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Magdeburger Bluthochzeit

Das größte Massaker des Kriegs
Die Plünderung Magdeburgs (Die Magdeburger Jungfrauen), Historiengemälde von Eduard Steinbrück, 1866
Magdeburger Bluthochzeit
Magdeburger Bluthochzeit
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Inhalte

Intro

Magdeburg: eine blühende Handelsmetropole im Herzen Europas, eine pulsierende Stadt mit 30.000 Einwohnern, in der Geistliche und Gelehrte gleichermaßen zum Gedankenaustausch zusammenkamen – und letztlich eine Stadt, die innerhalb von nur drei Tagen von der Bildfläche der Welt verschwinden sollte. In dieser Kurzgeschichte erfährst du, warum dieses Massaker als Magdeburger Bluthochzeit in die Geschichte des Dreißigjährigen Krieges einging.

Kapitel 1: Die vorgetäuschte Plünderung

Völlig verängstigt verkriechen sich der kleine Junge und seine Schwester in der hintersten Ecke des Hauses. Ihr Vater muss den Verstand verloren haben! Immer wieder schlägt er mit der Axt auf die Holzmöbel ihres kleinen Schreinerhauses ein, wirft Schüsseln und Töpfe zu Boden. „Macht endlich mit!“, raunzt er den beiden verstörten Kindern zu. Die verstehen ihre Welt nicht mehr, doch dem Vater zu widersprechen, das trauen sie sich auch nicht – und so werfen sie mit Tränen in den Augen Teller und Becher auf den Boden. Da endlich hält der Vater in seiner Raserei inne. „Gut gemacht!“, ruft er den Kindern zu. „Und jetzt ab in den Keller. Schnell!“ Trotz ihrer Verwirrung gehorchen die beiden aufs Wort und stürzen die Kellertreppe hinunter. Der Vater folgt ihnen und schließt die unscheinbare Luke über sich. Schweigend harrt die Handwerkerfamilie in ihrem stickigen Gefängnis aus. Plötzlich hören sie, wie oben die Tür aufgerissen wird. Ein Trupp Männer stürmt in die zertrümmerte Stube. Einige Augenblicke ist es totenstill im Haus. Dann ist ganz deutlich die Stimme eines deutschen Söldners zu vernehmen: „Rückzug, Männer. Hier gibt es nichts mehr zu holen. Hier haben andere schon vor uns alles ausgeplündert!“ Die Magdeburger Familie bleibt noch eine geraume Zeit in ihrem Keller sitzen. Und ganz allmählich beginnt der kleine Junge zu verstehen. Sein Vater ist keineswegs verrückt geworden. Er hat durch eine clevere List der ganzen Familie das Leben gerettet...

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Kapitel 2: Die Perle an der Elbe

Mordende Söldnerheere auf der einen Seite, verzweifelte Überlebensversuche der Bevölkerung auf der anderen – das war nur einer der zahlreichen Gegensätze des Dreißigjährigen Kriegs, der im fernen Böhmen seinen Anfang genommen hatte. Dort hatte der protestantische Adel den katholischen König abgesetzt und einen Mann ihres Vertrauens zum König gewählt, der sich jedoch nur gut ein Jahr auf dem Thron halten konnte und deshalb nur noch der „Winterkönig” genannt wurde. Längst drehte sich das Kriegsgeschehen nicht mehr um den „richtigen“ Glauben. Mittlerweile ging es nur noch um die Macht über die deutschen Hansestädte. Eine davon war Magdeburg: die freie protestantische Metropole an der Elbe und eine der reichsten und mächtigsten Städte des Reichsgebiets. Magdeburg war der Warenumschlagplatz schlechthin, hier trafen sich Gelehrte und wichtige Kirchenmänner, die hier keine Angst vor Hexenverfolgung und sonstigen Auswüchsen haben mussten.

Kein Wunder also, dass diese Stadt den Katholiken ein Dorn im Auge war. Und so kam es schließlich, wie es irgendwann einmal kommen musste. Im Frühjahr des Jahres 1631 zog ein kaiserlicher Feldherr namens Johann von Tilly mit knapp 27.000 Söldnern einen Belagerungsring um die Stadt, um die eigensinnige Protestantenhochburg endlich zur Aufgabe zu zwingen. „Zur Aufgabe zwingen“ – das hieß im Dreißigjährigen Krieg nichts anderes, als dass sich die Bevölkerung mit horrenden Lösegeldern ihr Leben erkaufen musste. Doch in Magdeburg sollten die katholischen Erpresser kein so leichtes Spiel haben wie in zahllosen anderen Ortschaften zuvor. Denn die Stadt an der Elbe glich einer gewaltigen Festung, sodass sich die 30.000 Einwohner trotz der Belagerung relativ sicher fühlten. Denn sie hatten noch einen weiteren Trumpf im Ärmel: den protestantischen Schwedenkönig Gustav II. Adolf, der sich in jenen Tagen mit seinen gewaltigen Truppenverbänden unaufhaltsam durch die deutschen Lande kämpfte. Er hatte nur noch wenige Tagesmärsche bis Magdeburg und würde mit Tillys Söldnerhaufen wohl spielend fertig werden, hofften die Bürger in jenen Tagen. Doch was stattdessen folgte, sollte zu einer der furchtbarsten Katastrophen des Dreißigjährigen Krieges werden...

