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Lucius Annaeus Seneca

Seine Philosophie sollte die Seele heilen
Das Bild zeigt eine Illustration von Lucius Annaeus Seneca, der in einer umfangreichen antiken Bibliothek liest oder schreibt. Die Szene ist gefüllt mit Regalen voller Bücher und Schriftrollen, und weitere Personen sind im Hintergrund zu erkennen, was auf ein Zentrum des Lernens oder eine Schule hinweist.
Lucius Annaeus Seneca
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Intro

Der römische Philosoph Seneca der Jüngere ist ein bedeutender Vertreter des lateinischen Stoizismus. Bekannt ist er uns vor allem als Erzieher und Berater des späteren Kaisers Nero. Das war ein angesehener und bestens bezahlter Job – aber auch lebensgefährlich. Warum, das erfährst du in dieser Story.

Kapitel 1: Ein Kaiser wird flügge

Herrisch sieht er aus. Bedrohlich. Und er weiß sich zu inszenieren: Er thront in der Mitte der Eingangshalle seines Palastes, eingerahmt von bewaffneten Wachen. Die Sonne, die durch die Oberlichter auf seinen Rücken strahlt, verleiht ihm etwas Unwirkliches. An der gut zwanzig Meter entfernten Wand hinter ihm prangt sein Porträt, links und rechts davon Statuen, die ebenfalls ihn zeigen – links als Kind, rechts als Kaiser von Rom. Jetzt, da er 25 Jahre alt ist, will er nun endlich seine Macht uneingeschränkt ausüben.

Der Mann auf dem Thron heißt Lucius Domitius Ahenobarbus – besser bekannt als Kaiser Nero. Nun endlich will er sein Reich mit harter Hand regieren, ohne die ständige Bevormundung durch diesen alten Zausel Seneca. Dessen ständiges Gefasel von Mäßigung und Milde, diese schrägen Lehren von Tugend und Gerechtigkeit – Schluss damit! Aber wie? Ob er den Alten einfach ermorden lässt wie seine Mutter Agrippina? Nero zögert. Dafür ist sein ehemaliger Erzieher und jetziger Berater einfach zu beliebt bei Volk und Senat. Krank ist er ohnehin, ständig hustet er ...

Nein, Nero hat eine andere Idee. Kurzerhand lässt der junge Kaiser seinen langjährigen Berater zu sich rufen und haucht ihm wie zum Abschied einen Kuss auf die Stirn. Die eigentliche Botschaft dahinter hat Seneca sofort begriffen. Mit einer tiefen Verbeugung bittet er Nero um die Erlaubnis, sich aus der Politik zurückziehen zu dürfen. Denn Seneca weiß: Von nun an muss er auf der Hut sein.

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Kapitel 2: Mäßigung und Selbstbeherrschung

Es war im Jahr 62, als sich Seneca aus Kaiser Neros Diensten zurückziehen musste. Aus der Römischen Republik war längst ein Kaiserreich geworden, an dessen Spitze nun ein unberechenbarer Mann uneingeschränkt herrschte. Wer es sich mit Nero verscherzte, musste das Schlimmste befürchten. Und nun war ausgerechnet Seneca ins Fadenkreuz des Kaisers geraten: der Mann, der vor Neros Thronbesteigung dessen Erzieher und Lehrer gewesen war und später dann sein Berater wurde.

Geboren wurde Seneca um die Jahrtausendwende in Corduba, dem heutigen Córdoba in Spanien. Sein Vater Seneca der Ältere schickte ihn schon als Kleinkind in Begleitung einer Tante nach Rom, um ihn bei den besten Lehrern ausbilden zu lassen. Einer von ihnen war der griechische Philosoph Sotion, der dem Knaben die Denkschule der Stoa nahebrachte. Diese Philosophenschule ist um 300 v. Chr. in Griechenland entstanden und lehrt, dass der Platz eines jeden Menschen in der Welt vom Schicksal vorherbestimmt ist. Deshalb solle er sich seinem Schicksal mit Selbstbeherrschung und Gelassenheit fügen.

Sotion hatte großen Einfluss auf den jungen Seneca. Er ließ den Knaben auf einer harten Matratze schlafen und gewöhnte ihn an bescheidene Mahlzeiten. So sollte der Schüler Mäßigung und Selbstbeherrschung lernen. Jeden Abend musste er auf seinen Tag zurückblicken und sein Gewissen prüfen – ein Ritual, das Seneca ebenso wie die harte Lagerstatt zeitlebens beibehalten sollte.

