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Richard II. England

Das Ende einer Dynastie
Das Bild illustriert eine Szene aus den Rosenkriegen, in der ein gekrönter König in königlicher Tracht einem anderen Adeligen die Hand reicht. Sie stehen im Zentrum einer Gruppe von Männern in traditioneller mittelalterlicher Kleidung.
Richard II. England
Richard II. England
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Intro

Von 1455 bis 1487 stritten zwei englische Adelshäuser mit Intrigen, Mord und Kriegen um den Königsthron. Die Wurzeln dieses blutigen Familienkonflikts, den wir heute unter dem Namen „Rosenkriege“ kennen, reichen jedoch noch viel weiter zurück: bis ins Jahr 1399. In diesem Jahr wurde der achte König aus der direkten Linie des Königshauses Plantagenet vom Thron gestoßen: Richard II., nach seinem Geburtsort auch Richard von Bordeaux genannt. Er war ein König, der keinen männlichen Nachkommen hinterließ. Und etwas Schlimmeres konnte einem Königshaus jener Zeit nicht passieren...

Kapitel 1: Der Zorn der Bauern

Schlagartig verstummt das Geschrei der aufgebrachten Menschenmassen in den Straßen von London. Spieße und Dreschflegel, eben noch drohend über den Köpfen geschwungen, werden gesenkt. Es ist eine Mischung aus Überraschung und Bewunderung, die den gerechten Zorn der bewaffneten Aufrührer für einen Moment überlagert. Ist das tatsächlich … der König? König Richard II. − ein Jüngling, der gerade erst seine Kinderschuhe abgelegt hat? Und nun vor sie hintritt, als wäre dies eine Versammlung frommer Pilger und nicht eine wütende Menge in explosiver Stimmung, die jede Sekunde in offene Gewalt ausbrechen kann? Und diese Bauern hier sind wütend! Immer grausamer werden sie von ihren adligen Herren unterdrückt und ausgebeutet, mit immer neuen Frondiensten und Abgaben belegt. Und jetzt sollen sie auch noch Kopfsteuern zahlen, wo sie doch selbst kaum noch was zu Beißen haben! Ja, sie fordern vom König ihre Freiheit zurück – und die Köpfe jener Lordschaften, die sie mit ihren Gesetzen ins Elend gestürzt haben!

Furchtlos steht der junge König vor dem aufgebrachten Mob. Auch er ist wütend, aber jetzt gilt es, weiteres Unheil von Stadt und Reich abzuwenden. Also wird er mit den Anführern der Rebellen verhandeln und ihnen allen nicht nur Straffreiheit zusichern, sondern auch die Berücksichtigung ihrer Anliegen − allerdings nur dann, wenn sie unverzüglich und friedlich wieder abziehen.

Was von den königlichen Versprechen übrig bleiben wird, steht allerdings auf einem anderen Blatt.

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Kapitel 2: Eine ruhmreiche Dynastie

Sein mutiges und entschiedenes Auftreten in der wohl gefährlichsten Phase des englischen Bauernaufstands von 1381 brachte dem erst 14-jährigen König einen Achtungserfolg ein – nicht nur im Volk, sondern auch bei seinen Gegnern aus dem Adel. Richard II. war der letzte männliche Vertreter einer Herrscherdynastie, die seit mehr als 200 Jahren das englische Inselreich regierte: der Plantagenets. Sie hatten acht Könige hervorgebracht, unter ihnen den legendären Richard Löwenherz. Unter ihrer Herrschaft war England zu einer Militärmacht aufgestiegen und die Magna Charta unterzeichnet worden, die bis heute als eines der bedeutendsten Rechtsdokumente auf dem Entwicklungsweg der modernen Demokratie gilt. Sie hatten das Parlament als beständige Einrichtung und die englische Sprache als Hauptsprache im Inselreich etabliert. Aber die Tage dieser Dynastie waren gezählt. Richard, der im Jahr 1367 im Palast von Bordeaux im englischen Fürstentum Aquitanien das Licht der Welt erblickte, sollte der letzte König aus der direkten Linie der Plantagenets sein.

