Adolf Hitler hatte seine wahnhaften Ziele abgesteckt: Das Judentum musste ausgelöscht werden, die deutsche Herrenrasse sollte über die Welt regieren und die Volksgemeinschaft ihm, dem Führer, bedingungslos gehorchen. Vor allem die Jugend wollten die Nationalsozialisten für ihre Diktatur begeistern und auf ihre menschenverachtende Ideologie einschwören...
Friedrich ist wie im Blutrausch. Wieder und wieder boxt er auf den schmächtigen Jungen ein, dem bereits das Blut aus der Nase läuft und der sich kaum noch auf den Beinen halten kann. Die Mitschüler johlen und klatschen begeistert, doch Friedrich bekommt alles nur noch wie in Zeitlupe mit. Wieder holt er mit der Rechten aus und trifft seinen Gegner erneut mit voller Härte ins Gesicht. Der taumelt rückwärts, seine Arme hängen schlaff herunter. Friedrich tritt einen Schritt zurück, aber die grölenden Zuschauer scheinen mehr zu wollen. Friedrich zögert. Dann holt er zum letzten Schlag gegen den wehrlosen Gegner aus...
Als Friedrich später allein ist, wird er sehr nachdenklich. Der Kampf geht ihm einfach nicht aus dem Kopf. Einen Wehrlosen k. o. schlagen... War das heldenhaft? War das eine ehrenvolle Tat, wie es die Lehrer ihm und seinen Schulkameraden ständig predigen?
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Jetzt runterladen!Der beschriebene Boxkampf ist eine Szene aus dem deutschen Spielfilm „Napola – Elite für den Führer“ von 2004. Der Protagonist Friedrich Weimer ist Schüler einer der sogenannten Nationalpolitischen Lehranstalten im „Dritten Reich”, abgekürzt Napola. Anfangs erfüllt es Friedrich mit Stolz, dort aufgenommen worden zu sein. Doch nach und nach wird ihm bewusst, welchen Zweck die Nationalsozialisten mit ihren Erziehungsmethoden wirklich verfolgen. Solche Gedanken haben sich aber vermutlich die wenigsten Jungen und Mädchen gemacht, die in das ausgeklügelte System der Kinder- und Jugendverbände unterm Hakenkreuz gerieten. Ob es der Jungmädelbund, der Bund Deutscher Mädel, das BDM-Werk „Glaube und Schönheit”, das Deutsche Jungvolk oder eine der Sondereinheiten wie der polizeiähnliche Streifendienst der Hitlerjugend war - die Nazis verstanden es, die deutsche Jugend zu begeistern und zu instrumentalisieren: Abenteuer im Freien, Lagerfeuerromantik und körperliche Ertüchtigung bei Sportarten wie Segelfliegen und Reiten, die sich ein Arbeiterkind normalerweise niemals hätte leisten können. Dass damit immer auch militärischer Drill und Gehorsam verbunden waren, nahmen schon die zehn bis vierzehn Jahre alten Pimpfe und Jungmädel in Kauf. Stolz trugen sie ihre Uniformen und Abzeichen, und die Jungs konnten es kaum erwarten, in die nächsthöhere Altersgruppe aufzurücken: in die Hitlerjugend. Endlich HJ-Mitglied sein! „Flink wie Windhunde, zäh wie Leder und hart wie Kruppstahl“ wollten sie werden. Das hatte der Führer befohlen – und dem eiferten die Hitlerjungen voller Begeisterung nach. Dabei merkten sie gar nicht, wie sie für Hitlers menschenverachtende Diktatur vereinnahmt wurden. Das eigentliche Ziel sollte ihnen erst viel später klar werden.
Denn all die Abenteuer, Sportangebote, Ausflüge und Parademärsche im Fackelschein waren Werkzeuge zur Indoktrination der Jugend und dienten nur einem einzigen Zweck: dem Kriegseinsatz. Denn für seine größenwahnsinnigen Eroberungspläne brauchte Hitler zahllose kräftige Soldaten, die ohne nachzudenken ihr Leben für „Führer, Volk und Vaterland“ einsetzen würden. Disziplin, Gehorsam, Opferbereitschaft und Kriegsbegeisterung wurden ihnen systematisch eingeimpft.
