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Wiederbewaffnung

Deshalb durften Deutsche wieder Waffen tragen
Adenauer im Bundestag (1955), Bundesarchiv, B 145 Bild-F002449-0027 / Unterberg, Rolf / CC-BY-SA 3.0
Wiederbewaffnung
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Anfang der 50er-Jahre: Mit dem Schuman-Plan war die Grundlage für ein wirtschaftlich stabiles Europa geschaffen worden. Deutschland aber war noch immer besetzt. So kurz nach dem Zweiten Weltkrieg war ein eigenständiges, wiederbewaffnetes Deutschland undenkbar. Eigentlich …

Kapitel 1: Das Unvorstellbare

„Heute, fast zehn Jahre nach dem politischen und militärischen Zusammenbruch des Nationalsozialismus, endet für die Bundesrepublik Deutschland die Besatzungszeit.“

Mit diesen Worten wendet sich Bundeskanzler Konrad Adenauer am 5. Mai 1955 in einer Rundfunkansprache an die deutsche Bevölkerung. Er hat sich mit seinen Ideen durchgesetzt und verkündet feierlich: Die Bundesrepublik Deutschland ist ein souveräner Staat. Westdeutschland tritt dem westlichen Verteidigungsbündnis NATO bei und darf nun ganz offiziell eine eigene Armee aufstellen – und das gerade einmal zehn Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs! Eigentlich unvorstellbar ...

Doch wie konnte es dazu kommen?

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Kapitel 2: Ein neuer Feind

Nach dem Zweiten Weltkrieg hatten die Siegermächte rigoros die Entmilitarisierung Deutschlands vorangetrieben. Das bedeutet: keine deutsche Waffenproduktion, kein deutsches Militär, keine eigenständige deutsche Polizei. Denn nie wieder sollte Deutschland einen Angriffskrieg anzetteln können! Darüber waren sich die Besatzungsmächte einig. Aber auf politischem und wirtschaftlichem Gebiet galt das schon lange nicht mehr. Die Sowjetunion, einst starker Verbündeter in der Anti-Hitler-Koalition, wollte ihren kommunistischen Machtbereich auf ganz Berlin und am liebsten auch auf ganz Deutschland ausweiten. Die Westmächte hielten erfolgreich dagegen. Aber sie mussten bald erkennen: Auf die Dauer würden sie die Deutschen nicht nur als Partner in der Schwerindustrie brauchen, sondern auch als Partner in einem Verteidigungsbündnis gegen eine kommunistische Invasion. Denn 1949, im Jahr der Gründung der Bundesrepublik Deutschland und der DDR, hatten sich zwei Dinge ereignet, die diese Befürchtung erhärteten: Zum einen verfügte die Sowjetunion jetzt über eine eigene Atombombe und war damit über Nacht zur tödlichen Bedrohung für die gesamte westliche Welt geworden. Zum anderen wurde die kommunistische Volksrepublik China gegründet – was die Gefahr aus dem Osten nochmals erheblich vergrößerte! Und spätestens jetzt war man sich im Westen sicher: Im Falle eines kommunistischen Angriffs auf Europa wurde auch die Bundesrepublik Deutschland als Bündnispartner gebraucht! Das war natürlich ganz im Sinne des deutschen Bundeskanzlers Konrad Adenauer, denn Deutschland würde damit auch der Eigenständigkeit einen Schritt näherkommen. Denn wirklich souverän, also eigenständig, war Westdeutschland nicht. Es war nach wie vor besetzt. Ohne die Zustimmung der Besatzungsmächte USA, Großbritannien und Frankreich konnte die Bundesrepublik zum Beispiel keine internationalen Verträge schließen. Und zur echten Eigenständigkeit fehlte auch eine eigene Armee – mit eigenen Waffen. Die Idee der Wiederbewaffnung Deutschlands aber stieß bei den Besatzungsmächten verständlicherweise erst einmal auf wenig Gegenliebe. Bis ein Ereignis im fernen Osten auf einen Schlag alles änderte …