Kapitel 3: Königreich in Nöten

Richard war der jüngere Sohn des ruhmbedeckten Schwarzen Prinzen, der König geworden wäre, wenn er nicht noch vor seinem Vater Edward III. das Zeitliche gesegnet hätte. Auch sein Erstgeborener Eduard starb früh, sodass nun sein jüngerer Bruder Richard zum Prince of Wales erhoben wurde. Das ist seit jeher der offizielle Titel der englischen Thronfolger. Als sein königlicher Großvater im Jahr 1377 nach 50-jähriger Regierungszeit entschlief, erbte Richard im zarten Alter von zehn Jahren die Krone Englands. Am 16. Juli wurde er in der Westminster Abbey gekrönt. Weil er noch minderjährig war, stellte man ihm einen mehrköpfigen königlichen Rat zur Seite, der die Regierungsgeschäfte führen sollte. Im Hintergrund zog indessen ein Mann die Fäden, der John of Gaunt, 1. Duke of Lancaster hieß. Er war Richards jüngerer Onkel, hatte für dessen zunehmend kränkelnden Vater die Geschäfte geführt und war bei den adeligen Herren im Parlament äußerst unbeliebt, weil er wiederholt deren Machtbefugnisse in Frage gestellt hatte. Wir werden noch von ihm hören ...

Aber der junge Richard II of England hatte von Beginn an keinen leichten Stand. Sein Reich steckte in einer tiefen Krise, die nicht nur durch den Hundertjährigen Krieg gegen Frankreich verursacht worden war, sondern auch durch die große Pestwelle, die Mitte des 14. Jahrhunderts auch über England geschwappt war. Je mehr Menschen an der Seuche starben, desto weniger Arbeitskräfte standen den adeligen Herren zur Verfügung. Für das mittelalterliche Wirtschaftswesen war das eine Katastrophe. Einige Grundherren versuchten, den Arbeitskräftemangel durch immer maßlosere Ausbeutung der Verbliebenen auszugleichen. Andere verlegten sich auf die Schafzucht. Doch deren Gewinne blieben nicht im Land, sie flossen in die Taschen reicher Händler auf dem Kontinent. Und schließlich kamen die hochadeligen Kreise Englands auf die Idee, die Rechte der Landarbeiter, Handwerker und sonstigen Bediensteten im Land durch neue Arbeitsgesetze zu beschneiden. Als sie schließlich auch noch eine Kopfsteuer einführten, die jeder Einwohner über 14 Jahre zu zahlen hatte, lief das Fass über. Aufstände brachen aus, die als peasants’ revolt in die Geschichte Englands eingehen sollten.

Kapitel 4: Der Bauernaufstand

Über Essex, Kent und Canterbury erreichten die Aufständischen die Hauptstadt London. Inzwischen verstärkten auch wütende Handwerker und andere kleine Leute das Bauernheer, das von einem Kriegsveteranen namens Wat Tyler angeführt wurde. Die Rebellen stürmten das Gefängnis und zündeten den Palast jenes Lords an, der die Kopfsteuer durchgesetzt hatte. Schließlich trat ihnen der junge König entgegen und sicherte ihnen am Ende nicht nur Straffreiheit, sondern auch eine Reihe von Erleichterungen zu – wenn sie nur wieder friedlich nach Hause gingen. Doch in den folgenden Wochen ließ Richard sie in ihren Hütten und Häusern aufstöbern, aburteilen und auf die Richtstätten schleppen. Mit diesem Wortbruch war das Ansehen des Königs im Volk dahin. Und auch seiner Macht über den Adel durfte er sich nicht mehr sicher sein. Es war sein eigener Onkel, der ältere der beiden Onkel diesmal, der sich gegen König Richard stellte: Thomas of Woodstock, 1. Duke of Gloucester. Denn der hatte seine eigenen Vorstellungen davon, wie es mit dem Königreich England weitergehen sollte.

