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„Sie kam und blieb“

Liebe zu dritt?
Das Bild zeigt eine Frau in einem dunklen Kleid, die an einem Schreibtisch in einem mit Büchern und Dokumenten gefüllten Raum schreibt. Das Licht fällt durch das Fenster herein und beleuchtet ihr Gesicht und den Schreibtisch, was an Simone de Beauvoir erinnern könnte, die in ihrer Arbeitsumgebung vertieft ist.
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Inhalte

Intro

In ihrem Debütroman schreibt Simone de Beauvoir über eine Ménage à trois, eine Dreiecksbeziehung im Paris der 1930er Jahre. In dieser Story erfährst du, welche philosophischen Ideen hinter dem Konzept der freien Liebe stecken und mit welchem berühmten Philosophen de Beauvoir selbst eine offene Beziehung führte.

Kapitel 1: Drei sind einer zu viel

Zwei Frauen sitzen in einem schlichten Pariser Pensionszimmer bei einer Tasse Tee. Xavière ist Anfang 20, Françoise rund zehn Jahre älter. Der Tee ist längst kalt, denn sie sprechen über Pierre – den Mann, mit dem beide eine Beziehung führen. Was denkt er? Was fühlt er? Jede von ihnen glaubt, Pierre und sein Seelenleben am besten zu kennen. Worte fliegen hin und her, Andeutungen werden gemacht, Beleidigungen ausgetauscht. Xavière beharrt darauf, dass Pierre sie liebt, während Françoise ihr am liebsten ins Gesicht schleudern würde, dass sie offenbar Mitleid mit Liebe verwechselt. Aber sie beherrscht sich. Für Xavière, die sich die Welt immer so zurechtlegt, wie es ihr passt, gibt es sowieso nur ihre Wahrheit. Die Sicht anderer Menschen ist ihr völlig egal … 

Am Ende gehen beide Frauen frustriert ihrer Wege – doch schon am nächsten Morgen wird eine von ihnen tot sein.

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Kapitel 2: Ab jetzt zu dritt

Was hier tödlich endet, ist Simone de Beauvoirs erster Roman, „Sie kam und blieb“ (Originaltitel: L’Invitée), erschienen im Jahr 1943. Darin erzählt die Autorin von einer Dreiecksbeziehung – einer Ménage à trois im Paris der Dreißigerjahre. Die Schriftstellerin Françoise und der Regisseur Pierre genießen ihr Künstlerdasein zwischen Bars und Theaterpremieren. Das Paar lebt eine offene Beziehung und ist glücklich damit. Eines Tages aber taucht Xavière auf: eine 19-Jährige aus der Provinz, die sich ziellos durchs Leben treiben lässt. Anfangs sind Françoise und Pierre fasziniert von diesem unberechenbaren und melancholischen Wesen. Sie unterstützen Xavière finanziell und lassen sich von ihr zu einem neuen Blick auf ihre Beziehung inspirieren. Das bringt Pierre auf eine Idee: Wie wäre es mit einer Beziehung zu dritt? Françoise ist einverstanden. Doch schon bald findet sie Xavières Anwesenheit nicht mehr anregend, sondern bedrohlich. Zumal Xavière ein Auge auf einen talentierten Nachwuchsschauspieler geworfen hat, in den Françoise bereits verliebt ist. Mit der Zeit verliert auch Pierre das Interesse an der launischen Xavière. Doch als er versucht, sich von ihr zu lösen, kann oder will sie das nicht akzeptieren. Françoise und Pierre müssen erkennen, dass sie die Kontrolle über die junge Frau verloren haben. Wenn sie die überhaupt jemals hatten … Schließlich folgt Françoise einer spontanen Eingebung: Während Xavière schläft, dreht sie den Gashahn auf.

Kapitel 3: Dem Bewusstsein auf der Spur

In „Sie kam und blieb“ geht es aber nicht nur um den Mord an der Nebenbuhlerin, sondern auch um freie Liebe und Eifersucht, vor allem aber um philosophische Fragen. Denn die französische Autorin Simone de Beauvoir ist eine der Hauptvertreterinnen des Existenzialismus. Diese philosophische Strömung geht davon aus, dass es keine vorgegebene menschliche Natur gibt. Der Mensch ist demnach nicht etwa von Geburt an gut oder böse; er kommt weder besonders lasterhaft noch überaus vernünftig zur Welt. Nein, am Anfang des Menschen stehe die bloße Existenz. Er werde völlig frei und unbelastet geboren und definiere sich erst durch sein Handeln. Er sei also das, wozu er sich aus freien Stücken entwickle.

