Sein oder nicht sein, das ist hier die Frage! Sie kommt von William Shakespeare – dem wohl größten Dramatiker aller Zeiten. Was seine Werke so besonders und zeitlos macht und welche Redewendungen wir ihm zu verdanken haben, erfährst du in dieser Story.
William Shakespeare tritt hinaus auf die Straßen Londons. Es ist die dunkelste Stunde der Nacht. Die Welt ist zur Ruhe gekommen, und die Menschen schlafen in ihren Betten. Es herrscht vollkommene Stille. Doch Shakespeare ist überhaupt nicht nach Schlaf, nach Ruhe. Dafür ist er viel zu aufgewühlt. Sein Herz klopft, als wollte es aus seiner Brust springen. Er hat soeben die Lektüre der Verserzählung „Romeus and Juliet“ von Arthur Brooke beendet. Und er weiß nun, was sein nächstes Werk sein wird. Er will eine eigene Tragödie über dieses tragische Liebespaar schreiben! Ein junges Paar aus zwei verfeindeten Häusern, das gegen alle Widerstände und für die Liebe kämpft … bis in den Tod.
Shakespeare seufzt und blickt auf zu den Sternen. Er wird sein ganzes Herzblut in dieses Stück fließen lassen. Immerhin hat er als einer der größten Dramatiker Londons einen Ruf zu verlieren. Die Menschen sollen mit den Figuren fühlen, lieben und leiden. Jetzt muss er nur noch die richtigen Worte finden. Die Sterne über ihm leuchten besonders hell zu dieser späten Stunde. Diese Sterne, die ein unglückliches Schicksal für Romeo und Julia bereithalten. Ein Blick in den Himmel genügt – und schon hat William Shakespeare ein neues Sprachbild vor Augen: Er flüstert es vor sich hin: „A pair of star-crossed lovers“, eine Liebe, die unter keinem guten Stern steht. Er lächelt, geht hinein und zurück in sein Schreibzimmer.
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Jetzt runterladen!Romeo und Julia, Hamlet, Macbeth – diese klangvollen Namen kennt die ganze Welt. Genauso wie den Namen William Shakespeare, den Schöpfer dieser Werke. Seine Dramen werden noch heute auf allen Bühnen der Welt aufgeführt und wurden immer wieder verfilmt. Shakespeares Werk ist allgegenwärtig, aber über das Leben des Autors ist bemerkenswert wenig bekannt. Getauft wurde er am 26. April 1564 in Stratford-upon-Avon, Warwickshire – so viel wissen wir durch ein Taufdokument. Sein Geburtstag ist jedoch unbekannt, ebenso wie auch weitere Teile seiner Biografie im Dunkeln liegen. Williams Mutter Mary Arden of Wilmcote stammte aus altem, aber verarmtem Adel. Sein Vater John Shakespeare besaß etwas Land, hatte aber oft Mühe, genügend Geld für den Unterhalt seiner Familie zusammenzubringen. Immerhin verfügte England im Elisabethanischen Zeitalter bereits über kostenlose Schulen, wenn auch nur für Jungen. William durfte von seinem siebten Lebensjahr an eine solche staatliche, genauer: königliche Schule besuchen: die King Edward VI Grammar School, eine Lateinschule. Latein war im Mittelalter und in der Neuzeit die internationale Sprache für ganz Europa; nur wer sie beherrschte, konnte zum Beispiel Arzt werden oder ein Kirchenamt bekommen. Der Schulalltag war sehr hart und bestand zum größten Teil darin, lange lateinische Texte und Dichtungen auswendig zu lernen. Für die geringsten Versäumnisse setzte es Prügel. Aber William machte dort mit etwas Bekanntschaft, das sein weiteres Leben bestimmen sollte: die klassischen Dramen der Antike. Es ist nicht bekannt, ob sich der junge Shakespeare auf der King’s School mit dem „Bühnen-Virus“ infiziert hat, aber denkbar ist es. Ebenso lässt sich nur vermuten, dass er schon als Teenager begann, Gedichte zu schreiben – naheliegend ist es, denn wie sonst hätte er schon als junger Mann jene wortgewaltige und bald weltberühmte Tragödie um die beiden Liebenden erschaffen können, die wegen der Todfeindschaft ihrer Familien nicht zusammen sein dürfen ...