Kapitel 3: Eine schwierige Entscheidung

Auch die katholischen Belagerer bekamen allmählich Bedenken, als ihnen der erste Bote des herannahenden Schwedenkönigs in die Hände fiel. Der hatte Frankfurt an der Oder im Sturm erobert und hoffte, General Tilly damit von Magdeburg abzulenken. Der jedoch wusste genau: Bevor die überlegene Armee Gustav Adolfs Magdeburg erreichte, musste hier schon alles vorüber sein. Denn waren die Schweden erst einmal hier, würde er keine Chance mehr haben, Lösegeld von den Belagerten zu erpressen oder reiche Beute aus der Stadt zu holen. Also stellte er den Magdeburgern am 9. Mai 1631 sein Ultimatum: Kauft euch frei, und wir werden euch verschonen! Die Ratsherren standen vor einer schwierigen Entscheidung. Denn einerseits hätten sie mit einer solchen Lösegeldzahlung endlich Ruhe vor den katholischen Belagerern, andererseits müssten die Schweden in wenigen Tagen da sein. Und in der Tat: Die Magdeburger lehnten Tillys Lösegeldangebot ab. Und der hatte daraufhin nun ebenfalls keine andere Wahl mehr. Klein beigeben kam für ihn und seine ausgehungerten Männer keineswegs in Frage, und Magdeburg war viel zu wohlhabend, um seine Reichtümer unangetastet zu lassen. So ließ Tilly am Morgen des 10. Mai zum Angriff blasen – und nur wenige Augenblicke später stürmten Zehntausende Söldner auf die Stadtmauern Magdeburgs zu. Ein Augenzeuge namens Georg Ackermann sollte diesen Angriff später wie folgt beschreiben: „Da war ein solches Donnern und Krachen von Musketen, Feuermörsern und Kartaunen, dass niemand weder hören noch sehen konnte. Und da uns Nachschub häufig folgte, war der ganze Wall schwarz von Volk und Sturmleitern […].“

Kapitel 4: Eine Stadt in Flammen

Die Erstürmung Magdeburgs erfolgte aus der Sicht der Angreifer keine Minute zu früh. Denn in den Amtsstuben der Stadt wurde noch immer über das weitere Vorgehen diskutiert, als bereits die katholische Kavallerie mit ohrenbetäubendem Kriegsgeschrei durch die Stadttore galoppierte. Rasch griffen die Bürger zu ihren Waffen. Und der Häuserkampf, der nun in Magdeburgs Gassen tobte, wurde von beiden Seiten mit gnadenloser Härte geführt: Während die Stadtbewohner die Straßen an zahlreichen Stellen mit eisernen Ketten abriegelten und sich mit spitzen Trittfallen zu wehren versuchten, begannen die Angreifer damit, die Häuser anzuzünden. Denn: Wer mit Löschen beschäftigt ist, kann nicht gleichzeitig kämpfen!

Doch die Magdeburger dachten gar nicht daran, die Löscheimer in die Hand zu nehmen. Sie wehrten sich mit allem, was sie in die Finger bekamen. Kaum jemals in diesem Krieg hatten Zivilisten wohl so erbitterten Widerstand geleistet. Doch die Katholiken gewannen mehr und mehr die Oberhand – und am Ende hatten die Magdeburger gegen die gut ausgerüsteten Angreifer keine Chance mehr. Was folgte, war das grausamste Massaker des Dreißigjährigen Kriegs. Innerhalb weniger Stunden ermordeten die Söldner 20.000 Männer, Frauen und Kinder. Sie wüteten derart, dass Beschreibungen ihrer Taten in ganz Europa Entsetzen hervorriefen. Für die Überlebenden gab es nur zwei Zufluchtsorte in der Stadt, die die katholische Soldateska nicht antasten durften: das Kloster und der Dom. Dort drängten sich rund 3.000 Menschen zusammen, während die Stadt um sie herum in Flammen aufging.

