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Frankreich wird zur Republik

Der Sturm tobt weiter
Der Sturm auf die Tuilerien am 10. August 1792. Gemälde von Jean Duplessis-Bertaux, 1793.
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Intro

Im Herbst 1791 steht Frankreich am Anfang einer neuen Zeit: Das Land hatte nun die erste Verfassung seiner Geschichte und statt einer absoluten eine konstitutionelle Monarchie. Damit war die Revolution aber längst nicht vorbei. In dieser Story erfährst du, welche entscheidenden Akteure die politische Bühne Frankreichs betraten und wie das Land zu seiner Nationalhymne kam.

Kapitel 1: Der Pöbel und der König

Noch einmal blickt der junge Offizier in den Spiegel. Sitzt der Uniformrock? Schließlich möchte er in der Hauptstadt einen passablen Eindruck machen. Zufrieden mit sich und der Welt hebt er das markante Kinn und verlässt das Haus. Kurz vor dem Tuilerien-Palast erfüllt auf einmal der Gesang tausender Stimmen die Luft. Es ist die ergreifendste Melodie, die er je gehört hat. Und was für ein erstaunlicher Text. An einer Stelle heißt es: „Was will diese Horde verschwörerischer Könige?“, und an einer anderen: „Zu den Waffen, Bürger, formiert eure Truppen.“ Vorsichtig blickt der junge Mann um die nächste Hausecke, als er auch schon ein Heer hagerer Männer auf sich zukommen sieht. Sofort drückt er sich in einen Hauseingang, um die grölende Masse vorbeiziehen zu lassen. „Biste etwa ein feiner Herr?“, faucht plötzlich ein breiter Kerl und schaut ihm herausfordernd ins Gesicht. „Bist wohl ein Spitzel der Royalisten, was?“ Er schüttelt den Kopf. „Dann beweis es!“ Reflexartig holt der junge Mann Luft und stimmt voller Inbrunst in den Gesang der Menge ein: „Zu den Waffen, Bürger, formiert eure Truppen. Marschieren wir, marschieren wir!“ Mit einem hämischen Grinsen haut ihm der Kerl auf die Schulter und verschwindet wieder in den Reihen der Rebellen.

Als der Spuk vorüber ist, setzt der junge Mann seinen Weg fort und schwört sich: Mit dieser Revolution der Barbaren will er nichts zu tun haben. So wahr er Napoleon Bonaparte heißt!

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Kapitel 2: Der Sturm auf die Tuilerien

Zehntausende bewaffnete Bürger und Soldaten strömten am 10. August 1792 zum Stadtpalast des Königs, den Tuilerien, wo Ludwig XVI. nun nach seinem Fluchtversuch im Juni erzwungenermaßen residierte. Der Ballhausschwur vom 20. Juni und der Sturm auf die Bastille am 14. Juli hatten die erste Phase der Revolution eingeläutet, und seit knapp einem Jahr gab es eine Verfassung, die dem Volk Bürgerrechte garantierte. Liberté, Egalité, Fraternité lautete ihr Motto – Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit. Jeder Mensch sei frei in der Wahl von Religion und Beruf, vor dem Gesetz gleich und mit allen anderen Menschen brüderlich vereint, egal, ob Kaufmann, Schmied, Bischof oder Bauer. Die alte Ständegesellschaft schien für immer überwunden zu sein.

In der jungen konstitutionellen Monarchie herrschte Gewaltenteilung. Ein Prinzip, das auf die Vordenker der Aufklärung John Locke und Montesquieu zurückgeht. Die Staatsgewalt wurde geteilt, damit sie nicht in der Hand eines Einzelnen oder einer Gruppe lag und missbraucht werden konnte. Heute ist die Gewaltenteilung Grundpfeiler jeder modernen Demokratie. Für die konstitutionelle Monarchie in Frankreich bedeutete das: Der König war der Chef der Exekutive – der ausführenden Gewalt – und die Nationalversammlung in Versailles verabschiedete die Gesetze; sie war die Legislative. Gegen die Beschlüsse der Nationalversammlung – auch Nationalkonvent genannt – hatte der König allerdings ein Veto-Recht.

Kapitel 3: Der Zorn der Massen

Aber: Viele Probleme des Dritten Standes – also aller Menschen, die weder dem Adel noch der Geistlichkeit angehörten – waren weiterhin ungelöst. Die breite Masse der Bauern und Arbeiter litt noch immer an den verheerenden Folgen zweier Missernten und eines extrem strengen Winters. Sie hungerten, während vom politischen Umschwung und den neuen Bürgerrechten nur das Großbürgertum profitierte. So durften zum Beispiel ausschließlich männliche und wohlhabende Bürger wählen. Dieses System nennt sich Zensuswahlrecht und hatte mit den ursprünglichen Idealen der Revolution – Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit – nicht mehr viel zu tun.