Vermutlich im Alter von 14 oder 15 Jahren verließ William die Grammar School. Mit 18 heiratete er die acht Jahre ältere Farmerstochter Anne Hathaway. Mit ihr hatte er drei Kinder: Tochter Susanna sowie die Zwillinge Hamnet und Judith, die später den Winzer Thomas Quiney heiraten sollte – eine etwas schillernde Persönlichkeit seiner Zeit.
Über Shakespeares Jahre als junger Mann ist nur sehr wenig bekannt; er selbst soll diese Zeit seine „lost years“ genannt haben. Um 1590 ließ er seine Familie in Stratford zurück und ging allein nach London. Warum, ist nicht eindeutig belegt. Angeblich soll er sich auf diese Weise einer Strafe wegen Jagdwilderei entzogen haben, so schreibt es zumindest sein erster Biograf Nicholas Rowe.
In der Hauptstadt wurde er jedenfalls rasch als Schauspieler und mehr noch als Theater-Autor bekannt – und hatte bald auch Neider. Wie etwa den prominenten Dramatiker Robert Greene, der den jungen Mitbewerber in seinem Traktat „Groats-Worth of Wit“ eine „emporgekommene Krähe“ („upstarted crow“) nannte, die sich mit fremden Federn schmücke („beautified with our feathers“). Oder hat gar ein ganz anderer Mann den Namen des Stratforders als eine Art Pseudonym benutzt?
Diese These kursiert seit dem 19. Jahrhundert in unterschiedlichen Variationen und mit unterschiedlichen Vorschlägen zu historischen Personen, die den Großteil der Shakespeare zugeschriebenen Werke verfasst haben sollen. Zum Beispiel Edward de Vere, 17. Earl of Oxford. Als Mitglied des Adels und sogar des Hofstaats von Königin Elisabeth I. hätte er sich nämlich vor aller Welt unmöglich gemacht, wenn er Theaterstücke geschrieben hätte.
Die Vertreter dieser These stützen sich unter anderem darauf, dass selbst die wenigen überlieferten Aufzeichnungen über die Person Shakespeare noch überaus lückenhaft seien. Und vor allem hätte ein Mensch aus einfachen Verhältnissen niemals eine derart umfassende klassische Bildung, einen derart gewaltigen Wortschatz sowie die Kenntnis europäischer Länder erwerben können, die sich im Shakespeare-Werk offenbart!
Die heutige wissenschaftliche Shakespeare-Forschung misst all diesen Zweifeln allerdings kaum bis keine Bedeutung mehr bei. Lücken im Lebenslauf seien um diese Zeit etwas ganz Normales, gerade bei Nicht-Adeligen. An der The King’s-School in Stratford habe William mit größter Wahrscheinlichkeit lateinische und auch altgriechische Dramatiker studiert und Interesse fürs Theater entwickelt. Und selbst wenn nicht einmal dieser Schulbesuch absolut zweifelsfrei nachgewiesen werden konnte, so wird doch angenommen, dass er sich den größten Teil seiner Bildung selbst angeeignet hat. Sicherlich hat er in den klassischen Dramen auch so manche Idee für seine eigenen Bühnenstücke gefunden. Auf jeden Fall war er ein Sprachgenie, wie es wohl nur alle paar Jahrhunderte geboren wird. Und ein pfiffiger Geschäftsmann ist er auch noch gewesen.
Auf jeden Fall muss Shakespeare beizeiten Zugang zu höheren Kreisen gefunden haben. Der Adelige Henry Wriothesley, 3. Earl of Southampton, wurde sein Patron und Gönner. Ihm widmete Shakespeare denn auch mit blumigen Begleitworten zwei seiner Gedichte: „Venus und Adonis“ (1593) sowie „Lucretia“ (1594).
In London sollte Shakespeare es zu beträchtlichem Ruhm bringen. Er wurde nicht nur der angesehenste Dramatiker Londons, er war auch Teil einer renommierten Schauspieltruppe – den „Lord Chamberlain’s Men“, die sogar am Hof von Königin Elisabeth I. auftraten! Und ihr Nachfolger, König Jakob I., erhob die Truppe prompt zu seinem persönlichen Schauspiel-Ensemble: Sie durften sich fortan „The King's Men“ nennen – ein Ritterschlag!