Nach drei Tagen hatte Magdeburg buchstäblich aufgehört zu existieren. Die völlige Zerstörung der einst blühenden Metropole ging als „Magdeburger Bluthochzeit” oder auch „Magdeburger Hochzeit“ in die Geschichte des Dreißigjährigen Krieges ein – als sarkastischer Begriff für die gewaltsame Vermählung zwischen dem katholischen Kaiser Ferdinand II. und der protestantischen „Jungfrau Magdeburg“, die ihm so lange widerstanden hatte. Noch heute spricht man von „Magdeburgisieren”, wenn die völlige Zerstörung einer Stadt gemeint ist. Ein historischer Roman des deutschen Autors Jörg Olbrich (erschienen im Acabus Verlag) widmet sich dem grausigen Ereignis.

Und der skrupellose Feldherr Tilly? Als endlich alles zu Ende war, ließ dieser die Tore des Doms öffnen – und schenkte den dorthin Geflüchteten das Leben. Der Schwedenkönig Gustav Adolf hingegen hatte es nicht mehr rechtzeitig nach Magdeburg geschafft. Indirekt jedoch war ihm die grausame Zerstörung dieser Stadt von Nutzen, denn sie trieb diejenigen protestantischen Fürsten, die bis dahin noch gezögert hatten, in sein Lager. So konnte er mit den Kurfürstentümern Brandenburg und Sachsen sowie der Landgrafschaft Hessen-Kassel eine Allianz gründen. Von den deutschen Protestanten sollte er später als Held und Vorkämpfer verklärt werden, als „der Leu” bzw. „der Löwe aus Mitternacht”, also aus dem Norden. Im November 1632 sollte er im heutigen Sachsen-Anhalt seine letzte Schlacht schlagen: die Schlacht bei Lützen.

Zusammenfassung

  • Im Frühjahr 1631 belagerte der kaiserliche Feldherr Tilly mit knapp 27.000 Söldnern die protestantische Stadt Magdeburg, eine der mächtigsten und reichsten Städte des deutschen Staatsgebiets sowie eine Hochburg der Protestanten. Sie sollte zu einer Lösegeldzahlung gezwungen werden.

  • Am 10. Mai 1631 stürmten die katholischen Truppen unter General Tilly die Stadt. Die Bevölkerung leistete heftigen Widerstand.

  • Die Katholiken gewannen die Oberhand und richteten ein Blutbad unter der Bevölkerung an. Drei Tage später war Magdeburg praktisch vom Erdboden getilgt.

  • Das Massaker, bei dem rund 20.000 Menschen ums Leben kamen, ging als „Magdeburger Hochzeit“ in die Geschichte ein. Die Stadt brauchte 200 Jahre, um ihre alte Einwohnerzahl zu erreichen.

Teste dein Wissen im Quiz

  1. Frage: Wie hieß der berühmte Feldherr, der 1631 die Stadt Magdeburg belagerte?
    1. A) Wallenstein
    2. B) Tilly
    3. C) Pappenheim
    4. D) Gustav Adolf
  2. Frage: Was forderte der Feldherr Tilly im Dreißigjährigen Krieg von den Magdeburgern, damit er sie verschone?
    1. A) Lösegeld
    2. B) Eine offene Feldschlacht
    3. C) Die Herausgabe aller Protestanten
    4. D) Einen Warenkorb
  3. Frage: Wie versuchten die Magdeburger im Dreißigjährigen Krieg, die eindringenden Truppen Tillys zu blockieren?
    1. A) Mit Kanonenfeuer
    2. B) Mit brennendem Pech
    3. C) Mit Ketten
    4. D) Mit Wassergräben
  4. Frage: Was war während der Eroberung Magdeburgs durch Tilly im Dreißigjährigen Krieg ein sicherer Zufluchtsort für die Bürger?
    1. A) Das Rathaus
    2. B) Das Hospital
    3. C) Die Markthalle        
    4. D) Der Dom  
  5. Frage: Unter welcher Bezeichnung ging die Zerstörung der Stadt Magdeburg durch kaiserliche Truppen während des Dreißigjährigen Kriegs in die Geschichte ein?
    1. A) „Magdeburger Feuertanz“
    2. B) „Sturm auf Magdeburg“
    3. C) „Magdeburger Hochzeit“
    4. D) „Massaker von Magdeburg“
  6. Frage: Welchen Beinamen gaben die Protestanten im Dreißigjährigen Krieg dem schwedischen König Gustav Adolf?
    1. A) „Die Bestie aus dem Norden”
    2. B) „Der Leu aus Mitternacht”
    3. C) „Gustav der Wikinger”
    4. D) „Der Hexenbrenner”

Richtige Antworten: 
1. B) Tilly
2. A) Lösegeld
3. C) Mit Ketten
4. D) Der Dom
5. C) „Magdeburger Hochzeit“
6. B) „Der Leu aus Mitternacht”

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