Kapitel 5: Schamlose Familienbande

Gloucester erwies sich bald als gefährlichster Feind seines königlichen Neffen. Er war der Wortführer einer hochadeligen Oppositionsgruppe, die sich als „Beschwerdeführer“ bezeichnete. Vorgeblich wollte dieser Lords Appellant nur konstruktive Kritik an Richards Regierung üben, im Hintergrund ging es den Lords wohl mehr darum, das Reich unter ihre eigene Kontrolle zu bringen. Richard war an der verfahrenen Situation nicht ganz unschuldig; er hatte persönliche Vorlieben, was den Kreis seiner Berater anbetraf und vergab begehrte Posten an Günstlinge wie den Duke of Ireland, Robert de Vere. Dieser führte 1387 eine Armee gegen die selbsternannten Beschwerdeführer und unterlag deren Streitmacht in der Schlacht von Radcot Bridge nahe der Stadt Oxford. Gloucester ließ den König im Tower of London festsetzen und veranstaltete eine Art Gerichtssitzung, die als das Gnadenlose Parlament in die Geschichte Englands einging. Zahlreiche hochrangige Gefolgsleute und Freunde des Königs wurden als Verräter verurteilt und hingerichtet, der Lordkanzler Michael de la Pole seines Amts enthoben. Richard selbst schaffte es nur durch die Hilfe John of Gaunts, seines anderen Onkels, noch einmal zurück an die Regierungsmacht. Er ließ sich Zeit mit seiner Rache, aber die Demütigungen, die Gloucester ihm angetan hatte, sollte er nie vergessen.

Acht Jahre nach seiner Wiedereinsetzung überzog der König seine Feinde mit einer Reihe von Hochverratsprozessen, Enteignungen und Verbannungen. Diese Phase seiner Regentschaft wird auch Richards Tyrannei genannt. Der Graf von Arundel wurde auf dem Tower Hill hingerichtet, zwei Adelige namens Thomas Mowbray, Herzog von Norfolk, sowie Henry Bolingbroke, ein Cousin des Königs, wurden enterbt und ihre Güter der Krone einverleibt. Gloucester wurde verhaftet und nach Calais gebracht, wo er unter ungeklärten Umständen starb. Hatte Richard ihn heimlich ermorden lassen, um eine öffentliche Hinrichtung seines Blutsverwandten zu umgehen? Bewiesen werden konnte das nicht, aber den intriganten Onkel war der junge König auf jeden Fall los. Allerdings hatte er noch weitere Verwandte, die ihm an den Kragen wollten. Und es sollte ausgerechnet sein Cousin Henry sein, der am Ende alle Fäden in den Händen hielt.

Kapitel 6: Der Thronraub

Henry Bolingbroke, im deutschen Sprachraum auch Heinrich genannt, war ebenso wie Richard ein Enkel des verstorbenen Königs Edward III. und damit königlicher Abstammung, wenn auch nur als Spross einer Seitenlinie – eben jener Lancasters. Als einer der verräterischen Beschwerdeführer im „Gnadenlosen Parlament“ war er während Richards Tyrannei enterbt und in die Verbannung geschickt worden. Nach dem Tod seines hochadeligen Vaters kehrte Henry mit einer kleinen Streitmacht nach England zurück, um den von Richard beschlagnahmten Familienbesitz zurückzufordern. Doch es zeigte sich, dass er mit den Gütern seiner Vorfahren nicht zufrieden sein würde. Er wollte mehr: Henry wollte die Krone! Und seine Karten in diesem Spiel waren nicht die schlechtesten, denn sein gekrönter Rivale galt in den Augen seiner Untertanen inzwischen als ein königlicher Rohrkrepierer. Im Krieg gegen Frankreich hatte England fast alle Besitztümer auf dem Kontinent verloren, und auf einen männlichen Thronerben wartete das Reich seit Jahren vergeblich.

Henry Bolingbroke hingegen galt als fähiger Heerführer und hatte keine Probleme, alte und neue Gefolgsleute um sich zu versammeln.

Richard befand sich gerade auf seinem zweiten Feldzug durch Irland, um dort die Machtansprüche der englischen Krone zu sichern. So konnte Henry ungehindert seinen Putsch einfädeln und die Macht in London an sich reißen. Im Spätsommer 1399 ließ er Richard festsetzen und vom Parlament der Krone für unwürdig erklären. Wenige Wochen später wurde der Thronräuber in der Westminster Abbey zum König Heinrich IV. bzw. Henry IV King of England gekrönt.