Kapitel 3: Erstes Umdenken

Am 25. Juni 1950 erschütterte ein Ereignis die westliche Welt: Das kommunistische Nordkorea war in das gemäßigte Südkorea eingefallen! Würden nun die Atommacht Sowjetunion auch in Europa Krieg führen? Besonders beunruhigend war die Erkenntnis, dass das zweigeteilte Korea in gewisser Weise dem zweigeteilten Deutschland glich: Würde in Kürze also nun auch die sozialistische DDR die demokratische Bundesrepublik überrennen? Die Nervosität wurde immer größer – und es entbrannte ein heftiger politischer Streit darüber, wie man angesichts dieser neuen Bedrohung nun mit Westdeutschland verfahren sollte. Vorschläge gab es viele: Der deutsche Kanzler Konrad Adenauer (CDU) bat darum, wenigstens eine Art Schutzpolizei aufstellen zu dürfen – es musste ja nicht gleich eine neue deutsche Wehrmacht sein! Die USA brachten ganz ähnliche Vorschläge ins Spiel: Deutschland könnte doch Mitglied des westlichen Verteidigungsbündnisses NATO werden. Doch solche Gedanken gingen einer weiteren Besatzungsmacht eindeutig zu weit: Frankreich! Eine Wiederbewaffnung Deutschlands und damit eine mögliche erneute Aufrüstung war wirklich das Letzte, was die Franzosen wollten. Also brachten sie einen anderen Vorschlag ins Spiel: Man könnte doch eine Art vereinigte Europa-Armee gründen. Unter dem Dach einer „Europäischen Verteidigungsgemeinschaft” könnte sich Deutschland wieder bewaffnen, würde aber trotzdem keine eigene Armee haben und wäre damit keine Gefahr für den französischen Nachbarn ... 

Noch während all diese Ideen rege diskutiert wurden, blickten sämtliche Westnationen immer angespannter auf Korea. Denn dort waren die Kommunisten auf dem Vormarsch. Die Uhr begann bedrohlich zu ticken.

Kapitel 4: NATO oder Europaarmee?

Was soeben in Korea passierte, konnte jederzeit auch mit dem geteilten Deutschland geschehen – so die Befürchtung der westlich geprägten Welt. Es musste also schleunigst eine vernünftige Lösung her. Aber welche? Sollte Deutschland wiederbewaffnet und als eigenständige Nation in die NATO aufgenommen werden, wie es die Amerikaner vorschlugen? Sollte eine  Europaarmee gegründet werden, so wie es die Franzosen wollten? Unter dem Dach einer solchen „Europäischen Verteidigungsgemeinschaft“, kurz EVG, wäre die deutsche Wiederbewaffnung möglich – weil die deutschen Soldaten dem Oberbefehl der anderen europäischen Mächte unterstehen würden. Eine solche Konstellation war allerdings nicht im Sinne der Bundesregierung, die nach politischer Unabhängigkeit strebte. Also verlangte sie ein eigenes Verteidigungsministerium und die Aufhebung des Besatzungsrechts.

Die Verhandlungen zogen sich hin und man einigte sich schließlich auf die Gründung einer gemeinsamen Europaarmee. Selbst die aber ging vielen Franzosen dann doch zu weit und so scheiterten die Pläne letztlich am französischen Parlament. Die doch ziemlich revolutionäre Idee einer gemeinsamen europäischen Armee war damit Geschichte. 

Die USA aber drängten weiterhin auf einen deutschen Verteidigungsbeitrag. Westdeutschland lag schließlich genau zwischen den verfeindeten Blöcken, zwischen dem demokratischen Westen und der kommunistischen Sowjetunion. Aber nicht nur die Franzosen, auch viele Deutsche lehnten eine Remilitarisierung konsequent ab und warnten vor einem Widererstarken des deutschen Militarismus. Nicht nur SPD, Kirchen und Gewerkschaften kritisierten die Wiederbewaffnungspläne scharf, auch Adenauers Parteikollege Gustav Heinemann trat aus Protest von seinem Amt als Innenminister zurück. Nicht ohne darauf hinzuweisen, dass die „westdeutsche Aufrüstung“ die Spaltung Deutschlands vertiefen und die Gefahr eines neuen Krieges verschärfen würde: „Russland wird reagieren. Wir stehen vor der Frage, ob wir durch das, was hier in Westdeutschland geschehen soll, nicht gerade die Lawine in Gang setzen, vor der wir uns schützen wollen.“

