Ho Chi Minh war der erste Präsident der jungen Demokratischen Republik Vietnam und der Anführer des nordvietnamesischen Widerstands gegen die amerikanischen Militärs. Er kämpfte für die Wiedervereinigung des geteilten Landes und unterstützte die südvietnamesische Befreiungsfront mit Waffen und Versorgungsgütern. Sie gelangten über ein geheimes, weit verzweigtes Wegenetz in den Süden, das im Westen „Ho-Chi-Minh-Pfad“ oder „Ho Chi Minh Trail” genannt wurde. Nach dieser Story weißt du, mit welch verheerenden Mitteln die Amerikaner deshalb gegen Menschen und Natur vorgingen.
Mit schmerzverzerrtem Gesicht schleppt sich der alte Reisbauer durch den dichten Regenwald und zieht Meter für Meter seinen schweren Karren hinter sich her. Immer wieder reißen ihm Dornen die nackten Füße auf, immer wieder muss er den Karren über armdicke Wurzeln wuchten, die über den schmalen Pfad wachsen. Moskitoschwärme quälen ihn, er hat Fieber. Seit Wochen ist er nun schon unterwegs, sein Reisvorrat ist seit Tagen aufgebraucht. Wenn er es doch nur schafft, die Waffen an ihren Bestimmungsort zu bringen! Aber sein Körper macht einfach nicht mehr mit. Erschöpft sinkt er zu Boden. Als er zum letzten Mal mühsam den Kopf hebt, sieht er Lichter, die wie leuchtende Feenwesen den Regenwald durchstreifen. Sieht so der Tod aus, wenn er jemanden holen will? Mühsam richtet sich der alte Mann noch einmal auf und kneift seine Augenlider zusammen. Schließlich erkennt er die Lichter – und Tränen der Erleichterung rinnen über sein Gesicht: Eine Kolonne Lastwagen schält sich aus dem Dschungel und rollt langsam unter dem sicheren Blätterdach des Regenwaldes auf ihn zu. Er hat es also doch noch geschafft! Ihm ist es tatsächlich gelungen, mit seinem Handkarren voller Waffen quer durch Indochina das Lager der Freiheitskämpfer zu erreichen – auf jenem geheimen Weg, den die Amerikaner „Ho-Chi-Minh-Pfad“ nennen...
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Jetzt runterladen!Zuerst waren es nicht viel mehr als Trampelpfade in den Wäldern, die Nordvietnam über die Nachbarländer Laos und Kambodscha mit den südlichen Provinzen des geteilten Landes verbanden. Ein unüberschaubares Netzwerk von Pfaden, verschlammten Pisten und halsbrecherischen Flussübergängen, auf denen die Nordvietnamesen seit Beginn des Krieges Soldaten, Proviant und Kriegsgerät in die Kampfgebiete des Südens schmuggelten – oft in wochenlangen Märschen. Im Westen wurde dieses Wegesystem als „Ho-Chi-Minh-Pfad“ bekannt. Die Vietnamesen selbst nannten den Trail „Tuyen van tai chien luoc Truon Son“, was übersetzt soviel wie „Strategische Versorgungsroute Truong-Son” bedeutet – benannt nach der steil ansteigenden rund 1100 Kilometer lange Gebirgskette im östlichen Indochina, über den die Route verlief. Mehr als 16 Jahre diente sie der Versorgung der Nationalen Befreiungsfront Südvietnams und der nordvietnamesischen Volksarmee mit Nahrungsmitteln, Waffen, Munition und neuen Soldaten.
Im Lauf der Jahre wurden die zahllosen Schleichwege des Ho-Chi-Minh-Pfades immer weiter ausgebaut und abschnittsweise auch Lkw-tauglich gemacht. Die Versorgungsroute hatte ihren Startpunkt in der Industriestadt Vinh, führte durch Gebiete der sogenannten Trockenen Halong-Bucht und durch die undurchdringlichen Bergwälder des Cuc Phuong – der später zum ersten Nationalpark Vietnams werden sollte. Sie berührte den Luftwaffenstützpunkt nahe der Küstenstadt Dong Hoi, die Großstädte Phong Nha in Zentralvietnam, Ninh Binh am Südchinesischen Meer und Khe Sanh an der laotischen Grenze sowie Buon ma Thuot im zentralen Hochland. Sie querte das wilde, hochgelegene Bolaven-Plateau im Südwesten von Laos und folgte schließlich dem gewaltigen Fluss Mekong durch die Zentralebene Kambodschas bis nach Chau Doc im Mekongdelta. Ihr Wegenetz umfasste zusammengenommen fast 20.000 Kilometer; es war so lang, dass es fast den halben Erdball umspannen würde.