Bereits 1922 hatte Hitlers Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei den „Jugendbund der NSDAP” gegründet. Nachdem diese nur ein Jahr später verboten worden war, arbeitete sie zunächst im Untergrund weiter, bevor dann 1926 - genauer auf dem 2. Reichsparteitag in Nürnberg - die „Hitlerjugend, Bund Deutscher Arbeiterjugend” ins Leben gerufen wurde. Dass die Hitlerjugend zunächst der paramilitärischen Sturmabteilung (SA) unterstellt wurde, zeigt bereits, welche Absicht hinter der nationalsozialistischen Jugendbewegung steckt. Die Idee an sich war nämlich nicht neu; Jugendorganisationen hatte es schon vorher gegeben – so etwa die Wandervogelbewegung und die Pfadfinder. Auch sie organisierten Zeltlager, Sportwettkämpfe und Liederabende, bei denen junge Menschen das Gefühl von Heimatverbundenheit und Gemeinschaft erleben sollten. Den Nazis ging es aber nicht darum, Kindern eine unbeschwerte Freizeit zu schenken. Nein, im Gegensatz zu den anderen Jugendverbänden in der Weimarer Republik hatte die Hitlerjugend - spätestens nach der Machtergreifung Hitlers 1933 – eine staatliche Funktion im Deutschen Reich. Aus einer Parteijugend wurde nun eine Staatsjugend: Die Mädchen sollten auf ihre künftigen Aufgaben als Frauen in der sogenannten „Volksgemeinschaft” vorbereitet werden, und die Jungen wollte man zu tapferen Soldaten heranziehen. Zur Wandergitarre gesellten sich bald Kleinkalibergewehr und Fahrtenmesser, Geländespiele arteten in wüste Kampfhandlungen aus, spielerische Gemeinschaft wurde durch Mutproben und Gruppendruck ersetzt. „Du bist nichts, dein Volk ist alles“ – dieser Leitspruch war in der NS-Zeit allgegenwärtig. Jede Individualität sollte unterdrückt werden, und schon die Jüngsten lernten, auf Juden und andere Minderheiten nur noch mit Verachtung herabzublicken. Denn die gehörten ja nicht zur „Volksgemeinschaft“. Ganz anders als die Hitlerjungen. Sie wollten unbedingt dazugehören, freuten sich darauf, endlich bei den großen HJ-Aufmärschen auf dem Reichsparteitag dabei zu sein. Dafür ließen sie sich herumkommandieren und lernten nicht nur, Schmerzen klaglos zu ertragen, sondern auch, jedes Mitgefühl im Keim zu ersticken, bis sie sogar bereit und in der Lage waren, an Pogromen teilzunehmen. Denn wer Schwäche zeigte, wurde verspottet und nicht selten bis zum Zusammenbruch schikaniert.
Ende März 1939 – knapp fünf Monate vor Ausbruch des Zweiten Weltkrieges – führte die Hitlerregierung in Berlin die „Jugenddienstpflicht” ein. Das bedeutete nichts anderes als eine Zwangsmitgliedschaft aller Jugendlichen zwischen zehn und achtzehn Jahren in einer vom Reichsjugendführer Baldur von Schirach bzw. von dessen Nachfolger Artur Axmann kontrollierten HJ-Organisation. Für die Jungen begann die nationalsozialistische Erziehung im Deutschen Jungvolk, für die Mädchen im Jungmädelbund...
Nach Ansicht der Nationalsozialisten hatten Frauen nur eine „natürliche“ Aufgabe: Kinder zur Welt zu bringen. Und zwar so viele wie möglich, denn nur zahlreicher Nachwuchs konnte der „arischen Rasse“ zur angestrebten Weltherrschaft verhelfen. Und wie bei den Jungen, so begann auch die Vorbereitung der Mädchen auf die ihnen zugedachte Rolle schon im Kindesalter. Mit zehn kamen sie in den „Jungmädelbund“, mit vierzehn rückten sie in den „Bund Deutscher Mädel“ auf. Und auch das Freizeitangebot ähnelte dem der Hitlerjungen, wenngleich statt der Kampfspiele eher Gymnastik und Volkstänze im Vordergrund standen. Schließlich sollten die Mädchen und jungen Frauen ebenfalls gesund und leistungsfähig sein. Überhaupt war „Gesundheit“ aus Sicht der Nazis keine persönliche Angelegenheit, sondern eine Pflicht im Dienst an der „Volksgemeinschaft“. An sogenannten Heimabenden wurde den Mädchen das völkische Idealbild der deutschen Frau vermittelt, dem sie ab sofort nachzueifern hatten. Unterrichtsstunden in Hauswirtschaft ergänzten das Programm. Für die über 18-Jährigen gab es sogar spezielle „Mütterschulen“, in denen sie sich zu perfekten Hausfrauen „fortbilden“ durften. 1938 wurde schließlich das sogenannte „Pflichtjahr“ eingeführt: Junge Frauen mussten ein Jahr lang auf Bauernhöfen, in der Pflege oder in der Hauswirtschaft Dienst leisten. Davon profitierten die Nazis sogar doppelt: Sie behielten die heranwachsenden Frauen unter Kontrolle und gewannen jede Menge billige Arbeitskräfte.