Kapitel 3: Verbannung

Wie es sein Vater gewünscht hatte, wurde Seneca der Jüngere ein gefragter Anwalt und fand bald auch den Einstieg in die römische Ämterlaufbahn. Aus dieser Zeit stammen seine vermutlich ersten philosophischen Schriften, darunter „De ira“ („Über den Zorn“), die er seinem älteren Bruder Novatus widmete. „Es ist das Beste, die erste Regung des Zornes sogleich zu ignorieren und sich gegen die Anfänge zu wehren“, schrieb er darin. Denn wenn erst der Zorn das Steuer übernommen habe, könne die Vernunft nichts mehr ausrichten.

Als Kaiser Caligula an die Regierung kam, war Seneca Mitglied des Senats. Dieses Gremium war zu Zeiten der Römischen Republik deren Machtzentrum gewesen. Im römischen Kaisertum hingegen hatte der Senat keine wirkliche Entscheidungsbefugnis mehr. Und Caligula wurde immer mehr zum Despoten und ließ viele Senatoren in willkürlichen Prozessen zum Tode verurteilen.

Dieses Schicksal drohte auch Seneca, allerdings erst nach der Ermordung Caligulas im Jahr 41. Grund war eine Hof-Intrige: Messalina, die dritte Ehefrau des neuen Kaisers Claudius, war eifersüchtig auf ihre jüngere Cousine Iulia Livilla. Um ein für allemal zu verhindern, dass der Kaiser sich ihr zuwandte, beschuldigte sie Iulia einfach des Ehebruchs mit Seneca. Im alten Rom war das eine beliebte Methode, Rivalinnen aus dem Weg zu schaffen. Es kam zum Prozess, Seneca wurde nach Korsika verbannt. Insgesamt acht Jahre musste Seneca auf der Insel leben – unter „Barbaren“, wie er einem Bekannten am Kaiserhof schrieb. Seiner verzweifelten Mutter Helvia gegenüber zeigte er sich schicksalsergeben, wie es sich für einen Stoiker gehört: „Lass dir sagen, wie du mich dir vorstellen sollst“, tröstete er sie. „Ich bin fröhlich und lebhaft, als sei alles zum Besten.“

Bei Hofe hatte sich das Intrigenkarussell unterdessen munter weitergedreht. Kaiserin Messalina war über ihre eigenen Machtspiele gestolpert, und nun sah eine Nichte des Kaisers ihre große Chance gekommen: Agrippina die Jüngere, Mutter eines Knaben namens Lucius – später Nero genannt. Sie angelte sich den kaiserlichen Witwer und sorgte dafür, dass Claudius ihren Sohn adoptierte. Damit war Lucius der Thronfolger. Und Seneca sollte ihn auf seine Rolle als künftiger Herrscher vorbereiten.

Kapitel 4: Der Dramatiker

Vermutlich als Lehrer des Thronfolgers begann Seneca, Dramen zu schreiben. Sie spielten durchweg in der griechischen Mythologie, transportierten aber auch philosophische Inhalte. Beim jungen Nero dürften sie gut angekommen sein, denn zum einen begeisterte er sich für die Dichtkunst und zum anderen war der Großteil dieser mythologischen Tragödien ziemlich blutig. In ihnen ließ Seneca seine Zuschauer in die tiefsten Abgründe der menschlichen Seele blicken und zeigte ihnen die verheerenden Folgen ungezügelter Wut. An die Adresse seines Schülers Nero, der oft und gern selbst in den Dramen mitspielte, schrieb er Lehren wie diese hinein:

„König ist, wer Ängste abgelegt hat und die Übel eines schlimmen Herzens, den nicht zügelloser Ehrgeiz und die nie beständige Gunst der unbedachten Menge bewegt […] König ist, wer nichts fürchtet, König ist, wer nichts begehrt. Dies Königreich gibt jeder sich selbst.“

Wie die Zukunft zeigen sollte, hielt sich sein Erfolg als Pädagoge in Grenzen. Zunächst aber schien alles gut. Im Jahr 54 bestieg Nero den Kaiserthron, er war 16 Jahre alt und behielt Seneca als einen seiner Berater – wohl auch, um den Einfluss seiner zunehmend herrschsüchtigen Mutter Agrippina zu beschränken.