Doch je länger der Krieg dauerte, desto gefährlicher wurde es, die geheimen Wege zu begehen und zu befahren. Sie waren ständig von Bombardierungen der US-Luftwaffe bedroht. Doch nichts konnte die Nordvietnamesen davon abhalten, dieses streng geheime Netz an Nachschubwegen Tag und Nacht instand zu halten. Die Dorfbewohner zerlegten ihre Möbel, um Holz für neue Brücken zu liefern, und sie halfen beim Graben der Stollen, in denen Versorgungslager, Quartiere und Krankenstationen untergebracht wurden. Doch die US-Army hatte mittlerweile eine neue grausame Methode entwickelt, um die Nachschubkolonnen auf dem Ho-Chi-Minh-Pfad ausfindig zu machen – eine Methode, deren schreckliche Folgen noch heute in ganz Vietnam zu sehen sind.
Trotz ihrer hochgerüsteten Armee, trotz all der hochmodernen Waffentechnik der USA: Das Problem der Amerikaner im Vietnamkrieg waren nicht nur die unsichtbaren Guerilla-Kämpfer im undurchdringlichen Regenwald, die sie verächtlich „Viet Cong” nannten. Es war auch der ständige Nachschub an Kriegsgerät und Soldaten, der Tag für Tag von Nordvietnam aus in den Süden gelangte – in den dichten Wäldern unsichtbar für die für die darüberfliegenden amerikanischen Bomberpiloten. Die Lösung für dieses Problem sah die US-Army in einem Pflanzenvernichtungsmittel, das den zynischen Namen „Agent Orange“ trug – in Anlehnung an die orangefarbenen Warnstreifen, die auf den Giftfässern prangten. Mit dieser verheerenden Chemikalie, die von Flugzeugen flächendeckend über Vietnam versprüht wurde, sollten Millionen Hektar Bäume, Sträucher und Nutzpflanzen vernichtet werden, um die Vietnamesen sowohl ihrer Deckung als auch ihrer Nahrungsgrundlage zu berauben. Die Auswirkungen dieses jahrelangen Großeinsatzes stellten sich als absolute Katastrophe für Menschen und Natur heraus: Nach dem Einsatz von „Agent Orange“ waren große Teile Vietnams unfruchtbar geworden, riesige Mangrovenwälder starben vollständig ab. Das hoch krebserregende Gift namens Dioxin verseuchte die Böden für Jahrzehnte und verursachte Immunschwächekrankheiten, Krebs und Knochenschäden. Es schädigte die noch ungeborenen Kinder im Mutterleib. Noch heute kommen in Vietnam Kinder mit schweren körperlichen Fehlbildungen auf die Welt.
Den Kampfeswillen der Vietnamesen konnten jedoch weder Bomben noch Gift brechen. Anfang 1968 bereiteten sie eine Großoffensive auf die Amerikaner und deren Verbündete in ganz Südvietnam vor. Ziel waren strategisch wichtige Großstädte, allen voran die Hauptstadt Saigon, die später den Namen „Ho-Chi-Minh-Stadt” bekommen sollte. Für den Angriff hatten sie einen ganz besonderen Tag ausgesucht...
Zusammenfassung
Seit Beginn des Vietnamkriegs nutzten Guerillas und reguläre Truppen Nordvietnams ein verstecktes Wege- und Tunnelsystem, um Truppen, Waffen und Material in den Süden zu transportieren. Im Lauf der Jahre erweiterten sie es auf insgesamt mehr als 17.000 Kilometer und sogar bis nach Laos und Kambodscha.
Im Westen wurde diese strategische Versorgungsroute unter dem Namen „Ho-Chi-Minh-Pfad“ bekannt, abgeleitet vom Namen des nordvietnamesischen Anführers im Widerstand gegen die amerikanischen Militärs.
Um den Vietnamesen die Deckung zu nehmen, besprühten die Amerikaner Millionen Hektar Wald mit einem Pestizid namens „Agent Orange“. Es machte große Teile Vietnams unfruchtbar und vergiftete die Menschen.
Noch heute haben zahlreiche Kinder in Vietnam körperliche Missbildungen, die als Spätfolgen von Agent Orange gedeutet werden.
Teste dein Wissen im Quiz
Richtige Antworten:
1. D) Vietnamesischer Widerstandsführer
2. B) Ein geheimes Versorgungsnetz
3. A) Fast 20.000 Kilometer
4. D) Nach dem Truong-Son-Gebirge
5. C) Agent Orange