Kapitel 7: Tod ohne Erben

Und Richard II.? Der soll während seiner Gefangenschaft in Pontefract Castle in West-Yorkshire den Hungertod gestorben sein. Ob er sich selbst zu Tode hungerte – wie Heinrich IV. verbreiten ließ – oder ob er heimlich ermordet wurde, liegt im Dunkel der Geschichte verborgen. Noch viel schlimmer für sein Königshaus war dies: Weder mit seiner ersten Gemahlin Anna von Böhmen – die an der Pest gestorben war – noch mit seiner zweiten Gemahlin Isabella von Valois hatte Richard einen Sohn zeugen können. Was mit Blick auf das zarte Alter Isabellas niemanden verwundern dürfte: Sie war erst sechs Jahre alt, als ihr Vater Karl VI., König von Frankreich und genannt “der Wahnsinnige”, sie aus dynastischen Gründen mit dem 29-jährigen Richard vermählte. Mit zehn wurde sie Witwe und kehrte wenig später in ihre Heimat zurück. Und weil Richard II. somit keinen männlichen Erben hinterließ, erlosch mit seinem Tod auch die direkte männliche Linie der Plantagenets. Die Erbfolge der englischen Könige ging nun auf die Nebenlinie der Lancasters über. Vorerst zumindest. Denn es gab noch eine weitere Nebenlinie der alten Herrscherdynastie, nämlich die Familie York! Und die Yorks würden Heinrich IV. diesen hinterhältigen Thronraub auf ewig übelnehmen.

Die Absetzung von King Richard II., die den Menschen weitgehend durch die Interpretation des Dramatikers William Shakespeare bekannt ist, markierte den Beginn einer der turbulentesten Perioden in der englischen Geschichte: die Zeit der Rosenkriege. Denn jedes der beiden heillos zerstrittenen Adelshäuser trug eine Rose im Wappen.

Zusammenfassung

  • Der noch minderjährige Richard II. wurde im späten 14. Jahrhundert zum letzten König der legendären Herrscherfamilie Plantagenet gekrönt. Dieses Adelshaus hatte mehr als 200 Jahre über England regiert.

  • Im Alter von erst 14 Jahren bewies Richard besonderen Mut, als er im Frühjahr 1381 in London vor ein Heer aufständischer Bauern, Handwerker und Arbeiter trat und mit deren Anführern verhandelte.

  • Weil er hinterher seine Versprechen brach, verlor er sein Ansehen im Volk. Auch ein männlicher Thronerbe ließ auf sich warten. Dies alles gab Feinden und Neidern im eigenen Land Auftrieb. 

  • Eine Gruppe hochadeliger Beschwerdeführer zwang Richard vor das sogenannte „Gnadenlose Parlament“. Zahlreiche mächtige Gefolgsleute des Königs wurden zum Tod verurteilt.

  • Richard gelang die Rückkehr an die Macht, doch rund zehn Jahre später wurde er von Henry Bolingbroke, dem späteren Heinrich IV. aus der königlichen Nebenlinie Lancaster, gestürzt. Mit dem Tod Richards starb das Haus Plantagenet aus, da er keinen Sohn hinterließ. Doch es gab noch eine andere königliche Nebenlinie: die Familie York.

Teste dein Wissen im Quiz

  1. Wie hieß das englische Herrscherhaus, das vom 12. bis zum 14. Jahrhundert durchgehend die Könige von England stellte?
    1. A) York 
    2. B) Tudor
    3. C) Plantagenet
    4. D) Lancaster
  2. Wie hieß der letzte englische König aus der direkten Linie des Hauses Plantagenet?
    1. A) Edward V.
    2. B) Karl VI.
    3. C) Heinrich V.
    4. D) Richard II.
  3. Welche Gesellschaftsschicht erhob sich im Jahr 1381 in England zu einem Aufstand?
    1. A) Bauern und kleine Handwerker
    2. B) Adelsmänner
    3. C) Der Klerus
    4. D) Parlamentarier
  4. Wie nannte sich die hochadelige Oppositionsgruppe, die im späten 14. Jahrhundert gegen König Richard II. intrigierte?
    1. A) House of Lords
    2. B) Guardians of Scotland
    3. C) Lords Appellant
    4. D) Beefeaters
  5. Welcher Cousin des englischen Königs Richard II. stürzte diesen im Jahr 1399 vom Thron und ließ sich selbst zum König von England krönen?
    1. A) Edward of Westminster
    2. B) Henry Bolingbroke 
    3. C) Heinrich Tudor 
    4. D) Johann Ohneland
  6. Was war der maßgebliche Grund für das Aussterben des englischen Königshauses Plantagenet im Jahr 1399?
    1. A) Kein männlicher Thronerbe
    2. B) Die Pest
    3. C) Erbliche Geisteskrankheit
    4. D) Impotenz

Richtige Antworten: 
1. C) Plantagenet 
2. D) Richard II.
3. A) Bauern und kleine Handwerker 
4. C) Lords Appellant 
5. B) Henry Bolingbroke 
6. A) Kein männlicher Thronerbe

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