Kapitel 5: Der Reichtum der Weisen

Senecas Zeit als Berater des Kaisers wurde von nachfolgenden Generationen als „glückliches Jahrfünft“ bezeichnet. Er hatte sich dafür eingesetzt, dem Senat seine Rechte zurückzugeben und das Steuersystem gerechter zu gestalten. Während sich Nero am liebsten seinen Vergnügungen hingab und prachtvolle Kulturspiele wie die sogenannten Neronia veranstaltete, achtete Seneca unter anderem darauf, die Staatsausgaben für die kaiserliche Prunksucht zu begrenzen. Dabei war er selbst dank seiner Nähe zum Herrscher zu einem der reichsten Männer Roms geworden. Bei dem römischen Geschichtsschreiber Tacitus ist zu lesen, dass Zeitgenossen ihm Raffgier und Wucher vorwarfen: Er nutze seine Position aus, um Güter von Römern zu „erbeuten“, die keine Kinder und damit keine Erben hatten. Gnadenlos würde er Schulden eintreiben und die Provinzen ausplündern – sehr im Widerspruch zu seiner philosophischen Lehre!

Wieviel Wahrheit hinter den Anschuldigungen steckt, ist in der Geschichtsforschung umstritten. In seinem Werk „De vita beata“ („Vom glücklichen Leben“) hielt der Philosoph seinen Kritikern entgegen, dass ein reicher Weiser jedenfalls mehr Gutes tun könne als ein armer. „Hör also auf, den Philosophen das Geld zu verbieten! Niemand hat die Weisheit zur Armut verurteilt“, schrieb er darin.

Solange er in der Gunst und unter dem Schutz Neros stand, konnte ihm auch kein Kritiker etwas anhaben. Dafür soll er sich – Tacitus zufolge – revanchiert haben, indem er Neros Mordtaten an seinem Halbbruder Britannicus und seiner Mutter Agrippina deckte. Nun aber, da seine Mutter ihm nicht mehr in die Regierungsgeschäfte hineinredete, brauchte der Kaiser auch den alten Seneca nicht mehr als Vermittler. Der war nun überflüssig und nur noch lästig.

Kapitel 6: Lehren für die Praxis

Seneca deutete den Kuss des Kaisers richtig und bat um seine Entlassung. Nun, da er abgesetzt war – immerhin behielt er sein Leben –, verlagerte er seine Aktivitäten: Er widmete sich der Ausarbeitung jener Lehre, die der berühmte Redner Cicero einst aus Griechenland nach Rom geholt hatte und die als römische Stoa in die Geschichte der Philosophie eingehen sollte. Es war sein Durchbruch.

Wortgewandt und stilsicher wie er war, hat er seine philosophischen Werke jedoch mit vorsichtiger Feder geschrieben. Denn er musste unter Neros Radar bleiben, wollte er sein Leben nicht verlieren. Dies ist auch ein Grund, warum die stoische Lehre des Seneca als so unpolitisch gilt: weil sie nicht aussprechen durfte, was sie beabsichtigte. Dennoch gelang ihm als Philosoph, was ihm als Politiker nicht mehr möglich war: Selbstverantwortung, Gerechtigkeit und die Vervollkommnung des eigenen Selbst zu lehren.

Viele seiner Schriften verfasste er in Dialogform, so wie es Jahrhunderte zuvor der griechische Philosoph Platon getan hatte. Sein leuchtendes Vorbild aber war dessen Lehrer Sokrates, der Begründer der klassischen griechischen Philosophie. Er hatte seine Lehren auf öffentlichen Plätzen in Athen verbreitet, und auch Seneca hielt wenig von philosophischer Weisheit im stillen Kämmerlein. Für ihn sollte eine Lehre praktisch anwendbar sein und zu einem glücklichen Leben beitragen. Wer den unerschütterlichen Seelenfrieden erlangen will, so Seneca, muss sich selbst in Gelassenheit üben, sein Schicksal hinnehmen, seine Emotionen im Griff haben, Leidenschaften überwinden und vor allem die Vernunft walten lassen. Gegen seine Mitmenschen aber gelte es, gütig und gerecht zu sein.

Kapitel 7: Die Heilkraft der Philosophie

Als Zeitgenosse des Jesus von Nazareth war Seneca die christliche Lehre bekannt, die sich im Römischen Reich auszubreiten begann. Doch für ihn war der Stoizismus eben nicht reine Theorie und schon gar keine Religion. Für ihn war die Stoa vor allem Seelenheilkunde und der stoische Philosoph ein Arzt, der sich der Seele annimmt. Den körperlichen Tod hingegen ordnete er in die stoischen „Indifferentia“ ein – jene Dinge, auf die es nicht ankommt.

