Du liebst das große Drama? Dann bist du bei William Shakespeare genau richtig. In seiner Tragödie „König Lear“ geht es dabei besonders zur Sache. Ein eitler König, verletzte Vaterliebe, eine verstoßene Tochter, zwei intrigante Schwestern, Verrat, Machtkampf, Mord, Wahnsinn und Verzweiflung – das alles erwartet dich in dieser Story!
Dass ihre Liebe einmal so geprüft werden sollte! Damit hat Cordelia nicht gerechnet. Sie steht ihrem Vater gegenüber und denkt über ihre Antwort nach. „Wie sehr liebt ihr mich?“, hat er seine Töchter gefragt. „Sagt es – eure Antwort wird über eure Mitgift entscheiden!“ Das waren die Worte ihres Vaters, König Lear, Herrscher von Britanien. Er will sich von der Macht zurückziehen und das Reich zwischen seinen drei Töchtern aufteilen. Cordelias Schwester Goneril hat ihre Antwort bereits gegeben und dem Vater mit vielen Worten geschmeichelt. Und auch ihre Schwester Regan beteuerte soeben ihre bedingungslose Liebe, die nur ihrem Vater und niemandem sonst gehöre. Doch sie selbst? Wie könnte sie so etwas behaupten? Zwei Männer werben um sie, und bald wird sie eine Ehefrau sein. Auch ihrem Mann wird dann ein Teil ihrer Liebe gehören. Doch sei es drum! Cordelia strafft die Schultern und bereitet ihre Worte vor; ihr Vater wird ihre Liebe auch ohne Schmeicheleien erkennen. „Ich liebe Euch, Vater“, spricht sie, „wie es meine Pflicht verlangt, nicht mehr und nicht minder.“
Da gerät der König außer sich, schimpft sie kalt und herzlos! „Bist du so jung und so unzärtlich?“ Doch Cordelia bleibt standhaft: „So jung, mein Vater, und so wahr.“ Da erhebt sich der König. Entziehen wird er ihr die Mitgift, nicht ein Stück des Reiches soll sie bekommen! Es soll ihren Schwestern zufallen, die ihm so viel mehr Liebe entgegenbringen. Und verstoßen sei sie von nun an!
„Sei’s drum“, zürnt König Lear, „nimm deine Wahrheit dann zur Mitgift. Denn bei der Sonne heilʼgem Strahlenkreis, bei Hekates Verderben, und der Nacht, bei allen Kräften der Planetenbahn, durch die wir leben und dem Tod verfallen, sag ich mich los hier aller Vaterpflicht!“
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Jetzt runterladen!König Lear ist eine der dramatischsten und die wohl finsterste Tragödie von William Shakespeare. Sie enthält so viele Intrigen, so viel Gewalt und Wahnsinn, dass sie viele Jahre lang nur in bearbeiteten oder gekürzten Versionen aufgeführt wurde. Denn in der Geschichte um einen König, der seine gute Tochter verstößt und seinen beiden herzlosen Töchtern sein Reich übergibt, um dann von ihnen verraten zu werden, verfallen diverse Figuren dem Wahn oder werden Opfer von Gewalt und Tod. Der Stoff, auf dessen Basis Shakespeare seinen „König Lear“ schrieb, basiert auf einem alten englischen Mythos um den antiken König Leir, der im 8. Jahrhundert vor Christus über Britannien geherrscht haben soll – also etwa zur Zeit der Gründung Roms. Der Legende nach hatte Leir drei Töchter: Gonorilla, Regau und Cordeilla. Er soll fast 60 Jahre lang regiert haben, bevor genau jene tragischen Ereignisse ihren Lauf nahmen, die Shakespeare in seiner Tragödie verarbeitet. Mit dem Unterschied, dass die Legende ein Happy End hat: Der entmachtete Leir flüchtet zu Cordeilla ins Frankenreich und kehrt mit ihr und einer Armee nach Britannien zurück, um die bösen Töchter und Schwiegersöhne zu stürzen. In der Legende holt er sich die Krone zurück und stirbt friedlich an Altersschwäche; Cordeilla wird seine Nachfolgerin und bestattet ihn am Heiligtum des Gottes Janus unter dem Fluss Soar nahe Leicester.
