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Richard III.

Englands schlimmste Bestie?
Bild von Richard III. (England)
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Intro

England im Jahr 1483: Ein minderjähriger König zieht mit seinem jüngeren Bruder in den Tower of London ein. Einige Zeit später sind beide Jungen spurlos verschwunden − und ihren Onkel trifft ein furchtbarer Verdacht… In dieser Story erfährst du, wie warum dieser mysteriöse Kriminalfall uns bis heute Rätsel aufgibt.

Kapitel 1: Die Prinzen im Tower

Wieder so eine trostlose Nacht, die einem trostlosen Tag folgt. Traurig starrt der zwölfjährige Edward von York, Prince of Wales, in die Dunkelheit des kargen Raums, den er sich mit seinem kleinen Bruder teilt. Wie lange sind sie nun schon hier eingesperrt? Edward weiß es nicht mehr. Als neuer König ist er in den Tower von London gebracht worden, hier sollte er sich auf seine Krönung vorbereiten. So verlange es die Tradition, hat sein Onkel Richard ihm erklärt. Doch dann sind Veränderungen eingetreten, die der Junge sich nicht erklären kann. Dass plötzlich auch sein kleiner Bruder hierher gebracht wurde, fanden sie beide ja noch ganz toll. Dann aber wurden ihre Diener entlassen − einer nach dem anderen. Aus den königlichen Gemächern mussten sie in dieses Zimmer umziehen, das selbst jetzt im Sommer kalt und feucht ist. Und das Essen, das ihnen von mürrischen Wärtern hingeschoben wird, ist nur noch – erbärmlich! Edward muss den Tatsachen ins Auge blicken: Sie beide sind Gefangene. Aber warum? Was haben sie verbrochen? Auch in dieser Nacht findet der Junge keine Antwort. Allmählich gleitet er in den Schlaf hinüber, und bald sind nur noch die gleichmäßigen Atemzüge der beiden Brüder zu hören. Als der Mörder lautlos die dunkle Kammer betritt, schlafen beide Prinzen tief und fest...

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Kapitel 2: Rätsel der Geschichte

Das Schicksal der Prinzen im Tower gibt der Welt bis heute Rätsel auf: Wurden sie im späten 15. Jahrhundert wirklich ermordet – und wenn ja: von wem, in wessen Auftrag und unter welchen Umständen? Kriminalisten würden fragen: Wer profitierte am meisten vom Verschwinden der Prinzen? Die Antwort führt uns zu jenem Mann, dem der kindliche König Edward V. anvertraut worden war, nachdem dessen Vater Edward IV. gestorben war. Dieser Mann war der jüngere Bruder des verstorbenen Königs und hieß Richard, Herzog von Gloucester.

Er war der jüngste überlebende Sohn von Richard Plantagenet, 3. Duke of York − eines der prominentesten Herzöge des Inselreichs, Cousin und gewesener Lordprotektor des zeitweise geisteskranken Königs Heinrich VI.. Das war jener König gewesen, der in der letzten Phase des Hundertjährigen Kriegs den größten Teil des englischen Festlandbesitzes an Frankreich verloren hatte. Richard Gloucester war also von königlicher Abstammung, hatte aber als jüngster Spross der Familie nur wenig zu melden und noch weniger Aussichten auf eine große Zukunft. Das aber sollte sich ändern. Denn König Edward IV. verfügte am 9. April 1483 auf seinem Sterbebett, dass sein ältester Sohn unter dem Namen Edward V. den Thron besteigen sollte − wenn er alt genug war, um die Regierungsgeschäfte zu führen. So lange sollte Richard von Gloucester als Lordprotektor das Reich verwalten und sich als treusorgender Onkel um den zwölfjährigen Kind-König und dessen neunjährigen Bruder Richard von Shrewsbury kümmern.

Gesagt, getan. Richard fackelte nicht lange, trennte die Knaben von ihrer Mutter Elisabeth Woodville und ließ sie im Tower of London einquartieren. Nur zu ihrer Sicherheit natürlich, wie er verlauten ließ, und um Edwards Krönung vorzubereiten.