Seneca betonte die Heilkraft der Philosophie; sie sei ein Quell der Lebenskunst, freiheitliche Selbstbestimmung im Einklang mit der Natur. In den Ohren der römischen Bürger klang das bestimmt verlockend. Dem herrschsüchtigen Kaiser Nero aber dürften solche Lehren höchst bedrohlich vorgekommen sein. Und so war es Senecas Schicksal, dass er doch noch einer politischen Säuberungswelle seines ehemaligen Zöglings zum Opfer fiel. Einige Senatoren hatten sich nämlich zusammengetan, um Nero zu töten. Doch diese sogenannte Pisonische Verschwörung wurde vorzeitig aufgedeckt und Seneca als Beteiligter beschuldigt. Nero zwang ihn, sich selbst zu töten. Und so starb Seneca im Jahr 65 n. Chr. im Alter von 66 Jahren wie sein Vorbild Sokrates von eigener Hand. Selbstbestimmt, wie es sich für einen überzeugten Stoiker gehörte.

Einer, der nicht nur in Senecas philosophische Fußstapfen trat, sondern auch knapp hundert Jahre nach Neros Tod den Platz auf dem Kaiserthron einnahm, war Marc Aurel. In der nächsten Story lernst du diesen Kaiser-Philosophen näher kennen …

Zusammenfassung

  • Lucius Annaeus Seneca, geboren um das Jahr Null in Corduba war ein römischer Philosoph und Staatsmann, der schließlich zum Erzieher des jungen Nero berufen wurde. Nachdem Nero den Kaiserthron bestiegen hatte, blieb Seneca noch einige Jahre lang als Berater in seinen Diensten.

  • Nero war Senecas Philosophie mit ihren Lehren über Gerechtigkeit, Milde und Mäßigung lästig. Daher brachte er den etwa 60-Jährigen dazu, sich aus der Politik zurückzuziehen.

  • Von nun an widmete sich Seneca verstärkt seinen philosophische Schriften, die als römische Stoa in die Philosophiegeschichte eingegangen sind. 

  • Die Stoa ist eine der bedeutenden griechischen Philosophenschulen. Im Römischen Reich fand die stoische Philosophie viele Anhänger. Sie zielt auf die naturgegebene Glückseligkeit aus eigener Kraft, die wiederum aus der sprichwörtlich gewordenen stoischen Ruhe und Gelassenheit entspringt.

  • Seneca betonte in seinen vielgelesenen Büchern immer wieder die freiheitliche Selbstbestimmung des Einzelnen. Das konnte der herrschsüchtige Kaiser Nero nicht ertragen. Nach einer Verschwörung gegen ihn zwang seinen früheren Lehrer, sich selbst zu töten. 

  • Bedeutende Werke Senecas sind unter anderem: „Ad Neronem Caesarem de clementia“ („An Kaiser Nero über die Milde“, „De beneficiis“ („Über Wohltaten“), „De Ira“ („Über den Zorn“), „De brevitate vitae“ („Von der Kürze des Lebens“), „De vita beata“ („Vom glücklichen Leben“) und „Epistulae morales ad Lucilium“ („Briefe an Lucilius“).

  • Senecas Dramen sind die einzigen erhaltenen Tragödien der lateinischen Antike. Angelehnt an Geschichten der griechischen Mythologie transportieren sie auch Lehren der stoischen Philosophie. Mehr oder weniger deutlich sind Anspielungen auf die Intrigen und Morde am Kaiserhof enthalten, so etwa in „Medea“, „Thyestes“, „Phaedra“ oder „Hercules Furens“ („Der rasende Herkules“). Die einzige überlieferte Satire ist „Ludus de morte Claudii Neronis“ („Spiel über den Tod von Claudius Nero“).

Teste dein Wissen im Quiz

  1. Wer war Seneca? 
    1. A) Griechischer Staatsmann
    2. B) Makedonischer Feldherr
    3. C) Deutscher Erzbischof
    4. D) Römischer Philosoph 
  2. Wie heißt die philosophische Lehre, die der Römer Seneca vermittelte?
    1. A) Mäeutik
    2. B) Epikureismus
    3. C) Stoa
    4. D) Ideenlehre
  3. Der römische Philosoph Seneca war der Erzieher welches römischen Kaisers?
    1. A) Augustus
    2. B) Caligula
    3. C) Tiberius
    4. D) Nero
  4. Was ist die Stoa?
    1. A) Griechische Denkschule
    2. B) Etruskische Gesetzessammlung
    3. C) Europäische Industriegewerkschaft
    4. D) Sekte in Deutschland
  5. Was wird heute noch als „stoisch“ bezeichnet?
    1. A) Selbstüberschätzung
    2. B) Gelassene, unerschütterliche Haltung
    3. C) Verschwenderischer Lebensstil
    4. D) Pessimistische Einstellung

Richtige Antworten: 
1. D) Römischer Philosoph
2. C) Stoa
3. D) Nero
4. A) Griechische Denkschule
5. B) Gelassene, unerschütterliche Haltung

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