Bei Shakespeare nimmt das Drama einen weitaus blutigeren Verlauf.
Sein „König Lear“ beginnt wie auch die Legende mit einem Liebestest. Der alternde König von England will sich von den Regierungsgeschäften zurückziehen und stellt seinen drei Töchtern Goneril, Regan und Cordelia die Frage, wie sehr sie ihn lieben. Doch während die ersten beiden wortreich und schmeichelhaft antworten, gibt ihm seine Lieblingstochter Cordelia eine ehrliche, aber in seinen Augen kaltherzige Antwort. Geblendet von seinem verletzten Stolz und seiner Eigenliebe verstößt der König Cordelia. Der Herrscher von Burgund, der um ihre Hand anhielt, will keine Braut ohne Mitgift. Aber der König von Frankreich ist von ihrer Ehrlichkeit beeindruckt. Die beiden heiraten, und sie folgt ihm nach Frankreich.
Der alte König teilt sein Reich nun unter seinen beiden älteren Töchtern auf. Davon profitieren natürlich auch deren Ehemänner, die Herzöge von Albany und von Cornwall. Erst im weiteren Verlauf erkennt der König seinen fatalen Fehler. Sofort beginnen nämlich seine beiden anderen Töchter, ihn zu schmähen, ihn seiner Diener zu berauben und ihm schließlich sogar die Unterkunft zu verweigern. Dem Wahn anheimfallend, zieht der König schließlich durch das Land, einzig begleitet von seinem Narren. Der führt ihm seine Fehler offen vor Augen. Doch der König kann nicht mehr klar denken ...
In „König Lear“ treffen machtgierige Figuren, die über Leichen gehen, auf einen schwachen König. Denn König Lear – so zeigt es gleich die erste Szene mit dem „Liebestest“ seiner Töchter – ist anfällig für Schmeicheleien. Er verfügt weder über den notwendigen Weitblick eines Herrschers noch über die Fähigkeit, wahre Liebe und Treue zu erkennen. Er erträgt es nicht, die Wahrheit zu hören, wenn sie ihm missfällt. Als Folge verstößt er jene Menschen, die eigentlich sein Bestes wollen, wie seine jüngste Tochter Cordelia und seinen treuen Gefolgsmann, den Grafen von Kent. Damit beraubt er sich aller Sicherheiten und wird zum Spielball seiner beiden kaltherzigen Töchter.
Diese Elemente wiederholen sich in einer Parallelhandlung, die Shakespeare meisterhaft dem klassischen Mythos hinzugefügt hat: In einer Nebenhandlung verstößt nämlich der Graf von Gloucester (auch: Gloster) ebenfalls den falschen, nämlich seinen guten Sohn Edgar. Das geschieht, nachdem sein unehelicher Sohn Edmund den legitimen Erben mit einem gefälschten Brief beim Vater verleumdet und einen Angriff Edgars vortäuscht. Als Edmund seinen Vater schließlich verrät, um an das Erbe zu kommen, verfällt Gloucester ebenfalls dem Wahnsinn. Geblendet irrt er durch die Heide Südenglands und erkennt erst spät – als der verbannte Edgar ihn wiederfindet – seinen Fehler. Edgar rettet seinen Vater noch vor dem Selbstmord, aber die späte Erkenntnis wird trotzdem Gloucesters Tod fordern – genau so wie König Lear unter der Last der grausamen Wahrheit tot zusammenbricht, nachdem er noch die Hinrichtung seiner verstoßenen, wiedergefundenen jüngsten Tochter miterleben musste.