Und zunächst nahm ja auch alles seinen vorbestimmten Lauf. Das Leben in der erhabenen Festung muss für die beiden Jungen ein einziges großes Abenteuer gewesen sein. Oft sah man sie in den Höfen und Gängen spielen. Doch im Frühsommer des Jahres 1483 trat ein mysteriöser Geistlicher auf die Bühne Englands. Und für die Prinzen im Tower sollte nichts mehr so sein wie zuvor.

Kapitel 3: Eine ungültige Königs-Ehe?

Der Geistliche setzte eine buchstäblich explosive These in die Welt – eine These, die mehr Sprengkraft hatte als sämtliche Kanonen auf den Schlachtfeldern Europas zusammen. Der kleine Edward, so der Kirchenmann, hätte überhaupt kein Recht auf den Königsthron! Denn sein königlicher Vater sei vor seiner Ehe mit Elisabeth Woodville bereits mit einer ganz anderen Dame verlobt gewesen! Durch dieses ältere Heiratsversprechen sei die spätere Ehe nie gültig geworden – und die Prinzen damit unehelich geboren!

Diese Behauptung schlug ein wie eine Bombe. Denn unterm Strich bedeutete sie nur eines: Als „Bastard“ durfte weder Edward noch sein kleiner Bruder König von England werden. Und wer blieb dann als einziger erbberechtigter Blutsverwandter des verstorbenen Königs übrig? Richtig: der gute alte Onkel Richard! Und der ließ sich von der Geschichte offenbar schnell überzeugen, ebenso der Lordkanzler William Hastings und ein Gefolgsmann namens Henry Stafford, Herzog von Buckingham. Manche glauben, dass in Wahrheit Henry hinter dem Gerücht steckte, das nun einschneidende Folgen für die beiden Prinzen zeitigte. Sie wurden nicht länger wie hochgeborene Prinzen behandelt, sondern wie Gefangene.

Zuletzt sah man die Brüder lebend im Sommer 1483 auf dem Towergelände spielen. Danach verliert sich ihre Spur. Und ihr Onkel ließ sich selbst zum König krönen. Schnell kam ein böser Verdacht auf: Hatte Richard III. die Prinzen ermorden lassen? Die Gerüchteküche brodelte – und bald auch das ganze Inselreich. Buckingham machte Karriere an der Seite des neuen Königs, während Lord Hastings unter nicht wirklich geklärten Umständen des Hochverrats bezichtigt und im Juni 1483 ohne Prozess hingerichtet wurde.

Das verfeindete Haus Lancaster wiederum war stocksauer über die eigenmächtige Thronbesteigung Richards und brachte auch gleich einen eigenen Thronfolger ins Spiel: einen entfernten Verwandten namens Henry Tudor, der sein Leben im französischen Exil fristete. Zwei Jahre nach der Krönung des Königs landete Henry Tudor mit Truppen an Englands Küste, um Richard III. und die Dynastie der Yorks endgültig von der Bildfläche zu fegen. Die Entscheidungsschlacht der Rosenkriege zwischen den Häusern York und Lancaster zog herauf.

Kapitel 4: Die letzte Schlacht

Am Morgen des 22. August 1485 standen sich nahe der englischen Ortschaft Bosworth zwei zu allem entschlossene Kriegsparteien gegenüber: auf der einen Seite die königliche Armee von Richard III. und seinen Vasallen unter dem Banner der weißen Rose, auf der anderen die kleinere, aber zu allem entschlossene Truppe von Henry, Earl of Richmond, hierzulande besser bekannt als Heinrich Tudor. Der Herausforderer war auf dem Schlachtfeld unerfahren und überließ die Heerführung daher den bewährten Veteranen aus den Reihen seiner Verbündeten. Zum sprichwörtlichen Zünglein an der Waage sollte indessen eine dritte – noch kleinere – Streitmacht werden, die im letzten und entscheidenden Moment die Fronten wechselte …