Kapitel 5: Die Pariser Verträge

Doch der sich zuspitzende Ost-West-Konflikt spielte dem deutschen Kanzler in die Karten. Er setzte sich trotz der massiven Proteste im Deutschen Bundestag durch. 1951 wurde der Bundesgrenzschutz gegründet – nicht als Militärtruppe, sondern als Sonderpolizei mit 10.000 Mann Truppenstärke (die heutige Bundespolizei). Im Mai 1955 folgte dann mit den sogenannten Pariser Verträgen der entscheidende Schritt zur Westintegration der Bundesrepublik. Teil dieser Pariser Verträge war der sogenannte Generalvertrag zwischen der Bundesrepublik und den drei Westmächten. Mit ihm wurde das Besatzungsstatut in Westdeutschland aufgehoben und der BRD „die volle Macht eines souveränen Staates über ihre inneren und äußeren Angelegenheiten“ übergeben.

Am 6. Mai wurde sie in die NATO aufgenommen. Und als Mitglied dieses westlichen Militärbündnisses durfte sie nun auch eine eigene Armee aufstellen. Noch im selben Jahr wurde die Bundeswehr gegründet. Der erste Bundesminister für Verteidigung war der CDU-Politiker Theodor Blank. Und die USA gaben eine besondere Garantie, um auch die letzten Bedenken Frankreichs auszuräumen: die dauerhafte Stationierung von US-Truppen in Westdeutschland. Außerdem verzichtete die Bundesrepublik ausdrücklich auf chemische, biologische und atomare Waffen.

Die Nachkriegszeit war nun endgültig Vergangenheit. Auch wirtschaftlich: Mit milliardenschwerer Unterstützung der USA erlebte die junge Bundesrepublik einen rasanten wirtschaftlichen Aufschwung. Man nannte ihn auch das deutsche Wirtschaftswunder.

Zusammenfassung

  • Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs hatten die Besatzungsmächte Deutschland entmilitarisiert. Eine eigenständige deutsche Armee war demnach verboten.

  • Mit der sowjetischen Atombombe und dem kommunistischen Überfall auf Südkorea bahnten sich jedoch neue Bedrohungen aus dem Osten an. Daher wurde die Wiederbewaffnung der Bundesrepublik Deutschland bei den Westmächten diskutiert. 

  • Ein Plan war die Schaffung einer vereinigten europäischen Armee, der auch Deutschland angehören sollte. Diese „Europäische Verteidigungsgemeinschaft“ scheiterte jedoch.  

  • Deutschland wurde am 6. Mai 1955 als eigenständige Nation in die NATO aufgenommen. Voraussetzung dafür war die Garantie der Amerikaner, dauerhaft Truppen in der Bundesrepublik zu stationieren. Sie wurde zusammen mit der Aufhebung des Besatzungsstatuts für Westdeutschland in den Pariser Verträgen verankert. Außerdem verzichtete die Bundesrepublik ausdrücklich auf chemische, biologische und atomare Waffen. 

  • Noch im selben Jahr startete der Aufbau der Bundeswehr. Damit wurde der Kalte Krieg, also der sich zuspitzende Ost-West-Konflikt, zum Geburtshelfer einer eigenständigen deutschen Armee.

Teste dein Wissen im Quiz

  1. Was wollte Frankreich nach Ende des Zweiten Weltkrieges verhindern?
    1. A) Eine Europaarmee
    2. B) Universitäten in Deutschland
    3. C) Die Wiederbewaffnung Deutschlands
    4. D) Deutsches Essen in Frankreich
  2. Welcher an sich weit entfernte Krieg beeinflusste die West-Alliierten bei ihrer Entscheidung, der Bundesrepublik Deutschland eine Wiederbewaffnung zu ermöglichen?
    1. A) Der Vietnamkrieg
    2. B) Der Deutsch-Französische Krieg
    3. C) Der Zweite Weltkrieg
    4. D) Der Koreakrieg
  3. In welchem Jahr wurde die Bundesrepublik Deutschland in die NATO aufgenommen?
    1. A) 1955
    2. B) 1968
    3. C) 1974
    4. D) 1945
  4. Welche Armee wurde 1955 in Westdeutschland gegründet?
    1. A) Die Reichswehr
    2. B) Die Bundeswehr
    3. C) Die NVA
    4. D) Die Heilsarmee
  5. Welcher Konflikt gilt als „Geburtshelfer“ einer eigenständigen deutschen Armee, nämlich der Bundeswehr? 
    1. A) Ost-West-Konflikt 
    2. B) Kuba-Krise 
    3. C) Nahost-Konflikt 
    4. D) Russische Invasion Finnlands

Richtige Antworten: 
1. C) Die Wiederbewaffnung Deutschlands
2. D) Der Koreakrieg 
3. A) 1955
4. B) Die Bundeswehr
5. A) Ost-West-Konflikt

FAQs

Warum wurde die Bundesrepublik Deutschland wiederbewaffnet?

