Hungernde Menschen und horrende Staatsschulden. Im Jahre 1789 befand sich das absolutistisch regierte Frankreich in einem desolaten Zustand. In dieser Story erfährst du, wie der ebenso verschwenderische wie hilflose König Ludwig XVI. an neues Geld kommen wollte und welche unerwartete Wendung ein epochales Ereignis in der Geschichte Europas auslöste: die Französische Revolution.
Der Finanzminister hat die Einberufung der Generalstände wie versprochen durchgezogen. Aufbruchsstimmung liegt in der Luft. Rund 300 Abgeordnete jeweils für Klerus und Adel machen sich bereit. Mehr als 600 Abgeordnete jedoch darf der Dritte Stand entsenden. Was für ein Erfolg! Doch noch vor der Eröffnungsfeier kommt die erste große Enttäuschung. Der Affront. Wie im 18. Jahrhundert üblich, gibt es auch für die Eröffnung der Generalstände eine Kleiderordnung, an die man sich genauestens zu halten hat. Natürlich tragen die Angehörigen des ersten Standes die Gewänder, die ihrem geistlichen Amt und Rang entsprechen. Der Adel, sprich der zweite Stand darf sich schwarze Mäntel, mit Gold bestickte Westen, schwarzseidene Kniehosen und weiße Strümpfe genehmigen. Die adeligen Abgeordneten tragen weiße Federn an ihren Hüten, und ihre Knöpfe dürfen aus Gold sein. Doch der Dritte Stand? Er hat – so ist es in der Ständegesellschaft des Ancien Régime üblich – betont bescheiden aufzutreten: Weste und Hose aus schwarzem Tuch, ein kurzer Mantel, am Hut weder Schnüre noch Knöpfe. Selbst die Form der Krempe ist vorgeschrieben. Viele Abgeordnete sind empört. Sogar Finanzminister Necker empfindet diese Vorgabe des königlichen Zeremonienmeisters als schlechtes Vorzeichen. Er soll Recht behalten: Die Tage der Ständeordnung in Frankreich sind gezählt.
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Jetzt runterladen!Im gesamten Königreich brodelte es. Misswirtschaft und Missernten hatten den Brotpreis in die Höhe getrieben, immer mehr Menschen wurden arbeitslos und hungerten, doch Bürger und Bauern mussten die gesamte Steuerlast tragen, während teure Kriege wie der amerikanische Unabhängigkeitskrieg und der Siebenjährige Krieg sowie die Prunksucht des absolutistischen Hofes und der unersättliche Geldbedarf von Adel und Klerus auch noch die letzte Münze aus der Staatskasse verschlang. Frankreich drohte der Staatsbankrott. Gleichzeitig breiteten sich die Ideen der Aufklärung in ganz Europa aus und setzten sich in den Köpfen der Bevölkerung fest. Für den König wurde es so eng, dass er der Initiative seines Finanzministers folgte: Die Generalstände, eine Versammlung aus gewählten Vertretern der drei Stände, sollten ihm aus der Klemme helfen. Das hatte es seit 175 Jahren nicht gegeben. Glomm da etwa mitten im Absolutismus ein Funke Mitspracherecht der französischen Bevölkerung auf? Neu war, dass nun in jedem Wahlkreis jeweils zwei Abgeordnete für Klerus und Adel gewählt wurden, vier für den Dritten Stand. Doch auch die Abgeordneten des Dritten Standes mussten wohlhabend und gebildet sein. Anwälte, Fabrikanten, Richter, Bankiers füllten die Reihen. In der großen Versammlung der Generalstände würde also kein einziger Arbeiter oder Bauer sitzen. Wie ließ sich unter diesen Voraussetzungen eine bessere Versorgungslage oder gar eine gerechte Verfassung erreichen? Tatsächlich sammelten die Abgeordneten des Dritten Standes Beschwerdebriefe aus der Bevölkerung, die die unerträglichen Zustände im Land benannten. Dem König ging es freilich zuerst darum, möglichst schnell neue Steuerquellen anzuzapfen, um der Staatsverschuldung Herr zu werden.