Diese Truppe, die sich zunächst am Rande des Schlachtgeschehens hielt, wurde von zwei adeligen Brüdern namens Thomas und William Stanley angeführt. Beide standen ursprünglich den Lancasters nahe, William war sogar der Stiefvater von Henry. Beide waren jedoch als Gefolgsmänner Richards III. für die Seite der Yorks verpflichtet worden. Die Schlacht tobte schon eine ganze Weile, als der König beschloss, den unerfahrenen Herausforderer von dessen Hauptstreitmacht zu trennen und im Überraschungsangriff zu töten. Keine gute Idee. Denn genau in diesem Moment griffen die Stanleys ein – und eilten Henry Tudor zur Hilfe!

Kapitel 5: Übler Nachruf

Im Getümmel verlor Richard sein Pferd und wurde tödlich getroffen. Es heißt, er sei tapfer kämpfend gestorben, aber sein Leichnam wurde auf schändliche Weise in einem Wirtshaus ausgestellt und danach von mitleidigen Mönchen schmucklos begraben. Über 500 Jahre galten seine Gebeine als verschollen; erst 2012 wurden sie unter einem Parkplatz gefunden und mittels Gentechnik zweifelsfrei identifiziert, bevor man sie in Ehren nochmals zur nun letzten Ruhe bettete. Und die Geschichtsforschung relativierte so einiges, was unter der Herrschaft der siegreichen Tudors in Historien- und Dramenbüchern verewigt wurde.

Der üble Nachruf des gestürzten Königs gilt als ein Paradebeispiel dafür, dass Geschichte stets vom Sieger geschrieben wird. Allen voran sorgte seinerzeit ein Dichter namens William Shakespeare dafür, dass Richard III. als missgestaltetes und abgrundtief böses Monster im Gedächtnis der Menschen haften blieb. Eine moderne Verfilmung von 1995 mit Ian McKellen als Richard von Gloucester, Kristin Scott Thomas als seine Gemahlin Lady Anne Neville sowie Annette Bening und Jim Broadbent in weiteren Hauptrollen versetzte den Dramenstoff Shakespeares gar in ein faschistisches England der 1930er-Jahre, in dem sich der hässliche und missgebildete Protagonist an die Macht intrigiert und mordet.

Heute wissen wir: Richard hatte einfach nur eine Wirbelsäulenverkrümmung und war nicht skrupelloser als andere Mächtige vor und nach ihm. Nur vom Verdacht des doppelten Kindermordes konnte ihn bisher niemand zweifelsfrei entlasten. Oder − gibt es vielleicht doch noch einen anderen Verdächtigen?

Kapitel 6: Ein unkalkulierbares Risiko

Das Garn um den ungeklärten Kriminalfall lässt sich nämlich noch weiterspinnen. Nach Richards Tod bestieg Henry Tudor als Heinrich VII. den Thron, ließ sich am 30. Oktober 1485 krönen und nahm eine Dame namens Elizabeth, Herzogin von York, zur Gemahlin. Sie war die erstgeborene Tochter von König Eduard IV. und Elizabeth Woodville, also keine andere als die Schwester der auf mysteriöse Weise verschwundenen Prinzen!

Diese Ehe sollte Henrys auf dem Schlachtfeld gewonnenen Thronanspruch festigen: sowohl bei den Lancasters, mit denen er nur entfernt verwandt war, als auch beim Hause York, dem die Braut entstammte. Aber: War diese künftige Königin Elizabeth nicht ebenso wie ihre beiden Brüder für illegitim erklärt worden? Damit hätte die Ehe mit ihr wenig Nutzen gebracht, daher ließ Henry flugs den Parlamentsbeschluss von damals aufheben und alle drei Geschwister wieder zu legitimen königlichen Nachkommen erklären. Vermutlich wollte er damit die Erbansprüche seiner eigenen Kinder stärken, die er mit Elizabeth zeugen würde. Aber – sollte ihm dabei wirklich entgangen sein, dass auch die beiden Prinzen im Tower nun wieder rechtmäßigen Anspruch auf den Thron erheben könnten? Und sie standen in der Erbfolge vor Heinrich Tudor − und bislang hatte sie niemand offiziell für tot erklärt! Sie galten lediglich als vermisst − und sobald auch nur einer von ihnen wieder auftauchen und seinen höheren Thronanspruch geltend machen würde, dann wäre König Heinrich die Krone im Handumdrehen los! Oder ... wusste er, dass beide Knaben tatsächlich tot waren? Diese These ist stark umstritten. Aber nur wenige Jahre nach seiner Thronbesteigung schien es so, als würde er von den Geistern der Vergangenheit heimgesucht...