Dem Existenzialismus zufolge ist der Mensch außerdem das einzige Lebewesen, dass sich seiner Existenz bewusst ist. Ja, er ist sogar dieses Bewusstsein. Und als solches trifft er täglich auf andere Menschen und deren Bewusstsein. Das sorgt für Konflikte. Warum? Weil sich jeder als Mittelpunkt der Welt wahrnimmt. Existenzialisten sagen: Jeder von uns spielt im eigenen Leben die Hauptrolle, alle anderen sind bloß Statisten. Da fällt es natürlich schwer zu akzeptieren, dass wir im Leben der anderen auch nur Nebenrollen bekleiden. Auch die Romanfigur Xavière will immer die Hauptrolle spielen und beharrt stets auf ihrer Sicht. Dadurch zwingt sie Françoise und Pierre regelrecht zu einem Perspektivwechsel. So sagt Pierre über Xavière: „Sie sieht alle Dinge mit ganz neuen Augen an und auf einmal beginnen diese Dinge auch für uns genau auf die Weise zu existieren, wie sie ihr erscheinen.“

Kapitel 4: Ein Liebespakt auf Augenhöhe

Es steckt also viel Philosophisches in de Beauvoirs Belletristik-Debüt. Ihr Erstling enthält aber auch eine sehr persönliche Ebene, denn die Autorin verarbeitet darin eigene Erfahrungen. So führte sie selbst eine offene Beziehung mit dem Schriftsteller und Philosophen Jean-Paul Sartre. Eine Beziehung, die erst fünf Jahrzehnte später mit dessen Tod endete. Die beiden hatten sich während des Studiums kennengelernt und schon im Oktober 1929 ihren berühmten „Pakt“ geschlossen. Ihre Liebe, so erklärte Sartre, sei ein „Amour nécessaire“ – eine notwendige Liebe. Alle Affären daneben seien „Amours contingents“ – Zufallslieben –, denen jeder von ihnen durchaus nachgeben dürfe. Außerdem schwor sich das Paar, stets ehrlich miteinander zu sein. Zunächst galt der Pakt für zwei Jahre, doch schon bald wurde er auf unbestimmte Zeit verlängert. Es war ein Pakt, der auf absoluter Freiheit für beide basierte: Eine gleichberechtigte Partnerschaft ohne die gesellschaftlichen Fesseln und unvermeidlichen Gebrauchsspuren der bürgerlichen Ehe. In ihrer 51 Jahre dauernden Beziehung lebten Sartre und de Beauvoir nie fest zusammen und hatten keine Kinder miteinander; stattdessen nutzten beide die Freiheit zu den „Amours contingents“, die sie einander gewährt hatten. Aber sie beeinflussten einander stark in ihrem literarischen und philosophischen Werk, und sie hörten nie auf, sich auszutauschen – auch wenn sich die beiden zeitlebens gesiezt haben.

Kapitel 5: Beinahe-Katastrophe

In den 1930er-Jahren probierten sie auch mal eine Dreiecksbeziehung aus. Die Dritte im Bunde hieß Olga Kosakiewicz, eine ehemalige Schülerin und wohl auch Liebhaberin von Simone. Die junge Frau wusste nicht recht, was sie mit ihrem Leben anfangen sollte. De Beauvoir und Sartre ermunterten sie, Schauspielerin zu werden, und griffen ihr auch finanziell unter die Arme. Doch Sartre störte sich an dem intimen Verhältnis der beiden Frauen; er wünschte sich eine eigene Beziehung zu Olga. Das Zusammenleben zu dritt lief alles andere als harmonisch, denn Olga fühlte sich oft bevormundet, während Sartre sie fast manisch dazu bringen wollte, mit ihm ins Bett zu gehen. Olga wiederum spielte nur mit ihm. Und so steuerte das Trio auf eine Katastrophe zu, die nur verhindert wurde, weil Simone de Beauvoir einen Nervenzusammenbruch erlitt und Sartre ein neues Objekt der Begierde fand … 

Offenkundig hat Simone de Beauvoir diese Dreiecksbeziehung in ihrem Roman „Sie kam und blieb“ verarbeitet. Allerdings griff sie nicht zum Gashahn wie ihre Romanfigur. Im echten Leben blieb sie bis an ihr Lebensende mit Olga befreundet – nicht zuletzt dank des tödlichen Roman-Endes. Denn De Beauvoir machte klar: „Indem ich Olga auf dem Papier tötete, entledigte ich mich des […] Hasses, den ich gegen sie empfunden haben mochte. Ich reinigte unsere Freundschaft von allen schlechten Erinnerungen […].“ 

Ja, in der Fantasie ist eben alles erlaubt. In der Realität hingegen bleibt uns nichts anderes übrig, als Konflikte des menschlichen Miteinanders auf weniger drastische Weise zu lösen – und zu akzeptieren, dass auch Nebenrollen Oscar-reif sein können. 