Grund waren die Spannungen des Kalten Krieges und der Ausbruch des Koreakriegs. Der kommunistische Norden hatte den westlich orientierten Süden überfallen – und die West-Alliierten (USA, Großbritannien und Frankreich) sowie erste Bundeskanzler Konrad Adenauer mussten die Möglichkeit einer ähnlichen Aggression der sowjetisch beeinflussten DDR gegen die Bundesrepublik in Betracht ziehen. Eine westdeutsche Armee gegen die Bedrohung aus dem Osten: Bereits im Gründungsjahr der Bundesrepublik 1949 hatte Adenauer begonnen, an einem entsprechenden Konzept zu arbeiten. Ihm ging es vor allem darum, die BRD als souveränen und gleichberechtigten Staat in die Gemeinschaft Westeuropas zu integrieren.

Wer stand sich im Kalten Krieg feindselig gegenüber?

Der Kalte Krieg war ein jahrzehntelanger Konflikt zwischen zwei großen Machtblöcken: dem demokratisch orientierten Westen unter Führung der USA und und dem kommunistischen „Ostblock“ unter Führung der Sowjetunion. Ziel beider Seiten war die Ausweitung ihres jeweiligen Einflussbereichs. Die beiden Supermächte führten dabei nie unmittelbar gegeneinander Krieg, sondern beschränkten sich auf militärische Unterstützung ihrer jeweiligen Verbündeten in sogenannten Stellvertreterkriegen – wie dem Koreakrieg.

Wie reagierten die Westdeutschen auf die Pläne zur Wiederbewaffnung?

Das Thema erregte die Gemüter, es kam zu heftiger Kritik aus ganz unterschiedlichen gesellschaftlichen Gruppen, darunter die evangelischen Synoden, kirchliche Jugendverbände und mehrere Gewerkschaften. Es gab die ersten Massendemonstrationen der deutschen Friedensbewegung. Auch aus der Politik bekam Bundeskanzler Adenauer Gegenwind, nicht nur aus der Opposition, sondern auch aus eigenen Reihen der CDU. Der Innenminister Gustav Heinemann trat aus Protest gegen Adenauers Wiederbewaffnungspolitik von seinem Amt zurück.

Was waren die „Pariser Verträge“?

Die Pariser Verträge vom Oktober 1954 waren der entscheidende Schritt zur Westintegration der Bundesrepublik Deutschland. Sie ermöglichten den NATO-Beitritt der BRD und die Aufstellung einer eigenen Armee – der Bundeswehr. Wesentlicher Teil der Pariser Verträge war der sogenannte Generalvertrag zwischen der Bundesrepublik und den drei Westmächten. Mit ihm wurde das Besatzungsstatut in Westdeutschland aufgehoben und der BRD „die volle Macht eines souveränen Staates über ihre inneren und äußeren Angelegenheiten“ übergeben.

Wann wurde die Bundesrepublik Deutschland in die NATO aufgenommen?

Der offizielle Beitritt erfolgte zum 6. Mai 1955, nachdem die letzte Ratifizierungsurkunde (also die Zustimmung) der NATO-Mitgliedsstaaten in Washington hinterlegt worden war. Am 9. Mai nahm Deutschland im Pariser Palais de Chaillot zum ersten Mal am Treffen der NATO-Minister teil und wurde feierlich als neues Mitglied begrüßt.

Wie reagierte der sowjetisch beherrschte „Ostblock“ auf den NATO-Beitritt der BRD?

Als Reaktion wurde noch im selben Monat, am 14. Mai 1955, der Warschauer Pakt gegründet. Mitglieder dieses Militärbündnisses waren neben der Sowjetunion die DDR, Polen, Ungarn, die Tschechoslowakei, Bulgarien, Rumänien und zeitweise (bis 1968) auch Albanien. Der Warschauer Pakt bestand bis Mitte 1991.

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