Shakespeare schuf mit seiner wort- und blutreichen Version der Leir-Legende ein Werk, das dem Publikum im Schauspielhaus einiges abverlangt. Denn die zerstörerischen Schwächen der Menschen wie Eigenliebe, Machthunger und Grausamkeit dominieren das Geschehen und reißen auch viele der guten Figuren mit in den Abgrund.
„König Lear“ gilt deshalb bis heute als eines der am schwersten zu inszenierenden Stücke Shakespeares sowohl für das Theater als auch für den Film. Zudem wurde es in mehreren Versionen gedruckt, die teils stark voneinander abweichen. Uraufgeführt wurde das Stück einer Verlagsnotiz zufolge am St. Stephanstag (26. Dezember) des Jahres 1606 am Hof von König Jakob I.. Über 150 Jahre lang wurde es dann, wenn überhaupt, nur in geglätteten Versionen aufgeführt, in denen der alte König überlebt oder das Publikum zumindest hoffen darf, das Cordelia noch am Leben ist. Erst 1823 nahm ein damals prominenter Theatermann namens Edmund Kean, der selbst die Titelrolle spielte, das tragische Ende des Stücks wieder auf – und scheiterte damit nach nur drei Aufführungen. Zu dramatisch, zu gewalttätig und grauenvoll war das Original für den Zeitgeschmack des 17. bis 19. Jahrhunderts.
Spätestens im 20. Jahrhundert kam es dann wieder bevorzugt auf die Theaterbühnen. Die modernen Inszenierungen dieser Zeit betonten das Absurde und Wahnhafte der Geschichte.
Die Macht und ihre Fallstricke, Eigenliebe, die zum Wahn wird, und Wahnsinn, der zur tragischen Einsicht führt – diese Themen dominieren die Welt von „König Lear“. Auch als ihm seine treuen Anhänger zur Rückkehr auf den Thron verhelfen wollen und seine Tochter Cordelia mit einer Armee über den Ärmelkanal anrückt und in Dover landet, kann er nicht mehr zu klarem Verstand zurückfinden. Aber auch die Bösen erreichen ihre Ziele nicht: In ihrem Machthunger verstricken sich Lears ältere Töchter sowie der hinterhältige uneheliche Sohn Edmund in Intrigen gegeneinander, was den Tod der meisten Protagonisten zur Folge hat. Das Stück wird vom Dunklen, Wahnhaften und Absurden dominiert. Erlebens- und lesenswert ist es dennoch, denn Shakespeare gab dieser Geschichte eine dramatische Durchschlagskraft, die ihresgleichen sucht. So vermittelt das Werk König Lear eine wahre, doch gleichzeitig sehr harte Botschaft: nämlich, dass falsche Entscheidungen, getroffen aufgrund negativer Charaktereigenschaften wie Selbstverliebtheit oder Egoismus, dramatische Konsequenzen nach sich ziehen können.
Mit ähnlich dramatischen Konsequenzen muss auch eine andere Figur Shakespeares leben. Sie heißt: Macbeth. Und die gleichnamige Tragödie sollte nun wirklich jeder kennen …
Zusammenfassung
In „König Lear“ (Originaltitel: „The Tragedy of King Lear“) geht es um einen schwachen König, der die falsche Entscheidung trifft: Er erliegt den Schmeicheleien seiner beiden älteren Töchter. Doch ausgerechnet die Jüngste, die einzige Tochter, die es gut mit ihm meint, verstößt er.
Es geht in dem Stück um Verrat und Machtgier, aber auch darum, dass falsche Entscheidungen, getroffen aufgrund negativer Charaktereigenschaften wie Selbstverliebtheit oder Egoismus, dramatische Konsequenzen nach sich ziehen können.
„König Lear“ ist eine der finstersten und grausamsten Tragödien Shakespeares. Deshalb wurde sie viele Jahre gar nicht oder nur in abgemilderter Form aufgeführt. Die emotionale Wirkung dieser Geschichte über Verrat, Wahn und Tod war und ist für manche Zuschauer bis heute schwer auszuhalten.