Simone de Beauvoirs zweiter Roman „Le sang des autres“ (in Deutschland erschienen unter dem Titel „Das Blut der anderen“) dreht sich ebenfalls um philosophische Themen. Doch diesmal spielt die Handlung vor der Kulisse des Zweiten Weltkriegs.

Zusammenfassung

  • „Sie kam und blieb“ war Simone de Beauvoirs Debütroman und erschien 1943 (ins Deutsche übertragen von Eva Rechel-Mertens 1953 im Rowohlt Verlag). Er handelt von einer Dreiecksbeziehung zwischen zwei Frauen und einem Mann im Paris der 1930er-Jahre.

  • De Beauvoir ist eine der Hauptvertreterinnen des Existenzialismus, einer philosophischen Strömung, die davon ausgeht, dass der Mensch sich erst durch sein Handeln definiert. Der Roman „Sie kam und blieb“ greift deshalb auch philosophische Fragen auf, zum Beispiel die nach dem menschlichen Miteinander. 

  • Dem Existenzialismus zufolge hat der Mensch nicht nur ein Bewusstsein, er ist sein Bewusstsein. Deshalb stellt jeder Mensch sich und sein Bewusstsein in den Mittelpunkt, was zum Konflikt mit anderen Menschen und deren Bewusstsein führt. 

  • In dem Roman verarbeitete de Beauvoir eigene Erfahrungen: So führte sie mit dem Schriftsteller und Philosophen Jean-Paul Sartre eine offene Beziehung, die auf einem Pakt basierte. Und in den 30er-Jahren hatten die beiden eine Dreiecksbeziehung mit de Beauvoirs früherer Schülerin Olga.

  • Weitere wichtige Werke Simone de Beauvoirs sind unter anderem: „Das andere Geschlecht“ (Le Deuxième Sexe, 1949), „Die Mandarins von Paris“ (Les Mandarins, 1954), „Die Welt der schönen Bilder“ (Les belles Images, 1966), „Eine gebrochene Frau“ (La femme rompue, suivi de Monologue et de L’âge de discrétion, 1968) sowie ihre mehrbändige Autobiografie mit u.a. „Memoiren einer Tochter aus gutem Hause“, „In den besten Jahren“ und „Die Zeremonie des Abschieds“ (alle beim Rowohlt Taschenbuch Verlag erschienen).

Teste dein Wissen im Quiz

  1. Wer schrieb den Roman „Sie kam und blieb” von 1943?
    1. A) Jean-Paul Sartre
    2. B) Ernest Hemingway
    3. C) Albert Camus
    4. D) Simone de Beauvoir
  2. Welche philosophische Strömung vertrat Simone de Beauvoir?
    1. A) Rationalismus
    2. B) Existenzialismus
    3. C) Materialismus
    4. D) Idealismus
  3. Mit wem führte Simone de Beauvoir eine offene Beziehung, die sie mit einem Pakt besiegelte?
    1. A) Karl Marx
    2. B) Leo Trotzki
    3. C) Jean-Paul Sartre
    4. D) Olga Kosakiewicz
  4. Was ist das Hauptthema des Existentialismus?
    1. A) Krieg und Frieden
    2. B) Überwindung des Kapitalismus
    3. C) Schicksal
    4. D) Die menschliche Existenz
  5. In welcher Stadt wurde Simone de Beauvoir geboren?
    1. A) Paris
    2. B) Berlin
    3. C) Hamburg
    4. D) Rouen
  6. In welchem Land spielt der Roman „Sie kam und blieb”?
    1. A) USA
    2. B) Österreich
    3. C) Frankreich
    4. D) Dänemark

Richtige Antworten: 
1. D) Simone de Beauvoir
2. B) Existenzialismus
3. C) Jean-Paul Sartre
4. D) Die menschliche Existenz 
5. A) Paris 
6. C) Frankreich

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