Obwohl die für den 5. Mai 1789 anberaumte Versammlung nichts mit Demokratie im heutigen Sinne zu tun hatte, witterten engagierte Bürger ihre Chance: Erstmals konnte der Dritte Stand Adel und Klerus Paroli bieten und die Probleme aus den Wahlkreisen zur Sprache bringen. Unterdessen raffte der Hunger immer mehr Menschen dahin, die Proteste auf den Straßen wurden lauter, und ein jeder wartete gespannt auf die Ergebnisse der Abgeordnetenwahl. Der Adel würde seine 300 Sitze mit selbstbewussten Adligen besetzen und der Klerus einige hochrangige sowie zahlreiche niedrige Kirchenvertreter schicken. Mittlerweile sympathisierten zahlreiche Adelige und Geistliche mit dem Dritten Stand. Sogar innerhalb der Oberschicht hatte eine kleine Revolution stattgefunden. So waren viele Kirchengesandte weder Kardinäle noch Bischöfe, sondern einfache Dorfpfarrer, die der Landbevölkerung mit ihren Sorgen und Nöten nahestanden. Und ein Teil der adligen Abgeordneten waren Männer, die sich den bürgerlichen Händlern längst verbundener fühlten als ihren abgehobenen Kollegen am Königshof.
Am 5. Mai 1789 war es so weit: Die Generalstände versammelten sich im Schloss von Versailles. Der König betonte noch einmal die Wichtigkeit der Staatsfinanzen. Doch bald zeigte sich ein anderes Problem: Adel und Klerus wollten nach Ständen getrennt tagen, doch die Vertreter des Dritten Standes, allen voran Abbé Sièyes, bestanden auf einer gemeinsamen Beratung. Nur so könnten sie ihre Ziele erreichen. Mehrmals luden sie die privilegierten Stände ein, gemeinsam zu beraten. Kämen sie dem nicht nach, würde sich der Dritte Stand als alleinigen Vertreter der Nation verstehen. Tatsächlich kamen wenig später drei Gemeindepfarrer zu einer Sitzung des Dritten Standes! Eine Woche darauf beschlossen die Abgeordneten, sich als „Assemblée Nationale“, als Nationalversammlung auszurufen. Damit hatten sie die ständische Ordnung gesprengt. Die nationale Souveränität lag nun bei dieser Nationalversammlung. Und diese nahm sich prompt vor, ein neues Steuersystem einzuführen. Ihr großes Ziel war es indessen, eine Verfassung auszuarbeiten.
Und wie reagierte Ludwig XVI. auf den unerhörten Staatsstreich? Auf Anraten seines Finanzministers rief er eine Königliche Sitzung aller Abgeordneten ein, um zu retten, was zu retten war. Doch am Morgen des 20. Juni 1789 standen die Abgeordneten vor verschlossenen Türen! Angst und Empörung machten sich breit. Schnell fand man einen neuen Versammlungsort: den „Jeu de Paume“, eine Ballsporthalle für eine Art Tennisspiel. Hier gelobten alle Mitglieder der neu gegründeten Nationalversammlung, so lange zusammenzubleiben, bis das Land seine Verfassung hätte. Nur die Truppen des Königs würden sie jetzt noch auseinandertreiben können. Der gemeinschaftliche Eid ging als „Ballhausschwur“ in die Geschichte ein. Er gilt als Auftakt der Französischen Revolution.
Der Dritte Stand jubelte. Man schien es tatsächlich geschafft zu haben. Doch als im Juli 1789 königliche Truppen in Paris und Versailles zusammengezogen wurden, da schwante den Rebellen, dass sie einen gefährlichen Weg beschritten hatten.
Zusammenfassung
Um neue Steuerquellen anzapfen zu können, beschloss der französische König Ludwig XVI. die traditionellen Generalstände einzuberufen.
Bei der Wahl der Abgeordneten hatte der Dritte Stand von vornherein schlechte Karten. Zum einen wurde er in der Regel von den mächtigen beiden Ständen Klerus und Adel an den Rand gedrängt, zum anderen durften sich nur wohlhabende Bürger zur Wahl stellen.
Bei der Versammlungseröffnung am 5. Mai 1789 zeigte sich allerdings, dass Adel und Klerus ihre Macht nicht länger behaupten konnten. Wenige Wochen später gründeten die Vertreter des Dritten Standes die „Assemblée Nationale“, die Nationalversammlung; auch Geistliche und Adelige schlossen sich ihr an.
Am 20. Juni 1789 gelobten die Mitglieder der Nationalversammlung, erst auseinanderzugehen, wenn Frankreich eine gerechte Verfassung hätte. Der sogenannte Ballhausschwur markiert den Auftakt der Französischen Revolution.
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Richtige Antworten:
1. B) Ludwig XVI.
2. D) Gewählte Abgeordnete der drei Stände
3. A) Am 5. Mai 1789
4. B) Nationalversammlung
5. C) Verabschiedung einer Verfassung
6. A) „Ballhausschwur“
7. D) Nicht eher auseinanderzugehen, bis Frankreich eine neue Verfassung habe