Zusammenfassung

  • Nach dem Tod von Edward IV. wurde dessen zwölfjähriger Sohn zum König Edward V. proklamiert. Richard, der jüngere Bruder des verstorbenen Königs, ließ den Jungen und dessen jüngeren Bruder in den Tower bringen – vorgeblich, um die offizielle Krönung vorzubereiten.

  • Auf mysteriöse Weise verschwanden die Prinzen spurlos. Statt Edwards V. ließ sich ihr Onkel als Richard III. zum neuen König von England krönen. Bereits die historische und auch die moderne Geschichtsschreibung verdächtigen ihn des Mordes an den Prinzen.

  • Richard III. regierte nur zwei Jahre lang. Die Anhänger der Lancasters unterstützten derweil einen Gegenkandidaten für den Königsthron: Henry Tudor. Er besiegte Richard III. in der Schlacht von Bosworth und bestieg als Heinrich VII. den Thron von England. 

  • Damit endete die Dynastie Plantagenet mit ihren beiden Nebenlinien York und Lancaster. Von nun an sollte das Haus Tudor über England herrschen.

  • Der posthume Ruf Richards III. ist ein Paradebeispiel dafür, dass Geschichte stets von den Siegern geschrieben wird. Unter der Tudor-Dynastie und insbesondere durch die Dichtung Shakespeares wurde Richard zum missgestalteten und abgrundtief bösen Monster stilisiert. Die moderne Geschichtsforschung hat vieles davon relativiert.

  • 2012 wurden bei Bauarbeiten an einem Parkplatz menschliche Gebeine ausgegraben, die sich bei ihrer Untersuchung durch Gen-Nachweis als diejenigen Richards III. erwiesen.

Teste dein Wissen im Quiz

  1. Welcher Dramatiker hat maßgeblich zum schlechten Nachruf des englischen Königs Richard III. beigetragen?
    1. A) Francis Bacon 
    2. B) William Shakespeare 
    3. C) Charles Dickens 
    4. D) Geoffrey Chaucer
  2. In welchem berühmten Gebäude brachte der spätere englische König Richard III. seinen Neffen Edward V. und dessen kleinen Bruder Richard Shrewsbury unter?
    1. A) Tower of London
    2. B) Schloss Leicester
    3. C) Buckingham Palace 
    4. D) Dorset Palace
  3. Welches Verbrechen soll der englische König Richard III. begangen haben?
    1. A) Diebstahl der Kronjuwelen
    2. B) Flucht vom Schlachtfeld
    3. C) Mord an den Prinzen im Tower
    4. D) Fälschung von personenbezogenen Daten 
  4. Bei welcher Ortschaft wurde 1485 die letzte große Schlacht der Rosenkriege ausgetragen?
    1. A) Towton
    2. B) Barnet
    3. C) Bosworth Field
    4. D) Ludlow
  5. Wann wurden nachweislich die Gebeine Richards III. gefunden, die bis dahin als verschollen galten?
    1. A) 2012 
    2. B) 1280
    3. C) 1674
    4. D) 2021
  6. Welche Blume trug das Haus York seit dem 14. Jahrhundert im Wappen?
    1. A) Eine rote Rose
    2. B) Eine weiße Lilie
    3. C) Ein rosa Buschwindröschen
    4. D) Eine weiße Rose

Richtige Antworten: 
1. B) William Shakespeare 
2. A) Tower of London 
3. C) Mord an den Prinzen im Tower
4. C) Bosworth Field
5. A) 2012 
6. D) Eine weiße Rose

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