre ein neues faschistisches Land im Westen eine gute Rückendeckung für seinen geplanten Eroberungskrieg im Osten. Was er aber besonders verlockend fand: Die deutsche Luftwaffe könnte in Spanien ihr neues Kriegsgerät ausprobieren und wertvolle Kampferfahrung sammeln. Hitler beschloss also, den Franco-Putschisten seine Unterstützung zuzusagen.
Unterdessen hatte sich die Lage in Spanien immer weiter zugespitzt, und das Land war in zwei große Lager gespalten: Auf der einen Seite standen die Anhänger der demokratischen Republik, die von der stalinistischen Sowjetunion unterstützt wurden und mit freiwilligen Kämpfern aus dem Ausland die sogenannten internationalen Brigaden bildeten. Auf der anderen Seite stand der faschistische General Franco, dessen Streitkräfte von zehntausenden Soldaten aus dem ebenfalls faschistisch regierten Italien verstärkt wurden. Die Unterstützung der deutschen Nationalsozialisten beschränkte sich anfangs noch auf den Einsatz von Flugzeugen für den Truppentransport. Doch schon bald sollte es zum ersten Angriff kommen: Ende 1936 bombardierte die deutsche Jagdfliegerstaffel „Legion Condor“ unter dem Kommando von Wolfram von Richthofen die spanische Hauptstadt Madrid. Sie sollte für die Bodentruppen General Francos sturmreif geschossen werden. Damit fielen erstmals seit dem Ersten Weltkrieg wieder deutsche Bomben auf ein anderes Land. Doch trotz militärischer Überlegenheit der Faschisten konnten die Internationalen Brigaden die Hauptstadt halten. Als General Franco auch bei einem erneuten Angriff im März 1937 eine verheerende Niederlage erlitt, änderte er schließlich seine Pläne ...
Franco wollte sich nun auf den Norden Spaniens konzentrieren – auf das Baskenland, eine bedeutende Bergbau- und Industrieregion mit der Stadt Bilbao als Zentrum. General Franco war sich sicher: Könnte er das Baskenland unter seine Kontrolle bringen, würde er wohl auch den Bürgerkrieg für sich entscheiden. Und dabei sollte ihm nun die deutsche „Legion Condor” helfen. Offiziell sollte sie nur eine strategisch wichtige Brücke zerstören. Diese Brücke befand sich allerdings in einer kleinen Stadt, in der damals etwa 5000 Menschen lebten und die als kulturelles Zentrum des Baskenlandes galt. Ihr Name: Guernica (auf Baskisch: Gernika).
Am 26. April 1937 wehte eine schwache Brise, der Himmel war nur mäßig bewölkt, es herrschten optimale Flugbedingungen. Die für Basken heilige Stadt Guernica verfügte zwar über ein einfaches Frühwarnsystem und behelfsmäßige Bunker, aber kaum jemand in der Stadt rechnete wirklich mit einem Bombenangriff. Denn militärische Ziele gab es hier nicht. Die Einwohner sollten sich jedoch gewaltig täuschen. Am Nachmittag rasten deutsche und italienische Bomber in mehreren Angriffswellen über die Stadt. Am Abend lag sie in Schutt und Asche.
Wenige Monate bevor die Bomben auf Guernica niedergingen, war der spanische Künstler Pablo Picasso von der spanischen Regierung beauftragt worden, ein Wandgemälde für den spanischen Pavillon auf der Pariser Weltausstellung zu erstellen. Es sollte den Blick der Welt auf den Bürgerkrieg lenken. Nach dem verheerenden Luftangriff auf die baskische Stadt, bei der überwiegend Frauen und Kinder starben, machte Picasso genau das zum Thema seines Werkes. Picassos Guernica war jahrzehntelang in New York zu sehen, genauer im Museum of Modern Art; heute hängt es im Museo Reina Sofía, dem spanischen Nationalmuseum für moderne Kunst in Madrid.
Mit diesem Angriff hatte Adolf Hitler der Weltöffentlichkeit sein wahres Gesicht gezeigt. Denn er war einer der ersten mit dem Ziel, möglichst viele Menschen zu töten und größtmöglichen Schaden in den Wohngebieten anzurichten. In Guernica probierte die deutsche Luftwaffe das sogenannte Flächenbombardement aus, das sie später gegen Polen einsetzen würde. Spätestens jetzt hätte den anderen Nationen wie Frankreich und Großbritannien klar sein müssen, dass Hitler keinen Frieden in Europa wollte – auch wenn er das in seinen Reden ständig betonte. Und seine erste Eroberung hatte der deutsche Diktator auch schon im Blick. Nicht mit Bomben und Maschinengewehren, aber mit Druck und Erpressung. Aber wie die dortige Bevölkerung auf den Einmarsch der Nazis reagierte, sollte sogar Hitler überraschen...
Zusammenfassung
Im Juli 1936 putschte sich der faschistische General Francisco Franco in Spanien an die Macht. Die Verteidiger der Republik formierten sich mit Unterstützung aus dem sozialistischen Ausland zu internationalen Brigaden.
Franco erhielt Unterstützung vom faschistischen Italien. Auch Hitler kam ihm zur Hilfe – unter anderem, weil seine neu aufgebaute Luftwaffe in Spanien Technik und Strategien für seinen geplanten Krieg erproben sollte.
Am 26. April 1937 griffen die Nazis die baskische Kleinstadt Guernica an. Offiziell sollte nur eine Brücke zerstört werden, doch die Deutschen machten den gesamten Ort dem Erdboden gleich.
Die Zerstörung Guernicas war das erste deutsche Flächenbombardement mit dem Ziel, möglichst viele Zivilisten zu töten.
Der spanische Künstler Pablo Picasso schuf 1937 das Wandgemälde Guernica, das heute als wichtiges Werk der Kriegskunst gilt.
Teste dein Wissen im Quiz
Richtige Antworten:
1. A) Franco
2. D) Italien
3. A) Legion Condor
4. B) Richthofen
5. A) 1937
6. D) Pablo Picasso
7. C) Madrid