Die Stunde Null nach dem Zweiten Weltkrieg: Im Sommer 1945 trafen sich die Siegermächte Großbritannien, USA und Sowjetunion, um über die Zukunft Deutschlands zu entscheiden. In dieser Story erfährst du, welche Beschlüsse in der Potsdamer Konferenz gefasst wurden – und welche Gräben sich zwischen den politischen Systemen des Westens und des Ostens auftaten.
Hungrig und müde streunt der Junge durch die zerbombte Stadt. Er klettert über Trümmer und kriecht in halb verschüttete Keller. Seit Tagen hat er nichts Essbares mehr gefunden, aber heute scheint er Glück zu haben: In einer Ecke unter Schutt und Scherben liegen ein paar schrumpelige Kartoffeln! Hastig stopft er die Knollen in die Taschen seiner zerlumpten Jacke. In die Hosentaschen passen auch noch ein paar davon. Plötzlich aber schrillt eine Sirene. Erschrocken drückt sich der Junge an die Kellerwand, doch dann nimmt er all seinen Mut zusammen, klettert wieder ans Tageslicht empor – und traut seinen Augen kaum: Eine Kolonne Militärfahrzeuge rumpelt die Straße entlang, an denen ganz andere Fähnchen flattern als an den bekannten Fahrzeugen der Russen! Fähnchen mit Sternen und Streifen! Amerikaner! fährt es dem Jungen durch den Kopf. Was haben die hier in Potsdam verloren?
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Jetzt runterladen!Die Nazis waren besiegt, viele deutsche Städte lagen in Schutt und Asche. Die Bevölkerung hungerte. Mit den Besatzungstruppen der Sieger wollten die Menschen so wenig wie möglich zu tun haben – vor allem mit den Sowjets, die Berlin und den Ostteil des ehemaligen Deutschen Reichs besetzt hatten. Aber in diesen Tagen von Mitte Juli bis Anfang August 1945 wird sich in Potsdam so mancher gefragt haben, warum es in ihrer Stadt plötzlich nicht nur von den bekannten Sowjetsoldaten, sondern auch von Engländern und Amerikanern wimmelte. Was wollten die mitten in der sowjetischen Besatzungszone?
Nun, für die Siegermächte gab es zu Beginn der Nachkriegszeit wichtige Fragen endgültig zu klären: Wie konnten sie wieder eine stabile Friedensordnung in Europa herstellen? Wo sollten künftig die Grenzen zwischen den Ländern verlaufen, und wie sollte es mit Deutschland weitergehen? Um all das zu besprechen, kamen rund zweieinhalb Monate nach Hitlers Selbstmord drei wichtige Staatschefs im Schloss Cecilienhof bei Potsdam zusammen. Drei Männer, die unterschiedlicher nicht sein konnten, von denen aber das weitere Schicksal Deutschlands abhing: US-Präsident Harry S. Truman als Nachfolger des verstorbenen Franklin D. Roosevelt, der britische Premierminister Winston Churchill (der wenig später noch während der Konferenz von seinem Nachfolger Clement Attlee als britischer Verhandlungsführer abgelöst wurde) – und der sowjetische Machthaber Josef Stalin als Gastgeber. Mit am Verhandlungstisch saßen die drei Außenminister: James Francis Byrnes für die USA, Wjatscheslaw Molotow für die Sowjetunion und Anthony Eden für Großbritannien, der später durch Ernest Bevin abgelöst wurde.
Sie alle wussten schon von vornherein, dass die Verhandlungen keine Freundschaftsgespräche werden würden ...
Schon auf der Konferenz von Jalta, der zweiten Kriegskonferenz der Großen Drei, waren die Spannungen zwischen den Westmächten und dem kommunistischen Diktator Stalin unüberhörbar gewesen. Zu unterschiedlich waren die Interessen. Stalin wollte alle Gebiete, die seine Rote Armee erobert hatte, künftig unter dem Einfluss seiner kommunistischen UdSSR sehen. Dazu zählte neben dem östlichen Deutschland und Ostpreußen auch ein großer Teil Ost-Polens sowie weitere Staaten Ost- und Südosteuropas wie die Tschechoslowakei, Ungarn und mehrere Balkanländer. Stalin hatte zwar versprochen, dass diese Staaten ihre Regierungsform und politische Zukunft in freien Wahlen selbst bestimmen dürften. Daran allerdings hegte Winston Churchill so seine Zweifel – und das zu Recht, wie die nächsten Jahre zeigen sollten.
Churchill wollte ein neues, stabiles Gleichgewicht der Mächte in Europa, keinen kommunistischen Machtblock. Das Bündnis mit Stalin war der Brite nur eingegangen, um mit vereinten Kräften gegen Hitler vorzugehen. Auch US-Präsident Truman stand dem kommunistischen Großmachtstreben äußerst ablehnend gegenüber – und ging in Potsdam unmissverständlich auf Abstand zu Stalin.
Dennoch: Trotz aller Spannungen einigten sich die drei Hauptsiegermächte in 13 Sitzungen und zähen Verhandlungsrunden vom 17. bis 28. Juli auf eine gemeinsame Willenserklärung: das Potsdamer Abschlussprotokoll.