Großer Ruhm und Anerkennung als Autor waren Shakespeare also schon zu Lebzeiten vergönnt. Wohl auch, weil er ein umtriebiger Geschäftsmann war. So wurde er zum Teilhaber des populärsten Theaters seiner Zeit in London, des Globe Theatre, das schlicht auch „Shakespeare's Globe“ genannt wurde. Diese legendäre Freilicht-Bühne existiert dort noch heute als Rekonstruktion. Und natürlich ist sie immer noch eine beliebte Spielstätte für die Dramen des großen Meisters, der im April 1616 mit 52 Jahren als wohlhabender Mann in seinem Haus am New Place starb. Sein Grab befindet sich in seiner Geburtsstadt Stratford, wohin er in seinen letzten Lebensjahren zurückgezogen war. Er hinterließ etliche noch unveröffentlichte Werke, die 1623 in der Sammlung „Mr. William Shakespeares Comedies, Histories & Tragedies“ mit erschienen sind. Das Buch ist auch unter der Bezeichnung „First Folio“ bekannt; es ist die älteste Gesamtausgabe des Shakespeare’schen Werks.
Ja, William Shakespeare ist durch seine Stücke unsterblich geworden. Man könnte sogar sagen, dass das Werk den Autor selbst überragt. Dass das so ist, hat auch mit Shakespeares Sprache zu tun. Auch heute benutzen viele von uns immer noch seine Worte – ohne es zu wissen. Denn: William Shakespeare gilt als einer der Väter der englischen Sprache. Mindestens 1.700 Wörter und Ausdrücke sind in seinen Texten erstmals zu finden. Das muss nicht heißen, dass er sie alle erfunden hat – vielleicht hat er sie auch nur zum ersten Mal schriftlich festgehalten. Doch so oder so trug Shakespeare damit maßgeblich dazu bei, die englische Sprache zu formen.
Aber es gibt auch nachweisbare Wort-Neuschöpfungen. Zu ihnen zählen besonders viele Wort-Kombinationen, wie „eyeball“ – Augapfel oder „cold-blooded“ – kaltblütig. Vor allem war Shakespeare ein Meister der bildhaften Sprache – auch „Imagery“ genannt. Er erfand zahlreiche bildhafte Ausdrücke, die wir noch heute benutzen, wie zum Beispiel das „heart of gold“ – das Herz aus Gold. In seinem Stück „Romeo und Julia“ kreierte er den Begriff der „star-crossed lovers“. Mit diesen zwei einfachen Worten – „star-crossed“ – hat Shakespeare ein starkes Bild geschaffen. Es steht für ein Liebespaar, gegen das sich die Sterne und – ja, das Schicksal selbst verschworen haben.
Es ist diese besondere bildliche Sprachgewalt, die Shakespeare von anderen Autoren unterscheidet. Deshalb ist er bis heute in unserem Alltag präsent: Sätze wie „Wir müssen das Eis brechen“ oder „Es ist nicht alles Gold, was glänzt“ sind Wendungen, die William Shakespeare erfunden hat! Seine Worte sind immer noch allgegenwärtig – und das mehr als 400 Jahre nach seinem Tod.
Nicht nur die Worte Shakespeares haben die Jahrhunderte überdauert. Auch seine Figuren sind zeitlos. Und das hat einen recht einfachen Grund: Auf Shakespeares Bühne sehen wir echte Menschen! Wie kaum ein anderer Autor konnte er realistische und facettenreiche Figuren erschaffen. Seine Charaktere haben Fehler, Träume und Ängste. Sie sind verwirrt, verliebt – oder beides. Sie leiden, sie lügen, sie leben – kurz: sie sind schlicht menschlich. Und damit werden sie für uns greifbar. Wir leiden und freuen uns mit ihnen, wir haben Angst um sie, wir wollen ihnen zurufen „Nein, tu das nicht!“ – wenn wir sehen, wie sie zum Spielball ihrer Leidenschaften werden. William Shakespeare hat den Menschen verstanden, in all seiner Komplexität, seiner Vielfalt und mit all seinen oft widersprüchlichen Gefühlen. Nicht von ungefähr wurde er in der literarischen Epoche des Sturm und Drang im 18. Jahrhundert hoch verehrt. Die Autoren dieser Zeit ließen beim Dichten ihren Emotionen freien Lauf und setzten damit der kühlen Vernunft der Aufklärer ein gefühlsbetontes Freiheitsstreben entgegen. Zu den größten Shakespeare-Fans gehörte der junge Johann Wolfgang Goethe (Götz von Berlichingen), der dem berühmten Engländer 1771 eine begeisterte Lobrede widmete. Er sah in dessen Werken genau jenen Kampf des Individuums gegen den Rest der Welt, der auch die Zeit des Sturm und Drangs prägte.