Entsprechend heftig rumorte es abseits der Pariser Boulevards und Salons. In den Stuben und Werkstätten der einfachen Leute herrschten Not, Angst und eine unbändige Wut. Und wo Not, Angst und Wut herrschen, da sind radikale Gruppierungen nicht weit. Das war im revolutionären Frankreich nicht anders als heute. Die Bewegung, die dort im Jahr 1792 auf die politische Bühne trat, nannte sich Sansculottes. Ins Deutsche übersetzt bedeutet das soviel wie „ohne Kniebundhose“. Denn anders als die Adligen trugen ihre Anhänger lange Arbeitshosen. Für die Sansculotten war die Revolution erst vorbei, wenn selbst Tagelöhnern eine Grundversorgung und politisches Mitspracherecht zugestanden wurden. Und was war mit den Rechten von Marktfrauen und Weberinnen, von Wäscherinnen und Fischhändlerinnen? Längst protestierten auch die Frauen öffentlich, sie setzten sich sogar oft an die Spitze der Aufmärsche. Besonders kämpferisch waren die sogenannten Strickerinnen, die Tricoteuses, die als Zeichen ihrer revolutionären Gesinnung im öffentlichen, männlich dominierten Raum strickten. Die zivile Ruhe im Land, auf die der Nationalkonvent gehofft hatte, wurde also nicht nur von einer Seite torpediert.

Kapitel 4: Ein fataler Pakt

Die Zerschlagung der Alleinherrschaft, die Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte sowie ein König, der einer Verfassung unterworfen war – was viele Franzosen bejubelten, bereitete den Monarchen im benachbarten Ausland schlaflose Nächte. Würden bald auch preußische und österreichische Bürger auf die Barrikaden gehen und dem jeweiligen Alleinherrscher seinen angestammten Platz streitig machen? Aus deren Sicht gab es nur einen Weg, um zu verhindern, dass der gefährliche Revolutionsgedanke übersprang: in Frankreich einmarschieren, die Nationalversammlung auflösen und König Ludwig XVI. wieder zu seiner absoluten Macht verhelfen. Ein Plan, der vor allem bei Ludwigs Gemahlin Marie-Antoinette auf offene Ohren stieß. Schließlich habe die bewaffnete Macht alles zerstört, nun könne auch nur die bewaffnete Macht alles wieder herstellen.

Da hatte sie sich jedoch gewaltig getäuscht. Im April 1792 hatte Frankreich Österreich den Krieg erklärt. Gleichzeitig aber verhärteten sich Gerüchte rund um eine königliche Kollaboration mit ausländischen Monarchen. Das spielte natürlich den Sansculotten in die Hände. Und als Anfang August durch ein Manifest des Herzogs von Braunschweig in Frankreich bekannt wurde, dass der König offenbar heimlichen Kontakt zu europäischen Machthabern hatte und dort nach Unterstützung suchte, kippte die Stimmung endgültig in der französischen Bevölkerung. Jetzt war klar, die Monarchien Preußen und Österreich planten, militärisch gegen das revolutionäre Frankreich vorzugehen, um Ludwig XVI. wieder zur Alleinherrschaft zu verhelfen. Der König spielte offenbar ein doppeltes Spiel. Die Monarchie musste weg! Davon waren nun immer größere Teile des französischen Volkes überzeugt.

Und so marschierten am 10. August 1792 rund 20.000 Aufständische aus dem ganzen Land mit Waffen zum Tuilerien-Palast. Freiwilligen-Bataillone aus Marseille steuerten nicht nur ihren Kampfeswillen bei, sondern auch ein Widerstandslied zum Sturm des Palastes. „Zu den Waffen, Bürger, formiert eure Truppen. Marschieren wir, marschieren wir!“ Dieses Lied sollte später die französische Nationalhymne werden und – den Namen Marseillaise erhalten, weil es von Soldaten aus Marseille gesungen worden war. Ein unfreiwilliger Zeuge des Sturms auf die Tuilerien war auch ein damals knapp 23-jähriger Offizier namens Napoleon Bonaparte. Was der zukünftige Feldherr und Kaiser in den nächsten Stunden am Königsschloss erlebte, empörte ihn über alle Maßen und sollte Jahre später sein Handeln beeinflussen. 1799 sollte er im Staatsstreich die Macht im Land ergreifen und ein Gesetzeswerk in Kraft setzen, mit dem die Ideale der Revolution tatsächlich in die politische Praxis einfließen würden: den Code civil.

Kapitel 5: Ein König geht k.o.

Am 10. August 1792 strömten also Sansculotten und Nationalgardisten auf die königlichen Gemächer zu, um das Ende des verhassten Herrschers mit Gewalt herbeizuführen. Die zur Verteidigung des Königs aufgestellte Schweizergarde kannte zwar ebenfalls kein Pardon und fügte den Revolutionären herbe Verluste zu, doch die behielten die Oberhand. Und Ludwig XVI.? Er befahl dem Kommandanten der Schweizer, den Kampf einzustellen – seine letzte Amtshandlung als König – und floh in den Salle du Manège, den Sitzungssaal der Nationalversammlung in Versailles. Nun gab es keinen Zweifel mehr: Die Monarchie war am Ende. Kurz darauf wurde Ludwig XVI. verhaftet und zusammen mit seiner Familie in einen mittelalterlichen Wehrturm, den Temple, gesperrt. Im September 1792 schließlich wurde die Monarchie in Frankreich offiziell abgeschafft.