Die Tragödie wurde in mehreren voneinander abweichenden Versionen gedruckt. Die erste bekannte Aufführung einer Version fand am St. Stephanstag (26. Dezember) des Jahres 1606 am Hof von König Jakob I. statt.
Teste dein Wissen im Quiz
Richtige Antworten:
1. D) Tragödie
2. A) Verrat und Wahnsinn eines Königs
3. C) Verstößt seine einzige gutherzige Tochter
4. B) Wurde jahrelang nicht oder nur abgewandelt aufgeführt
5. D) Verrat, Wahnsinn und Machtgier
Cordelia versagt in einer Liebesprobe, die der König von seinen drei Töchtern verlangt. Im Gegensatz zu ihren beiden älteren Schwestern fallen ihr keine blumigen (und ebenso falschen) Beteuerungen ein. So beschränkt sie sich auf die ehrliche Antwort, ihren Vater so zu lieben, wie sie es als Pflicht empfinde. Lear in seiner gekränkten Eitelkeit ist darüber so erzürnt, dass er verkündet: „Hiermit entsag ich aller Vaterpflicht“; er enterbt Cordelia und versagt ihr auch die Mitgift zur Eheschließung.
Der titelgebende König, der eine Tochter verstößt und seinen beiden anderen intriganten, machthungrigen Töchtern sein Reich anvertraut, geht an Wahn und Trauer zugrunde. Im Zuge der Verwicklungen sterben schlechte ebenso wie diverse gute Figuren. Am Ende bleibt die harte Wahrheit: dass falsche Entscheidungen drastische Konsequenzen haben können.
Mit „König Lear“ mutet William Shakespeare seinen Zuschauern einiges zu. Das Stück über Verrat, Wahn und Tod wurde aufgrund seiner finsteren Dramatik viele Jahre lang nur in bearbeiteter Form oder gar nicht aufgeführt, denn in ihrer Brutalität wurde sie im 17. und 18. Jahrhundert vom Publikum abgelehnt. Wohl deshalb schrieb der Dichter und Schriftsteller Nahum Tate das Stück im Jahr 1681 radikal um. In seiner Fassung, die als die theatergeschichtlich bedeutendste Adaption gilt, gibt es ein Happy End. Tates Version dominierte die englischsprachigen Bühnen bis weit ins 19. Jahrhundert hinein.
Die Tragödie spielt im antiken Britannien. Shakespeare grenzt die Zeit in seinem Stück nicht näher ein, aber das historische bzw. halblegendäre Vorbild seiner Hauptperson lebte wahrscheinlich im 8. Jahrhundert vor Christi Geburt.
Als literarische Vorlage für Shakespeares Tragödie gilt die altenglische Überlieferung um den sagenumwobenen König Leir und seine drei Töchter Gonorilla, Regau und Cordeilla. Die älteste Version dieser Legende wurde im 12. Jahrhundert von dem britischen Geistlichen und Gelehrten Geoffrey von Monmouth in der „Historia Regum Britannia“ (Geschichte der britischen Könige) aufgeschrieben.
Der Dramatiker fügte nicht nur weitere Charaktere hinzu, er änderte auch den Schluss. Seine Tragödie ist weitaus brutaler und pessimistischer als die Leir-Überlieferung. Dort flüchtet der König zu seiner verstoßenen Tochter ins Frankenreich und kehrt mit ihr zusammen an die Macht zurück. Shakespeares Lear verfällt dem Wahnsinn und geht an der Erkenntnis seiner Fehler zugrunde.
An den Bad Hersfelder Festspielen 2023 wird „König Lear“ in einer neuen Übersetzung von Miroslava Svolikova aufgeführt. Bei ihr ist der König eine Frau: Regisseurin Tina Lanik schickt Charlotte Schwab als Titelheldin auf die Bühne der Stiftsruine von Bad Hersfeld.