Im August 1945 dann war es soweit. Das Abschlussprotokoll wurde unterzeichnet – eine gemeinsame Willens- und Absichtserklärung der Siegermächte. Sie wird oft auch als „Potsdamer Abkommen“ bezeichnet, war aber kein völkerrechtlicher Vertrag. Wesentliche Punkte des Protokolls waren: Deutschland sollte nach seiner bedingungslosen Kapitulation entwaffnet und die deutsche Bevölkerung vom nationalsozialistischen Gedankengut befreit werden. Sämtliche nationalsozialistische Organisationen und Einrichtungen sollten aufgelöst und verboten werden, Nazi-Kriegsverbrecher sollten verfolgt und verurteilt werden.
Und auch die Reparationen – also die Kriegsentschädigungen, die Deutschland leisten sollte – waren Teil der Vereinbarung. Vereinfacht ausgedrückt: Jede Siegermacht sollte sich aus ihrer eigenen Besatzungszone selbst entschädigen, ohne allerdings die Reste der deutschen Wirtschaft durch Demontagen komplett zu ruinieren. Die Sowjets aber hatten andere Pläne: In den folgenden Jahren sollten sie ganze Industriebetriebe abmontieren und nach Osten schaffen. Während die Besatzungsmächte der Westzonen Maß hielten und den Wiederaufbau später sogar aktiv unterstützten, begann der Osten wirtschaftlich und finanziell auszubluten. Ein schweres Erbe für die spätere DDR.
Darüber hinaus wurde mit dem Potsdamer Abschlussprotokoll ganz nach Stalins Wünschen eine folgenschwere territoriale Neuordnung endgültig zementiert: die sogenannte Westverschiebung Polens.
Schon in den Konferenzen von Teheran 1943 sowie Jalta im Februar 1945 hatte sich Stalin mit seinen diesbezüglichen Forderungen weitgehend durchgesetzt; in Potsdam wurde die Westverschiebung Polens nur noch protokollarisch bestätigt: Als erstes Opfer des Zweiten Weltkriegs sollte Polen mit dem Großteil der ehemaligen deutschen Ostgebiete entschädigt werden. Die Westgrenze Polens wurde – vorerst ausdrücklich provisorisch – bis an die Flüsse Oder und Neiße vorgeschoben. So weit, so gut. Der Haken an der Sache: Für den Landgewinn im Westen musste Polen wesentlich größere Landesteile im Osten an die Sowjetunion abtreten. Das betraf die Gebiete östlich der Flüsse Bug und San, in denen russische, polnische und ukrainische Bevölkerungsgruppen lebten. Dahinter stand knallhartes Kalkül des kommunistischen Diktators. Zum einen wollte er seinen Machtbereich weiter nach Westen ausdehnen. Die polnischen Ostgebiete wiederum betrachtete er als Kriegsbeute, denn er hatte sie ja aufgrund des Nichtangriffspakts mit Hitler annektiert. Nun wollte er sie endgültig der Sowjetunion einverleiben, was er in einem entsprechenden polnisch-sowjetischen Vertrag auch umgehend erledigte.
Für große Teile der dortigen Bevölkerung bedeutete das die Vertreibung von Haus, Hof und Acker. Rund zwei Millionen Polen und Ukrainer waren von Stalins Zwangsumsiedlungen betroffen. Sie sollten sich in den neuen westpolnischen Gebieten wie Schlesien, Pommern oder Masuren niederlassen, aus denen die deutsche Bevölkerung geflohen war oder gewaltsam vertrieben wurde.
Flucht und Vertreibung gelten heute als eine der größten humanitären Katastrophen des 20. Jahrhunderts. Die Absichtserklärung der Siegermächte sah für die Zwangsausgesiedelten eine „Überführung in ordnungsgemäßer und humaner Weise“ vor. Die Realität sah allerdings völlig anders aus ...
Zusammenfassung
Im Sommer 1945 trafen sich die Regierungschefs der Sowjetunion, der USA und Großbritanniens im Potsdamer Schloss Cecilienhof, um sich über die weitere Zukunft Deutschlands und Europas nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs abzustimmen.
Wesentliche Vereinbarungen des aus 21 Punkten bestehenden Potsdamer Abschlussprotokolls waren unter anderem die Demilitarisierung und Denazifizierung Deutschlands sowie die Reparationen, die es leisten sollte.
Darüber hinaus hatte Stalin die sogenannte Westverschiebung Polens durchgesetzt: Die Westgrenze des Landes sollte vorläufig durch die Oder-Neiße-Linie markiert werden. Damit fielen die ehemaligen deutschen Ostgebiete an Polen. Die Sowjetunion vereinnahmte dafür weitaus größere polnische Gebiete im Osten, aus denen die polnische und ukrainische Bevölkerung zwangsausgesiedelt wurde.
In den Gesprächen der Potsdamer Konferenz wurden (wie bereits in der Konferenz von Jalta) die gegensätzlichen Anschauungen der Westalliierten und der Sowjetunion deutlich, die in den folgenden Jahren zum Kalten Krieg und zur Teilung Deutschlands führen sollten.
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Richtige Antworten:
1. C) Potsdam
2. A) Nachkriegsordnung
3. B) Teilung Deutschlands
4. B) Clement Attlee
5. D) Frankreich