Doch was jetzt? Wie und von wem sollte das Land regiert werden? Statt im Chaos zu versinken, tat Frankreich – zumindest in Sachen Staatsform – einen enormen Schritt in die Moderne: Am 22. September 1792 wurde die Erste Französische Republik ausgerufen, womit nun erstmals gewählte Vertreter des Volkes an der Spitze des Staates standen. Mit dem sogenannten Wohlfahrtsausschuss wurde sogar eine Art Kontrollinstrument geschaffen, das sich später allerdings ins Gegenteil verkehren sollte ...

Für zahllose Bürger war nun also eine Ära der Hoffnung und der Selbstbestimmung angebrochen. Nicht aber für den abgesetzten König: Ludwig XVI. wurde vor Gericht gestellt und verurteilt. Am 21. Januar 1793 wurde er öffentlich hingerichtet – auf der Guillotine, jener grausigen Köpfmaschine, die im weiteren Verlauf der Französischen Revolution zum Symbol des Terrors werden sollte. Am 16. Oktober folgte ihm die Königin aufs Schafott. Und der Hauptdrahtzieher dieser Hinrichtungen war kein Geringerer als jener ehemalige Eliteschüler, der nach Ludwigs Herrschaftsantritt die Begrüßungsrede vorgetragen hatte: Maximilien de Robespierre. Mit ihm sollte kurz darauf das dunkelste Kapitel der Französischen Revolution seinen Anfang nehmen: die Schreckensherrschaft der Jakobiner...

Zusammenfassung

  • Im Herbst 1791 erhielt Frankreich erstmals eine Verfassung mit einer konstitutionellen Monarchie als Staatsform. Davon profitierten zunächst jedoch nur die reichen, männlichen Bürger. Der Großteil der Bevölkerung litt nach wie vor unter den Hungersnöten und wachsender Armut.

  • Die angespannte soziale Lage im Land ermöglichte den Aufstieg der radikalen Sansculotten, welche die Französische Revolution gegen die Reichen und Mächtigen weiter anfeuerten. Dabei kam ihnen zugute, dass die Monarchien Preußen und Österreich planten, militärisch gegen das revolutionäre Frankreich vorzugehen, um Ludwig XVI. wieder zur Alleinherrschaft zu verhelfen.

  • Im Sommer 1792 gewannen die revolutionären Kräfte die Oberhand. Tausende rebellierende Bürger zogen am 10. August zum Tuilerienpalast und zwangen Ludwig XVI. gewaltsam zur Flucht. Wenige Tage später wurde der König für abgesetzt erklärt.

  • Das Lied, das die Soldaten aus Marseille bei ihrem Einzug in Paris kurz vor dem Sturm auf die Tuilerien sangen, wurde später zur Nationalhymne Frankreichs und erhielt den Namen Marseillaise.

  • Am 22. September 1792 wurde die Erste Französische Republik ausgerufen, eine neue Staatsform, bei der vom Volk gewählte Vertreter das Land regieren sollten. 

  • Im Jahr darauf folgte die Hinrichtung Ludwigs und seiner Gemahlin Marie-Antoinette.

Teste dein Wissen im Quiz

  1. Welche Staatsform bekam Frankreich mit Einführung der Verfassung im Herbst 1791?
    1. A) Den Absolutismus
    2. B) Eine konstitutionelle Monarchie
    3. C) Eine Republik
    4. D) Eine Terrorherrschaft
  2. Wer in Frankreich profitierte im Herbst 1791 vor allem von der neuen Verfassung?
    1. A) Die Bauern
    2. B) Der Adel
    3. C) Das Großbürgertum
    4. D) Die Thermidorianer
  3. Wie nannte sich während der Französischen Revolution die Gruppe der radikalen Revolutionäre in Arbeitshosen?
    1. A) Generalstände
    2. B) Direktorium
    3. C) Girondisten
    4. D) Sansculotten 
  4. Welche ausländischen Monarchien wollten dem französischen König Ludwig XVI. wieder zur Alleinherrschaft verhelfen?
    1. A) Österreich und Preußen
    2. B) Großbritannien und Polen
    3. C) Dänemark und Niederlande
    4. D) Spanien und Portugal 
  5. Wann ereignete sich der Sturm auf die Tuilerien?
    1. A) Am 1. August 1891
    2. B) Am 10. August 1792
    3. C) Am 14. Juli 1789
    4. D) Am 2. September 1914
  6. Welche Staatsform erhielt Frankreich nach der Absetzung von König Ludwig XVI.?
    1. A) An­ci­en Régime
    2. B) Gottesstaat
    3. C) Republik 
    4. D) Militärdiktatur

Richtige Antworten: 
1. B) Eine konstitutionelle Monarchie 
2. C) Das Großbürgertum
3. D) Sansculotten 
4. A) Österreich und Preußen
5. B) Am 10. August 1792
6. C) Republik

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