Das Werk hat den Autor überlebt. Und ein größeres Kompliment kann es für einen Schriftsteller eigentlich nicht geben. Die Menschen sehen seine Stücke noch heute gern, weil sie sich im Zweifel dort, auf den Bühnen oder in Verfilmungen selbst entdecken. Oder vielmehr das, was in ihnen schlummert: Verrat und Machthunger in „Macbeth“; Liebe und Leid in „Romeo und Julia“, Missgunst und Eifersucht in „Othello“. Im Übrigen hat der dramatische Wortakrobat Shakespeare für die Eifersucht ein passendes Bild entworfen – er nennt sie „das grünäugige Monster“!
Kurzum: William Shakespeare hat für jede große menschliche Empfindung eine starke Story parat! Und eine ganz besonders gelungene Geschichte handelt von einem zweifelnden Helden, der sich fragt, ob es leichter ist, das Leben oder den eigenen Tod zu ertragen. Sie heißt: „Hamlet“.
Zusammenfassung
William Shakespeare war ein englischer Dramatiker und Dichter, der als der bedeutendste Dramatiker aller Zeiten gilt. Er war aber auch ein erfolgreicher Geschäftsmann.
Shakespeare hat die englische Sprache maßgeblich mitgeprägt. Hunderte von Sprachbildern und Redewendungen gehen auf ihn zurück. Viele davon benutzen wir auch im Deutschen.
Shakespeares Ruhm beruht vor allem auf seiner Menschenkenntnis: Er war ein Experte für menschliche Leidenschaften – das macht seine Werke bis heute so eindringlich und nachvollziehbar.
William Shakespeares 38 Dramen sind Meilensteine der Weltliteratur und werden bis heute aufgeführt und adaptiert. Darüber hinaus schrieb er zahlreiche Gedichte und Komödien.
Dramen (Auswahl): Titus Andronicus (1591/92), Romeo und Julia (Originaltitel: Romeo and Juliet, 1595), Julius Caesar (1599), Hamlet (Originaltitel: Hamlet, Prince of Denmark, um 1601), König Lear (King Lear, 1605), Antonius und Cleopatra (Antony and Cleopatra, 1607), Coriolanus (1608), Macbeth (um 1608), Cymbeline (1610), Der Sturm (The Tempest, 1611);
Komödien (Auswahl): Ein Sommernachtstraum (Originaltitel: „A Midsummer night’s dream“, 1595/96), Zwei Herren aus Verona (The two Gentlemen of Verona, 1589–93), Komödie der Irrungen (The Comedy of Errors, 1591), Der Widerspenstigen Zähmung (The Taming of the Shrew, 1590-92), Der Kaufmann von Venedig (The Merchant of Venice, 1596), Die lustigen Weiber von Windsor (Thes Merry Wives of Windsor, 1597/98), Viel Lärm um Nichts (Much ado about Nothing, 1599), Wie es Euch gefällt (As you like It, 1599), Troilus und Cressida (1601), Was ihr wollt (Twelfth Night, 1602), Pericles, Prinz von Tyrus (1607), Ein Wintermärchen (1609);
Versdichtungen (Auswahl): Venus und Adonis (Venus and Adonis, 1593), Lucretia (The Rape of Lucrece, 1594), Sonette (Originaltitel: Sonnets, 1609).
Museen/Gedenkorte: Shakespeare's Birthplace (Stratford-upon-Avon, vermutl. Geburtshaus/Museum, England); Holy Trinity Church (Stratford-upon-Avon, Taufkirche und Grabstätte); Royal Shakespeare Theatre (Stratford-upon-Avon); Globe Theatre (London).
Teste dein Wissen im Quiz
Richtige Antworten:
1. D) Englischer Dramatiker
2. C) 38
3. A) Fixierte und erweiterte die englische Sprache
4. B) Menschliche Leidenschaften
5. A) Starke Bilder