Die Nationalsozialisten wollten aber nicht nur opferbereite Mütter und gehorsame Soldaten erziehen, sondern auch Nachwuchskräfte für die Führungspositionen im „Dritten Reich”. Für sie gab es spezielle Eliteschulen, darunter die bereits erwähnte Napola, die Nationalpolitische Lehranstalt. Wer an einer solchen Internatsschule aufgenommen werden wollte, musste nachweisen, dass es in seiner Familie weder Juden noch Menschen mit Behinderung gab. Er musste „erbgesund“ sein, so die zynische Bezeichnung dafür. Kein Wunder also, dass die nationalsozialistische Rassenlehre besonders breiten Raum im Unterricht einnahm. Naturwissenschaften oder Fremdsprachen hielt Hitler für weniger, Sport hingegen für sehr wichtig. Boxen zum Beispiel sollte Entschlossenheit und Angriffsgeist der künftigen Führungskräfte fördern. Mitgefühl und Menschlichkeit hatten an diesen Eliteschulen keinen Platz. Und genau das war es, was Hitler beabsichtigte. Er wollte menschliches Material für seinen längst geplanten Eroberungskrieg heranzüchten.
Am 1. September 1939 war es soweit: Die deutsche Wehrmacht fiel in Polen ein. In den folgenden Kriegsjahren wurden die jungen Leute in den HJ-Gruppen zu immer mehr Einsätzen herangeholt. Dazu gehörten Sammelaktionen (z. B. für das Winterhilfswerk), Luftschutzdienst und das Organisieren der Kinderlandverschickung. Doch als der Wehrmacht 1943 die Soldaten ausgingen, wurden schon 16-Jährige als Flakhelfer an der Front eingesetzt, bevor Hitler dann im Herbst 1944 das Unternehmen „Volkssturm” ausrief. Die „Volkssturm”-Männer, die nun notdürftig ausgebildet und desolat ausgerüstet an der Front kämpfen mussten, waren zwischen 60 und 16 Jahren alt. Manchmal auch jünger...
Zusammenfassung
Die Nationalsozialisten gründeten bereits im Jahr 1926 die Hitlerjugend, um ihre menschenverachtende Weltanschauung in den Köpfen der Kinder und Jugendlichen zu verankern. Vorrangige Erziehungsziele waren Disziplin, Gehorsam und Opferbereitschaft.
Die Jugendlichen wurde mit attraktiven Sport- und Freizeitangeboten geködert. Mit diesen Aktivitäten wurden sie gleichzeitig auf Hitlers längst geplanten Eroberungskrieg vorbereitet.
Ab Ende 1939 wurde die Mitgliedschaft in der Hitlerjugend zur Pflicht. Auch die Mädchen hatten der gesetzlichen „Jugenddienstpflicht” zu gehorchen. Während die Jungen auf den Kriegseinsatz vorbereitet wurden, wurden die Mädchen auf ihre künftige Rolle als Mutter von möglichst vielen Kindern eingeschworen.
Ihren Führungsnachwuchs bildeten die Nationalsozialisten in speziellen Internatsschulen aus. Zu diesen zählten die Nationalpolitischen Lehranstalten, abgekürzt auch Napola genannt.
Teste dein Wissen im Quiz
Richtige Antworten:
1. B) 1926
2. C) Vorbereitung auf den Kriegseinsatz
3. D) 1939
4. B) Napola
5. A) Bund Deutscher Mädel